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Quelle: www.sport-magazin.ch/
Kein zweiter Klub vereint
Schönheit und Erfolg so perfekt in seinem Spiel wie der
FC Barcelona. Sie haben Ronaldinho. Sie haben Deco. Sie
haben die beste Nachwuchsförderung der Welt. Und sie
haben einen neuen Messias. Eine Reportagereise zum
aufregendsten Verein unserer Zeit.
Text: Oliver Lück Fotos: Sebastian Vollmert
Hoch oben, auf den obersten Rängen des mächtigen Estadi
del Futbol Club Barcelona, dem Camp Nou, wo die
Zuschauer zu Vögeln werden, knallt der Reporter von
Radio Catalunya mit der flachen Hand auf den Tisch. Tief
unten auf dem Rasen, wo Fussballspieler zu Göttern
werden, ist gerade ein Wunder passiert. «Uno, dos, tres,
cuatro, cinco, seis», zählt er vorsichtshalber noch
einmal nach. Doch sein Blick verrät: Er traut seinen
eigenen Worten und Augen nicht.
An diesem Abend ist das grösste
Stadion Europas etwa zur Hälfte gefüllt. Nur 54 000
Zuschauer wollen das Halbfinalhinspiel der Copa del Rey,
des spanischen Pokals, zwischen dem FC Barcelona und dem
Madrider Vorstadtklub FC Getafe sehen. 54 000, die nun
um Fassung ringen. Denn sie sehen viel mehr als nur ein
Fussballspiel, sie sehen, wie ein 19-jähriger
Argentinier, 1,69 Meter, keine 70 Kilo schwer, eines der
unglaublichsten Tore der Geschichte schiesst. Es gibt
Fussballer, die muss man nur einmal spielen sehen und
wird sie nie wieder vergessen. Lionel Messi ist so
einer. Dann bricht es aus dem Radiomann heraus: «Dieser
Junge ist nicht echt. Er ist ein Ausserirdischer!»
Messi, der Galaktische
Man muss nichts vom Fussball
verstehen, um zu begreifen: Dieser Junge stammt nicht
bloss von einem anderen Planeten. Er muss von weiter her
kommen, aus einem anderen Sonnensystem. Es läuft die 29.
Minute, als Messi in der eigenen Hälfte den Ball bekommt
und die ersten beiden Gegenspieler aussteigen lässt.
«Uno, dos!» Selbst mit Ball ist er schneller als die
anderen. Seine langen Haare wehen wie ein
Kometenschweif, als er unaufhaltbar in Richtung Tor
stürmt.
Zwei Tage zuvor hält der Klub tief
unten im Bauch des Camp Nou die tägliche Pressekonferenz
ab. Meist zwei der Spieler setzen sich aufs Podium und
beantworten die Fragen. Heute warten 60 Journalisten und
ein Dutzend Kameras. Sie wissen nicht, welche Spieler
kommen werden. Einige schliessen Wetten ab, wer es heute
sein wird. Ronaldinho bestimmt nicht. Er hat nicht
mittrainiert. Fieber, heisst es offiziell. Der Reporter
der täglichen Sportzeitung «Marca» will nachgezählt
haben, dass Barças Nummer zehn in dieser Saison zum 81.
Mal das Training ausfallen liess. «Hat geregnet»,
scherzt ein anderer.
Es wird schlagartig ruhig. Juliano
Belletti, der brasilianische Rechtsverteidiger, kommt
herein, setzt sich an das Mikrofon und guckt in die
Runde. Er ist dreimal zu sehen, der echte Belletti auf
dem Podium und der Fernseh-Belletti, vergrössert auf
zwei Monitoren. «Fragen?», raunzt der Pressesprecher.
«Wie geht es Ronaldinho? Wird er spielen können?»
Belletti verdreht die Augen: «Fragen Sie ihn doch
selbst! Woher soll ich das wissen?»
Oft müssen die Spieler mehr Fragen zu
Ronaldinho beantworten als zu anderen Dingen. Sie müssen
sich vorkommen wie Statisten. Selbst wenn Ronaldinho
nicht da ist, ist er allgegenwärtig, dominiert die
Titelseiten der grossen Sportzeitungen. «Més que un club»,
steht in geschwungener Schrift hinter Belletti an der
Wand. Das Motto des FC Barcelona mit seinen über 150 000
Mitgliedern und über 1600 Fanklubs könnte kaum
treffender sein: Barça ist «mehr als ein Klub», es ist
ein einziges Spektakel.
Übergrosse Spieler
Am nächsten Tag ist um elf Uhr
Training. La Masía, der Übungsplatz am Stadion, liegt
etwas erhöht, so dass man hinter dem Maschendrahtzaun
die Übungen auf Höhe der Grasnarbe verfolgen muss. Fans
und Journalisten werden zu Fröschen. Die Spieler wirken
noch grösser, noch stärker, noch unantastbarer. Selbst
ein Messi ist nun 2,40 Meter gross. Der Isländer Eidur
Gudjohnsen, der Spanier Xavi und der Brasilianer
Edmilson sind an diesem Tag die Ersten. Als hätten sie
sich abgesprochen, verziehen sie die Gesichter, strecken
die Hände nach vorne, den Blick zum Himmel. Es nieselt.
Nach und nach trudeln die Spieler aus
den Katakomben ein. Deco, Lionel Messi, Andrés Iniesta,
Gianluca Zambrotta, Lilian Thuram, Carles Puyol, Rafael
Márquez, Javier Saviola. Dann Trainer Frank Rijkaard und
sein Assistent Johan Neeskens. Es folgt das Ritual, das
es auf jedem Fussballplatz der Welt zu Beginn eines
Trainings gibt, ob in den Schweizer Amateurligen oder in
der Primera División beim FC Barcelona. Ein Kreis von
Spielern passt sich auf engstem Raum den Ball zu, jeder
hat nur einen Kontakt. Zwei Spieler in der Mitte sind
die Dummen, die den Ball kriegen müssen. Bei uns heisst
das Spiel «5 gegen 2», in Barcelona nennen sie es
«Rondo». Es ist der Moment, wenn Fussballprofis zu
Kindern werden. Gejohle wie auf einem Schulhof, jede der
Ballberührungen wird laut mitgezählt. Der Franzose
Ludovic Giuly tunnelt den Portugiesen Deco. Wildes
Geschrei. Samuel Eto’o, der Kameruner, kommt 15 Minuten
zu spät. Ronaldinho kommt gar nicht. «Der Regen», ruft
einer der Journalisten. Andere lachen.
Lächeln und schweigen
Nach einer knappen Stunde ist das
Training vorbei. Am Rande des Übungsplatzes warten rund
300 Fans und Touristen. Sie rufen die Namen der Spieler,
halten Autogrammhefte und Poster in den Händen, haben
die Filzstifte bereits aufgeschraubt. Das Autogramm ist
die Verbindung zwischen Star und Fan. Auch wenn diese
Begegnung nur Sekunden dauert, hütet so mancher das
Stück Papier für den Rest seines Lebens.
Der Italiener Gianluca Zambrotta malt
ein Gewirr aus Bögen und Strichen. Der Holländer
Giovanni van Bronckhorst schreibt einfach «Gio» und die
Nummer 20, seine Rückennummer, wie es viele Spieler
mittlerweile tun. «Geht schneller», sagt er und ist in
der Kabine verschwunden. Zwei junge Fans strahlen und
pusten die Schrift trocken. Auch Lionel Messi erfüllt
geduldig jeden Autogrammwunsch, lächelt brav in jedes
Fotohandy. Ein Interview mag er nicht geben. Er redet
nicht gerne. Der sprechende Messi wirkt lange nicht so
atemberaubend wie der stürmende. Er spricht derart
leise, als wäre jedes seiner Worte voll von
Geheimnissen, die nicht von Dritten gehört werden
dürfen. «Mir ist kalt, bitte nur eine Frage.» Auf dem
kurzen Weg vom Trainingsplatz zur Umkleidekabine bleibt
nicht viel Zeit. Nur eine Frage. «Wann wollen Sie ein
Interview geben?» Ein Lächeln wie für die Fotohandys.
Keine Antwort. Weg ist er. In den Katakomben.
Am Haupteingang des Camp Nou
wiederholen sich Tag für Tag die Ereignisse. Täglich
bildet sich eine Schlange, die bis zum Abend in Bewegung
bleibt. 1,5 Millionen Besucher im Jahr lassen sich für
elf Euro durch das Stadion führen. Im Vereinsmuseum
bestaunen sie die Trophäen, die in Vitrinen unter
Designerleuchten lagern, wie Bilder von Dalí oder Miró.
Draussen vor dem Stadion stellen
Wachleute in blauen Uniformen gegen Mittag gelbe
Absperrgitter auf. Das Zeichen für die Fans, dass ihre
Idole nun bald in ihren noblen Karossen nach Hause
fahren werden. Eine italienische Familie aus Turin deckt
sich an einem der Fanartikelstände mit blau-granatrot
gestreiften Trikots ein. Vater, Mutter und Tochter haben
sich bereits ein Ronaldinho-Shirt übergezogen. Die Söhne
streiten darum, wer von beiden Messi sein darf. «Nimm du
auch Ronaldinho.» – «Nein du!» Am Ende sind sie beide
Messi. Und alle fünf tragen das Unicef-Logo auf ihren
neuen Jerseys.
Seit der Klub im vergangenen Jahr
erstmals in der 108-jährigen Klubgeschichte mit einer
eisernen Tradition gebrochen und die bis dato blanke
Trikotbrust mit Werbung versehen hat, kommen täglich
viele Hunderte humanitäre Botschafter hinzu. Barça
verzichtet damit nicht nur auf einen Millionendeal, da
es für diese Werbezwecke keinen Cent verlangt; im
Gegenteil: Der Verein spendet Unicef auf fünf Jahre
gesehen sogar 1,5 Millionen Euro jährlich dafür.
Mittlerweile haben sich rund 500
Schaulustige versammelt, die den Spielern beim
Nachhausefahren zusehen wollen. Sie stehen Spalier,
Fotoapparate griffbereit. Jedes Mal Aufregung, wenn
wieder ein Auto die Tiefgarage verlässt. Auch wenn die
Fussballergesichter hinter dunkel getönten Scheiben alle
gleich aussehen, glaubt jeder Ronaldinho erkannt zu
haben.
Verfolgung von Messi
Als Messi in seinem wuchtigen
Geländewagen das Stadiongelände verlässt, kommt das Taxi
gerade recht. «Folgen Sie dem Wagen bitte!» Dem
Taxifahrer scheint dies schon häufiger passiert zu sein:
«Welcher Spieler ist es denn?» – «Messi.» – «Oooooh
Messi!», ruft er, «unser Juwel!» Messi fährt langsam.
Wir können dranbleiben. «Was wollen Sie von ihm? Ein
Autogramm?» – «Ein Interview.» Der Taxifahrer nickt,
«das wollen viele». Nach nur wenigen Minuten aber ist
der Plan fehlgeschlagen. Messi fährt bei dunkelgelb über
eine Ampel. Unser Taxi bleibt bei rot stehen. Der Mann
am Steuer zuckt mit den Achseln. So müssen sich Messis
Gegenspieler fühlen, wenn er sie wieder einmal
ausgetrickst und einfach stehen gelassen hat.
Nimmt man die breite Ausfallstrasse
nach Nordwesten, vorbei an der Universität und
Bürogebäuden, tauchen nach fünf Kilometern über 20
Flutlichtmasten den Vorort Sant Joan Despí in ein kaltes
Licht. Gleich neben der Autobahn nach Saragossa, in der
Peripherie der 1,6-Millionen-Stadt, hat sich der Klub
für 68 Millionen Euro das neue Ausbildungszentrum La
Ciudad Deportiva gebaut. Fünf Rasen- und vier
Kunstrasenplätze.
Das Gebäude, das neben einer
Sporthalle auch Umkleide- und Fitnessräume sowie Büros
beherbergt, sieht aus, als hätten es
Architekturstudenten für ihresgleichen entworfen. Viel
Stahl, viel Beton, viel Glas. Das ist nicht schön, aber
funktional. Unbefugten und Hunden ist der Zutritt
verboten. Hier implantieren 40 Trainer dem Nachwuchs,
über 200 Kindern und Jugendlichen, seit knapp einem Jahr
das Barça-Gen: endloser Kombinationsfussball, betontes
Flügelspiel, frühzeitiges Pressing.
Schon die Kleinsten spielen im stets
offensiv ausgerichteten System der Profis mit
Viererabwehrkette, drei Mittelfeldspielern und drei
Angreifern. Kaum eine Übung ohne Ball. Der Klub, 18-mal
spanischer Meister und 24-mal Pokalsieger, vermittelt
seinem Nachwuchs in jedem Moment das Gefühl, besonders
zu sein. Jeder Spieler hat sein eigenes Fach, in dem
frisch gewaschene Trainingskluft bereit liegt. Auch
Spiele der Elf- bis Zwölfjährigen werden live für die 55
000 Abonnenten des Vereinssenders Barça-TV übertragen.
Das überschwängliche Umarmen nach Toren, das lässige
Winken ins Publikum, die Interviews danach gehören auch
in der D-Jugend zum Alltag.
Den vollständigen Artikel finden
Sie im Sportmagazin Juli/August 2007
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"Der
kleine Finger Gottes"
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Quelle: Das Magazin Ohne ihn ist
die Champions League nur eine Liga: Barcelonas Lionel
Messi, 20 Jahre jung, 1,69 Meter klein, überragt sie
alle. Über sich redet er nicht gern. Hier tut er es
trotzdem.
25.04.2008 von
Oliver Lück
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Es gibt nur wenige Momente, in denen Lionel Messi seine
Füsse still halten kann. Auch jetzt nicht, als er in
Jeans, dunkelblauer Trainingsjacke und schwarzen
Badelatschen in einer VIP-Loge des ehrwürdigen Camp Nou,
dem Stadion des FC Barcelona, in einem braunen
Ledersessel sitzt. Während sein Oberkörper fast
bewegungslos verharrt und er mit ruhiger Stimme
antwortet, scheint seine untere Hälfte einem anderen
Menschen zu gehören. Er schlägt die Beine übereinander.
Zunächst das rechte über das linke, dann das linke über
das rechte. Und wieder das rechte über das linke. Immer
wieder zieht er die Badelatschen an und aus. So geht es
das ganze Interview. Während er oben redet, er Sätze
sagt wie «Nichts ist schrecklicher, als zu verlieren»,
erzählen seine Füsse unten eine andere Geschichte.
Latschen an und wieder aus.
Es ist die Geschichte der Zweiteilung des Lionel Messi.
Oben die Gelassenheit eines erfahrenen Profis, unten die
nervöse Spielfreude eines Schuljungen. Die Wahrheit ist,
dass er beides ist: ein Profi mit dem Spieltrieb eines
Kindes. Und in Zeiten, da die Grenzen zwischen
Sportheld, Popstar und Sexsymbol verschwimmen, bleibt
Lionel Messi das, was er am liebsten ist: ein
Fussballer. Nicht irgendeiner, da ist sich die
Fussballwelt längst einig. Lionel Messi ist der neue
Fussballgott.
In der Mannschaft des FC Barcelona, die mit Ronaldinho,
Deco, Samuel Eto’o oder Thierry Henry einen Überschuss
an Strahlkraft besitzt, bringt Messi es fertig, dass ihm
die grösste Aufmerksamkeit gebührt. Er ist das
Erfrischendste, was der Fussball zurzeit zu bieten hat.
«Wir haben einen neuen Maradona», singen argentinische
Journalisten regelmässig Lobeshymnen, wenn Lionel Messi
wieder einmal in der argentinischen Nationalelf
brilliert. «Ich habe einen Erben», sagt der einst beste
Fussballer der Welt, Diego Maradona, es sei nicht
normal, dass ein Spieler in diesem Alter auf einem
derart hohen Niveau spiele. Niemand auf der Welt zeige
eine solche Entwicklung. Und Messis Trainer, der
Holländer Frank Rijkaard, schwärmt: «Einen Spieler mit
derartigen Fähigkeiten habe ich noch nie gesehen. Er ist
nicht der neue Maradona. Er ist einzigartig. Er ist
Messi.»
Seine plötzlichen Richtungswechsel in höchstem Tempo.
Seine fast magisch erscheinende enge Ballführung. Sein
präzises Passspiel, als hätten seine Füsse Finger, die
jeden seiner Pässe dirigierten. Sein explosiver Antritt.
Bei Lionel Messi geht alles nicht schnell, es geht
furchtbar schnell. Er spielt in Übergeschwindigkeit. Wo
andere einen Schritt machen, macht er drei. Bewegungen,
die regelmässig auch seine Gegenspieler überfordern, die
ihn meist nur mit Fouls zu bremsen wissen. «Es ist okay,
wenn sie mich foulen», sagt er, und es klingt fast so,
als hätte er Mitleid mit seinen Widersachern. Das
Himmelstor
Es gibt ein Video, das den fünfjährigen Leo auf einem
Bolzplatz seiner Heimatstadt Rosario zeigt. Er ist der
Kleinste unter den Kleinen, läuft aber dennoch allen mit
dem Ball am Fuss davon und erzielt Tor um Tor. «Keiner
konnte ihn stoppen», sagt sein Vater Jorge, «im Grunde
spielt er heute noch wie damals: immer Richtung Tor.
Manchmal», gesteht er und schüttelt ungläubig den Kopf,
«habe ich geglaubt, mein Sohn ist ein Ausserirdischer.»
Was an jenem kühlen Aprilabend im vergangenen Jahr
gewiss viele gedacht haben müssen, die das
Halbfinalhinspiel der Copa del Rey, des spanischen
Pokals, zwischen dem FC Barcelona und dem Madrider
Vorstadtklub FC Getafe sahen. 54 000 offene Münder. 54
000, die um Fassung rangen. Sie sahen, wie ein
19-Jähriger eines der unglaublichsten Tore der
Geschichte schoss. Es gibt Fussballer, die muss man nur
einmal spielen sehen und wird sie nie wieder vergessen.
Lionel Messi ist so einer der ganz wenigen, die mit
ihrer atemberaubenden Spielweise dem Fussball etwas
Neues, noch nie Dagewesenes geben.
Wie an jenem Abend im April: Es läuft die 29. Minute,
als Messi in der eigenen Hälfte den Ball bekommt und die
ersten beiden Gegenspieler aussteigen lässt. Selbst mit
Ball ist er schneller als die anderen. Seine langen
Haare wehen wie ein Kometenschweif, als er mit
unfassbarem Tempo in Richtung Tor stürmt. Die nächsten
beiden Statisten warten an der Strafraumgrenze, er sieht
sie nur flüchtig, als sie an ihm vorbei ins Leere
grätschen oder umfallen, weil sie die Balance verlieren.
Auch den Goalie umkurvt er und lupft den Ball über den
sechsten Verteidiger aus spitzem Winkel ins Tor zum 2:0.
Ein Tor wie eine Erleuchtung. Dreizehn Ballberührungen,
über welche die Welt auch in Jahrzehnten noch reden
wird. Man muss nichts von Fussball verstehen, um zu
begreifen: Dieser Junge stammt nicht bloss von einem
anderen Fussballplaneten. Er muss von weiter her kommen,
aus einem eigenen Sonnensystem.
Lionel Messi, woran erinnern Sie sich, wenn
Sie an dieses Tor denken?
Es war ein wunderschönes Tor, und ich weiss nicht, ob
mir so etwas noch ein zweites Mal gelingen wird. Davon
zehre ich noch immer, denn so etwas vergisst man sein
ganzes Leben nicht mehr. Als ich die ersten beiden
Gegenspieler hinter mir gelassen hatte, sah ich, dass
ich eine Menge Platz im Mittelfeld hatte. Also rannte
ich mit dem Ball einfach weiter, so wie ich es immer
tue. Ich dachte an nichts, ausser an ein Tor natürlich.
Das klingt einfach.
So war es aber. Auf dem Platz denke ich nie, ich spiele.
Zum Denken habe ich gar keine Zeit. Ich entscheide alles
von Moment zu Moment.
Das Tor ähnelt verblüffend dem Sololauf von
Diego Armando Maradona beim Viertelfinaltriumph
Argentiniens gegen England bei der Weltmeisterschaft
1986.
Erst nach dem Spiel, als mich Reporter und
Mannschaftskollegen darauf ansprachen, wurde mir die
Ähnlichkeit bewusst. Ich hatte es aber sicher nicht
darauf angelegt, das Solo von Maradona zu kopieren. Tore
kann man nicht kopieren.
Seit Jahren werden Sie mit Maradona
verglichen. Stört Sie das?
Nein, natürlich nicht, das ist eine grosse Ehre für
mich. In Argentinien ist er für jeden Fussballer das
Vorbild schlechthin. Ich habe ihn oft getroffen und viel
von ihm gelernt. Er ist der Grösste.
Messi redet nicht gern. Er spricht derart leise, als
wäre jedes seiner Worte voll von Geheimnissen, die nicht
von Dritten gehört werden dürfen. Er nuschelt und
verschluckt dabei die Hälfte seiner eh schon kurzen
Sätze. Dennoch beantwortet er höflich jede Frage. Er
erzählt, wie er mit 13 Jahren gemeinsam mit seinen drei
Geschwistern und den Eltern vor der argentinischen
Wirtschaftskrise flüchtete und nach Barcelona zog. Wie
fremd und verloren er sich ohne seine Freunde fühlte.
«Meine Eltern wollten in Spanien arbeiten», sagt er,
«und ich war krank.» Eine hormonell bedingte Krankheit
behinderte sein Wachstum, er mass gerade mal 1,46 Meter.
Die Medizin kostete 900 Dollar im Monat, doch seine
Familie hatte das Geld nicht. Und kein argentinischer
Klub wollte für die ärztliche Behandlung aufkommen.
«Also versuchten wir unser Glück in Barcelona.» In nur
einem Probetraining überzeugte er die Trainer und
erhielt einen Vertrag. Lionel Messi zog in die
Jugendakademie des Klubs. Und das Medikament, das er
sich zwei Jahre lang jede Nacht injizierte, wirkte. Er
wuchs, jeden Monat einen Zentimeter. Fortan sollte es
rasant nach oben gehen für den Teenager.
