Mir Senne hei's luschtig, mir Senne hei's schön...

                   

Seit Jahren gehen wir im Sommer und auch sonst bei jeder Gelegenheit auf die Alp "Stouffe", welche Werners Bruder gehört. Das Sennhüttli das dort steht wird "Stouffeli" genannt und wer uns kennt, dem ist dieses "Stouffeli" ein Begriff. 

         

Von Juni bis September (100 Tage) haben hier 28 "Guschti" (Rinder) das Gastrecht. Die Tiere werden von Familienangehörigen immer morgens und abends, jedesmal nach einem langen Aufstieg, betreut. Die Familie selber wohnt in der Rütegg und betreibt, nebst Landwirtschaft und einer Sägerei, während den Sommermonaten das kleinste Restaurant des Kantons Bern. In unseren Ferien und an den Wochenenden sind die "Guschti" aber fest in unserer Hand. Der Nettu gehört auch zur Rütegg, aber wenn wir von Bern kommen ist er der Erste der im Auto Platz nimmt und er weicht, solange wir anwesend sind, nicht von unserer Seite. Er ist uns eine grosse Hilfe, vorallem beim Zusammentreiben des Viehs.

                   

Ein wunderschöner Fleck Erde

Wieder zurück zum "Stouffeli". Ich kann Euch versichern, es ist ein Fleck unserer Erde, wie man ihn so schnell nicht wieder findet. Hier oben, am Fusse der sieben Hengste und des Sigriswilergrates, inmitten des Hochmoores, gehört uns die halbe Welt. Bei klarer Sicht sieht man den Niesen, die gesamte Stockhornkette, das Mittelland, Pulfer Ruedis Lisiberg, bis hin zum Jura, und manchmal sogar den Neuenburgersee. Wer es nicht glauben will, darf sich gerne selber überzeugen lassen (Die Türe öffnen wir gerne, falls ihr keine Hand mehr frei haben solltet *g*). Hier oben, inmitten der herrlichen Bergwelt, können wir Sauerstoff tanken und den Kopf "auslüften". Ohne Strom, fliessendes Wasser und ohne alle Stadt-Annehmlichkeiten können wir die Seelenbatterie ideal aufladen.

                   

Fast einsam

Menschen begegnen uns hier oben sehr selten. Der Grund liegt darin dass kein Auto bis zum "Stauffeli" fahren kann. Es besteht wohl ein Privatweg, den man im Sommer gegen eine Gebühr von fünf Franken benutzen darf. Er führt aber zum Schöriz-Egg. Bis zu uns gibt es einen Weg (fast überhängend!) den man in einer halben Stunde bewältigt.... und das mit Sack und Pack *uff* Wir transportieren alle Sachen, die wir benötigen, mit dem Rucksack. Für die Ferien müssen wir manchmal drei mal rauf und runter bis wir alles oben haben. Da hier oben keine (oder zumindest nur eine zweibeinige) Kuh lebt, müssen wir gezwungenermassen auch die Milch, Butter und den Käse hinauftragen.

                   

Begegnung mit Tieren

Anstelle von Menschen begegnen uns dafür Tiere. Hasen und Rehe gehören zum Alltag. Gemsen sind sehr häufig... Einmal waren es auf einen Schlag zwölf Stück. Auch ein Fuchs hat hier sein Zuhause und ein Luchs hat uns auch schon besucht. War das eine Aufregung! Inmitten der Guschti schlich er auf unser Hüttli zu. Luchse sind ja eigentlich menschenscheu und es gibt schon ein komisches Gefühl im Magen, wenn so ein Tier bis auf hundert Meter herankommt. Den Nettu haben wir eingeschlossen und Werner hat sicherheitshalber das Gewehr geladen. Glücklicherweise hat sich der Luchs aber nach einer Viertelstunde freiwillig in den nahegelegenen Wald abgesetzt.  Interessant ist es auch, hier oben eine Vielzahl von Vögeln zu beobachten. Eindrücklich ist immer wieder das "Spiel" des Auerhahns. Der Kuckuck ist fast wie ein Haustier. Da sich in der Umgebung auch sehr viele Schafe befinden, sieht man auch hie und da einen Adler seine Runden drehen. Die Bergmeisen haben sich unser Hüttli für ihren Nesterbau ausgesucht. Sie kommen jedes Jahr wieder, und es ist lustig, zuzuschauen, vorallem wenn sie ihren Jungen das Fliegen beibringen. Im und um das Hüttli haben wir übrigens noch andere Haustiere, zum Beispiel Fledermäuse, Maulwürfe und "niedliche" Hausmäuse. Ein Marder ist auch immer wieder da, aber ihn bemerken wir nur wenn wieder mal was von unseren Vorräten verschwunden ist.

