Vegetarisch Leben

1. Gesundheit

Fördert Fleischessen gewisse Krankheiten? Kann umgekehrt eine rein vegeta­rische Ernährung die Gesundheit verbessern oder wiederherstellen? Kann sie bestimmte Krankheiten verhüten?
Vegetarier bejahen diese Fragen aus praktischer Erfahrung, obwohl die moderne Wissenschaft keine klare Stellung bezieht - zumindest nicht bis vor kurzem. Denn medizinische Forschungen erbringen immer mehr Beweise, dass zwischen Fleisch-essen und verschiedenen Krankheiten (wie Herzkrankheiten und Krebs) eine direkte Verbindung besteht.

Fleisch als Verursacher von Krankheiten

Herzkrankheiten: Schon seit längerer Zeit haben Wissenschaftler den Verdacht geäussert, dass eine fleischzentrierte Ernährung die Entstehung von Arterienverkal­kung und Herzkrankheiten fördert. Bereits 1961 schrieb das amerikanische Arzte­journal: «90 bis 97% der Herzkrankheiten könnten durch eine fleischlose Kost vermieden werden.» (Journal of the American Medical Association, 176/1961)
Im Fleisch enthaltene Eiweisse sind für den menschlichen Körper nicht gänzlich abbaubar (höchstens bis zu 70%; im Gegensatz zu den andersgearteten Eiweissen in Milch und Pflanzen, die für die menschliche Verdauung geeignet sind). Die nicht abgebauten Fleischeiweisse, ebenso wie die Cholesterin-Fette, werden langsam, aber sicher zum Problem, denn sie lagern sich an den inneren Arterienwänden ab und behindern die Blutzirkulation im Körper, weshalb das Herz viel mehr arbeiten muss, um das Blut durch die engen und verhärteten Blutbahnen zu pumpen. Dies führt zu erhöhtem Blutdruck und wird so die Ursache von Herzbeschwerden und Herzinfarkten sowie von vielen Alterskrankheiten, u.a. der weitverbreiteten Alz­heimer-Krankheit (nach: Fastiggi, The End of Disease, 1988).
Krebs: Darüber hinaus weist die Forschung der letzten zwanzig Jahre unverkenn­bar auf einen direkten Zusammenhang zwischen Fleischessen und Darm-, Magen-und Brustkrebs hin. So hat beispielsweise das Berliner Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie eine wissenschaftliche Vergleichsstudie zwischen Vegetariern und Fleischessern durchgeführt, deren Ergebnisse viel Aufsehen erregte. Ein in der Neuen Zürcher Zeitung vom 23.7.1986 erschienener Artikel über diese Studie stellt in bezug auf Anfälligkeit für Tumore und Krebskrankheiten fest: «Der zu 80% durch Fehlernährung bedingte Dickdarmkrebs kommt bei Vegetariern sehr selten vor ... Weitere positive Befunde bei Vegetariern sind niedrigere Werte beim Krea­tin und bei der Harnsäure; Gicht kommt bei Vegetariern nachgewiesenermassen seltener vor als bei Fleischessern. Dasselbe gilt für Erkrankungen der Niere.»
Warum nun sind Fleischesser anfälliger für derartige Krankheiten? Einer der Gründe, den Biologen und Ernährungswissenschaftler immer wieder nennen, besteht darin, dass der menschliche Darm für die Verdauung von Fleisch nicht geeignet ist. Fleischfressende Tiere haben einen kurzen Darmtrakt (zwei- bis viermal die Körperlänge), so dass das rasch faulende, toxische Fleisch den Körper schnell verlassen kann. Da sich pflanzliche Nahrung wesentlich langsamer zersetzt als Fleisch, haben (nicht wiederkäuende) Pflanzenfresser einen Darmtrakt von sechsfacher Körperlänge; und der Darm des erwachsenen Menschen ist rund neun Meter lang. Wenn der Mensch also Fleisch isst, werden die in der Folge entstehenden Toxine (Abfallprodukte der Fäulnisbakterien) die Nieren überlasten und langfristig Krankheiten wie Gicht, Arthritis, Rheuma und Krebs verursachen.
(Hinzu kommt heute noch, dass der Mensch all die chemischen Stoffe, die den Tieren verabreicht werden, mit dem Fleisch mitisst. Dieser zusätzliche gesundheitsgefährdende Aspekt des Fleischessens wird im 2. Kapitel näher beschrieben.)