In einer Vierzimmerwohnung in Barcelonas Vorort
Esplugues de Llobregat schiebt Rodolf Borrell Gläser und
Wasserflaschen auf dem Wohnzimmertisch hin und her. Er
erklärt Spielzüge und Laufwege, spricht dabei viel mit
seinen riesigen Händen. Jedes seiner Worte klingt wie
fett gedruckt, als halte er gerade die Teamansprache vor
dem wichtigsten Spiel der Karriere. Seit dreizehn Jahren
ist Borrell Nachwuchstrainer beim FC Barcelona. «Ein
Traumjob», sagt der 37-Jährige und zwinkert mit dem
Auge, «nur vier Stunden am Tag arbeiten.» Er hat sie
alle gross werden sehen, die heutigen Superstars: Andrés
Iniesta, Xavi, Oleguer, Víctor Valdés, Carles Puyol und
auch Messi. Borrell war sein erster Trainer bei Barça.
Da war Messi 13. Was er dachte, als er ihn das erste Mal
spielen sah? Borrell zeigt den kleinen Finger seiner
rechten Hand. «Ich dachte, oh ist der dünn, ist der
klein!»
Schaut ihm in die Augen
Aus einem Schuhkarton kramt er einen Stapel Fotos
hervor. Auf einem hält Messi einen riesigen Pokal in den
Händen. Auf einem anderen steht er Arm in Arm mit Cesc
Fàbregas und Gerard Piqué, beide heute Profis beim FC
Arsenal und bei Manchester United. Auf den vielen
Mannschaftsfotos kniet oder sitzt der Argentinier immer
ganz vorn in der ersten Reihe. Das ist heute noch so. So
fällt es weniger auf, dass er viel kleiner ist als die
anderen. «Seine fehlende Grösse hat er durch seine
brillante Technik und seinen Willen wettgemacht», weiss
Rodolf Borrell, «er hatte schon immer diese
Entschlossenheit, es schaffen zu wollen. Ich habe es in
seinen Augen gesehen.»
Am nächsten Tag spielt Barças Reserveteam in der vierten
spanischen Liga gegen den AEC Manlleu im Mini Estadi,
dem kleinen Stadion des FC Barcelona gleich neben dem
Camp Nou. Regelmässig, wenn die Profis hier trainieren,
treffen sich auf den Balkonen der benachbarten
Hochhäuser die Bewohner, um Ronaldinho, Messi und den
anderen Stars bei der Arbeit zuzusehen. Einer der
exklusivsten Blicke der Stadt im Mietpreis inbegriffen.
Heute steht niemand auf den Balkons. Im 15 000 Zuschauer
fassenden Rund verlieren sich gerade mal fünfhundert
Interessierte. Unter ihnen Víctor Vázquez: drei Tage
nicht rasiert, sicher 1,90 Meter gross, das Gel glänzt
in seinen schwarzen Haaren. Eigentlich sollte der
21-Jährige auch auf dem Platz sein, wo seine
Teamkollegen heute 4:2 gewinnen werden. Doch er ist
verletzt, Muskelzerrung, er hat es sich auf einem der
klapprigen Plastiksitze gemütlich gemacht. Drei Jahre
spielten sie Seite an Seite in Barças Jugendteam. Víctor
Vázquez zentral, Leo Messi links im Angriff. Zu Beginn,
erinnert sich Vázquez, habe Leo kein Wort gesprochen. Er
kam in die Umkleidekabine, setzte sich schüchtern in
eine Ecke, zog sich um und lief zum Trainingsplatz. Das
ging Monate so. Zwar habe man sich später gut
verstanden, «doch wenn wir anderen abends ausgingen oder
ins Kino wollten, blieb Leo lieber zu Hause. Der
interessierte sich nur für Fussball, und der Ball
gehorchte ihm schon damals wie ein Hund.» Einmal, sie
spielten im spanischen Pokalfinale gegen den
Stadtrivalen Espanyol, musste Messi eine Gesichtsmaske
tragen, da er sich das Jochbein gebrochen hatte. «Nach
wenigen Minuten lief Leo zur Aussenlinie und bat unseren
Trainer, die Maske für zehn Minuten absetzen zu dürfen,
er konnte nichts sehen», erinnert sich Vázquez, «zehn
Minuten später hatte er zwei Tore geschossen, und der
Trainer konnte ihn auswechseln.» Barça gewann 3:0.
«Leo ist der Wahnsinn», sagt Víctor Vázquez, «seine
Leistungen sind damals explodiert. In nur einem Jahr hat
er drei Mannschaften übersprungen.» Was bloss drei Jahre
zurückliegt, klingt bei Fussballern oft wie eine
Erinnerung an eine fremde Zeit. «Wir waren die besten
Freunde im Team», spricht Víctor Vázquez auf der Tribüne
mehr zu sich selbst. Leo habe ihn nicht vergessen,
betont er. So oft er könne, besuche der neue Weltstar,
der einst sein Mitspieler war, die Spiele der B-Elf. Und
sie nennen ihn heute noch «Enano», den Zwerg, verrät
Vázquez, «Leo ruft dann immer: ‹Ich warte auf euch im
grossen Stadion.›»
Der FC Barcelona hatte immer gewusst, dass er einen
kommenden Star in seinen Reihen hat. Wie gut Messi
wirklich ist, hatte bis zum Sommer 2005 allerdings
niemand geahnt. Bei der WM der unter 20-Jährigen in den
Niederlanden entschied er alleine das Finale gegen
Nigeria. Mit zwei Penaltys schoss er Argentinien zum 2:1
und zum WM-Titel. Er wurde bester Torschütze und zum
besten Spieler des Turniers gewählt. Mit 18. Barças
Sportdirektor Txiki Beguiristain reiste noch während des
Turniers nach Holland, um den Vertrag aufzubessern,
bevor andere Vereine lukrativere Offerten machen
konnten. Nun haben die Katalanen den Argentinier, der
inzwischen auch einen spanischen Pass besitzt, bis 2014
an sich gebunden und die Ablösesumme auf ein Mass wie
bei Ronaldinho festgeschrieben: 150 Millionen Euro. Sein
Jahressalär wurde von 150 000 Euro auf angebliche 4,4
Millionen korrigiert.
Nach dem Training warten am Rand des Platzes Fans und
Touristen. Kinder rufen die Namen der Spieler und
möchten Autogramme. Junge Frauen kreischen und möchten
Kinder von den Spielern. Lionel Messi erfüllt geduldig
jeden Wunsch der Autogrammsammler, lächelt brav in jedes
Fotohandy, nimmt Kinder in den Arm. Ronaldinho kommt
vorbei, nimmt Messi in den Arm und zeigt sein
Hasenlächeln. Fotoapparate klicken. «Ronaldinho, eine
Frage bitte: Ist Messi ein Ausserirdischer?» Der
Brasilianer: «Auf dem Fussballplatz ist er ein Monster.
Ich bin glücklich, mit ihm in einem Team zu sein. Er ist
mein kleiner Bruder.» Ronaldinho verschwindet in den
Katakomben. Anfangs, als sein kleiner Bruder noch keinen
Führerschein hatte, holte er ihn manchmal zum Training
ab oder ging mit ihm zum Coiffeur. Er sorgte auch dafür,
dass er in der Umkleidekabine von Beginn an neben ihm
sass. Etwas, das sonst nur Spielern vorbehalten ist, die
schon länger im Team sind.
Lionel Messi, Sie bekommen viele Angebote von
anderen Spitzenklubs. Wann verlassen Sie den FC
Barcelona?
Daran denke ich wirklich nicht. Dem FC Barcelona
verdanke ich alles, ich werde noch lange lange bei Barça
spielen, vielleicht sogar meine Karriere hier beenden.
Der Klub und die Stadt sind mein Zuhause. Ich bin
glücklich, so, wie es ist.
Sie sind erst 20, haben Sie manchmal Angst,
dass alles zu schnell für Sie geht?
Manchmal habe ich mich auf dem Trainingsplatz
umgeschaut, all die Stars gesehen und gedacht, ich bin
im Märchen. Wirklich Gedanken habe ich mir darüber aber
nie gemacht. Nein, Angst habe ich keine. Das ist aber
schon immer so gewesen: Je grösser der Druck, umso
besser habe ich gespielt. Und das ist es, was ich
möchte: einfach Fussball spielen und jeden Augenblick
geniessen, den ich mit den anderen auf dem Platz stehen
darf.
Ronaldinho hat Sie von Beginn an gefördert.
Ja, ich nehme jeden seiner Ratschläge sehr ernst. Er und
Deco unterstützen mich, wo sie können. Ronaldinho ist
mehr als bloss ein Mannschaftskollege, er ist ein echter
Freund. Seit einiger Zeit sind wir auch Nachbarn. Wir
verbringen häufig unsere Freizeit zusammen.
Gibt es etwas, das Sie seit Ihrem Ruhm
vermissen?
Ich möchte mehr schlafen können. Früher habe ich sicher
zehn Stunden jede Nacht geschlafen und noch eine am Tag.
Das geht heute nicht mehr, da ich neben dem Training
viel mehr Termine mit den Medien und den Sponsoren habe.
Vorn am Haupteingang zum Stadion deckt sich eine
italienische Familie aus Turin an einem der
Fanartikelstände mit blau-granatrot gestreiften Trikots
ein. Vater, Mutter und Tochter haben sich bereits ein
Ronaldinho-Shirt übergezogen. Die Söhne streiten darum,
wer von beiden Messi sein darf. «Nimm du auch
Ronaldinho.» – «Nein du!» Am Ende sind sie beide Messi.
Auch im Fanartikelstore am Camp Nou, gross wie ein
Kaufhaus, wo sich die Fans die Namen der Spieler auf ein
Trikot ihrer Wahl drucken lassen können, ist das Jersey
mit der Nummer 19 der absolute Renner. «Messi führt vor
Ronaldinho und Henry», sagt einer der Verkäufer. «Er
liegt mit grossem Abstand auf Platz eins.» Lionel Messi
gehört längst zu den wenigen Fussballprofis der Welt,
die nicht selten zwei Trikots pro Spiel benötigen. Denn
auch die Akteure des Gegners haben sein Jersey als
Hauptgewinn ausgemacht. Eines tauscht er in der
Halbzeitpause, das andere nach dem Schlusspfiff. Es
kommt auch vor, dass Spieler sich sein Trikot bereits
vor dem Anpfiff sichern wollen. Ob ihm das peinlich ist?
«Manchmal schon», sagt er, «ich muss zugeben, dass der
ganze Rummel um meine Person nicht mein Fall ist. Es
gibt ja sogar schon eine Biografie über mich.» Das Buch
heisst «Barças Schatz» und ist in ganz Barcelona
ausverkauft.
Dennoch ist Lionel Messi bescheiden geblieben. Bis vor
eineinhalb Jahren wohnte er in derselben kleinen
Wohnung, in die er zu Beginn mit seiner Familie gezogen
war. Sie liegt keine hundert Meter vom Stadion und den
Trainingsplätzen entfernt. Doch irgendwann wurden die
Fans zu aufdringlich. «Ich konnte nicht mehr vor die Tür
gehen», erzählt Messi. Nun lebt er in einer Villa in
Castelldefels, einem Badeort dreissig Kilometer südlich
der Stadt. Ronaldinho ist sein Nachbar. Oft verbringen
sie die freien Nachmittage zusammen am Swimmingpool oder
am Strand. Am liebsten aber spielen sie gemeinsam
Fussball – mit der Playstation. Er spiele immer den FC
Barcelona und sich selbst, sagt Messi. Immer? Nein,
manchmal tauschen sie die Rollen. Er spielt Ronaldinho
und Ronaldinho spielt Messi. Und wie ist es, Ronaldinho
zu sein? «Lustig», sagt er und streicht seine langen
Haare hinter die Ohren, wie er es in jedem Spiel
Dutzende Male tut, «ich spiele aber lieber mich selbst.
Das kann ich am besten.» Leo Messi blickt durch das
grosse Panoramafenster der Loge in das menschenleere
Stadion. 100 000 freie Plätze. «Ohne Zuschauer könnte
ich nicht spielen. Das wäre viel zu langweilig.» Seine
Füsse schubbern heftig über den edlen Teppichboden, als
er das sagt.
5. Juli 2007, Neue Zürcher Zeitung
Erfolgreiches Geschäftsmodell des FC Barcelona
Von Helmut Dietl und Egon Franck*Der FC
Barcelona ist einer der bekanntesten und
traditionsreichsten Fussballklubs der Welt. 1992 und
2006 gewannen die Spanier die Champions League,
insgesamt 18 Mal die nationale Meisterschaft. Der
Klub ist nicht nur im Fussball, sondern auch in
anderen Sportarten wie etwa im Basketball und vor
allem im Handball Weltspitze. Mit über 150 000
Mitgliedern ist der FC Barcelona zudem einer der
grössten Vereine überhaupt. Seine Anhänger sind
weltweit in über 1800 Fanklubs organisiert.
Erstaunlicherweise konnte der FC Barcelona in nur
drei Jahren von 2002/2003 bis 2005/2006 seine
Einnahmen von 123 auf 259 Millionen Euro mehr als
verdoppeln, derweil das Flaggschiff des englischen
Fussballs, Manchester United, im selben Zeitraum
eine leichte Verschlechterung von 251 auf 242
Millionen Euro hinzunehmen hatte.
Der Schlüssel zu dieser Entwicklung des FC
Barcelona liegt in seinem Geschäftsmodell, das im
internationalen Profisport einmalig ist. Das Motto
«Mehr als ein Klub» hat eine vielfältige Bedeutung.
Für Katalonien symbolisiert der Verein Heimat und
Freiheit, für viele spanische Intellektuelle steht
er für Demokratie und Solidarität. Im globalen
Wettbewerb versucht der Sportverein dieses Image
durch soziales Engagement auszuweiten und zu
vertiefen. Beispielsweise hat sich der Klub
verpflichtet, in den nächsten fünf Jahren jährlich
1,5 Millionen Euro an das Kinderhilfswerk Unicef zu
überweisen. Unter dem Motto «Mehr als ein Klub: eine
neue Hoffnung für Kinder weltweit» stellen die
Spanier zudem die Werbefläche auf ihren Trikots
Unicef kostenfrei zur Verfügung, statt sie wie ihre
Konkurrenten an den meistbietenden Sponsor zu
verkaufen. Auch auf sportlicher Ebene hat das
Geschäftsmodell klare Konturen. Der FC Barcelona
steht für attraktiven Angriffsfussball auf höchstem
technischem Niveau. Selbst wenn das Team in Führung
liegt, setzt es nie auf Defensivtaktik. In der
Personalpolitik verfolgt man das Ziel, die besten
Angriffsfussballer der Welt in jungen Jahren zu
verpflichten und nie wieder abzugeben.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der
Profifussball zu einer globalen Unterhaltungsbranche
entwickelt. In diesem Wettbewerbsumfeld können sich
maximal sechs bis zehn Klubs als globale Marken
durchsetzen. Da die europäischen Märkte weitgehend
gesättigt sind, kämpfen die Fussballvereine derzeit
vor allem um die asiatischen und amerikanischen
Märkte. Für viele junge Asiaten und Amerikaner ist
das besondere Geschäftsmodell des FC Barcelona
attraktiv. Sie können sich nämlich mit
Offensivfussball, weltbekannten Starangreifern,
Demokratie, Solidarität und Unicef auch über
räumliche Grenzen hinweg bestens identifizieren.
Ganz entscheidend für diese Identifikation ist dabei
die Glaubwürdigkeit des Geschäftsmodells. In diesem
Zusammenhang kommt der Rechtsform besondere
Bedeutung zu. Der FC Barcelona ist noch immer als
gemeinnütziger Verein organisiert. Der Klub gehört
den Mitgliedern, den Fans. In einer Zeit, in der
viele Klubs in Kapitalgesellschaften umgewandelt und
von Milliardären übernommen werden, bietet die
Rechtsform des gemeinnützigen Vereins einen
wichtigen strategischen Wettbewerbsvorteil. Anders
als bei Kapitalgesellschaften gibt es nämlich
innerhalb eines Vereins keine Gewinnaneignungs- und
Veräusserungsrechte. Oberste Maxime eines
Sportvereins ist nicht die Gewinnerzielung, sondern
die Verfolgung sportlicher Ziele. Mitglieder, Fans
und Sponsoren des FC Barcelona können also sicher
sein, dass alle erzielten Erträge dem Sport zugute
kommen. Demgegenüber müssen etwa die Anhänger und
Sponsoren von Manchester United befürchten, dass die
Eigentümer in erster Linie Profitziele verfolgen.
Das rasante Umsatzwachstum des FC Barcelona an
seinen englischen Konkurrenten vorbei deutet darauf
hin, dass Fans und Sponsoren vielleicht doch lieber
den Fussball und Unicef unterstützen als
US-amerikanische Milliardäre. Anhänger und Sponsoren
des FC Barcelona müssen auch nicht befürchten, dass
ihr Klub und damit ihre Träume, Leidenschaften und
Investitionen verkauft oder gar umgesiedelt werden.
Vereine sind weder börsennotiert noch anderweitig
käuflich erwerbbar. Sie werden nach demokratischen
Prinzipien und nicht nach kapitalistischen
Interessen geführt.
* Helmut Dietl und Egon Franck sind ordentliche
Professoren an der wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Zürich. Beide
beschäftigen sich seit Jahren unter anderem mit
ökonomischen Fragen des Sports.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online
unter:
http://www.nzz.ch/hintergrund/dossiers/sport_oekonomie_und_medizin/sport_und_oekonomie/erfolgreiches_geschaeftsmodell_des_fc_barcelona_1.517758.html
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Der FC
Barcelona entthront Manchester United
Im einseitigen Champions-League-Final von Rom besiegte der
spanische Meister Barcelona den chancenlosen englischen
Titelhalter Manchester United.
smw / Quelle: Si
/ Mittwoch, 27. Mai 2009 / 22:40 h
Samuel Eto´o (10.) nach einem Dribbling und Lionel Messi (70.)
mit einem Kopfball verlängerten mit ihren Treffern die
spanischen Festivitäten auf der internationalen Bühne. Ein Jahr
nach dem EM-Titel stemmte Captain Carles Puyol die nächste
Trophäe in die Höhe. Minuten vor ihm empfing der fehlerlose
Schweizer Top-Schiedsrichter Massimo Busacca eine Medaille der
UEFA. Der Tessiner empfahl sich mit seiner Leistung für einen
weiteren Höhepunkt seiner Referee-Laufbahn -- für den WM-Final.
Auf dem Rasen fehlte (fast) keine Grösse der europäischen
Fussball-Glamourszene. Vom Gipfeltreffen der womöglich weltweit
teuersten Equipen erhofften sich die Gourmets viel. Ein
gigantisches Spektakel bekam das Römer Publikum nicht geboten.
Der astronomisch hohe Druck schränkte vor allem die Stars von
Manchester zu sehr ein. Nach 25 Champions-League-Spielen ohne
Niederlage riss die fabelhafte Serie der United. Ausgerechnet im
bedeutendsten Moment der brillanten Saison erfüllte sie ihre
eigenen hohen Ansprüche nicht mehr. In seiner Verzeiflung liess
Alex Ferguson ab der 66. Minute mit vier Stürmern angreifen.
Aber auch der letzte Schachzug des «Sirs» bewirkte nichts. Im
Gegenteil: Ausgerechnet Lionel Messi, der mit 1,69 m kleinste
Akteur auf dem Feld, verwertete eine Flanke von Xavi per Kopf
zum 2:0. Mit seinem neunten Treffer raubte der Topskorer der
Champions League Manchester endgültig die Chance, als erste
Mannschaft den Titel erfolgreich zu verteidigen. Barça hat die
Prominenz aus England im Klassiker gedemütigt. Die spielstärkste
und defensiv am besten organisierte Mannschaft aller Top-Ligen
führte Manchester an die Grenzen. Mit dem Team der katalanischen
Ikone Pep Guardiola (38), die erst vor einem Jahr die B-Auswahl
des FCB zum Aufstieg geführt hatte, kann momentan kein anderes
Schwergewicht mithalten.
Vidic und ManU ausgetrickst
Barças Abwehr war wegen Sperren und Verletzungen diverser
Titulare kaum mehr erkennbar -- zumindest auf dem Papier.
Orientierungsprobleme bekundete die Reihe um Captain Carles
Puyol nur in den ersten zehn Minuten. Cristiano Ronaldo sorgte
mit einem scharfen Freistoss für Unruhe. Mit zwei weiteren
Schüssen verfehlte der Portugiese das Ziel nur um Zentimeter.
Den ersten kapitalen Fehler leistete sich aber nicht die
umformierte Defensive der Katalanen, sondern ManU-Verteidiger
Nemanja Vidic. Der Serbe liess sich von Eto´o klassisch
austricksen und verschuldete den Rückstand erheblich mit. Vor
seinem 33. Saisontor traf der Kameruner auf allzu geringen
Widerstand. Eine einzige starke Aktion genügte den Spaniern
bereits zum kursweisenden Vorteil. Die Briten hingegen liessen
sich vom ersten Rückschlag völlig verunsichern. Künstler
Cristiano Ronaldo verlegte den Zauberstab nach zwei, drei
Highlights früh -- und fand ihn nicht mehr. Andere Leaderfiguren
der Mancunians gestikulierten schon in der ersten Hälfte nur
noch.
Matte Engländer
Teuflisch rot sind die Original-Shirts von Manchester. Im Final
traten die Engländer wegen der blau-roten Farbe des FCB in Weiss
an. Sie strahlten nicht im ungewohnten Dress, die Engländer
wirkten eher matt. Ihre Qualitäten, ihr möglicher Speed kam
nicht zur Geltung. Zu smart gruppierte sich Barça, das vor dem
phasenweise ratlosen Titelhalter ein regelrechtes Netz
aufspannte. In der Pause reagierte Alex Ferguson. Der
schottische Chef-Stratege ersetzte den zu defensiven Anderson
durch Carlos Tevez.
Mit
dem wilden Gaucho wollte er das Offensivspiel befeuern. Es blieb
bei der Absichtserklärung. ManU kam in Rom nie auf Touren.
Ausgerechnet im wichtigsten Spiel der Saison erreichte kaum ein
Akteur sein normales Level. Nach 53 Minuten beanspruchte das mit
Abstand beste Team der Premier League gar grosses Glück, nicht
früher noch deutlicher in Rückstand zu geraten. Xavi setzte
einen Freistossball an den Pfosten. Im Vorfeld hatten weltweit
fast alle Experten darüber spekuliert, ob Messi oder Cristiano
Ronaldo die letzte relevante Frage im Klub-Fussball würde. Die
Nummer 10 der Katalanen beantwortete sie 20 Minuten vor dem Ende
mit seinem herrlichen Kopfball. An der FIFA-Gala im letzten
Januar musste der legitime Nachfolger Maradonas dem
extravaganten Portugiesen den Vortritt überlassen, nun stellte
er im Olimpico den «Weltfussballer des Jahres» in den Schatten.