                   

Wanderungen

Das "Stouffeli" ist auch ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen. Bis zur Sichel zum Beispiel ist man nur eineinviertel Stunden unterwegs. Auf diesem Weg begegnet man sogar Steinböcken. Mit etwas Glück kann man auch Murmeltiere sehen oder jedenfalls pfeifen hören. Wir waren aber auch schon sieben Stunden unterwegs, zum Schafloch und anschliessend zum Schäferhüttli auf dem Sigriswilergrat. Dort gibt es wunderbaren "Geiss-Chäs" und man kann ein Kaffee-Fertig trinken, das mit Regenwasser zubereitet wird. Die Ziegen lieben es, wenn Wanderer mit vollen Rucksäcken vorbei kommen.

Nachbarn

Wir haben hier oben auch prominente Nachbarn die man aber nur in einem halbstündigen Fussmarsch erreichen kann. Da ist zum Beispiel Grossrat Christian Oesch. Er ist der Senn im vorderen Schäriz. Bei ihm dürfen wir immer unser Auto parkieren, damit es nicht von den weidenden Tieren beschädigt werden kann. Von der Politik zum Volkstümlichen: Dummermuth Hans, ein Mitglied der "Jodlerfründe vo Stauffenalp" - er hirtet in der hinteren Hornegg - können wir ab und zu bei einem Jutz hören. Das wird jetzt wahrscheinlich öfters vorkommen, da sich die "Jodlerfründe" zurückgezogen haben. Unter den Nachbarn darf ich auf keinen Fall die "Steinige-Sennerin" Rösi vergessen. Sie ist über 80 Jahre alt und hat schon über 60 Alp-Sommer hinter sich. Rösi bewirtschaftet ihre grosse Alp allein mit einem jungen Knecht. Sie betreuen 78 Guschti (wir 28). Mit ihr haben wir seit Jahren  ein Abkommen. Sie ist eine der wenigen, die ein Telefon haben. Wenn nun während unseren Ferien zu Hause etwas nicht in Ordnung wäre, würde sie ein weisses Tuch vor dem Haus aufhängen, oder sich bei dichtem Neben mit einem selber präparierten Kuhhorn bemerkbar machen. Für uns wäre das ein Zeichen sofort bei ihr vorbeizugehen. Glücklicherweise haben wir bis jetzt diesen Notfall nie beanspruchen müssen.

                   

Naturmensch

Hier oben wird man, ob man nun will oder nicht, ein Naturmensch. Kein Coiffeur, keine teueren Kleider, Körperpflege mit kaltem Brunnenwasser, kochen auf dem Holzherd, bei jeder Witterung hinter dem Haus auf ein Loch sitzen, um allfällige Bedürfnisse zu erledigen. Wir beschäfigen uns mit Dingen, die uns in der Stadt kein Mensch zutrauen würde: Kräuter sammeln und selber Tinkturen ansetzen (zum Beispiel Arnika, Silbermänteli usw.) Wir haben auch ein schönes Steingärtli angepflanzt, alles mit einheimischen Bergblumen die wir selber gesucht haben. Hier oben ist auch ein Paradies für Pilzesammler...

                   

Alp-Weisheiten

Wir möchten zum Schluss ein paar Alp-Weisheiten von Rösi zitieren: Auch nach sechzig Alpsommern und trotz "tschädrige Chnöi" versuche sie vorwärtszuschauen. Sie sei "zfride mit däm wo me het" und wolle - "chömm was wöu" - vorausblicken, denn, "was hinger eim isch, isch gmääit".

An dieses letzte Zitat halten wir uns und können sehr gut leben damit.