Ohne Fleisch nicht genügend Proteine?

Muss der Mensch aber nicht Fleisch und Eier essen, um sich mit genügend Protein (Eiweiss) zu versorgen? Die Antwort lautet: nein. Die offizielle Empfehlung für den täglichen Eiweisskonsum ist in den letzten vierzig Jahren von 150 g auf 30 g gesunken. Weshalb? Weil zuverlässige weltweite Forschungen bewiesen haben, dass wir gar nicht so viel Protein brauchen! Diese hohen Zahlen wurden vor ein paar Jahrzehnten aufgrund des Einflusses der Fleischindustrie in Umlauf gesetzt; aber nicht der Gesundheit des Menschen, sondern der Vergrösserung des eigenen Profites zuliebe. Der eigentliche Tagesbedarf liegt bei 25 bis 30 g. Zusätzlich konsumiertes Eiweiss ist nicht nur verschwendet, sondern kann sogar gefährliche Schäden im Körper anrichten. Um die täglich notwendigen 30 g Protein zu sich zu nehmen, braucht man kein Fleisch zu essen; es ist leicht möglich, sie aus rein vegetarischer Nahrung in Form von Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Milchprodukten zu beziehen. Dies bestätigt auch die Direktion des Gesundheitswesens des Kantons Zürich in ihrem Gesundheitsplaner 1990:

«Es geht auch ohne Fleisch: Es gibt viele Kombinationen pflanzlicher Lebensmittel, deren Eiweissgemisch mindestens so hochwertig ist wie tierisches Eiweiss.»

Dass der Mensch gar nicht so viel Protein braucht, wird auch durch die folgende Tatsache belegt: Als Säugling benötigt der Mensch die höchste Protein-Konzentration in der Nahrung, da innerhalb weniger Monate das Körpergewicht verdoppelt werden muss. Die natürliche Nahrung des Säuglings ist die Muttermilch, die 2,8% Protein enthält. Der Erwachsene benötigt also bestimmt nicht mehr als 2,8% Proteinanteile in der Nahrung, was wiederum für die vegetarische Ernährung spricht. (Gemüse und Früchte haben 1,5-2%, Milch 4% und Getreide 5-10%. Fleisch hat 15-25% Proteinanteile, die dazu noch, wie bereits erwähnt, nicht gänzlich abbaubar sind.)
In ihrer Ausgabe vom 12.2.1987 schreibt Die Weltwoche, Zürich:

«Aus Deutschland kommt für die Vegetarier frohe Kunde ... Eine fünf Jahre dauernde Studie hat Erfreuliches zu Tage gefördert. Ausgerottet ist der Aberglaube, dass, wer kein Fleisch isst, an Eisenmangel leidet. Die Studie hat bewiesen, dass Körper, die weniger Eisen bekommen (und Fleisch liefert 30 Prozent unseres Nahrungseisens), einfach mehr Eisen aus der verabreichten Nahrung lösen. Ahnlich ist es mit dem Kalzium.»

Deshalb schlussfolgert die Neue Zürcher Zeitung im bereits erwähnten Artikel über die Berliner Vegetarier-Studie:

«Es wurde oft gesagt und publiziert, dass vegetarische Kost zwangsmässig eine Mangelernährung verursacht. Diese Behauptung erwies sich nun als unrichtig. Heute sieht man ein, dass die Vegetarier von Naturwissenschaftlern und Medizinern auf Grund blosser Vorurteile während langer Zeit nicht ernst genommen wurden.»

Warum keine Eier?