FC Barcelona - Manchester United 2:0 (1:0)
Olimpico, Rom. -- 67'000 Zuschauer (ausverkauft). -- SR Busacca.
-- Tore: 10. Eto'o 1:0. 70. Messi 2:0. FC Barcelona: Valdes;
Puyol, Yaya Touré, Piqué, Sylvinho; Xavi, Busquets, Iniesta (93.
Rodriguez); Messi, Eto'o, Henry (72. Keita). Manchester United:
Van der Sar; O'Shea, Ferdinand, Vidic, Evra; Anderson (46. Tevez),
Carrick, Giggs (75. Scholes); Park (66. Berbatov), Ronaldo,
Rooney. Bemerkungen: FC Barcelona ohne Alves, Abidal (beide
gesperrt), Marquez, Milito (beide verletzt), Manchester United
ohne Fletcher (gesperrt), Brown, Hargreaves (beide verletzt).
53. Freistoss von Xavi an den Pfosten. Verwarnungen: 16. Piqué
(Foul), 78. Ronaldo (Unsportlichkeit), 80. Scholes, 93. Vidic
(beide Foul).
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«Eine
Mannschaft für die Geschichte»
fest / Quelle: Si
/ Donnerstag, 28. Mai 2009 / 16:02 h
Für die englischen Zeitungen kam die Niederlage von Manchester
United einer Schmach gleich, die Anerkennung für die starke
Leistung des siegreichen FC Barcelona blieb aber nicht aus.
«Barcelona hat jede Diskussion um die derzeit beste Mannschaft
der Welt sehr überzeugend beendet», schrieb die «Times»
stellvertretend.
Spanien Marca (Madrid):
«Diese Mannschaft ist ein Kunstwerk. Der ganze Planet verneigt
sich vor der besten Mannschaft der Welt. Perfect Team! Dieses
Barça ist eine der besten Mannschaften der Geschichte.»
AS (Madrid):
«Triple! Der spanische Fussball bestätigt seine Übermacht. Ja,
die Perfektion existiert. Platz da für Leo Messi, den neuen
König.»
El Mundo Deportivo (Barcelona):
«Die Kaiser von Europa. Die Ewige Stadt war die perfekte Bühne,
um Barça als Kaiser von Europa zu krönen. König Messi berührt
den Himmel von Rom.»
Sport (Barcelona):
«Der Traum vom Triple ist wahr geworden. Barça, Barça, Barça!!!
Veni, Barça, vici. Dies ist eine legendäre Mannschaft. In 20
Jahren, in einem halben Jahrhundert, wird man immer noch von ihr
sprechen.»
El Mundo:
«Eine Mannschaft für die Geschichte. Ein legendärer Meister.
Dieses Barça ist das Allergrösste!»
El Pais:
«Barça erobert den Gipfel. Guardiolas Team krönt seine beste
Saison und entthront Manchester mit elegantem Fussball.»
England The Sun:
«United wurde vom spanischen Giganten niedergemetzelt, Messi
gewann das Duell gegen Ronaldo. Der kleine Messi hat Uniteds
Champions-League-Traum zerstört - per Kopf! Messi eroberte Rom
dank einer taktischen Meisterleistung von Guardiola. Daumen
runter für Fergies Flops. Barça liess United wie leblose Statuen
an der Strasse zum Olympia-Stadion aussehen. Heil dir, Xavi!
Heil dir, kleiner Cäsar! Heil dir, Barcelona!»
The Times:
«Ein niedergeschlagenes United verlässt Rom in Trümmern. Ronaldo
und Co. werden auf schockierende Art blossgestellt. Es war eines
der einseitigsten Endspiele, an die man sich erinnern kann.
Barcelona hat jede Diskussion um die derzeit beste Mannschaft
der Welt sehr überzeugend beendet.»
The Guardian:
«United bricht ohne einen Kampf zusammen. Messi geht aus dem
Zusammentreffen der Gladiatoren als Champion hervor. Messi, der
in seiner Jugend noch Wachstumshormone benötigt hatte, gab
United den Gnadenstoss. Und Fergusons Elend wird noch schlimmer,
weil Ronaldo seine Zukunft im Unklaren lässt.»
The Independent:
«United steht der Mittelfeld-Herrschaft von Iniesta atemlos
gegenüber. Barcelona Europas Champions zu nennen wird ihnen
nicht gerecht: Sie sind die Champions des Fussballs. Die Krone
gehört Guardiola. Und die neutrale Fussball-Welt muss hoffen,
dass das noch eine Weile so bleibt. Der englische Meister wurde
nicht geschlagen, er wurde ausgezogen und deklassiert vom
schönsten Team des Fussballs.»
Daily Mail:
«Erniedrigt! Der kleine Messi erhebt sich über das trostlose
United. Nennt es einfach den Kopf Gottes! Barça verspottet
Fergies Männer.
Es gibt nur einen Klub, der sich derzeit zu Recht der beste der
Welt nennen darf, und nur einen Spieler, der das Prädikat ´der
Beste der Welt´ verdient: Barcelona und Lionel Messi sind auf
dem Gipfel. Manchester kommt da leider nicht mit.»
Daily Mirror:
«United wird von Barça deklassiert. Manchester hat verloren, und
das auch verdient. United wurde nicht geschlagen, sondern
verhauen. Zu Brei geprügelt, besinnungslos geschlagen, so
verdroschen, dass der Schmerz und die Qual nie vergessen werden.
Es tat beim blossen Zuschauen weh. Und selbst Fergie konnte sich
dem Schicksal dieses Mal nicht mehr in den Weg stellen.»
Daily Telegraph:
«Guardiola ist der neue ´Special One´. Er hat sicher genug
getan, um José Mourinhos Krone zu erben. Die taktische
Meisterleistung von Guardiola und Messis sensationelles
Kopfballtor bringen den Katalanen den Sieg. United hat Messi das
erlaubt, was er am besten kann: Abwehrreihen terrorisieren.
Ronaldo macht die Taktik für die Niederlage verantwortlich.»
Italien Gazzetta dello Sport:
«Fantabarca, Barcelona der Wunder. Mit dem schnellen Spiel
dominiert Barça das Mittelfeld - und das ist das Geheimnis
seines Erfolges. Messi und Iniesta sind wahre Giganten. Nach dem
1:0 bleibt Guardiolas Mannschaft einzige Herrscherin des
Spielfelds. Manchester ist im Vergleich zum vergangenen Jahr
nicht wiederzuerkennen. Die ´Roten Teufel´ sind zu Engeln
geworden, die schon zu Spielbeginn zu gutmütig sind, um die
Gegner zu besiegen.»
Schweiz Blick:
«Barça ist nicht nur Messi. Das Tiki-Taka-Trio von Barcelona um
den Superzwirbel zerlegt Manchester in seine Einzelteile. Messi,
Iniesta und Xavi - das beste Mittelfeld der Welt - macht mit den
Briten, was es will. Ja, die Zwerge treiben die Engländer
richtiggehend zur Weissglut. (...) ManU hätte wohl auch nur eine
Audienz bei Gottes Stellvertreter helfen können.»
NZZ:
«Schön bis zuallerletzt. Der FC Barcelona prägt den
Champions-League-Final mit Kunst und Leichtigkeit. (...) Im
Zentrum hatte Xavi hundert Einfälle, einem Gegner den Ball
abzuluchsen, und diesen danach auf eine Reise zu schicken, die
lange, sehr lange dauern konnte. Man wünschte sich, die
Champions League 2008/09 nähme nie ein Ende.»
Tages-Anzeiger:
«Es war ein grossartiger Final. Der Match nahm Fahrt auf wie
vorgestellt in den schönen Träumen. (...) Mit der Führung war
der FC Barcelona eine neue Mannschaft. Er lancierte sein
aufsässiges, unangenehmes, effizientes Pressing. Er hatte im
Spiel nach vorne mehr Überraschung, mehr Tempo, mehr
Unberechenbarkeit, mehr Finesse.»
Neue Luzerner Zeitung:
«Guardiola krönt sich in Rom zum Fussball-König. Er hat Sir Alex
Ferguson, einer lebenden Legende, den Meister gezeigt. Und er
hat ihn davon abgehalten, mit Bob Paisley gleichzuziehen. (...)
Barcelona hatte nun (nach dem 1:0) das nötige Selbstvertrauen,
um sein Kurzpassspiel aufziehen zu können. (...) Sie feierten
einen Triumph, der auch ein Sieg der Ästhetik war.»
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Guardiola -
der majestätische Manager
Gleich in seinem ersten Trainerjahr machte sich
Barcelona-Trainer Josep Guardiola (38) am Mittwochabend im Römer
Olimpico unsterblich. Erstmals gewann ein spanischer Verein im
gleichen Jahr das nationale Double und Europas Königsklasse.
smw / Quelle: Si
/ Donnerstag, 28. Mai 2009 / 21:53 h
Doch der zurückhaltende Katalane blieb auch im absoluten Triumph
bescheiden: «Wir sind nicht das beste Team der Geschichte, aber
wir haben die beste Saison der Geschichte gespielt.» Der
drittjüngste Meistercup-Gewinner in der 54-jährigen Historie des
Wettbewerbs war sich Minuten nach dem grossen Erfolg aber noch
nicht bewusst, was er mit dem souveränen 2:0-Sieg über
Titelverteidiger Manchester United gleich bei seinem
Trainerdebüt erreicht hatte. «Was soll ich sagen? Ich bin sehr
glücklich. Ich muss das hier alles noch verarbeiten.» Für die
Wertung der aussergewöhnlichen Leistung seines Jungtrainers war
dann am späten Abend aber Barça-Präsident Joan Laporta
zuständig: «Pep hat in dem einen Jahr ein geniales Team geformt.
Der Spielstil hat Wurzeln in der Philosophie von Johan Cruyff,
aber genauso hat er etwas Neues geschaffen.» Laporta ist
glücklich, bei der Verpflichtung des Nachfolgers von Frank
Rijkaard vor einem Jahr offensichtlich den richtigen Entscheid
getroffen zu haben: «Wir haben einen Trainer, der das Team
majestätisch managt, mit grosser Qualität und viel Talent.»
Zum Musterprofi geformt
Von Cruyff war Guardiola als 19-Jähriger zum intelligenten
Spielgestalter vor der Abwehr und zum Musterprofi geformt
worden. Der Holländer freute sich am Mittwoch nun aber auch,
dass sein ehemaliger Schüler seine Spielideologie adaptiert hat.
Cruyff dämpfte dann aber die allseits herrschende Euphorie,
indem er bereits in die Zukunft blickte. Nun kämpfe Barcelona
gegen den Fluch des Titelverteidigers. Sowohl in der Primera
Division und im Cup, als auch in der Champions League, wo es
noch keine Mannschaft geschafft hat, zweimal in Folge zu
gewinnen. «Diese Barça-Mannschaft entzückt jeden, der sie sieht.
Aber nächstes Jahr startet wieder jeder bei Null und der gesamte
Mechanismus beginnt von vorne. Es wird ein schwieriges Jahr.»
Ideologie von Cruyff
Guardiola hat seiner Mannschaft einen Stil verpasst, der die
ganze Welt begeistert und am Mittwoch mit Sir Alex Ferguson
selbst den erfolgreichsten Klubtrainer weltweit vor unlösbare
Rätsel stellte.
Die Ideologie des schönen Fussballs setzte sich durch, wie schon
vor einem Jahr, als Spanien in Wien den EM-Titel mit
Zauberfussball gewann. Barça exerzierte das, was Cruyff
Guardiola vor vielen Jahren noch und noch gepredigt hatte. «Wenn
du den Ball einmal berührst, spielst du sehr gut. Wenn du ihn
zweimal berührst, spielst du mittelmässig. Wenn du ihn dreimal
berührst, spielst du schlecht.» Barcelona gewann seinen dritten
Titel in der Königsklasse in jenem Stadion, wo sein Trainer bis
2003 als Spieler der AS Roma tätig war. «Es freut mich enorm,
die Champions League hier in Rom zu feiern. In Rom und in
Brescia habe ich als Fussballer eine wunderbare Zeit erlebt. Die
Erfahrung in Italien war fantastisch.»
Widmung für Maldini
Dennoch überraschte am Mittwoch Guardiolas euphorisierte
Antwort, wem er diesen Sieg widmen möchte: «Ich widme ihn Paolo
Maldini. Er verdient es, weil er für uns alle ein Beispiel ist.
Maldini ist der beste europäische Spieler der letzten 20 Jahre.
Ganz Europa mag ihn. Ich hoffe, dass Maldini seine Karriere doch
noch fortsetzt und zu uns nach Barcelona wechselt.»
Wenn Lionel Messi seine
Geschichte zeichnet, dann malt er sich als Kind in
einem Dickicht voller langer Beine. Dass er den
athletisch gewordenen Fussball dominieren kann, ist
erstaunlich.
fcl. ⋅ «Ich rede durch den Ball», hat Lionel
Messi in einem Interview einmal gesagt. Und was
Messi am Dienstag im Camp Nou auf seine eigene Weise
zu erzählen hatte, war so etwas wie ein Manifest des
Fussballs. Er erzielte gegen Arsenal vier Tore und
raste wie ein tiefergelegtes Sportauto über den
Rasen, ganz nahe am Boden. Aber seine Füsse müssen
nicht nur schnell, sondern auch sensibel sein, sonst
kann man nicht solche Treffer erzielen.
Ein spezielles Röntgenbild
Das Publikum erhob sich von den Sitzen, sang
seinen Namen und staunte, obwohl es Messi schon so
oft für den FC Barcelona hat spielen sehen. Immer
gehorchte der Ball seinen Füssen. Der ehemalige
argentinische Nationalcoach Carlos Bilardo hatte
einmal gesagt, wenn man Messi röntgen würde, könne
man auf der Aufnahme vermutlich ein rundes Ding
erkennen, das an seinem linken Fuss befestigt sei.
Ein medizinisches Phänomen ist Messi tatsächlich.
Messi ist bald 23 Jahre alt und offiziell 1 Meter 69
gross, aber er sieht eher noch kleiner aus. Und es
war ein langer Kampf um jeden einzelnen Zentimeter.
Messi wuchs in Rosario auf, einer Industriestadt
250 Kilometer nördlich von Buenos Aires. Seine
Grossmutter hatte ihn im Alter von fünf Jahren zum
lokalen Klub Grandoli gebracht, und der dortige
Trainer hatte Angst, ihn spielen zu lassen, weil er
so zerbrechlich aussah. Der Coach stellte Messi nahe
der Seitenlinie auf, damit sich die Grossmutter um
ihn hätte kümmern können, falls ihm etwas
zugestossen wäre und er zu weinen begonnen hätte.
Das geschah nie. Doch im Alter von etwa zehn Jahren
hörte Messi auf, grösser zu werden, die
Wachstumshormone versagten.
Messi benötigte eine Hormonbehandlung, doch die
war teuer. 500 Euro kostete eine Spritze, und Messi
brauchte sie am Anfang jeden Tag. Die Eltern konnten
sich diese Heilbehandlung nicht leisten. Der Vater
war Fabrikarbeiter, die Mutter putzte in
Teilzeitarbeit. Messi war 13 Jahre alt, als sich die
Familie entschloss, der Wirtschaftskrise
Argentiniens zu entfliehen und nach Barcelona
überzusiedeln. 1 Meter 40 war Messi damals gross.
Eine Papierserviette veränderte sein Leben. Fünfzehn
Tage war er im Trainingslager Barcelonas, dann soll
Messi seinen Namen auf diese Serviette geschrieben
haben. Das mag eine Legende sein, aber fortan
spielte er für Barça, das die Kosten seiner
Behandlung übernahm. Als 17-Jähriger debütierte er
im A-Team.
Es gibt diese Zeichnung, die eine Agentur Messi
für eine Werbung einmal malen liess. Sie sollte
seine Geschichte zeigen. Und Messi zeichnete sich
als kleines Kind in einem Dickicht voller langer
Beine. So sieht sich Messi immer noch, er ist ein
Floh, so nennen sie ihn. Und das Erstaunlichste ist,
dass er sich in dieser athletischen Fussballwelt mit
dem kindlichen Körperbau durchsetzen kann. Einmal
hat Messi eine perfekte Kopie jenes Tores erzielt,
das Maradona an der WM 1986 gelang, als dieser über
das halbe Feld lief und die gesamte englische Abwehr
ausdribbelte. Das war schon damals aussergewöhnlich,
Maradonas Treffer wurde zum «Tor des Jahrhunderts»
gewählt. Aber dass eine solche Selbstinszenierung in
der Neuzeit des Fussballs immer noch möglich ist,
überrascht fast noch mehr.
Kein Pop-Star, aber steinreich
Die Geschichte ist voller Menschen, die ihre
Kleinwüchsigkeit mit übergrossen Egos kompensieren.
Messi gehört nicht dazu. Er lieferte dem Boulevard
keine Negativschlagzeilen, er ist kein Pop-Star und
fast erschreckend diskret. Das mögen sie bei Barça,
auf gutes Benehmen legen sie in der
Nachwuchs-Akademie La Masia Wert. «France Football»
hat Messi zum bestverdienenden Fussballer des Jahres
2009 ausgerufen: 33 Millionen Euro soll er verdient
haben. Sein Vertrag mit Barcelona wurde bis 2016
verlängert; dort ist eine Ablösesumme von 250
Millionen Euro festgeschrieben. Damit ist er
faktisch unverkäuflich.
Fussballgott, Messias und eiliger Geist
Von Ian Hawkey, Barcelona* Aktualisiert am
11.06.2010
Lionel Messi ist die
Dreifaltigkeit auf dem Rasen, der ab heute die
Welt bedeutet. Der Stürmerstar von Barcelona
soll Argentinien zum Weltmeister machen.
Ein Frühlingsabend im Stadion Camp Nou: Die
Flutlichter lassen den Halbfinal der Copa del
Rey zwischen Barcelona und Getafe erstrahlen. In
einer der Kommentatorenboxen verfolgt Joaquim
Maria Puyal das Spiel für Radio Catalunya. Seine
Augen verschieben sich zur Mittellinie, als
Barcelona den Ball zurückgewinnt: «Deco zu Xavi,
Xavi zu Messi. Messi, Messi, Messi und weiter
Messi, Messi, Messi.» Bis Puyal begeistert «Goal
– Goal – Goal!» skandiert, hat er 18-mal
ununterbrochen «Messi» gesagt, um das
Vorpreschen von Lionel «Leo» Messi über 60 Meter
Rasen hinweg und an sechs gegnerischen Spielern
vorbei zu beschreiben.
Messi - Arsenal 4:1
Das Goal – «das Goal des Jahrhunderts», wie
es die Zeitungen in Barcelona nennen – ist
wahrscheinlich das meistbewunderte auf Youtube
von den insgesamt 127 Goals, die Messi für den
FC Barcelona geschossen hat. Manchmal
glichen seine Tore schon fast Echos. Der Slalom,
den er in der eigenen Spielhälfte begann und in
den Strafraum von Getafe führte, auf eine
Position knapp neben der rechten Seitenlinie,
erinnerte an ein noch berühmteres Goal, das sein
Landsmann Diego Maradona im WM-Viertelfinal
gegen England vor 24 Jahren in Mexiko geschossen
hatte. Darum wurde sein Goal zum Beweis
genommen, dass der Fussball einen modernen
Maradona gefunden hat, einen Spieler, der so gut
ist, wie Maradona es in den 80er-Jahren war, so
gut wie Johan Cruyff und Franz Beckenbauer in
den 70ern und vergleichbar mit dem, was Pelé für
den Fussball in den 60er-Jahren war und Alfredo
di Stefano in den 50ern.
Messi war 19, als er das viel gepriesene Solo
gegen Getafe zeigte. Er wird 23, wenn er jetzt
mit der argentinischen Nationalmannschaft, die
von Maradona gecoacht wird, an seiner zweiten
Weltmeisterschaft teilnimmt. Er gilt als der
herausragendste Spielers der letzten zwei Jahre.
Vergangenes Jahr gewann er mit Barcelona die
Champions League und wurde Weltfussballer des
Jahres. Und seit Januar hat er für Barcelona
mehrere Goals geschossen, die fast so
hinreissend waren wie jenes gegen Getafe. Die
Saison beendete er mit 34 Toren – in 35 Spielen
– und dem Sieg seiner Mannschaft in Spaniens
Primera División. Dreimal erzielte er Hattricks,
drei Tore in einem Spiel, und in einem Match
gegen Arsenal in der Champions League schoss er
gleich vier Goals. Die abschliessenden Pässe,
die er Teamkollegen in vielversprechender
Position zuspielte, führten stets zum Tor. Messi
war nie einfach ein Torjäger. Seine enge
Ballkontrolle und seine Dribblings waren nie
selbstverliebt oder prahlerisch. Er ist kein
egoistischer Spieler.
Star ohne Allüren
Er zeigt auch keine Symptome persönlicher
Eitelkeit. Messi ändert seinen Haarschnitt
selten, und wenn er es tut, wählt er Schnitte,
die seinen offenbar kaum zu bändigenden Schopf
aus den Augen halten. Er hat ein nettes, mildes
Gesicht, das schwach an den jungen Dustin
Hoffman erinnert, aber er ist nicht attraktiv im
klassischen Sinn. Sein Barcelona-Kollege Gerard
Pique sagt: «Er mag auf den ersten Blick nicht
der glamouröseste Kerl sein oder der
charismatischste, aber wenn er den Ball am Fuss
hat, ist er einzigartig. Das sieht man sofort.
Was ich am meisten an ihm schätze, ist, dass er
im Verlauf der Jahre, in denen er zum besten
Spieler der Welt aufgestiegen ist, genau
dieselbe Person geblieben ist, die ich schon als
Junge kannte.»
Dieser Junge wurde in Rosario, Argentinien,
am 24. Juni 1987 geboren. Sein Vater Jorge
arbeitete in einer Fabrik, die Bestandteile für
Autos herstellte; seine Mutter Celia kümmerte
sich um dem Haushalt und jobbte Teilzeit als
Putzkraft. Lionel, klein schon als Fünfjähriger
für sein Alter, verliebte sich in den Fussball.
