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Auf
Spaniens Straßen findet derzeit ein tierisches Duell statt. Das
Autofahrern bestens bekannte Stier-Logo des Sherry-Produzenten Osborne
hat einen ernst zu nehmenden Herausforderer bekommen.
Ursprünglich war die Figur des Kampfstieres nur das Logo eines berühmten
spanischen Herstellers von Sherry und Weinbrand. Aber viele Spanier
sehen in der schwarzen Stier-Silhouette längst so etwas wie ein
nationales Wahrzeichen ihres Landes. Zahllose Autofahrer führen den
Osborne-Stier an Stelle des Nationalitätenkennzeichens auf den Hecks
ihrer Wagen.
Für die Katalanen ist der Stier Symbol des alten zentralistischen
Spaniens
Beinahe über Nacht hat der Stier nun Konkurrenz bekommen: den
katalanischen Esel. In Katalonien, der wirtschaftsstärksten Region
Spaniens, gilt der "toro" als der Ausdruck eines aggressiven spanischen
Zentralismus. Viele Katalanen betrachten den Stier als ein Symbol des
alten Spaniens, das der Region im Nordosten des Landes keine Autonomie
gewähren wollte.
Sie verhalfen jetzt dem Esel - als Anti-Stier - zu einem
durchschlagenden Erfolg. Die von zwei Designern entwickelte Figur des
Eselchens mit dem weißen Flecken auf der Nase wurde zu einem
beispiellosen Renner. In Städten wie Barcelona oder Gerona erscheint der
Esel als Aufkleber auf Tausenden von Autos, er ziert Badetücher und
T-Shirts. "Dies ist eine ironische und zugleich zivilisierte Antwort auf
das kraftmeierische Geprotze der Spanier", sagt der Soziologe Salvador
Giner von der Universität Barcelona.
Dass die Katalanen ausgerechnet den - als langsam und störrisch
verrufenen - Esel für sich entdeckten, hat seine Gründe. Die aus ihrer
Region stammende Art ist größer als die Esel in anderen Teilen der Welt.
Der katalanische Riesenesel, wie die Art genannt wird, ist schlanker und
temperamentvoller als seine Verwandten. Vor mehreren Jahrhunderten hatte
sogar das Militär in den USA Esel aus Katalonien importiert.
Katalanischer Esel vom Aussterben bedroht
Heute ist die Rasse vom Aussterben bedroht. Weltweit leben weniger als
300 reinrassige katalanische Esel. Die Tierschützer mögen sich jedoch
nicht so recht über die Esel- und Anti-Stier-Kampagne freuen. "Unser
Esel ist für sich schon wichtig genug. Man sollte ihn nicht zum Gegner
des Stieres aufbauen", meint Antoni Valentí, Gründer einer Initiative
für den Erhalt der Rasse.
Spaniens Politiker debattierten darüber, ob die Katalanen auf ihren
Autos neben dem Nationalitätenkennzeichen "E" (für España) künftig auch
ein "CAT" (für Catalunya) tragen sollen. Die Bevölkerung interessiert
dies relativ wenig. Die Katalanen, so scheint es, haben sich in einer
spontanen Bewegung für den Esel entschieden.
Mit diesem Symbol sind sie in prominenter Gesellschaft. Die
Demokratische Partei in den USA hat bereits seit über 100 Jahren den
Esel als Maskottchen. Allerdings muss dieser es nicht mit einem
Kampfstier aufnehmen - sondern mit dem Elefanten der Republikaner.
Quelle:
stern.de
/ von Hubert Kahl, DPA / 18. Oktober 2004 |