Eier sind nicht gesund für den menschlichen Körper, denn als «flüssiges Fleisch» verfaulen sie im langen Darmtrakt des Menschen sogar noch schneller als Fleisch. Zusätzlich zu den so entstehenden Bakterien und toxischen Schadstoffen enthält das Ei von Natur aus sehr viel Cholesterin, was wie erwähnt für den menschlichen Körper sehr problematisch ist
Ein Ei, ob befruchtet oder unbefruchtet, ist von Natur aus für etwas anderes als für das Gegessenwerden bestimmt. Die Elemente, die im Ei enthalten sind (vor allem Eiweiss), können, wie oben beschrieben, leicht und auf unschädliche Weise aus rein vegetarischer Nahrung bezogen werden.

Der wahre Wert von Milch und Kühen

In diesem Zusammenhang wird manchmal gefragt: Wenn man keine Eier essen soll, warum kann man dann Milch trinken? Ist es nicht dasselbe? Nein. Milch — im Gegensatz zu Eiern — ist von Natur aus zur Ernährung bestimmt, und der Mensch darf sich diese Milch ebenfalls zunutze machen, denn die Kühe, auch wenn sie nicht hochgezüchtet sind, geben mehr Milch, als ein Kalb braucht.
Durch die wunderbare Vorkehrung der Natur isst die Kuh Gras, das für den menschlichen Körper wertlos ist, und verwandelt es in ein hochwertiges Nahrungs mittel. Milch enthält alle für den Menschen notwendigen Nährstoffe und Vitamine und ist vielfältig verwertbar. Ausserdem hilft heisse Milch, feinere Gehirnzellen zu entwickeln, die nötig sind, um spirituelle Themen zu verstehen. (Es gibt in Indien viele Beispiele von Weisen und Yogis, die sich nur von Milch ernährten.)
In der altindischen Hochkultur, der ältesten Hochkultur der Welt, galten die Rinder als der wahre Reichtum des Menschen, denn sie sicherten die Lebensgrundlage der menschlichen Gesellschaft: die Kühe als Quelle von Milch, die Stiere und Ochsen als ideale, unentbehrliche Hilfe bei der Bebauung der Felder ohne Fremdenergie, und ihr Dung als wertvolles natürliches Düngemittel. Aufgrund dieser lebenswichtigen Beiträge wurden die Kuh und der Stier als zweite Mutter und als zweiter Vater betrachtet, weshalb man sie, auch im Alter, nicht schlachtete. Dank dieses wirtschaftlichen Systems war Indien, dessen Bevölkerung seit jeher grösstenteils rein vegetarisch lebt, bis vor kurzem (bis zum Eindringen des westlichen Einflusses!) eines der reichsten Länder der Welt.
Heutzutage werden die Milchkühe bei nachlassender Leistung sofort des Profites willen geschlachtet. Stiere werden oft bereits als Kälber geschlachtet. Die kurzsichtig rechnenden Bauern haben jeglichen Sinn für den eigentlichen Wert dieser Tiere verloren und sind dafür in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von Maschinenindustrie, Erdöl, Banken und Chemie geraten.

Was ist die natürliche Nahrung des Menschen?

Eine häufige Frage lautet: Aber ist der Mensch denn nicht von Natur aus ein Fleischesser oder zumindest ein Allesesser? Auch diese Frage gründet in einem Missverständnis
Obwohl der Mensch zwar vieles essen kann (also biologisch gesehen imstande ist, sich sowohl von Tierfleisch als auch von Pflanzen zu ernähren), heisst das noch lange nicht, dass deshalb alles für ihn gesund ist. Im Gegenteil, Körperbau und Veranlagung zeigen, dass die fleischlose Ernährung für den Menschen viel natürlicher und ratsamer ist.
Dies wird anhand der folgenden Gegenüberstellung deutlich:

Fleischfressende Säugetiere

Pflanzenfressende Säugetiere/Mensch

haben Krallen

haben keine Krallen

keine Hautporen; kühlen den Körper durch Verdunstung über die Zunge

Hautatmung durch Millionen von Poren

Klappgebiss (nur auf und ab) scharfe, spitze Vorderzähne, um Tiere zu reissen

Kaugebis (auch seitlich verschiebbar) keine scharfen, spitzen Vorderzähne zum Töten von Tieren

keine abgeflachten Backenzähne zum Zermahlen der Nahrung

abgeflachte Backenzähne, um pflanzliche Nahrung zu zermahlen

nur kleine Speicheldrüsen im Maul (da wenig Getreide und Früchte vorzuver dauen sind)

gut ausgebildete Speicheldrüsen (notwendig, um Getreide und Früchte vorzuverdauen)

saurer Speichel; kein Ptyalin-Enzvm zur Vorverdauung von Getreide

alkalischer Speichel; viel Ptyalin, um Getreide vorzuverdauen

viel starke Salzsäure im Magen, um zähe Tiermuskeln, Knochen etc. zu verdauen

10mal schwächere Magensäure als Fleischfresser

Verdauungstrakt nur 3mal so lang wie der Körper, damit das schnell verwesende Fleisch rasch aus dem Körper gelangt

Verdauungstrakt 6mal so lang wie der Körper, um Blätter und Getreide, die sich nicht so schnell zersetzen, zu verdauen


Der Mensch ist also von Natur aus ein Pflanzenesser. Dies zeigt sich auch daran, dass er das getötete Tier nicht roh essen kann, sondern es durch Abhangen, Kochen, Würzen und Braten zubereiten muss, bevor er überhaupt nur daran denken kann, es zu verzehren. Und er isst nur das Faserfleisch (Muskeln). Blut, Mark, Knochen und Innereien, die mineralstoff- und proteinreichsten Teile der Tierleiche, die von den natürlichen Fleischfressern mitverzehrt werden, verschmäht der Mensch. Kein von Natur aus zum Fleischessen bestimmtes Wesen tut das.
Auch die Tiere, die der menschlichen Lebensform am nächsten stehen, nämlich die Menschenaffen, sind bereits Vegetarier.

Fleischessen und körperliche Energie

Noch offensichtlicher wird die Tatsache, dass die bereits besprochenen Zivilisationskrankheiten durch das Fleischessen verursacht werden, wenn wir Völker aus anderen Kulturkreisen betrachten, die kein oder nur sehr selten Fleisch essen. In letzter Zeit haben Wissenschaftler begonnen, solche Völker systematisch zu untersuchen, und die Ergebnisse sind eindeutig. Berühmt gewordene Beispiele sind ein Hirtenvolk in den Bergen von Ecuador und der Hunza-Stamm in Nordwest-Indien sowie verschiedene Völker Südindiens, bei denen Krebs und Herzkrankheiten praktisch nicht vorkommen, obwohl es unter ihnen auffallend viele Menschen gibt, die über 80 Jahre, einige sogar über 110 Jahre alt werden.
Dagegen ist bei Volksstämmen, die praktisch nur von Fleisch und Fisch leben, auffallend, dass sie sehr schnell altern. Bei den Eskimos und Kirgisen z.B. beträgt das statistische Durchschnittsalter nicht einmal 30 Jahre, und nur selten wird bei ihnen jemand älter als 40!
Nicht nur in bezug auf Lebenserwartung, sondern auch in bezug auf körperliches Leistungsvermögen schneiden in Vergleichsstudien die Vegetarier besser ab. Bei körperlicher Anstrengung beweisen sie eine viel grössere Ausdauer als Fleischesser, und sie benötigen eine viel kürzere Erholungsphase, da vegetarische Nahrung natürlich aufbauend wirkt, wohingegen Fleisch nur einen kurzen Energieschub gibt (ähnlich wie Kaffee), aber dann den Körper mit all den beschriebenen Nachteilen belastet. Auch das Tierreich bestätigt diese Beobachtung. Man soll einmal versuchen, die Arbeit eines Ochsen, Kamels oder Pferdes einem Löwen, Tiger oder Hund aufzubürden. Ausserdem zählen zu den grössten und stärksten Tieren der Welt reine Pflanzenfresser, wie etwa der Elefant, das Nashorn und der Gorilla.
Aus all dem Gesagten geht deutlich hervor, dass die Menschen problemlos ohne Fleisch, Fisch und Eier leben können; es gibt keinen Grund, warum sie diese Dinge essen müssten, aber viele Gründe, warum sie darauf verzichten sollten.