Strassenspiele, Schüsse gegen die Gartenmauer –
ständig stand er im Wettkampf mit seinem
ältesten Bruder, Rodrigo, weniger mit seinem
anderen Bruder, Matias, einem weniger
sportlichen Jungen. Da Lionels Begeisterung ein
bemerkenswertes Talent offenbarte, ermunterte
Vater Jorge ihn auch. Und das tut Messi senior
noch immer. Jorge verfolgt in Barcelona
regelmässig das Morgentraining, ein Mann, der
leicht als Messi zu erkennen ist am Kiefer und
der prominenten Nase. Jorge Messi war von allem
Anfang an so selbstlos wie fordernd, was die
Fussballkarriere seines jüngsten Sohnes
anbelangt: Einmal wurde er sogar von der
Seitenlinie des Spielfelds entfernt, weil er
seine Anweisungen zu laut gebrüllt hatte.
«Floh» unter grossen Tieren
Zu jenem Zeitpunkt hatte
Lionel Messi bereits gelernt, für
sich selbst einzustehen. An seinem ersten
Schultag, so geht die Geschichte, wurde er von
den anderen Kickern auf dem Sportplatz
ausgeschlossen wegen seiner Grösse. Empört begab
er sich trotzdem aufs Feld und dribbelte da so
brillant, dass er von da an erste Wahl war für
die Captains auf dem Platz. Sein Bruder Rodrigo
verpasste ihm den Übernamen «Floh». Der Name
blieb haften – und er fand schon bald Platz
unter grösseren Tieren, in Mannschaften älterer
Jungen, obwohl er sogar unter den Gleichaltrigen
das kleinste Teammitglied gewesen war. Die
Grösse blieb zwar eine Hürde, dennoch fielen
seine Dribbelkünste professionellen
Talentsuchern auf. Er kam zu den Junioren von
Newell's Old Boys, jenem Verein, in dem Maradona
seine Karriere beendet hatte. Sein Vater Jorge
vermittelte ihm Zahlen und Fakten des Fussballs,
sodass er schon bald die Aufstellungen wichtiger
Spiele und die Statistiken grosser Spieler
auswendig kannte.
Als ein Rekrutierer des berühmten Klubs River
Plate aus Buenos Aires an der Taufe seiner
Schwester, Marisol, auftauchte, spürte die
Familie Messi, dass der Durchbruch bevorstand.
Der elfjährige Leo reiste in die Hauptstadt für
medizinische Tests. Eine Woche später wurde
Vater Jorge im Hauptquartier von River Plate
erklärt: «Ihr Sohn ist ein ausgezeichneter
Spieler mit unglaublichem Talent. Aber es gibt
ein Problem. Er leidet unter einem hormonellen
Mangel und wird unseren Analysen zufolge nicht
grösser als 1,40 m werden. Er hat schon fast zu
wachsen aufgehört.»
Nur 1,32 m gross – mit elf
Es gebe dagegen eine Behandlung, sagten die
Fussballfunktionäre Messi senior. Doch sie
kostete 900 Dollar im Monat, Unkosten, die weder
River Plate noch Newell's übernehmen wollten.
Jorge und Celia Messi kämpften aber bereits
damit, den Unterhalt ihrer sechsköpfigen Familie
bestreiten zu können. Und die argentinische
Wirtschaft befand sich zu jenem Zeitpunkt im
freien Fall. Ein Albtraum. «Ich benötigte eine
ärztliche Behandlung, die nicht warten konnte»,
erinnert sich Messi. «Ich war mit elf nur 1,32 m
gross. Es musste etwas unternommen werden.»
Der Plan sah so aus: Die Familienersparnisse
in Spritzen für Lionel umwandeln und Kontakte zu
europäischen Klubs suchen, die vielleicht bereit
wären, die Extrakosten für ein junges
Ausnahmetalent zu übernehmen. Die Messis hatten
Verwandte in Katalonien, so reisten Jorge und
Leo hin und erreichten, dass er für ein
Testspiel beim FC Barcelona empfohlen wurde.
Brillant und ausgesprochen mutig
Der Rest ist Geschichte. Bei seinem ersten
Auftritt in einem viel zu grossen Barça-Shirt
schoss er fünf Tore. «Dieser kleine Kerl mit
langem Haar betrat die Garderobe und setzte sich
neben mich», erinnert sich Cesc Fabregas, der
heute für Spanien und Arsenal spielt, aber mit
Messi und Pique zusammen im Juniorenteam von
Barça gross geworden ist. «Er war sehr ruhig,
aber schloss sich uns schon bald bei
Computerspielen und dergleichen an. Auf dem Feld
war er brillant und ausgesprochen mutig. Zu
einem Cupfinalspiel bei den Junioren trat er mit
einer Maske an, die ihn vor Gesichtsverletzungen
schützen sollte. Aber die Maske störte ihn so
sehr, dass er sie einfach abnahm, auf die Seite
warf und zwei Goals machte.»
Die Wachstumshormone wirkten, auch wenn Messi
mit 1,69 m noch immer ungewöhnlich klein ist für
einen erfolgreichen Fussballprofi. Seit er in
der ersten Mannschaft von Barcelona spielt –
sein Debüt hatte er mit 16 –, hat er mit viel
Arbeit die Muskulatur des Oberkörpers aufgebaut.
Er scheint über die Muskelzerrungen hinweg zu
sein, die ihn als Teenager regelmässig plagten.
In der katalonischen Kapitale wird er auch
psychologisch gut betreut. Für Paparazzi ist er
ein frustrierendes Objekt, ein Vollprofi, der
meist zu Hause bleibt und früh ins Bett geht.
Für die Klatschmedien ist seine kindliche
Hingabe an den Fussball, neben der wenig anderes
Platz hat, ein uninteressantes Thema.
Der Stille und das Grossmaul
In Argentinien aber wird er als seltsam
entrückter Superstar gesehen. Weil er die Heimat
schon als Junge Richtung Spanien verlassen hat,
ist seine Laufbahn von seinen Landsleuten nicht
auf den Fussballplätzen von Buenos Aires,
sondern im Fernsehen verfolgt und bewundert
worden. Er war in der Nationalmannschaft bisher
weit weniger effektiv als beim FC Barcelona. Und
das bedeutet, dass er von einigen Argentiniern
mit einem gewissen Argwohn betrachtet wird. Den
Messi des Klubfussballs, Kataloniens kleinen
Messias, in einen WM-Sieger zu verwandeln, ist
eine Herausforderung für Messi selber wie für
Maradona. Die beiden Männer mögen einander
ähneln in der Art, Goals zu schiessen, aber von
der Art her sind sie grundverschieden. Der eine
ist zurückhaltend und scheu, der andere ein
Grossmaul und nach Aufmerksamkeit heischend.
Keine andere Beziehung wird in den kommenden
Wochen schärfer beobachtet werden.
Übersetzung: mak
* Ian Hawkey ist Fussballkorrespondent der
britischen «Sunday Times» in Spanien.
El Clasico : FC
Barcelona beweist Einzigartigkeit
30.11.2010, Ronald Reng
Barcelona. Der
FC Barcelona beweist beim berauschenden
5:0-Triumph im Klassiker gegen den Erzrivalen
Real Madrid seine Einzigartigkeit.
Zum Tor sind es über 50 Meter, als Lionel
Messi im kalten Nieselregen mit dem Fuß ausholt
und sein Publikum daran erinnert, dass die
Perfektion doch existiert.
Mit einem einzigen effetvollen
40-Meter-Pass hebelt Messi die gesamte
Real-Abwehr aus, David Villa nimmt das Zuspiel
auf, es wird das vierte Tor des FC Barcelona. Am
Ende strecken Barças Spieler fünf Finger in der
Luft. Una manita, ein Händchen, heißt in Spanien
so ein Sieg. Barças 5:0-Sieg am Montag im
Clasico, dem historischen Duell gegen Real
Madrid, war so überwältigend schön, dass nur
über Fußball geredet werden kann. Es war der
Sieg des Wie: „Heute hat die Welt gesehen, wie
wir gewinnen“, sagte Barças Trainer Pep
Guardiola. Kein anderer Klub nimmt das Wie –
seine Art zu spielen – so ernst. Gegen Real gab
Barça seinem legendären endlosen Passspiel ein
wahnwitziges Tempo. All die Tore von Xavi,
Pedro, zweimal Villa und Jeffren hatten eines
gemeinsam: ihre Entstehung, die Pässe, waren
noch schöner als der Torschuss. Xavi spielte 120
Pässe. 115 kamen an.
Unbeweglich wie eine Wachsfigur saß derweil
Reals Trainer José Mourinho auf der Bank. Seine
Spieler rannten nur hinterher, die
Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira
waren zwei beliebige Einzelschicksale in einem
ohnmächtigen Verbund.
In seinen ersten vier Monaten in
Madrid hat Mourinho die Elf mit dem besten
Zeitgeistfußball geschaffen: im Grunde ist es
Konterfußball, aber wenn es so technisch sauber
wie bis Montag bei Real vorgetragen wird, wirkt
es geradezu elegant. In 19 Pflichtspielen war
Real ungeschlagen geblieben, sie haben weiterhin
die Klasse, diese Saison jede Trophäe zu
gewinnen. Doch das 0:5 wird eine grundsätzliche
Niederlage bleiben. Real musste erkennen, dass
sein ewiger Rivale über etwas verfügt, was es
auch mit allen Siegen diese Saison nicht
gewinnen wird: Einzigartigkeit.
„Barças Stil ist der schlechteste der Welt“,
sagt Ricardo Moar, der Sportdirektor von
Deportivo La Coruña und einst in Hannover tätig.
Es ist das größte Kompliment: Praktisch keine
Elf der Welt könnte mit diesem ewigen
Pass-Spiel, mit dieser extremoffensiven Taktik
Erfolg haben.
Nur Barça selbst. Diese Elf zeigte unzählige
große Spiele, 6:2 in Madrid, 4:0 gegen Bayern
München, 8:0 in Almería, und doch war das 5:0
vom Montag etwas Neues; etwas, von dem man
dachte, es gebe es nicht. Das perfekte Spiel.
Perfektion ist ein Zustand, der sich nicht
verbessern lässt.
|
Der FC Barcelona hat die beste
Nachwuchsschule der Welt, am Montag erhält ein
Absolvent den Goldenen Ball
Ein Riese und seine vielen Zwerge
Von Oliver Lück (8.1.2011)
Barcelona.
Wenn Männer wie Albert Benaiges Trainingsanzüge
tragen, sieht das nicht sportlich aus – es sieht
gemütlich aus. Seiner ist himmelblau. Benaiges
wiegt sicher 120 Kilogramm, Schuhgröße 47, er
hat riesige Hände und einen Handschlag, den man
nie wieder vergisst.
Der Klingelton seines Mobiltelefons passt zu
ihm, es ist die Hupe eines Lastwagens. Der Mann
mit den silbergrauen Haaren trägt einen
wuchtigen Bauch vor sich her. Albert Benaiges
ist eine Respektsperson, kein Zweifel. Und er
ist eine Art Vaterfigur beim FC Barcelona, dem
derzeit besten Klub der Welt.
Dort leitet er die Ausbildung der jüngeren
Talente, der Sieben- bis 15-Jährigen. Bei 14
Mannschaften sind das über 200 Kinder und
Jugendliche. Und jeder der Spieler begrüßt ihn
persönlich, jeden Tag muss der 54-Jährige viele
Hände schütteln.
Seit mittlerweile 18 Jahren ist Albert Benaiges
als einer von drei Koordinatoren für die Jugend
Barças verantwortlich. Er hat sie alle
aufwachsen sehen, die heutigen Superstars:
Andrés Iniesta, Xavi Hernández, Gerard Piqué,
Víctor Valdés, Carles Puyol, Sergi Busquets,
Bojan Krkic, Lionel Messi und auch den aktuellen
Trainer der ersten Mannschaft, Josep Guardiola.
Im derzeitigen Aufgebot des spanischen Meisters
stehen nicht weniger als zehn Spieler, die in
den eigenen Jugendteams ausgebildet wurden. Das
ist die Hälfte des Kaders. "Manch einer glaubt,
wir haben die beste Nachwuchsförderung der
Welt", sagt Benaiges. Dann grinst er und freut
sich wie ein Kind: "Ich glaube das auch."
Albert Benaiges zeigt den kleinen Finger seiner
rechten Hand. "Die sind ja alle nur so klein."
Jetzt spricht er von den besten Fußballern der
Welt: Xavi Hernández (1,70 Meter), Andrés
Iniesta (1,70) und Lionel Messi (1,69). "Alles
Zwerge", sagt Benaiges, "doch es spielt ja gar
keine Rolle, wie groß oder klein einer ist.
Wichtig sind nur seine Fähigkeiten auf dem
Platz." Wenn die drei kleinen Männer am Montag
gemeinsam zur Vergabe des Goldenen Balls nach
Zürich fliegen, wird nicht bloß der beste
Spieler des Jahres 2010, sondern vor allem das
beste Ausbildungssystem geehrt. "Ein großer Tag
für unseren Klub", weiß Benaiges, "wir scheinen
vieles richtig zu machen."
Höchste Präzision
beim Kurzpassspiel
Weder Messi, Iniesta noch Xavi haben jemals bei
einem anderen Verein als Profi gespielt. Xavi
ist seit Mittwoch sogar alleiniger
Vereins-Rekordhalter mit 550 Pflichspielen für
Barcelona. Die drei stehen stellvertretend für
den aufregendsten Fußball der vergangenen
Jahren. Lange hohe Bälle gibt es nicht,
sämtliche Angriffe laufen mit hoher
Passgenauigkeit durch das Mittelfeld. Der Gegner
wird einfach überspielt. Und Xavi, Iniesta und
Messi sind die Chefentwickler der zum Teil
irrsinnigen Kurzpasskombinationen des FC
Barcelona.
"Messi war schon immer der Beste, auch damals,
als er als 13-Jähriger zu uns kam", erinnert
sich Albert Benaiges, "niemand konnte ihn
stoppen. Im Grunde spielt er heute noch wie
damals – immer Richtung Tor." Seine fehlende
Größe habe er schon immer durch seine brillante
Technik und seinen Willen wettgemacht.
"Vor allen anderen Eigenschaften, die einen
guten Fußballer auszeichnen sollten, fördern wir
aber vor allem seine Kreativität", sagt Albert
Benaiges, "unsere Philosophie ist es, auf junge
Spieler zu bauen und ihnen früh Verantwortung zu
geben." Wie konsequent der Klub diesen Weg
verfolgt, demonstriert Jahr für Jahr die zweite
Mannschaft, die in der zweiten spanischen Liga
spielt. Bei Barça B herrscht ein Überfluss an
Talenten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Mit
dem 19-jährigen Thiago Alcántara und den drei
18-jährigen Sergi Robert, Marc Muniesa und Sergi
Gómez spielen dort schon jetzt vier weitere
Talente, denen der Sprung in die erste
Mannschaft bald zugetraut wird.
Am Rande der Stadt trainieren die Talente
Wer die Zukunft des FC Barcelona sehen will,
muss an den Stadtrand fahren. Nimmt man eine der
breiten Ausfallstraße nach Nordwesten, vorbei an
der Universität und den Bürogebäuden, tauchen
nach fünf Kilometern über 20 Flutlichtmasten den
Vorort Sant Joan Despí in ein kaltes Licht.
Gleich neben der Autobahn nach Saragossa, in der
Peripherie der 1,6-Millionen-Stadt, hat sich der
Klub für 68 Millionen Euro ein
Ausbildungszentrum bauen lassen.
Eine kleine Sportstadt mit fünf Rasen- und vier
Kunstrasenplätzen. Viel Stahl, viel Beton, viel
Glas. Das Gebäude, das neben einer Sporthalle
auch Umkleide- und Fitnessräume beherbergt, ist
nicht schön, aber funktionell. Unbefugten und
Hunden ist der Zutritt verboten. Denn hier
implantieren 40 Trainer dem Nachwuchs das
Barça-Gen: endloser Kombinationsfußball,
betontes Flügelspiel, frühzeitiges Pressing.
Der Fußball ist bei
jeder Übung dabei
Schon die Kleinsten spielen im stets offensiv
ausgerichteten System der Profis mit
Viererabwehrkette, drei Mittelfeldspielern und
drei Angreifern. Kein Krafttraining oder
Ausdauerläufe. "Alle Übungen immer mit Ball",
sagt Albert Benaiges. Dann schiebt er
Wasserflaschen und Kaffeebecher auf einem Tisch
hin und her. Er erklärt Spielzüge und Laufwege.
Jedes seiner Worte klingt wie fett gedruckt, als
halte er gerade die Teamansprache vor einem
wichtigen Spiel. "Doch wir trainieren hier nicht
bloß Fußballer, sondern vor allem Menschen",
betont er und hebt den Zeigefinger, "wenn sich
einer schlecht benimmt oder die Schule schwänzt,
spielt er nicht. Bei uns hebt keiner ab."
Diese Einstellung würden auch Messi, Iniesta und
Xavi mit ihrer stets zurückhaltenden Art
repräsentieren. "Das sind die besten der Welt,
aber Stars wollen die gar nicht sein", meint
Benaiges. Alle drei seien trotz der Erfolge
bescheiden geblieben. "Das sind klare Köpfe, die
auch nicht vergessen werden, wo sie groß
geworden sind." Heute noch schaut Andrés Iniesta
regelmäßig im Nachwuchszentrum vorbei oder fragt
telefonisch bei seinem früheren Trainern nach
dem Befinden. Auch zu Xavi hat Albert Benaiges
nach wie vor Kontakt, manchmal gehen sie
gemeinsam essen. "Einmal", erzählt er, "sie
werden es mir vielleicht nicht glauben, habe ich
dabei einen dunkelblauen Abendanzug und braune
Lackschuhe getragen." Dann winkt der Riese ab
und zeigt sein breites Grinsen: "Ich weiß, mein
Trainingsanzug steht mir besser."
Wissen: Fifa Ballon D’Or
Der Goldene Ball wurde erstmals 1956 für
den besten Spieler Europas durch die
französische Fußballzeitschrift "France
Football" vergeben. Erster Preisträger, gewählt
von einer Journalisten-Jury, war Stanley
Matthews.
Erst seit 1991 vergibt auch der Weltverband Fifa
eine entsprechende Auszeichnung und ließ
Teamchefs aus aller Welt den Weltfußballer
des Jahres küren. Allerdings erreichte diese
Ehrung nie den Stellenwert des "Ballon D’Or",
des Goldenen Balls.
Vor 15 Jahren wurde der Preis auch für in Europa
spielende Nicht-Europäer geöffnet, im selben
Jahr siegte George Weah aus Liberia. Aktueller
Titelträger ist Lionel Messi.
Obwohl die Fifa-Ehrung offener war, gewann doch
nie ein Spieler, der nicht in Europa spielte,
vor einem Jahr wurde ebenfalls Messi
ausgezeichnet. Nach jahrelangen Streitigkeiten
einigten sich in diesem Jahr Fifa und "France
Football" darauf, künftig nur einen Preis zu
vergeben: den Fifa Ballon D’Or.
Schliesslich war es wieder Messi, welcher die
Trophäe etwas überrascht entgegennehmen konnte.
Wir gratulieren ihm, natürlich aber auch Xavi
und Iniesta, die auch einen grossen Anteil für
den Erfolg von Messi beanspruchen können.
Lionel Messi
Geboren 24. 6. 1987 in Rosario (Arg).
Grösste Erfolge: Nationalteam Argentinien:
U-20-Weltmeister 2005, Olympiasieger 2008.
FC Barcelona: Sieger Champions League 2006,
2009. – Spanischer Meister 2005, 2006, 2009,
2010. –
Klubweltmeister 2009.
Weitere Auszeichnungen: Bester Spieler und
Torschützenkönig U-20-WM 2005 (6 Tore). –
Europas Fussballer des Jahres 2009. –
Weltfussballer des Jahres 2009,2010. –
Torschützenkönig Champions League 2009 (9 Tore /
in der laufenden Champions League bisher 8
Tore).
Barça hat die Macht
Von
Peter Ahrens - Spiegel
04.05.2011
Der FC Barcelona
zieht ins Endspiel ein, Real ist wieder einmal
am großen Ziel gescheitert: Das Halbfinale der
Champions League hat die Kräfteverhältnisse im
spanischen Fußball gnadenlos klargemacht. Die
Madrilenen zeigten sich erneut als schlechter
Verlierer.
Für Real-Trainer José Mourinho ist es sicher
schwer einzusehen, aber: Am Schiedsrichter lag
es diesmal wirklich nicht, dass Real Madrid in
der Champions League gescheitert ist. Der
belgische Referee Frank de Bleeckere tat im
Halbfinal-Rückspiel der europäischen
Königsklasse zwischen den spanischen Rivalen FC
Barcelona und Real Madrid sein Mögliches, um
jeglichen Verdacht der Parteinahme zugunsten der
Katalanen zu zerstreuen. Mehrfach wandelten
Real-Spieler am Rande des Platzverweises, aber
de Bleeckere war gnädig. Madrid ist nach dem 1:1
(0:0),
gleichbedeutend mit dem Ausscheiden,
gestraft genug.
Mourinho, der noch nach dem Hinspiel Gott,
die Uefa und die Welt für die hochverdiente
0:2-Heimniederlage seines Teams
verantwortlich gemacht hatte, gab sich diesmal
mucksmäuschenstill. Mehr noch: Der Portugiese,
nach den
Vorfällen aus dem Hinspiel ohnehin
gesperrt, war überhaupt nicht im Stadion,
sondern schaute sich die Partie vor dem
hoteleigenen Fernseher an.
Mourinhos Rolle übernahm dafür nahtlos sein
Landsmann, Real-Stürmerstar Cristiano Ronaldo:
"Barcelona wird gut geschützt. Im nächsten Jahr
sollten sie ihnen den Pokal direkt geben", übte
er sich nach der Partie ebenfalls in der Kunst
der Verschwörungstheorie. Er hatte dabei eine
Szene vor Augen, als der Schiedsrichter ein Tor
Reals wegen eines angeblichen Foulspiels
vorzeitig abpfiff. Das war aber nicht mehr als
ein schwacher Versuch Ronaldos, die eigene
dürftige Vorstellung in diesen zwei Halbfinals
zu bemänteln.