2. Gewalt gegen die Tiere

Dass man allein schon der Gesundheit zuliebe kein Fleisch essen sollte, wird noch klarer, wenn wir untersuchen, unter welchen Bedingungen das Fleisch heute «produziert» wird, das heisst, was die Tiere und das Fleisch durchmachen, bevor sie schön verpackt in der Einkaufstasche des nichtsahnenden Konsumenten landen.

Gepanschtes Fleisch

Die Zeitschrift Natur veröffentlichte in ihrer Ausgabe 2/87 einen Artikel mit dem Titel «Tierische Geschäfte», in dem auf mutige Weise Zusammenhänge zwischen profitgierigen Pharma-Firmen, skrupellosen Tiermästern und Schlachthöfen aufgedeckt wurden. Die Problematik der modernen Tierhaltung fasst dieser Artikel wie folgt zusammen:

«Der Handelskrieg wird über den Preis geführt. Das scheint zunächst im Sinne der Verbraucher zu sein. Doch das Bestehen in diesem Preiskrieg ist nur bei massenhafter Serienproduktion möglich. Keine der Handelsketten kauft 50 Hähnchen beim Bauern ein — sie brauchen 50'O00 pro Lieferung. Die «Produktion von tierischem Protein»in den Massentierhaltungen hat sich darauf eingestellt. Was der Verbraucher nun zwischen die Zähne bekommt, ist gewürzt mit Wachstumsförderern, Hormonen, Antibiotika und Beruhigungsmitteln. Im besten Falle erhält er billiges, nährstoffarmes, aufgeblasenes Fleisch — im schlimmsten Falle ist es vergiftet ... Was in den Massentierhaltungen und Schlachthöfen geschieht, wird mühelos verdrängt.»

Und was verdrängt wird, ist haarsträubend. Wenn peinlicherweise einmal ein Skandal bekannt wird, ist die Offentlichkeit zutiefst schockiert. So schrieb z.B. das Magazin Der Spiegel (33/88) in seiner Titelgeschichte:

«Die Schweinerei mit dem Fleisch»: «Die bundesdeutsche Landwirtschaft erlebt den grössten Hormon Skandal ihrer Geschichte. Illegale Händlerringe und gewissenlose Veterinäre ver dienen an der Tiermast als «Mafia im Fleischgeschäft»... Unters Fell gespritzt und in den Futtertrog gekippt wird nahezu alles, was die Pharma-Industrie so produziert, um Rind, Schwein oder Huhn bis hin zur Schlachtbank auf den Beinen zu halten ... Wenn Schweine, damit es sich lohnt, innerhalb von 180 Tagen zu Zwei Zentner-Fleischbergen hochgepäppelt werden, wächst das Knochengerüst nicht schnell genug mit, die Tiere brechen unter dem eigenen Gewicht zusammen.»

Immer mehr Veröffentlichungen weisen darauf hin, wie Fleisch auf verschiedenste Weise chemisch manipuliert wird. Erstens einmal muss es konserviert werden, damit keine üblen Gerüche dem Käufer des tage- und wochenalten Fleisches den Appetit verderben, und zweitens muss das grau-grünliche Fleisch rot gefärbt werden, da es sonst kaum verkaufbar wäre.