Machtverhältnisse im spanischen Fußball
demonstriert
Viermal haben Madrid und Barcelona in den
vergangenen 17 Tagen gegeneinander gespielt,
zweimal in der Champions League, je einmal in
Liga und Pokal. Zweimal ging es Unentschieden
aus, einmal
siegte Real, einmal Barcelona. Die
nackte Statistik gaukelt ein Duell zweier
gleichwertiger Teams vor. Aber der Abschluss
dieser Serie, das Aufeinandertreffen an diesem
regnerischen Dienstagabend im Stadion Camp Nou,
zeigte die aktuellen Machtverhältnisse im
spanischen Fußball noch einmal ganz deutlich
auf. Barcelona ist die Nummer eins, dann kommt
lange nichts, dann Real Madrid.
Schon nach der ersten Halbzeit stand das
Torschussverhältnis der beiden Rivalen bei 8:0
zugunsten Barcelonas. Lediglich Real-Keeper Iker
Casillas in Manuel-Neuer-Gedächtnis-Form sorgte
dafür, dass es zum Erstaunen aller Beobachter
zur Halbzeit noch 0:0 stand. Nach etwa 20
Minuten Aufwärmzeit hatte Barcelona den Turbo
angeworfen und Torgelegenheiten im Minutentakt
kreiert. Belohnt wurde dieses Anrennen
allerdings erst in der 55. Minute durch Pedros
Führungstreffer. Marcelo nutzte in der 65.
Minute Reals erste echte Torchance zum
1:1-Endstand.
Wer den FC Barcelona nicht mag, bringt dafür
gerne zwei Argumente. Zum einen heißt es dann
gewöhnlich, das Kurzpassspiel der Elf von
Trainer Josep Guardiola erfülle den Tatbestand
der Langeweile. Gefühlt minutenlang schieben
sich die Blau-Roten den Ball in den eigenen
Reihen zu, ohne dass ein gegnerisches Team die
Gelegenheit bekommt, einzugreifen. Das mag man
langweilig nennen. Perfektion ist eben
langweilig.
Messi ist viel, aber er ist nicht alles
Das zweite Argument: Barcelona ist nichts
ohne Lionel Messi. Es ist sicher kein
Wettbewerbsnachteil, den besten Fußballer der
Welt in seinen Reihen zu haben. Aber wer Barça
auf Messi verengt, ignoriert letztlich das
System Barcelona. Ein System, das die einmaligen
Fähigkeiten des Argentiniers in seine Struktur
einbaut, ohne sich allein auf sie zu verlassen.
Real Madrid hatte in 180 Minuten
Champions-League-Duell mit Barcelona generös
geschätzt insgesamt zwei Tormöglichkeiten - und
das, obwohl im Rückspiel mit Gonzalo Higuaín,
Kaká und Cristiano Ronaldo drei der besten
Angreifer der Welt bei Real auf dem Platz
standen. Das ist nicht das Verdienst Messis,
sondern einer überragenden Defensive der beiden
ungleichen Verteidiger-Hünen Gerard Piqué und
Carles Puyol.
Dazu kommt der wuchtige Außenverteidiger Dani
Alves, der spielintelligente Schlussmann Victor
Valdes und der dynamische Abräumer Sergio
Busquets. Davor ziehen Xavi und Iniesta im
Mittelfeld das Spiel auf, im Angriff rochieren
Jungstar Pedro und David Villa. Eine solche
Mannschaft hätte auch ohne Messi alle Chancen,
die Champions League zu gewinnen.
Für Mourinho wird es unangenehm
Barcelona steht jetzt zum dritten Mal
innerhalb von sechs Jahren im Endspiel der
Königsklasse. Real dagegen wartet jetzt seit
neun Jahren darauf, in ein solch großes
europäisches Finale einzuziehen. Mourinho ist
damals vor allem geholt worden, um Real endlich
wieder an die Spitze Europas zu bringen - dahin,
wohin der Club nach seinem Selbstverständnis
gehört.
Nun wird der mächtige Präsident und
Bau-Multimillionär Florentino Pérez zusehen
müssen, wie trotz aller Investitionen, die er in
den Verein gepumpt hat, doch der verhasste FC
Barcelona die Chance erhält, die Trophäe zu
gewinnen. In der Meisterschaft liegt Real zudem
acht Punkte hinter Barça - das ist kurz vor
Saisonende uneinholbar.
Beim FC Chelsea hat es einst dem mächtigen
Geldgeber Roman Abramowitsch irgendwann
gereicht, nachdem Mourinho es nicht gelungen
war, all die russischen Öl-Millionen des
Sponsors für einen Champions-League-Sieg des
Vereins zu nutzen. Der Trainer musste gehen.
Pérez ist nicht dafür bekannt, sehr viel
geduldiger zu sein als Abramowitsch. Zudem
mehrten sich zuletzt die Anzeichen, dass
Mourinho selbst nicht mehr die große Lust
ausstrahlt, noch lange in Madrid zu wirken.So
freigiebig wie Abramowitsch und Pérez in den
vergangenen Jahren ist derzeit nur Mansur Bin
Sajid. Der Scheich aus Abu Dhabi hat Manchester
City bislang mit geschätzten 450 Millionen Euro
gemästet. Manchester City ist der reichste Club
der Welt und liegt dennoch in der Tabelle der
Premier League nur auf Platz vier. Der Verein
dürstet nach Erfolg.
Ein Club wie geschaffen für José Mourinho.
Messi über das Geheimnis seines Erfolgs
Von Oscar Rodriguez, Barcelona.
Erstellt: 17.05.2011, 10:54 Uhr
Lionel Messi ist der beste
Fussballer der Welt. Er steht nach dem 5.
Meistertitel mit Barcelona vor dem 3.
Champions-League-Final. Und erklärt, warum er
zurzeit so viele Tore schiesst.
Messi und der Ball: In 54 Wettbewerbsspielen
dieser Saison erzielte der 23-jährige
Argentinier für den FC Barcelona 52 Tore.
Bild: Keystone
Lionel Messi
Geboren am 24. Juni 1987 im
argentinischen Rosario, zog Lionel Messi
zusammen mit seiner Familie als 13-Jähriger
nach Spanien. Der Stürmer litt an
Wachstumsstörungen, der FC Barcelona war von
seinem Talent so angetan, dass er sich im
Gegensatz zu argentinischen Grossklubs
bereit erklärte, die Kosten für die nötige
Hormontherapie zu übernehmen. Messi wurde
trotzdem nicht grösser als 1,69 m,
debütierte aber mit 17 in der Primera
División, gewann seither fünf Meistertitel
und zweimal die Champions League. In den
vergangenen zwei Jahren wurde er ausserdem
mit dem Ballon d’Or für den weltbesten
Spieler ausgezeichnet.
Lionel Messi, Sie haben mit dem FC
Barcelona vorzeitig die spanische Meisterschaft
gewonnen. Sind Sie erleichtert, dass Sie sich
nun auf den Champions-League-Final vom 28. Mai
konzentrieren können?
Es ist immer gut, vor der letzten Runde Meister
zu sein, ob nun noch ein Champions-League-Final
folgt oder nicht. Du willst nicht nervös sein,
auf den letzten Match warten und möglicherweise
auch noch von anderen Resultaten abhängig sein.
Dass wir erneut und zwei Runden vor Schluss
Meister wurden, beweist unsere Stärke. Doch
natürlich ist es auch schön, an diesen Final zu
denken, auf den wir jetzt alle blicken.
Einige Leute finden, der Halbfinal
zwischen Barcelona und Real Madrid sei das
eigentliche Endspiel gewesen. Hätten Sie im
Final lieber gegen Real gespielt?
Der Gegner ist für mich gar nicht so wichtig.
Trotzdem finde ich, dass es eine Art Traumfinal
ist, wenn wir auf Manchester United treffen. Die
United ist das einzige Team, das derzeit unser
Niveau erreichen kann. Sie ist stark, und sie
wird nicht versuchen, unser Spiel zu zerstören,
wie das Real getan hat. Manchester will sein
eigenes Spiel machen, und ich bin überzeugt
davon, dass es deshalb einen vorzüglichen Final
geben wird.
Ist es für die United ein Vorteil, dass
der Final in London stattfindet?
Sie wird vielleicht ein paar Fans mehr haben,
weil das eigentlich neutrale Publikum eher für
Manchester sein wird, doch das wird keinen
grossen Einfluss auf den Ausgang der Partie
haben. Wir richten unser System nicht darauf
aus, ob wir zu Hause oder auswärts spielen.
Sie haben schon in vielen Ländern Tore
erzielt, aber noch nie auf englischem Boden. Ist
der Final eine Chance für Sie?
Stimmt es wirklich, dass ich in England noch nie
getroffen habe? Lassen Sie mich darüber
nachdenken … Ja, Sie liegen richtig. Ich habe
bisher nie darüber nachgedacht und glaube auch,
dass es Zufall ist. Ich werde im Wembley alles
dafür unternehmen, ein Tor zu erzielen. Aber Sie
kennen mich: Wenn wir den Pokal gewinnen,
interessiert es mich nicht, wer die Tore erzielt
hat.
Es ist Ihr dritter Champions-League-Final.
Ist er so speziell wie der erste?
Ich glaube schon. Die Champions League ist der
wichtigste Wettbewerb neben der WM. Es sind die
weltweit besten Spieler dabei. Ich habe grosse
Erwartungen an diesen Final, weil ich glaube,
dass beide Teams ohne taktische Fesseln spielen.
Wie schätzen Sie Manchester ein?
Ich sehe viel Potenzial in dieser Mannschaft.
Sie war stark in der Premier League und gewann
den Titel. Ich habe in der Champions League ein
paar Spiele von ihr gesehen, es war sehr
überzeugend, wie sie im Halbfinal Schalke
besiegte (mit einem 2:0 auswärts und einem 4:1
im Rückspiel). Du musst dabei im Kopf haben,
dass sich Schalke gegen Valencia und Inter für
den Halbfinal qualifizierte, dann aber gegen
Manchester United nicht den Hauch einer Chance
hatte. Das sagt viel über die Kraft dieses
Teams, über die Qualität der Spieler.
Wer gefällt Ihnen am besten?
Wer gefällt mir nicht? Manchester ist wie wir
auf jeder Position gut besetzt.
Javier «Chicharito» Hernandez wechselte
für weniger als 10 Millionen Euro aus Mexiko zu
Manchester. Er hat in seiner ersten Saison 13
Tore in der Liga und 4 in der Champions League
erzielt. Sind Sie von seiner Entwicklung
überrascht?
Er ist sicher einer der Gründe, weshalb es der
United in dieser Saison so gut läuft. Ich muss
gestehen, dass ich vorher nicht viel über ihn
gewusst habe, also kann man wohl sagen, dass ihm
nun der Durchbruch gelungen ist. Er hat grosses
Potenzial, und es könnte sich lohnen, seinen Weg
zu verfolgen.
Gibt es Spieler bei Manchester, die es
auch beim FC Barcelona in die Mannschaft
schaffen würden?
Hernandez könnte zu uns passen. Er spricht
Spanisch und hat einen grossartigen Stil. Es ist
schwierig vorauszusehen, was er im Zweikampf als
Nächstes tut, und gerade das sehen wir als
Stärke unserer Mannschaft. Ich bin sicher, dass
sowohl unser Management wie auch die Führung von
Real Madrid solche Spieler beobachtet. Wayne
Rooney wäre ebenfalls denkbar. Er spielt seit
jüngsten Jahren auf höchstem Niveau (der
25-jährige Rooney debütierte für Everton mit 16
in der Premier League und ist nun seit 7 Jahren
bei der United). Ich bin sicher, dass er seinen
Stil innert kürzester Zeit den spanischen
Verhältnissen anpassen könnte.
Wie schätzen Sie Trainer Alex Ferguson
ein, der seit 1986 unter anderem 12 Meistertitel
und zweimal die Champions League gewonnen hat?
Ich habe grössten Respekt vor seiner Arbeit. Du
musst ein grossartiger Coach und eine
aussergewöhnliche Person sein, wenn es dir
gelingt, in demselben Klub immer wieder Titel zu
gewinnen, Spieler und auch Spielstile
weiterzuentwickeln. Für mich ist Josep Guardiola
der beste junge Fussballtrainer, und Ferguson
ist zweifellos der beste der älteren Generation.
(Barça-Trainer Guardiola ist 40-jährig, Ferguson
wird Ende Jahr 70.)
Sie sind 23-jährig, haben fünfmal die
spanische Meisterschaft gewonnen und können
jetzt den dritten Champions-League-Sieg holen.
Wie viele Titel sollen es in Ihrer Karriere
überhaupt werden?
Die einfache Antwort ist: so viele wie möglich.
Es ist allerdings nicht so, dass ich zu Hause
sitzen und die Jahre zählen würde, die mir noch
bleiben als Profi, und wie viele Titel ich bis
dahin gewinnen sollte. Ich schaue gar nicht so
weit in die Zukunft, sondern geniesse es nur, in
diesem wunderbaren Team meines Lieblingsvereins
zu sein.
Sie haben vor zwei Jahren 38, dann 47 und
nun erstmals über 50 Tore in einer Saison
erzielt. Was haben Sie an Ihrem Spiel verändert,
um auf so viele Treffer zu kommen?
Ich bin älter und erfahrener geworden. Viele
Situationen auf dem Rasen habe ich schon einmal
erlebt, und davon profitiere ich: Ich treffe
klügere Entscheidungen. Ich weiss, wozu ich
fähig bin, und das macht eine Menge aus. Dazu
spiele ich mit einem riesigen Selbstvertrauen.
Während eines Spiels habe ich verrückte Ideen im
Kopf und bin mutig genug, diese Ideen auch
umzusetzen.
Haben Sie eine Meinung, wer der Beste ist
in der Geschichte: Pelé, Maradona oder Sie?
Ich weiss nicht, ob ich schon so weit oben stehe
wie Pelé und Maradona. Beide waren grossartige
Spieler und haben auch mit der
Nationalmannschaft so viel gewonnen, das fehlt
mir. Dazu kommt, dass es kaum möglich ist,
Spieler aus den verschiedenen Zeitaltern des
Fussballs miteinander zu vergleichen. Ich habe
nicht die Ambition, die Leute einmal sagen zu
hören: «Lionel Messi war der Beste der
Geschichte.» Wenn ich in 50 Jahren in Erinnerung
bin als wichtiger Spieler dieser fantastischen
Barça-Mannschaft, bin ich sehr stolz.
Sind Sie überrascht, dass es nicht nur
Ihnen, sondern auch Cristiano Ronaldo gelungen
ist, so viele Tore zu erzielen in Meisterschaft
und Cupwettbewerben dieser Saison?
Ich bin äusserst beeindruckt von Ronaldos
Leistungen. Er hat Real Madrid an der Spitze der
Liga gehalten und hätte es verdient gehabt, in
einem offensiver ausgerichteten Team die
Clásicos gegen uns zu spielen. Sein Endspurt mit
zuletzt sieben Toren innert vier Tagen hat mich
verblüfft, weil ich dachte, ich könnte den
Pichichi gewinnen (so heisst die Trophäe für den
Torschützenkönig der Primera División). Aber mit
so vielen Toren verdient er den Titel. (Ronaldo
hat eine Runde vor Schluss 39 Ligatore erzielt,
Messi 31.)
Ist das aktuelle Barça-Team das stärkste,
in dem Sie je gespielt haben?
Ja, ganz sicher. Viele Spieler sind zwar schon
seit Jahren dabei, aber wir sind alle älter und
erfahrener. Wir haben den besten Trainer, weil
Guardiola so loyal zum Klub ist wie die Spieler
aus der Nachwuchsakademie. Er tut immer das, was
am besten für den Verein ist und nicht für ihn
selbst. Er steht als Symbol dafür, wie Barcelona
spielen und sich benehmen will.
Wird es für diese Mannschaft jemals
Rückschläge ohne Titelgewinne in einer Saison
geben?
Es ist unmöglich, eine Zukunftsprognose zu
stellen. Beachten Sie aber bitte, dass der FC
Barcelona seinen Erfolg sorgfältig aufgebaut
hat. Was wir jetzt haben, ist das Resultat
jahrelanger harter Arbeit in der
Nachwuchsakademie, aber auch auf dem
Transfermarkt mit den richtigen Zuzügen. Ich
glaube, dass unsere Titelgewinne höchst verdient
sind, und denke auch, dass dieses Team auf Jahre
hinaus keine Rückschläge erleiden wird.
30. Mai 2011
Der mysteriöse Barça-Code
Manchester United kann Barcelonas Spiel
nicht entschlüsseln und verliert den
Champions-League-Final 1:3
Der FC Barcelona ist das Team des 21.
Jahrhunderts. Barça hat das Spiel revolutioniert
und seit 2006 drei Champions-League-Titel
gewonnen. Gibt es solche Vorbilder, kann die
Zukunft des Fussballs nicht schlecht sein.
Flurin Clalüna, London
Es ist kein Betriebsgeheimnis, wie der FC
Barcelona spielt, Barça ist eine gläserne
Mannschaft, aber wie man sie aufhalten kann,
versteht dennoch niemand. Selbst Sir Alex
Ferguson nicht, der Manager von Manchester
United, der seit mehr als drei Jahrzehnten im
Geschäft ist und sich nächtelang den Kopf
zerbrochen hatte. Er hätte eine
Dechiffrier-Maschine gebraucht, um den Code zu
entschlüsseln, aber Barça ist ein
Pass-Karussell, das jeden Gegner abwirft.
5 Fouls, 772 Pässe
«Der FC Barcelona ist das beste Team, dem ich
mich als Trainer je gegenübersah», sagte
Ferguson nach dem 1:3 im Champions-League-Final,
«keine Mannschaft hat uns je mehr den Hintern
versohlt als Barcelona an diesem Samstag.» Barça
habe den Sieg verdient, weil dieses Team in der
«richtigen Art und Weise» Fussball spiele.
Ferguson sagte es ohne Scham und Missgunst.
Es war ein Abend voller Anstand und Respekt
im Wembley-Stadion, ganz anders als der
Halbfinal gegen Real Madrid, als dem Trainer
José Mourinho nichts anderes eingefallen war,
als zu provozieren wie ein Fussball-Rowdy und
Barça in einen Hinterhalt zu locken. Mit Inter
war Mourinho das im letzten Jahr gelungen, aber
er hatte damit das Spiel sinnentleert.
Selbst United-Fans applaudierten am Samstag
am Ende; dieses Barça-Team kann man nicht
auspfeifen, ohne die Bewunderung zum Fussball zu
verraten. Nur 5 Fouls beging der FC Barcelona in
der ganzen Partie, er spielte 772 Pässe an
diesem Abend, fast doppelt so viele wie ManU,
und 86 Prozent seiner Zuspiele kamen an. Bei
Xavi, dem Regisseur, waren es 91 Prozent, obwohl
niemand mehr Pässe spielte als er. Barça hat
diesen unwiderstehlichen Instinkt, immer zu
wissen, wo der Mitspieler steht.
Wie sich der FC Barcelona verhält, ist ein
Plädoyer für den Kurzpass, es lässt den langen
Ball und das reine Kampfspiel so altmodisch
aussehen, als dürfe sich gar niemand mehr
erlauben, so verstaubt zu spielen. Es ist das
Spiel des 21. Jahrhunderts, die Katalanen haben
es revolutioniert, und nur schon deshalb gehört
Barça zu den inspirierendsten Teams, die es je
gegeben hat. Die drei Champions-League-Titel in
den letzten fünf Jahren sind nur der
offensichtlichste Beweis dafür.
Für den Barcelona-Trainer Josep Guardiola
zählt anderes. Er sagte: «Die Art und Weise, wie
wir am Samstag gewonnen haben, macht mich am
meisten stolz.» Barça unterscheidet sich von
anderen sinnstiftenden Mannschaften der
Fussballgeschichte dadurch, dass sich der
Einfluss nicht auf den eigenen Klub beschränkt.
Der FC Barcelona färbte auf das spanische
Nationalteam ab, und das macht das Barça-System
so besonders.
Manchester United hatte ein paar wenige
Momente des Widerstands, Wayne Rooney traf zum
1:1, aber am Ende lag eine Felsenschlucht
zwischen den beiden Mannschaften, die viel
grösser war, als ManU befürchtet hatte. Und wenn
sogar ein grosses Team wie Manchester United,
das mehr als ein Jahr in Europa ungeschlagen
war, kein Antiserum gegen den FC Barcelona hat,
wer soll dann sonst ein taugliches Gegenmittel
finden können?
Messis weltfremde Zukunft
Der FC Barcelona hat sich fast unantastbar
gemacht, er war noch besser als 2009 im Final
von Rom gegen den gleichen Gegner, als er 2:0
gewann. Und er hat eine selber ausgebildete
Spielergeneration, die noch lange nicht am
Karrierenende ist. Carles Puyol und Xavi sind
über 30 Jahre alt, aber Lionel Messi ist erst
23; er kann noch besser werden, obwohl das
weltfremd erscheint, nur schon weil seine 53
Tore in dieser Saison so eindrücklich sind und
seine Auftritte sowieso. Am Samstag traf er
wieder, genauso wie die Stürmerkollegen Pedro
und David Villa.
Wie Barça eigene Spieler erzeugt, ist
beeindruckend, aber diese Generation ist
vermutlich einzigartig, weil selbst eine
Talentfabrik wie das Ausbildungszentrum La Masía
nicht immer solche Fussballer wie Messi, Xavi
oder Andres Iniesta reproduzieren kann.
In der Trainerbranche gibt es jetzt immer
mehr «Guardiolistas», Ausbildner, die sich von
Guardiolas Arbeit einnehmen lassen. Und dabei
ist der 40-jährige Chefcoach nur der
erfolgreichste Trainer einer jungen Generation,
die dem Fussball die Richtung weist. In
Deutschland wurde Borussia Dortmund mit dem
43-jährigen Jürgen Klopp Meister. Die AC Milan
gewann den Titel mit Massimiliano Allegri, der
gleich alt ist.
André Villas-Boas, der mit dem FC Porto in
der Meisterschaft ungeschlagen blieb und die
Europa League gewann, ist noch zehn Jahre
jünger. Und der 41-jährige Holländer Frank de
Boer wurde mit Ajax nach sieben Jahren wieder
Champion und sagte kürzlich: «An Guardiola habe
ich mich orientiert, an ihm habe ich mir ein
Beispiel genommen.» Die Zukunft des Fussballs
kann nicht schlecht sein, wenn es solche
Vorbilder gibt.
Mittwoch,
17.08.11
La Masia - Philisophie und Nachwuchsarbeit
Fabricada en casa
La Masia: Bewegungskünstler und
Ball-Artisten - hausgemacht
La Masia, dieses eine alte Bauernhaus,
das als „Spezialität des Hauses“
Europameister, Champions-League-Sieger und
Weltmeister auf dem grünen Rasen serviert,
ist die hauseigene Nachwuchsakademie von
Barça.
Seit 1979 trainieren die Nachwuchstalente
der Jugendmannschaften des FC Barcelona in
dem historischen Gebäude in der Nähe von
Camp Nou. Dort erhalten die liebevoll
aufgezogenen „Eigengewächse“ als Gütesiegel
den „Barça-Stempel“.
Ausschließlich für das Spiel mit dem
runden Ball wird in La Masia trainiert, nach
dem Motto „immer mit der Kugel.“ Anders als
in vielen High-Tech-Trainingscentern geht es
hier um Spiel-Intelligenz statt Körperkraft,
um „Hirn statt Muskeln“, um Ideenreichtum,
Beweglichkeit und Überblick. Als Beispiel
gilt die Chaos-Übung, bei der jeder Spieler
seinen eigenen Ball erhält, ohne Dauerlauf
und Zirkeltraining verbessern die Jungen so
„spielerisch“ Schnelligkeit, Kraft und
Ausdauer.
„Von La Masia zu kommen, heißt: Barça zu
sein.“
Barça geht mit kreativen, wendigen,
geschickten Ballkünstlern in die Offensive
und läuft - anders als andere Clubs – sogar
in der Champions League mit bis zu acht
„hausgemachten“ Spitzenspielern ein. Die
Fußball-Philosophie, die der FC Barcelona
lehrt: „Von La Masia zu kommen,
heißt: Barça zu sein.“ (José Ramón
Alexanco).
La Masia bietet mehr als eine nahezu
perfekte Fußballausbildung, das alte
Bauernhaus soll aus jungen Talenten
zukünftige Idole machen, wird aber für die
Jugendlichen auch zur neuen Heimat. Mehr als
60 Spieler teilen hier Fußballfeld, Alltag
und Speisesaal. Wer von klein auf im
Barcelona-Trikot gespielt hat, der
identifiziert sich dauerhaft mit den Werten
des Vereins, auch Nicht-Spanier, wie der
Argentinier Lionel Messi, werden in La Masia
zu stolzen Katalanen, zu echten Barça-Kids.
So betrachtet ein Spieler, der den La
Masia-Weg gegangen ist, Barça als sein
Zuhause, als seine Familie, eben als „Més
que un club.“
FC „La Masia“ Barcelona: 11
Eigengewächse im aktuellen Kader
Durch die Rückkehr von Cesc Fabregas zum
FC Barcelona und die Beförderung von Thiago
Alcantara und Andreu Fontas von Barça B
stehen nicht weniger als elf Eigengewächse
aus der eigenen Jugendabteilung im Kader der
Saison 2011/2012.
Die große Anzahl der „La
Masia“ Absolventen in Barças Kader zeigt
einmal mehr die hervorragende Jugendarbeit
der Katalanen. Barcelona könnte eine
komplette Startaufstellung mit ehemaligen
Jugendspielern aufstellen, und das Team wäre
in dieser Zusammenstellung auch ohne
„externe“ Spieler ein Titelkandidat für
Primera División und Champions League.
So könnte die „La Masia“ Startelf
aussehen:
Valdés - Puyol, Piqué, Busquets,
Fontas - Fabregas, Xavi, Iniesta - Thiago,
Messi, Pedro
412 Millionen Euro Markwert
Addiert man die Spielerwerte der „La
Masia“ Startelf auf Grundlage der Marktwerte
von
transfermarkt.de dann kommen
unglaubliche 412 Millionen Euro Marktwert
dabei heraus. Der Marktwert des gesamten
Kaders beträgt 604 Millionen Euro.
Tumulte im "Clásico"
Mourinho vergiftet den spanischen Fußball
19.08.2011, 10:21
Von Javier Cáceres
Trainer José Mourinho
wird nach dem Supercup gegen Barcelona zum
Augenstecher und steckt mit seiner militanten
Siegermentalität den edlen Klub Real Madrid an.
Die Milliarden-Truppe mutiert zur marodierenden
Bande und selbst Bundestrainer Joachim Löw muss
sich Sorgen machen.
Es war in
Barcelona noch um kurz vor ein Uhr morgens
33 Grad heiß, auch sonst waren wenig geeignete
Umstände gegeben, um hitzige Gemüter zu
beruhigen. Nur ein Mann schien in sich selbst zu
ruhen, genau wissend, was er tun wollte und was
er tat, als alle um ihn herum nach einem erst
Mittwochabend um elf Uhr angepfiffenen Spiel
verrückt zu spielen schienen: José Mourinho.
Marcelo, Linksverteidiger bei
Real Madrid, war Barcelonas Cesc Fàbregas im
Stile eines Schlächters in die Knöchel gefahren
und hatte dafür die rote Karte gesehen. Es
folgte ein Handgemenge, das bei jeder kleineren
Studentendemo den Einsatz eines
Sondereinsatzkommandos mit Tränengas und
Wasserwerfern zur Folge gehabt hätte: Spieler,
Trainer, Assistenten, alle rauften sie wie in
einem Saloon. Dann also trat Mourinho auf den
Plan, der Trainer von Real Madrid. Er ging
gemessenen Schrittes auf Barcelonas
Trainerassistenten Tito Vilanova zu und fuhr
seinen Arm aus.
Die einen sagen seither, Mourinho habe
Vilanova bloß die Kontaktlinse unters Lid
schieben wollen. Die anderen, Mourinho sei vom
Film "Kill Bill" inspiriert gewesen und habe
versucht, Vilanovas Augapfel herauszureißen.
Mourinho trug später nichts zur Wahrheitsfindung
bei: "Vilanova? Kenne ich nicht."
Es war ein Eklat, der so manche unumstößliche
Wahrheit fast noch verdeckt hätte, die der
3:2-Sieg Barcelonas im Rückspiel um den
spanischen Supercup bereithielt (Hinspiel 2:2).
Erstens: Lionel Messi, der das 1:0 durch Andrés
Iniesta vorbereitete und die anderen beiden
Treffer nicht minder genial selbst erzielte, ist
selbst dann noch der beste Spieler der Welt,
wenn er mit einem Bein im Urlaub steht. "Der ist
hier in Flipflops angekommen und macht zwei
Tore", sagte Barças Verteidiger Piqué.
Zweitens: Selbst eine gute, zeitweise
hervorragende Milliardentruppe von Real Madrid
muss von nun an mit dem Frust leben, nicht mal
die Trainingslager-Version des
FC Barcelona bezwingen zu können. Und
drittens: Real wird zusehends seiner einst
weltweit als edel und gut etikettierten
Wesensart beraubt. Von Mourinho.
Seit
José Mourinho bei Real
die Geschäfte führt, erleidet Spaniens
Rekordmeister von Woche zu Woche aufs Neue einen
Imageschaden. Und wird immer mehr zu einer
marodierenden Bande. Mourinhos Tätlichkeit ist
nur die Klimax eines zunehmend militanten
Verständnisses seiner Arbeit, die gravierende
Folgen für die Psyche seiner Spieler zu haben
scheint und das Umfeld ansteckt.
José Mourinho: Der Verschwörer
Die Opfer des José
Ein (Mourinho-naher) Kommentator der (Real-nahen)
Zeitung Marca fand, der Stich mit dem
Finger sei insgesamt korrekt, habe aber auf die
falsche Körperöffnung gezielt. Gewiss: Real
Madrid bestach in der ersten Halbzeit durch
aggressive Spielführung, grandioses Pressing,
der permanenten Suche nach dem umstandslosesten
Weg zum Abschluss. Dass Real viele Chancen
vergab, hat übrigens genau mit dieser
Dringlichkeit zu tun, im Zweifelsfall auch
überstürzt aufs Tor zu schießen.
Aber: Manche Szenen lassen sich nur so
deuten, dass Mourinho nicht nur taktische
Finesse lehrt, sondern auch die physische
Vernichtung des Gegners predigt. Marcelos
hinterhältiger Angriff auf Cesc (Real-Kapitän
Casillas: "Der hat sich fallen lassen") war
nicht dessen erste schwerwiegende Aggression der
Partie; er hätte für einen Tritt gegen Messi
schon vorher vom Platz gehört.
Dass Reals Verteidiger Pepe 180 Minuten
Supercup ohne rote Karte überstehen durfte, ist
zudem wohl nur dem Druck geschuldet, den
Mourinho mit seinen monatelangen und
systematischen Attacken gegen die Schiedsrichter
erfolgreich geschürt hat.
Allmählich muss sich auch Bundestrainer
Joachim Löw Sorgen machen: Man hat das
Gefühl, dass noble Seelen wie Sami Khedira und
Mesut Özil unter Mourinhos Handlungsanweisungen
von sich selbst entfremdet werden, ohne es zu
merken. Özil flog beim Handgemenge vom Platz,
weil er, völlig außer sich, versucht hatte, sich
mit der halben Barcelona-Bank zu prügeln; unter
anderem mit Barça-Stürmer David Villa, der ihn
provoziert hatte und ebenfalls Rot sah.
Der vorher ausgewechselte Khedira konnte Özil
nur mit Mühe bändigen. Mourinho selbst focht das
alles nicht an - er versteckt sich unterm
Macho-Mantel. "Ich bin in einer Kultur groß
geworden, in der
Fußball eine Männersache ist und bei der man
nicht nach dem ersten Hauch umfällt", sagte er.
Die Sorgen, die aus dem Lager
Barcelonas kamen, sind durchaus ernsthaft
gemeint. "Mourinho macht den spanischen Fußball
kaputt", befand Gerard Piqué. Barcelonas Trainer
Josep Guardiola erklärte: "Wir müssen aufpassen,
denn sonst wird irgendwann etwas passieren, was
wir alle bereuen werden."
Auch das Gesicht des Weltmeistertrainers
Vicente del Bosque ist allmählich zerfurcht. Das
Klima im Nationalteam, vergangenen Sommer noch
als mustergültig besungen, hat so sehr unter dem
Special-One-Gift gelitten, dass einstige
Freundschaften zerbrochen sind. Spieler erkennen
einander nicht wieder. "Ich weiß nicht, ob es
eine Lösung gibt", sagte der besonnene Iniesta.
Hinter vorgehaltener Hand wird von kleineren
und größeren Demütigungen berichtet. "Wie? Ihr
geht schon?", blaffte ein Real-Profi einen
Nationalmannschaftskollegen aus Barcelona an,
als
Real Madrid im Mai in Valencia den Pokal
geholt hatte - und sich Barcelonas Mannschaft
wieder auf dem Weg in die Kabine machte, nachdem
sie den Siegern Spalier gestanden hatten. In der
Nacht zum Donnerstag gratulierte nicht ein
einziger Spieler von Real Madrid seinem Gegner.
Die famose Zeile aus Reals Klubhymne, in der
es heißt, dass der madridista "... in der
Niederlage die Hand reicht...", sie ist längst
ad absurdum geführt. Als die Partie vorüber war,
ging Vereinschef Florentino Pérez in die
Real-Kabine und gratulierte seinen Mannen zu
ihrer grandiosen Darbietung.
Javier Cáceres, geboren 1970 in
Santiago de Chile, ist Spanien-Korrespondent der
Süddeutschen Zeitung.
19.08.2011 23:46:00
Von Falko Blöding
Real Madrid: Ex-Manager Jorge Valdano
kritisiert Jose MourinhoJorge Valdano hält das Verhalten Jose
Mourinhos beim Spiel gegen Barcelona für
bedenklich. „Mou“ müsse sich im Klaren sein,
dass er seinen Verein repräsentiere, so
Valdano.
Madrid. Nach den Vorkommnissen beim Rückspiel um die
spanische
Supercopa zwischen dem
FC Barcelona und
Real Madrid (3:2)
ist in Spanien eine Debatte um Real-Coach
Jose Mourinho im Gange. Der Portugiese
war an den tumultartigen Szenen kurz vor dem
Abpfiff im „Camp Nou“ nicht ganz unschuldig
und hatte unter anderem Barcas
Assistenztrainer Tito Vilanova mit seinem
Finger im Auge getroffen.
„Mourinho repräsentiert Real“
Jorge Valdano, ehemaliger Manager der „Blancos“,
hat das Verhalten Mourinhos kritisiert. Er
sagte gegenüber ADN Deportes:
„Sagen wir es so: Was passiert ist, wirft
nicht unbedingt ein gutes Licht auf Real
Madrid und Jose Mourinho. Ich bin überzeugt
davon, dass niemand auf das stolz ist, was
wir dort gesehen haben. Mourinho ist bei
einem Verein mit einer 109-jährigen
Geschichte und er repräsentiert einen Klub
mit einer sehr soliden Kultur. Im Moment
sind die Spannungen zwischen Real und
Barcelona so stark, dass sich jeder von
seinen Emotionen überwältigen lässt.“
Lob für Alexis Sanchez
Valdano äußerte sich außerdem zu Barcelonas
Neuzugängen Alexis Sanchez und Cesc Fabregas.
Gerade beim Chilenen ist der ehemalige
Weltklasse-Stürmer davon überzeugt, dass
„perfekt“ in das Spiel des spanischen
Meisters passe: „Er ist ungemein schnell und
erobert die Bälle mit einer Leichtigkeit,
wie es für einen Spieler seines Typs
ungewöhnlich ist. Er hat das in seinem
ersten Spiel bewiesen und dies, obwohl er
praktisch noch nicht mit seinen neuen
Mannschaftskameraden trainiert hatte. Er
kann die Gegner aus dem Gleichgewicht
bringen und das ist für Barca sehr wichtig.
Die Verpflichtung von Fabregas ist für
Sanchez genauso wichtig, wie für Lionel
Messi.“
08. März 2012
Messis Tor-Gala - Gott zerstört Leverkusen
Aus Barcelona berichtet
Rafael Buschmann
Es war eine Demütigung,
exekutiert vom besten Fußballer der Welt:
Gegen einen
überirdischen Lionel Messi
war Bayer in der Champions League völlig
überfordert. Für
Leverkusen kann es nach der
7:1-Lehrstunde von Barcelona nur noch darum
gehen,
kein dauerhaftes Trauma
davonzutragen.
Lionel Messi trippelte
direkt nach dem Abpfiff wie in den 90
Minuten zuvor an allen Gegenspielern
vorbei, bückte sich kurz und
sammelte den Ball auf. Das Spielgerät dieses
Abends war selbst für
den Superstar des
Weltfußballs noch ein besonderes Souvenir.
Niemand, nicht einmal der
Schiedsrichter, mochte
diesem Wunsch widersprechen. Zu groß war die
Anerkennung vor Messis
Leistung beim
7:1 (2:0)-Spektakel
seines FC
Barcelona gegen Bayer Leverkusen. Erstmals
in der
Historie der Champions
League schaffte es ein Spieler, in einer
Partie fünf Tore zu erzielen.
"Messi ist auf einer Stufe
mit Cruyff, Maradona und Pelé. Er gehört zu
den besten Fußballern aller
Zeiten", sagte Bayers
Manager Rudi Völler. Leverkusens Trainer
Robin Dutt sprach von einem
"Außerirdischen", Barças
Trainer Pep Guardiola nannte Messi "ein
Geschenk".
Dass der 169-Zentimeter
kleine Wirbelwind als der beste Fußballer
auf dem Globus gilt, war auch
schon vor seinem Galaabend
gegen die Rheinländer hinlänglich bekannt.
Auf Vereinsebene hat er
schließlich bereits alle
möglichen Titel mit den Katalanen errungen,
er ist aktuell zum dritten Mal
zum Weltfußballer gewählt
worden.
Doch dieser Fünferpack gegen Bayer lässt die
Fußballwelt
noch einmal staunend,
kopfschüttelnd und sich verbeugend zurück.
"Er ist ein Fußballgott", sagt
Carles Puyol, Messis
Mitspieler, der am Mittwoch
verletzungsbedingt passen musste.
Maradona empfiehlt das
"Studienfach Messi"
Der Fußballgott Messi hat
tatsächlich kaum fassbare Fähigkeiten. Sein
Dribbling, sein präziser
Torschuss, sein Antritt und
sein Instinkt sind unvergleichbar. Diego
Maradona hat einmal
empfohlen, ein "Studienfach
Messi" einzurichten, um dem Phänomen auf die
Schliche zu kommen.
Doch bei allem Lobgesang für
den erst 24-Jährigen, muss auch erwähnt
werden, dass der
Argentinier mit Bayer noch
nicht einmal einen unterklassigen
Sparringspartner vorgesetzt
bekommen hat. Die Werkself,
die in den vergangenen Wochen einen klaren
Aufwärtstrend
erkennen ließ,
wirkte gegen
Barcelona wie eine Ansammlung von
Freizeitkickern, die sich der
weltbesten Mannschaft
entgegenzustellen versuchte. "So wie heute
darf man einfach nicht
verlieren", sagte Völler.
Bayers taktisches Konzept
war darauf ausgerichtet, Barcelona früh zu
pressen und zu versuchen,
die
1:3-Hinspielniederlage
irgendwie zu
reparieren. "Aber wenn man ehrlich ist:
Gegen eine
solche Mannschaft darf man
erst gar nicht versuchen mitzuspielen. Man
muss sich wohl eher
hinten reinstellen und
mauern", sagte Bayer-Kapitän Simon Rolfes.
Jedes Aufrücken des
Tabellenfünften der
Bundesliga wurde direkt von den Spaniern
bestraft, der 0:2-Halbzeitrückstand
war noch mehr als
schmeichelhaft. "Wir haben uns eigentlich
vorgenommen, es im zweiten
Durchgang allen zu zeigen.
Aber das ist gründlich nach hinten
losgegangen", sagte Daniel
Schwaab.
Der Abwehrmann musste
nämlich auch in den zweiten 45 Minuten
zuschauen, wie Messi sich in
den Fußballolymp spielte.
Nach seinen zwei Treffern aus dem ersten
Durchgang, setzte der
Argentinier nach der Pause
drei weitere drauf. "Der ist kaum zu
verteidigen. Man muss höllisch
aufpassen, dass man nicht zu
ungestüm ist, denn dann dreht er sich so
komisch in einen hinein
und lässt einen völlig ins
Leere laufen", sagte Schwaab.
Bayers Spieler trauten sich
nicht einmal, Messi zu foulen
Vielleicht ist das der
Grund, warum die Bayer-Akteure Messi nicht
ein einziges Mal während des
Spiels gefoult haben.
Vielleicht ist dieses körperlose Spielen
aber auch nur das Sinnbild für den
völlig desolaten, mut- und
kampflosen Auftritt Bayers. Anders lässt
sich auch kaum erklären,
warum Leverkusen sich im Nou
Camp-Stadion lediglich 23, 2 Prozent
Ballbesitz erspielte und nur
280 Pässe zustande brachte.
Barcelona hatte insgesamt satte 960 Pässe
bei 76, 8 Prozent
Ballbesitz (Quelle: Opta
Sports). "Das war heute eine Laufeinheit",
fasste es Stefan Reinartz
sarkastisch aber prägnant
zusammen.
"Natürlich hat man Angst,
dass die Leistung ein bisschen in den Köpfen
hängen bleibt", sagte
Bayers Geschäftsführer
Wolfgang Holzhäuser beim mitternächtlichen
Bankett. Doch dies wäre für
die Ziele Bayers fatal, denn
auf Leverkusen warten in den Märzwochen mit
dem VfL Wolfsburg,
Borussia Mönchengladbach und
dem FC Schalke 04 ganz schwere
Bundesliga-Brocken. Es wird
spannend sein zu beobachten,
wie Trainer Dutt diese Demontage aus den
Bayer-Köpfen heraus
bekommen will.
Messi hingegen mag das
völlig egal sein. Er befindet sich einmal
mehr auf dem Höhepunkt seines
Schaffens. Mit seinen zwölf
Treffern aus sieben Spielen hat er seinen
eigenen Saison-Torerekord
in der Königsklasse bereits
nach dem Achtelfinale eingestellt. Und auch
die Torjägerkanone in
diesem Wettbewerb sollte er
nun zum vierten Mal in Folge gewinnen
können. Trotzdem bleibt er
bescheiden: "Wichtig ist,
wie wir es als Team gemacht haben und dass
wir die Runde überstanden
haben. Wir wollen die
Champions League gewinnen."
Der Fußballgott hat noch
lange nicht genug
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,820019,00.html
Guardiolas Abschied
27.04.2012
Mehr als ein Trainer
Von
Lukas
Rilke
Es ist das
Ende einer Ära: Trainer-Genie Josep
Guardiola verlässt den FC Barcelona.
Innerhalb von vier Jahren hatte er die beste
Vereinsmannschaft der Welt geformt, führte
die Katalanen zu 13 Titeln. Doch seine
Entscheidung ist konsequent, denn mit seinem
Rücktritt bleibt sich der Coach treu.
«Genau so spielte ich schon als Kind»
Von Ramón Besa, Luis Martín: Copyright El
Pais .
Barças Star Lionel Messi über seinen
Widerstand gegen alle Korrekturen an seinem
Spiel, sein baldiges Vaterwerden und sein
Verhältnis zu Titeln und Toren.
Die meisten sehen ihn als besten Fussballer
der Welt. Doch viel wichtiger sei ihm, sagt
Lionel Messi, dass er als guter Mensch
wahrgenommen werde.
Bild: Keystone
Im Sportzentrum von Barça, 9 Uhr früh.
Lionel Messi kommt pünktlich.
Die Sonne ist lau, und da Messi dazu neigt,
sich schnell zu erkälten, bringen ihm Leute
vom Staff einen Pullover, den er aber
zurückweist: «Ich fühle mich wohl.» Mit 25
Jahren wird der Argentinier aus Rosario zum
ersten Mal Vater. In einigen Wochen soll es
so weit sein, der Junge wird Thiago heissen.
Man sieht Messi das Glück an. Die
vereinbarte Stunde ist schnell vorbei, doch
er macht keine Anstalten, das Interview
beenden zu wollen.
Lionel Messi, man sagt von Ihnen, Sie würden
gerne schlafen. Doch hier waren Sie schon um
8.30 Uhr. Bereiten Sie sich darauf vor, bald
weniger schlafen zu können, wenn Thiago erst
einmal da ist?
Ich habe immer sehr gerne geschlafen. Und
ich liebe die Siesta. Aber auf die Geburt
von Thiago bin ich vorbereitet. Ich schlafe
schon mal ein bisschen weniger – wegen der
Vorfreude.
Die Siesta haben Sie natürlich hier, in
Barcelona, gelernt ...
... alles habe ich hier gelernt! Als ich
nach Barcelona kam, da war ich ja erst 13
Jahre alt. Ich bin hier aufgewachsen, hab
hier die Schule gemacht. Ich habe immer
schon gesagt, dass ich sehr dankbar bin
dafür, weil ich das wirklich so empfinde.
Haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie
Barcelona mit Zinsen das zurückgegeben
haben, was man Ihnen gegeben hat?
Nein, ach, ich weiss nicht ... Mir war es
immer wichtig, mein ganzes Engagement für
den Club zu zeigen. Vielleicht war das zu
Beginn besser sichtbar. Heute scheint es
einfach normal. Das ist mein Zuhause, mein
Verein. Ich verdanke Barça alles. Und
nochmals, ich habe es immer schon gesagt:
Ich bin einfach sehr glücklich hier.
Der Jugendtrainer von damals und drei
Spieler aus Ihrer Jugendzeit bilden heute
die Pfeiler der ersten Mannschaft: Tito
Vilanova, Sie, Cesc Fàbregas und Gerard
Piqué. Was zeigt das?
Das illustriert nur, wie der
FC Barcelona arbeitet. Man
spürte schon damals, dass jenes Team wohl
eine der besten Generationen des
Nachwuchsfussballs war. Es gibt auch noch
andere aus jenem Jahrgang, die es ebenfalls
geschafft haben. Man wusste schon, dass die
meisten von uns ihren Lebensunterhalt einmal
mit Fussball in einem grossen Verein
bestreiten würden.
Sie sagen, es interessiere Sie nicht, wie
viele Tore Sie schiessen, sondern wie viele
Titel Sie gewinnen.
Ja, ich ziehe Titel mit dem Verein meinen
individuellen Auszeichnungen vor. Es ist mir
nicht wichtig, mehr Tore zu schiessen als
alle anderen. Mich kümmert viel mehr, dass
man mich als guten Menschen sieht denn als
besten Fussballer der Welt. Denn ja, am
Ende, wenn das alles mal fertig sein wird,
was bleibt dir? Mein Ziel ist es, dass man
mich als guten Typ in Erinnerung hält, wenn
ich zurücktrete.
Dann interessiert es Sie auch nicht, einen
vierten Ballon d’Or zu gewinnen?
Diese Ehrungen sind okay, und klar, ich
schätze sie. Aber mal ehrlich, diese Dinge
interessieren Sie Journalisten mehr als
mich. Sie müssen sich offenbar immer fragen,
wer nun der Beste von allen sei. Xavi oder
Iniesta? Wer weiss das schon? Mein Glück war
es, in den Schoss dieses Barça zu fallen,
mit diesen grossartigen Spielern. Der Verein
hat mit alles gegeben: die Auszeichnungen,
die Titel, die Tore, einfach alles. Der
Verein macht mich erst stark, da gibt es
doch keine Zweifel dran. Ohne die Hilfe
meiner Kollegen wäre ich nichts, würde ich
nichts gewinnen. Weder Titel noch Ehrungen,
nichts.
Was ärgert Sie?
Im Leben? Im Leben macht mir die Armut zu
schaffen. Ich komme aus einem Land, in dem
man der Armut überall begegnet. Da gibt es
viele kleine Kinder, denen nichts anderes
übrig bleibt, als in den Strassen zu betteln
oder irgendetwas zu arbeiten – ganz kleine
Kinder schon.
Sie leben doch als Fussballer in einer
Blase. Bekommen Sie diese Dinge aus der
normalen Welt überhaupt mit?
Was soll denn das heissen? Nein, wir sind
nicht entrückt! Natürlich leben wir ein
überprivilegiertes Leben. Mir hat nie etwas
gefehlt, ausser vielleicht damals, als ich
alleine mit meinem Vater nach Barcelona kam:
Da fehlten mir meine Geschwister und meine
Mutter sehr. Doch ich kriege die Realität
der Welt sehr wohl mit.
Sie werden bald Vater. Hat sich Ihr Fokus
schon verändert?
Ja, plötzlich siehst du alles ganz anders.
Du denkst nicht mehr nur an dich. Du denkst
an das Kind, dass ihm auch nichts fehlt,
nie, gar nichts. Oh ja, das verändert alles.
Wie steht es ums Windelwechseln?
Da hab ich schon mit meinen Neffen üben
können, kein Problem.
Sie unterhalten eine Stiftung, die
bedürftigen Kindern hilft.
Wir konzentrieren uns darauf, die Kinder von
der Strasse zu holen, sie einzuschulen, sie
in den Sport zu integrieren. Wir arbeiten
mit Unicef, mit Spitälern, Schulen ... Es
ist schön, helfen zu können.
Selten leuchten Ihre Augen so sehr, wie wenn
Kinder sich Ihnen nähern und Sie grüssen.
Es gibt nichts Gesünderes als Kinder, vor
allem wenn sie noch klein sind, frei von
jeder List. Sie sehen mich und sind geniert,
wie versteinert. Sie bringen keinen Ton
heraus, verstehen nicht, dass ich neben
ihnen stehe und mit ihnen rede, weil sie es
gewohnt sind, mich nur im Fernsehen zu
sehen. Ein Kind glücklich zu machen – es
gibt nichts, was mich mehr erfüllt.
Es kommen aber auch grössere Kinder auf Sie
zu. Ihre Berühmtheit setzt Sie einer
ständigen Beobachtung aus. Belastet Sie das
nicht?
Nein, weil ich nie geschauspielert habe. Ich
bin so, wie ich bin, auf und neben dem
Fussballplatz. Man muss mich so nehmen, wie
ich bin. Auch die Anfangsscham legst du mit
der Zeit ab.
Sie sagten einmal, es sei schwieriger, so zu
spielen wie Xavi und Iniesta, als so wie
Sie. Ist Ihr Spiel denn einfach?
Was die beiden machen, könnte ich nicht. Das
sind ganz andere Rollen. Ich sehe mich als
Werkzeug für den Sieg. Dafür gehe ich auf
den Platz: allein für den Sieg. Wie viele
Tore ich dabei schiesse, ist mir egal.
Lässt sich Ihre Spielweise erarbeiten und
antrainieren?
Das weiss ich nicht, ich glaube nicht. Genau
so habe ich schon als Kind gespielt.
Das sagt auch Ihr Trainer, Tito Vilanova.
Was sagt er genau?
Er sagt, zu seiner grossen Verwunderung
würden Sie noch genau so spielen wie als
Kind – mit dem einzigen Unterschied, dass
Sie jetzt nicht mehr gegen 14-jährige Bengel
spielen, sondern gegen die besten Fussballer
der Welt.
Es stimmt schon, meine Spielweise hat sich
nicht stark verändert, obschon ich natürlich
einiges dazugelernt habe über den Sport. Mir
hat es viel gebracht, nach Barcelona zu
kommen, in die Cantera (die
Nachwuchsakademie, Red.). Ich war erst
gestern wieder dort und habe zugeschaut, wie
die siebenjährigen Jungs trainieren. Diese
Art, wie sie gecoacht werden, wie man ihnen
das Verständnis für das Spiel und für den
Ball beibringt, ist einzigartig in der Welt.
Schon als Kinder spielen die so wie wir!
Von Ihnen heisst es, Sie seien im Nachwuchs
der Einzige gewesen, an dessen Spielweise
nichts korrigiert worden sei, dass man die
Eigenheiten Ihres Spiels immer respektiert
habe.
Ab und zu korrigierten sie mich, aber ich
kann mich nicht mehr an die Korrekturen
erinnern. Ja, sie haben meine Spielart
hingenommen. Obschon hier ja die Philosophie
gilt: «Stoppen und direkt passen», gab ich
den Ball früher niemandem. Man sagte mir
dauernd: «Spiel den Ball früher ab.» Bis sie
merkten, dass mir das einfach nicht gelingen
wollte, dann liessen sie mich in Ruhe.
Natürlich habe ich dann immer mehr zu passen
begonnen. Doch zu Beginn, als ich hier
ankam, da gab ich den Ball wirklich nie ab!
Noch etwas überrascht: Warum ist es so
schwierig, Sie von den Beinen zu holen? Sie
fallen fast nie hin.
Ja, und auch das war schon als Kind so: Ich
habe immer schon versucht, die Spielaktionen
zu vollenden, auf den Beinen zu bleiben. Ich
will einfach nicht hinfallen, ich suche das
Foul nicht.
Als der Mannschaft mitgeteilt wurde, dass
Vilanova Nachfolger von Pep Guardiola würde,
sollen Sie nichts gesagt haben: Nur
gelächelt haben Sie. Und dieses Lächeln habe
den ganzen Verein beruhigt.
Gut möglich, dass ich gelächelt habe. Ich
kenne Tito, seit ich ein Kind bin. Er war
es, der mich in der Jugend zum Stammspieler
machte, bis dahin sass ich ja meist auf der
Bank. Er ist eine umgängliche, offene
Person. Er sagt einem die Dinge direkt und
gerade ins Gesicht. Ich mag das sehr.
Ein bisschen Ärger gab es ab und zu aber
schon damals, wie man hört.
(er lacht) Daran erinnere ich mich nicht
mehr.
Ist es wahr, dass Piqué Sie immer
beschützte, als man Ihnen auf die Knochen
stieg?
Ja, er war damals schon der Grösste von uns
allen, der Rest der Mannschaft war viel
kleiner gewachsen: «Papa» verteidigte uns
immer.
Reden Sie viel auf dem Platz?
Nein, ich rede nicht viel.
Das sehen Ihre Gegner und die Schiedsrichter
aber anders!
Ah, ja, mit denen rede ich mehr. Bei den
Kollegen aber reicht ein Blick, um sich zu
verstehen. Wir spielen schon so lange
zusammen.
Nun ja, kürzlich gab es auf dem Rasen Ärger
zwischen Ihnen und David Villa (Messi
herrschte den Sturmkollegen ungewohnt hitzig
an, weil der mit einem Zuspiel einen Tick zu
lange gewartet hatte, Red.). Wo ist da die
Idylle geblieben?
Suchen Sie bitte keine Probleme, wo keine
sind. Suchen Sie anderswo. Dieses Team
funktioniert weit über das Sportliche
hinaus. Einfach wunderbar, vor allem
menschlich. Nach so vielen Jahren ist das
gar nicht so selbstverständlich. Von
draussen macht man sich keine Vorstellung
davon, wie gut wir uns verstehen.
Ist das die grosse Stärke Barças?
Nein, das Beste an dieser Mannschaft ist es,
dass wir seit fünf Jahren mit derselben
Ambition und derselben Lust jeden Sieg
suchen – überall. Guardiolas Verdienst?
Ja, er impfte uns diese Attitüde ein, diese
Selbstsicherheit, dass wir immer die
Initiative übernehmen und gewinnen können.
Er war ein grossartiger Analysator von
Spielen.
Was halten Sie von José Mourinho, dem
Trainer von Real Madrid?
Ich kenne ihn nicht, habe nie mit ihm
gesprochen. Und wenn ich jemanden persönlich
nicht kenne, rede ich nicht über ihn.
Mourinho sagt, Barças Fussball sei
langweilig, und die spanische
Nationalmannschaft spiele nur defensiv.
Ach ja, sagt er das? Spanien spielt ja wie
wir bei Barça. Denen kannst du den Ball
nicht wegnehmen. Für einen Spieler ist das
grossartig, sofern du auf der Seite jener
stehst, die den Ball verwalten. Ich habe mit
Argentinien gegen Spanien gespielt und bin
dem Ball fast immer hinterhergerannt, ohne
ihn je zu erwischen. Ich kann mich nicht
erinnern, je so viel ohne Ball gerannt zu
sein wie bei unseren Spielen gegen Spanien.
Und wie ist es denn, gegen Madrid zu
spielen? Gibt es etwas, was sie an Mourinhos
Real bewundern?
Ihr Konterspiel ist tödlich. Die haben
wahnsinnig schnelle Stürmer. Die
Überbrückung zwischen Verteidigung und Sturm
dauert keine fünf Sekunden, dann fällt schon
das Tor. Real muss nicht gut spielen, um
drei Tore zu schiessen. Die machen Tore aus
dem Nichts. Wie läuft es in der
argentinischen Nationalmannschaft?
Alejandro Sabella hat genaue Vorstellungen
und kann die auch vermitteln. Ich denke, wir
sind auf einem guten Weg.
Ihr Traum ist es, in zwei Jahren Weltmeister
zu werden – ausgerechnet in Brasilien.
Natürlich, das wäre fantastisch. Für
Argentinien wäre das das Grösste überhaupt.
Kann es sein, dass Sie einmal mit dem
Fussball aufhören, ohne je das Trikot der
Newell’s Old Boys aus Ihrer Heimatstadt
Rosario getragen zu haben?
Oh, keine Ahnung! Ich hab immer gesagt, dass
ich gerne einmal in Argentinien spielen
würde. Als Kind war die Primera mein ganz
grosser Traum. Bis ich hierherkam. Der Traum
ist also noch pendent. Mal sehen, es ist ja
noch viel Zeit.
Übersetzung aus dem Spanischen: Oliver
Meiler. © «El País» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 11.10.2012, 13:07 Uhr
Vierter "Ballon d'Or" für Messi
Montag, 7. Januar 2013
Lionel Messi sorgt für
weitere Rekorde. An der FIFA-Gala im Zürcher
Kongresshaus wird der Argentinier zum
vierten Mal in Folge mit dem "Ballon d'Or"
ausgezeichnet.
Im Jahr 2012 sorgte Messi für manche
Rekordmarke. Für Barcelona und das
argentinische Nationalteam erzielte der
Superstar sagenhafte 91 Tore, die 40 Jahre
währende Bestmarke von Gerd Müller (85)
übertraf der "Floh aus Rosario" mit einer
beeindruckenden Leichtigkeit. Was fehlte,
waren die grossen Titel mit seinem
Arbeitgeber Barcelona. Dafür bestimmten die
Captains und Nationaltrainer der 209
FIFA-Mitgliederstaaten - unter ihnen auch
Gökhan Inler und Ottmar Hitzfeld - Messi zum
besten Spieler des letzten Jahres.
Die rund 1000 geladenen Gäste
spendeten Messi beim Überreichen des
goldenen Balls sekundenlangen Applaus, dem
Geehrten waren die Sympathiebekundungen
nicht recht. Der Goleador wirkte wie immer,
scheu und nicht sehr redselig. Er erachtet
die Geburt seines Sohns als "das Beste, was
mir je passiert ist". Die vierte
Auszeichnung als bester Spieler des Jahres
hievt Messi - ob er es will oder nicht - in
eine eigene Liga.
Leer gingen die zwei weiteren
Nominierte aus der Primera Division aus.
Cristiano Ronaldo, mit Real Madrid
spanischer Meister und zweitbester
Torschütze hinter Messi geworden, wurde zum
dritten Mal bei vier Nominierungen nicht als
Weltbester gewählt. Messis Teamkollege
Andres Iniesta blieb mit grossem Abstand
Rang 3 und die Genugtuung, bereits als
"Europas Fussballer der Saison 2011/12"
geehrt worden zu sein.
Bei den Frauen wurde Amerikanerin
Abby Wambach ausgezeichnet. Die zweifache
Olympiasiegerin gewann die Wahl vor der
fünffachen Siegerin Marta (Br) und ihrer
Teamkollegin Alex Morgan.
Männer: 1. Lionel Messi (Arg, FC
Barcelona) 41,60 Prozent der Stimmen. 2.
Cristiano Ronaldo (Por, Real Madrid) 23,68.
Andres Iniesta (Sp, FC Barcelona) 10,91.
Frauen: 1. Abby Wambach (USA,
MagicJack Boca Raton) 20,67. 2. Marta (Br,
Tyresö/Sd) 13,50. 3. Alex Morgan (USA,
Seattle Sounders) 10,87.
Trainer des Jahres: 1. Vicente del
Bosque (Sp, Nationalteam Spanien) 34,51. 2.
José Mourinho (Por, Real Madrid) 20,49. 3.
Pep Guardiola (Sp, FC Barcelona, bis Juni
2012) 12,91.
Trainer des Jahres im Frauenfussball:
Pia Sundhage (Sd, Nationalteam USA, bis
Anfang Dezember 2012).
Weitere Auszeichnungen.
Fairplay-Award: Usbekischer Verband. -
Puskas-Award (Schönstes Tor): Miroslav Stoch
(Slk, Fenerbahçe Istanbul). - Presidential
Award: Franz Beckenbauer (De).
FIFPro World XI (Team des Jahres).
Tor: Iker Casillas (Sp, Real Madrid). -
Verteidigung: Dani Alves (Br, FC Barcelona),
Gerard Piqué (Sp, FC Barcelona), Sergio
Ramos (Sp, Real Madrid), Marcelo (Br, Real
Madrid). - Mittelfeld: Xabi Alonso (Sp, Real
Madrid), Xavi Hernandez (Sp, FC Barcelona),
Iniesta. - Sturm: Messi, Radamel Falcao (Kol,
Atletico Madrid), Ronaldo.
dpa 17. Februar 2013
"Leo, der Allmächtige" - 301 Tore von Messi
für Barça
Ein Treffer hätte Lionel Messi
genügt, um die Marke von 300
Pflichtspieltoren zu erreichen. Dies schien
dem Argentinier jedoch zu leicht gewesen zu
sein, und so schoss der viermalige
Weltfußballer auch noch sein Tor Nummer 301
für den FC Barcelona.
Mit dem Doppelpack
sicherte Messi den Katalanen einen 2:1-Sieg
beim FC Granada. Zugleich baute er seine
eigene Rekordserie aus: Der Torjäger traf
nun in 14 Punktspielen in Folge jeweils
wenigstens einmal.
"Leo, der Allmächtige", titelte das
Sportblatt "El Mundo Deportivo". Mit dem
Erfolg in Granada, wo der Titelverteidiger
Real Madrid vor zwei Wochen 0:1 verloren
hatte, behauptete Barça seine souveräne
Position an der Spitze der Primera División.
Wenn eine runde Trefferzahl in
Reichweite ist, scheint Messi besonders
motiviert zu sein. Das Erreichen der Marke
von 100 Toren hatte er ebenfalls mit einem
Doppelpack gefeiert, beim Überschreiten der
Zahl von 200 Treffern war es gar ein
Dreierpack. Dabei hatte der Argentinier es
in Granada keineswegs nur darauf angelegt,
seine Trefferbilanz zu erhöhen. Im
Gegenteil: Messi zog sich ins Mittelfeld
zurück und agierte als Spielmacher. Er
arbeitete für Alexis Sánchez mehrere
hochkarätige Torchancen heraus, die der
Chilene aber vergab.
Als Odion Ighalo (26. Minute) die
Andalusier in Führung brachte, wurde Messi &
Co klar, dass sie in Granada kein leichtes
Spiel haben würden. Barça-Trainer Jordi
Roura wechselte Jordi Alba und Andrés
Iniesta ein, die eigentlich für das
Champions-League-Spiel am Mittwoch beim AC
Mailand geschont werden sollten. Messi (50.)
nutzte einen Abpraller zum Ausgleich und
erzielte per Freistoß (73.) das Siegtor. "In
Granada gewann Messi im Alleingang",
resümierte die Zeitung "El País".
Von seinen 301 Toren erzielte der
25-Jährige 243 mit dem linken und 44 mit dem
rechten Fuß, zwölf mit dem Kopf und je eins
mit der Brust und der Hand. Fast keine
Abwehrreihe der Liga kann den Torjäger
stoppen. Messi gelang in dieser Saison gegen
alle Mannschaften - mit Ausnahme des FC
Sevilla und Celta de Vigo - wenigstens ein
Tor.
Cristiano Ronaldo hatte es in der
vorigen Saison fertiggebracht, ins Tor von
allen 19 gegnerischen Teams der Liga zu
treffen. Vor zwei Wochen ging der Torjäger
von Real Madrid sogar einen Schritt weiter
und beförderte den Ball ins eigene Tor. "Wer
weiß, vielleicht wird auch Messi eines Tages
seinen Torwart Víctor Valdés überwinden, nur
damit der Portugiese mit diesem Kunststück
nicht allein dasteht", witzelte die Zeitung
"El Periódico de Catalunya".
Barcelonas Anhänger sind
selten ausgelassen. Manchmal aber reisst es
auch die gesetzten Katalanen aus ihren
Sitzen – wie beim 3:0 im Hinspiel gegen die
Bayern am 6. Mai 2015
Oliver
Meiler,
Barcelona (Quelle: Der Bund)
Natürlich ist jetzt wieder
alles viel zu gross. Messi ist Messias,
Messi ist Gott. Messi ist Künstler, König,
Kaiser. Und «Herr Messi». Messi ist «Meeesssiii,
Meeessssi, Meeessssi», und man muss sich zum
Chor ein Stadion voller Anhänger vorstellen,
die zur Huldigung ihre Arme weit von sich
strecken und sich verbiegen in der warmen
Abendluft von Barcelona. Messi ist der
Erlöser mit links und mit rechts, der
Problemlöser mit Heber.
Messi ist Fussball
kombiniert mit Kino. «La Vanguardia», die
grösste Zeitung in der Stadt, schreibt nach
dem Sieg Barças über die Bayern: «Das Camp
Nou wurde zur Kathedrale der Emotionen, zum
Kolosseum der Passionen.» Wegen Messi, dank
Messi. Die Überzeichnungen sind ihm
hoffentlich ungeheuer. Doch erwehren kann er
sich ihrer nicht, nun schon gar nicht mehr.
Ach, Messi. Wenn ein stilles, gesetztes Volk
wie das katalanische laut wird, sich so
euphorisieren lässt, dann darf man schon
einmal hinhören. Es steht nicht leicht auf,
seine Begeisterung will üppig genährt sein.
Jedes Mal neu.
Der Ansager, seit 50 Jahren
Auch vor diesem Spiel, das
in der übermütigen Vorfreude zum «Spiel des
Jahrhunderts » hochgeschrieben worden war,
blieb das Stadion bis fünf Minuten vor
Beginn halb leer. So ist das immer. Man
kommt in letzter Minute, drängt sich durch
die labyrinthischen Gänge des Camp Nou,
durch die «Bocas», die vielen Zugangstore zu
den Rängen, hinaus in die Arena, füllt sie
in letzter Sekunde, diesmal waren es 95 369.
Man könnte schon früher da sein, singen,
grölen. Aber das tut man hier nicht. Man
kommt mit Sandwichs in Aluminiumpapier, die
man dann in der Pause isst, und mit «Pipas»,
Sonnenblumenkernen, die man während des
Spiels verzehrt. Immer, mehr Ritual geht gar
nicht.
Zur Nüchternheit passt der
Tonfall von Manel Vich, seit über 50 Jahren
Speaker im Camp Nou. Er ist jetzt 78. Seine
Einsilbigkeit ist legendär. Er verkündet nur
Startaufstellungen und Auswechslungen. Die
Torschützen nennt er nicht, animiert also
nicht zur öffentlichen Hosiannierung der
Heroen, wie das die Ansager anderswo mit dem
Impetus von Marktschreiern tun.
Zur Nüchternheit passt die
Hymne Barças: kein Vergleich etwa mit der
Arie von Real Madrid, dem dramatischen
beschwingten «Hala Madrid». Barças Hymne ist
blechern und kantig, eigentliche
Marschmusik. Die Fans singen sie mechanisch
mit, zack, zack, zack, fertig, setzen sich
und bleiben dann in der Regel verhaftet in
stiller Aufmerksamkeit. Zuschauer im engeren
Wortsinn. Dankbar für gehobene Unterhaltung,
aber kaum je ermutigt zu Gefühlsausbrüchen.
Oft ist es so, dass einige Hundert Anhänger
des gegnerischen Teams, untergebracht auf
den billigen Plätzen im obersten Ring des
Stadions, mehr Lärm veranstalten als 90 000
Barça-Fans.
Man hat eben schon viele
Enttäuschungen erlebt. Die Geschichte des
Vereins, und die Fussballwelt neigt da zum
Vergessen, war nicht immer reich an Erfolgen
und Trophäen. Die Konstanz ist neu. Barças
Anhänger quittieren die Konstanz mit der
inneren Überzeugung, dass man schnell wieder
zurückfallen kann in die alte
Mittelmässigkeit. Man wäre überhaupt nicht
überrascht, eher im Gegenteil.
Schnell weg, zum Nachspiel
Doch dann kommt meistens
Messi und zerstreut die bösen Gedanken. Er
bricht das Ritual, die Nüchternheit. Seit
vielen Jahren schon. Reisst die Blasierten
aus ihren Sitzen, mischt etwas Kunst ins
Spiel, etwas Kino in den Fussball. Vom Genre
her war es diesmal ein Thriller, alles kam
zum Ende. Und die Stimmung im Camp Nou war
eine Viertelstunde lang so ausgelassen, wie
sie es nur sehr selten ist. Laut und
leidenschaftlich.
Wie, nun ja, zuletzt zu
Zeiten Pep Guardiolas, der da unselig am
Spielfeldrand stand, auf der falschen Seite.
Er sollte erfahren, dass es auch ohne ihn
ganz gut geht, so unmöglich das vielen auch
vorgekommen sein mag, damals, als er
wegging. Messi blieb.
Als das Spiel fertig war,
und auch das gehört zum Ritual, leerte sich
das Stadion in wenigen Minuten. Fertig und
weg. Man hüpft nicht mehr freudig herum. Man
hofft nur, möglichst schnell wegzukommen,
durch die «Bocas», die Gänge, die Treppen
hinunter, hinaus. Vielleicht leert sich kein
grosses Stadion der Welt so schnell wie das
Camp Nou. Selbst nach dem
«Jahrhundertspiel». Wenn man das zum ersten
Mal erlebt, wirkt es etwas befremdlich.
Spätestens nach dem dritten Mal rennt man
mit, hinaus, die blecherne Musik der Hymne
im Rücken, zack, zack, zack.
Dann beginnt das lange
Nachspiel, die Debatten in der Bar, die
Überhöhung der Stars, die Fortschreibung an
der Glorifizierung von Lionel Messi.
Glückseliger Dreizack
Lionel Messi, Neymar und
Luis Suárez: Barças Sturm ist Drang und
Spektakel und verängstigt alle – am Mittwoch
auch Bayern München
Oliver Meiler, Quelle:
Sonntagszeitung 5.5.2015
Barcelona
Vieles braucht ja drei, um wirklich rund zu
sein. Die heilige Dreifaltigkeit zum
Beispiel, oder die unheilige Ménage-à-trois.
Die Könige waren drei, die grossen Tenöre
auch. In jedem Triumvirat stecken drei
Männer, ohne dass die Feministinnen darüber
zu erzürnen brauchen. Ganz zu schweigen vom
Trio, der Parade-Drei. Im 4-3-3, einer recht
offensiven Spielanlage im Fussball, fällt
das meiste Licht auf die letzte 3, auf die
dreifaltige Abteilung Sturm und Drang, auf
die oftmals sündhaft teuren Stars mit dem
eingebauten Torjubelmechanismus.
In Spanien macht gerade ein
südamerikanisches Männerbündnis mit
schnellen Beinen und gelenkigen Füssen
Furore, dem sie in den Medien «Tridente»
sagen, Dreizack also, wie die altertümliche
Stichwaffe der Jäger. Und wahrscheinlich
trifft es das ganz gut. Lionel Messi aus
Argentinien, Neymar Junior aus Brasilien und
Luis Suárez aus Uruguay beleben den Sturm
des FC Barcelona so, dass es dem Gegner
vorkommen muss, als stünde er ausgeliefert
vor einem Dreizack, bedroht von allen
Seiten. Es sei hier mal ganz kühn
verheissen, dass diese drei Herrschaften der
Welt des Fussballs bald den einen und wohl
auch gleich noch den anderen schier
unschlagbaren Rekord zufügen werden. Und
Spektakel, viel Spektakel. Und Freude am
Spektakel, viel Freude in Form von
zahnreichem Lächeln. Nicht unmöglich, dass
da der beste Sturm aller Zeiten aufkommt.
Barças «Tridente» hat in dieser Saison
bereits 108 Tore erzielt, alle Wettbewerbe
gerechnet. Wenn man bedenkt, dass einer der
dreien, «Beisser» Suárez, nach langer Sperre
erst im Spätherbst dazustiess, ist die Zahl
noch verwunderlicher. Nie zuvor in der
Geschichte des FC Barcelona gelangen einer
Offensive mehr Tore, nicht einmal im Jahr
des Triples mit Pep Guardiola, als Messi mit
Samuel Eto’o und Thierry Henry stürmte, auch
nicht eben unbegabte Kollegen. Noch bleiben
drei Spieltage in der Liga, mindestens zwei
Begegnungen in der Champions League, gegen
den FC Bayern, und ein Final im nationalen
Pokal, der Copa del Rey, gegen Athletic
Bilbao. Vielleicht reichen die Gelegenheiten
sogar aus, den Allzeitrekord eines
Sturmtrios von Real Madrid zu schlagen, was
dem Triumph natürlich eine zusätzliche Süsse
beimischen würde: Cristiano Ronaldo, Gonzalo
Higuain und Karim Benzema brachten es vor
einigen Jahren einmal auf sagenhafte 118
Tore.
Die Effizienz des «Tridente»
aus Barcelona ist derart erstaunlich, dass
die Statistiker mit allen möglichen Daten
die spielerische Harmonie zu erklären
versuchen. Auf kolorierten Karten werden die
Wirkungsräume der drei Männer definiert. Sie
variieren, überschneiden sich, fliessen
spielerisch ineinander. Es ist, als habe
Barça den idealen Sturm gefunden.
Die wortlosen Launen der
Primadonna
Vor gar nicht so langer Zeit war das noch
alles andere als absehbar gewesen. Wegen
Messi, wegen des Mittelzacks. Seit Barça
gross ist, seit 2008, dreht der Verein um
diesen kleinen, stillen, introvertierten
Mann aus Rosario mit diesem unerhört wachen,
hellen Geist für das Spiel, für den Ball,
für Räume. So scheu er selber auch immer
wirkte: Er mochte sich nie hinter starken
Egos zu verstecken, er duldete sie
nicht. Über die Jahre schieden nach und nach
Eto’o, Zlatan Ibrahimovic und David Villa
aus dem Verein, die als Zudiener des
Argentiniers auflaufen sollten, aber mehr
sein wollten als nur Sidekicks. Leo mochte
bald nicht mehr mit ihnen spielen. Und Leos
Launen entscheiden über das Wohlbefinden des
Vereins, der Stadt, ganz Kataloniens. Da
fackelt man nicht lange.
Als im Sommer 2013 für wohl
etwa 90 Millionen Euro und mit kuriosen
Methoden Neymar verpflichtet wurde, drohte
wieder Ungemach. «Ney» war ein Popstar mit
dem Lächeln eines Welteroberers. Er liess
sich mit einem halben Dutzend Freunden im
Privatjet von Brasilien nach Barcelona
bringen, führte Frisuren vor, als wären es
Trophäen, trug lustige Mode. Als dann
ruchbar wurde, dass der Neue schon bei
Ankunft fast so viel verdiente wie Messi,
war der mal eine Weile eingeschnappt. Die
Verstimmung war schier greifbar, von den
Rängen. Der Brasilianer gab sich zwar alle
Mühe, die fussballerische Klasse des
Argentiniers zu rühmen, was ihn durchaus
etwas gekostet haben dürfte, damit der Floh
keinen Juckreiz kriegt. Doch das
Zusammenspiel der beiden funktionierte im
ersten Jahr nur leidlich. Kein Titel schaute
heraus. Das Duo war ein Flop.
Dann holte Barça für 81
Millionen Euro Luis Suárez vom FC Liverpool
dazu. Das Duo sollte sich zum Trio wandeln.
Der Transfer war wie gehobenes Gambling, wie
riskantes Spekulieren an der Börse. Und
wieder schüttelte man allenthalben den Kopf.
Wie nur sollte dieser ungehobelte Bursche,
der im stilfreien englischen Fussball gross
wurde, ins Team der Feintechniker passen?
Doch dann passierte, was man in Barcelona
nun gemeinhin für eine Fügung hält.
Während seiner Sperre liess
sich Suárez von Psychologen helfen. Sie
rieten ihm, Verantwortung abzugeben,
lockerer zu werden. Früher, so steht es in
seiner Autobiografie, litt er darunter, dass
immer alle Erwartung auf ihm lastete, auf
seiner Leistung und seinen Toren. Alle drei
Beissattacken gegen gegnerische Spieler
passierten in solchen Stresssituationen. Nun
kam er in ein gelassenes Team voller
sieggewohnter Stars, in dem er «uno más»
war, einer mehr. Und er freundete sich schon
am ersten Tag mit Messi an, und zwar
nachhaltig – bei Mate, dem koffeinhaltigen
Aufgussgetränk, das sie in der Heimat
trinken. Es gibt Bilder der beiden, wie sie
glückselig an den silbernen Röhrchen ziehen,
den «Bombillas», mit denen man die
dunkelgrüne Infusion aus der Kalebasse
schlürft. Früher rauchte man
Friedenspfeifen.
Dann kam die Prüfung auf dem
Rasen. Suárez’ erste Auftritte waren konfus.
Er wirkte schwer, irrlichterte auf der
rechten Aussenbahn, die man ihm zugewiesen
hatte, und bemühte sich schier besessen um
seine sportliche Rehabilitierung. Runde für
Runde vergab er erstklassige Torchancen,
verzweifelte schier. Doch statt Häme
spendete ihm Barças sonst so ungeduldige
Anhängerschaft viel Geduld und, ja,
Mitgefühl. Als wäre der arme Mann auf
Bewährung. Dann wechselte Suárez auf jene
Position, die immer schon besser zu ihm
gepasst hatte: ins Zentrum des Sturms, in
die Rolle einer echten Neun. Und Messi, der
Zehner im Gewand des falschen Neuners, wich
auf den rechten Flügel aus, dahin, wo er
einst unter Frank Rijkaard debütiert hatte.
Ohne merklichen Unmut, gereift. Man muss gar
annehmen, dass die Rochade seine Idee war.
Mit Luis Enrique, dem Trainer, spricht der
Sturm nämlich nur das Nötigste, wenn
überhaupt. Neymar kam unverändert über
links, als Rechtsfuss, führte seine
süffisanten Nummern vor, seine Beinschüsse
und Übersteiger. Auch er schien Suárez wie
eine Befreiung zu erleben.
Die gelebte Aufopferung, der inkarnierte
Altruismus
Der Uruguayer bewährt sich seither als
Maulwurf in der Spitze. Er gräbt sich
regelrecht ein in die Abwehrreihen, mit
gesenktem Kopf. Er beschäftigt immer mehrere
Verteidiger gleichzeitig und schafft so
Räume, wo früher keine waren. Suárez ist ein
Kanalarbeiter, die gelebte Aufopferung, der
inkarnierte Altruismus.
Messi wiederum lässt sich
nun öfter mal ganz nach rechts und ein
ganzes Stück nach hinten abdrängen oder
zurückfallen, worauf die Gegner leicht die
Balance verlieren. Dann gibt Messi «den Xavi»,
schlägt lange, gut getimte Querpässe mit
offensivem Bananeneffekt ins Wirkungsfeld
von Neymar, der da mit hohem Tempo auf der
verlassenen Gegenbahn zugange ist und in die
Mitte drängt. Wenn mal weniger Raum zur
Verfügung steht, dann kombinieren sich die
Herren mit schnellem Kurzpassspiel durch die
Verteidigung, wechseln die Positionen,
verwirren die Gegner, helfen einander. Und
schiessen Tor um Tor um Tor.
Es gibt genügend Tore für
das Glück aller, am meisten aber immer noch
für die Primadonna, für Messi, 51 schon in
dieser Saison. Der Neid an «Ney» ist weg.
Und das liegt nicht nur daran, dass Barça
Messis Gehalt erhöht hat, wie es das jedes
Jahr tut. Aber wahrscheinlich auch daran. Es
ist, als verteilten die drei im Verein die
Lasten aufeinander, was sie in ihren
respektiven Nationalmannschaften ja nicht
tun können. Da müssen Messi, Neymar und
Suárez die alleinigen Leader geben, die
Landesheiligen. Bei Barça sieht man sie in
jüngerer Vergangenheit oft lachen. Im Jubel
suchen sie sich, zeigen aufeinander, küssen
den letzten Passgeber am Ausgiebigsten,
entschuldigen sich beieinander, wenn sie mal
egoistisch waren, teilen die Erfolgsgefühle.
Sie sind nun dreifaltig
eins. Plötzlich harmonisch. Dank des
Beissers, ausgerechnet.
Tiki-Taka ist
Geschichte – es lebe Rucki-Zucki
Angeführt von Lionel Messi, demonstrierte
der FC Barcelona beim 3:1 im
Champions-League-Final gegen Juventus seinen
neuen Spielstil.
Cristof Kneer,
Berlin / Quelle: Der Bund 8.6.2015
Xavi Hernández wollte
höflich sein, aber das war jetzt schwer.
Wohin sollte er mit Michel Platinis Hand?
Der Präsident der Uefa ist ein stolzer und
auch eitler Mann, er hat die Siegerehrungen
ja extra so uminszenieren lassen, dass die
Sportler nicht mehr unten auf dem Rasen ihr
Podest hingestellt bekommen, wo der
Zuschauer sie am besten sieht. Die
Fussballer müssen jetzt Treppen
hochklettern, wenn sie ihren Pokal sehen
wollen, sie müssen hoch zu ihm, zu Michel
Platini. Herr Präsident geben sich die Ehre,
seinen Untergebenen eine kleine Anerkennung
zu verteilen, so sieht das aus.
Und jetzt stand Xavi
Hernández also vor dem hohen Herrn und hatte
keine Hand frei. In den Händen trug er
Grösseres: den Ball dieses Spiels, das
Barcelona gegen Juventus 3:1 gewonnen hatte.
Und dieses Spiels, das tatsächlich und
unwiderruflich sein letztes für Barça war.
Xavi Hernández (35) ist
der Fussballer, der für alles eine Lösung
hat. Er hat 17 Jahre lang Räume gefunden,
die selbst davon überrascht waren, dass sie
existierten. Manchmal hat er Räume auch
komplett erfunden, er hat sie selbst
definiert. Mit einer kleinen Drehung seines
Körpers oder einer winzigen Bewegung seines
Fusses konnte er die Welt verändern. Und für
einen sanften Revolutionär wie Xavi war
natürlich auch das Platini-Problem schnell
gelöst: Er steckte sich den Ball unters
Trikot und hatte danach beide Hände frei um
sie schütteln zu lassen von jenem
Präsidenten, der auch mal ein grosser
Fussballer war. Eines hat Monsieur aber
nicht geschafft: wie Xavi für den Stil einer
Ära zu stehen.
Barça kreiselt jetzt geradeaus
Jetzt geht Xavi und wird
in Katar auslaufen, bei einem Verein, in
dessen Mittelfeld vielleicht auch der Katar - affine
Platini (59) noch ein paar Minütchen
mithalten könnte. Xavi hat in
unnachahmlicher Manier selbst das passende
Abschlussbild für seine Karriere im
Spitzenfussball gefunden, die er nicht nur
mit seinem vierten Champions- League- Titel,
sondern auch mit einem Rekord beendete: 151
Champions- League- Spiele
– mehr machte keiner.
Xavi mit dem Ball unterm
Trikot: Das sah aus wie schwanger. Und seine
Nachfolger hat er ja tatsächlich inzwischen
hervorgebracht. Dieses hochwertige Endspiel
wurde von einem Team geprägt, das seinen
grossen Inspirator nur noch symbolisch
braucht. Trainer Luis Enrique kann es sich
längst erlauben, Xavi nur noch einzuwechseln
wie am Samstag in der 77. Minute.
Der FC Barcelona hat den
Xavi-Fussball auf eine Art überwunden, die
Xavi nicht schmerzen wird. Xavi war der
Hohepriester des Tiki - Taka,
jenes Klein- Klein-Fussballs,
der darauf abzielt, den Gegner mit
irrsinnigen Passkombinationen in den
Wahnsinn zu treiben. Xavi war der
Tausendfüssler in diesem Spiel, der
Psychoterrorist, der dem schnaufenden Gegner
stets das Gefühl gab, er würde gleich den
Ball erobern – bevor er mit einem tac! die
Richtung änderte.
Zuletzt waren Xavi und
sein Tiki - Taka
müde geworden. In Berlin zeigte Barcelona
der Welt den neuen Stil, der für die
Konkurrenz keine gute Nachricht enthält.
Nein, der FC Barcelona ist nicht müde, er
hat sich nicht zu Tode gekreiselt. Wer die
Tore sah, begriff: Die Katalanen haben den
Xavi- Style
nicht aufgegeben, er bleibt die Grundlage
jeder Entscheidung. Aber sie haben den Stil
vitalisiert, ihm eine neue Richtung gegeben.
Die Mannschaft kreiselt
jetzt geradeaus. Sie hat beim Passspiel
zuerst das Tor im Kopf, nicht mehr das
Passen. Aus dem Tiki - Taka- Fussball
ist also ein Rucki- zucki-Fussball
geworden, der auch Mittel enthält, die Barça
vor ein paar Jahren für unter seiner Würde
hielt oder vielleicht auch gar nicht nötig
hatte: Das 2:1 und 3:1 waren reinrassige
Konter. Beim 2:1 raste Lionel Messi unter
Missachtung sämtlicher in Berlin geltender
Tempolimits durch die Turiner Hälfte, sein
Schuss endete noch an den Fäusten von
Gianluigi Buffon, aber Luis Suárez war auch
deshalb der Erste beim Nachschuss, weil
Juves Verteidiger damit ausgelastet waren,
über das Tempo des Konters zu staunen. Beim
3:1 sauste Neymar in die Lücken.
Wenn Messi die Gegner frisst
Das unverschämt
kunstvolle 1:0 war am ehesten dem
klassischen Tiki - Taka
verwandt, nach Messis Flügelwechsel
tricksten und passten sich Alba, Neymar und
Iniesta durch, dass die abgebrühten Juve- Verteidiger
hilflos vor einer neuen Sportart standen und
der frühere Basler Ivan Rakitic gar nicht
anders konnte, als die Vorlage ins Tor zu
schiessen.
Wahrscheinlich ist das
Dialektik: Die Welt hatte zuletzt auf Barças
früheres Spiel reagiert und eine Antithese
entwickelt, und jetzt hat Barça auf die
Reaktion der Gegner seinerseits wieder
reagiert. Seine neue These ist eine Mixtur
aus Ballbesitz und gelegentlichen
Konterattacken, bei denen dann der
Ballbesitz wunderbar wurscht ist. Vor allem
Messi hat eine Piranha - Mentalität
entwickelt, die den Gegner frisst: Er hat
ein unfassbares Gefühl für jenes Spiel, das
er beherrscht wie keiner sonst. Er erspürt
magisch jene Momente, in denen der Gegner
zerstreut oder unsortiert ist: Im Halbfinal- Hinspiel
gegen den FC Bayern setzte er die
entscheidende Aktion, als die Bayern wegen
einer vermeintlichen Schwalbe diskutierten,
auch das 2:1 im Finale folgte auf eine
Debatte, die Juve-Profi Paul Pogba
angezettelt hatte.
Zwischendrin schlendert
Messi auch einmal durch die Gegend und
schaut sich die Stadionarchitektur an. Aber
wenn er die Chance riecht, bricht er seinen
Spaziergang halt mal kurz ab. Dann muss er
kurz das Spiel entscheiden.
Ob Messi Barças neuen
Stil beschlossen oder ob doch Trainer
Enrique ihn entworfen hat: Darüber ist
Barcelona uneinig. Xavi ist das wurscht. Er
kann in Ruhe gehen.
Juventus - FC Barcelona 1:3 (0:1)
Olympiastadion, Berlin. – 70 500 Zuschauer.
– SR: Cakir (Tür). – Tore: 4. Rakitic 0:1.
55. Morata 1:1. 68. Suárez 1:2. 97. Neymar
1:3. –
Juventus: Buffon; Lichtsteiner,
Barzagli, Bonucci, Evra (89. Coman);
Marchisio, Pirlo, Pogba; Vidal (79. Pereyra);
Morata (85. Llorente), Tevez. –
FC Barcelona: Ter Stegen; Alves,
Piqué, Mascherano, Alba; Rakitic (91.
Mathieu), Busquets, Iniesta (78. Xavi
Hernandez); Messi, Suárez (95. Pedro
Rodriguez), Neymar. –
Bem. Verwarnungen: 11. Vidal. 41.
Pogba. 70. Suárez (alle Foul).
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