Tödliche Brutalität

Tiere werden heute nicht mehr als Lebewesen behandelt, sondern als Fleischmaschienen. Das Leben eines gefangengehaltenen Schlachttieres ist von Anfang bis Ende schöpfungswidrig — angefangen mit der konzentrationslagergleichen Aufzucht, der Kastration und den Hormonbehandlungen, über die Verfütterung künstlicher Nahrung zu Mästungszwecken bis hin zu den langen, schmerzvollen Transporten in extremer Angst und schliesslich dem grausamen Ende im Schlachthof.
Tierschlachtungen sind alles andere als human. In Wahrheit machen die Schlachthäuser Höllenvisionen Konkurrenz. Schreiende Tiere werden durch Hammerschläge, Elektroschocks oder Bolzenschusswaffen betäubt. Mit einem Haken werden sie an den Hinterbeinen in die Luft gezogen und auf vollautomatischen Fliessbandanlagen durch Fabriken des Todes befördert. Die Kehle wird ihnen bei lebendigem Leibe aufgeschnitten und ihr Fleisch schon verarbeitet, während sie noch zu Tode bluten. Diese Methode spart Zeit und erhöht die Gewinne.
Genau wie für den Menschen ist auch für das Tier das Ermordetwerden eine Erfahrung von Schrecken und Panik, was im Körper schlagartig einen drastischen biochemischen Wandel auslöst, wodurch der ganze Kadaver mit Angsthormonen vergiftet wird. Der international engagierte Schweizer Tierschützer und Ökologe Franz Weber erklärte in einer Radiosendung:

«Nehmen wir das Beispiel von Hamburg, wo Menschen Vergiftungen erlitten, als sie Thon aus der Büchse assen. Warum? Der Thunfisch wurde lebendig (!) zersägt, und die gefangenen Fische hatten eine solch unglaubliche Angst, dass sie ein Gift ausschieden, das in das Fleisch einging. Das war schon den alten Römern bekannt. Um ein bestimmtes Gift zu bekommen, haben sie Sklaven zu Tode gefoltert, und mit dem Speichel dieser Toten konnte man andere vergiften. Die Todesangst geht also ins Gewebe ein und wird vom Menschen mitgegessen.» *

Auf diese Weise werden jährlich weltweit über 2 Milliarden Stalltiere und über 20 Milliarden Stück Geflügel getötet. Die Zahl der jährlich getöteten Fische geht in die Billionen. (In diesen Zahlen sind die vielen Millionen Opfer der Tierversuche und der Pelzindustrie nicht mitgerechnet.)

3. Verheerende Folgen für die Menschheit

Im 4. Jh. v. Chr. verfasste der Grieche Platon sein berühmtes Buch «Der Staat», das verschiedene Reden des grossen Philosophen Sokrates enthält. Unter anderem spricht Sokrates darüber, wie ein Staat seine wirtschaftliche Grundlage gesunderhalten kann, und in diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass die allgemeine vegetarische Ernährung notwendig ist. Er warnt, dass mehr Weideland benötigt werde, sobald die Menschen begännen, den Tierbestand zu erhöhen, um zusätzlich Schlachttiere zu halten:

«Und das Land, das ursprünglich gross genug war, um all seine Bewohner zu versorgen, wird auf einmal zu klein sein, und so werden wir in den Krieg ziehen müssen.»

Es ist erstaunlich, dass dem Philosophen Sokrates nicht nur die gesundheitlichen Nachteile des Fleischessens bekannt waren, sondern offensichtlich auch die ökonomischen. Er weist mit Recht darauf hin, dass die Erde genug Nahrung für all ihre Bewohner hervorbringt, dass aber ein Fehlverhalten von nur wenigen Menschen schon weittragende Folgen haben kann.
Welch verhängnisvolles Ausmass diese Folgen heute angenommen haben, hat sich allerdings selbst Sokrates kaum vorstellen können. Der Teufelskreis, der durch das Essen von Fleisch ausgelöst wird, ist wahrscheinlich das typischste Beispiel für die Vernetzung von menschlicher Unvernunft und Zerstörung.
Aus diesem Grund ist auch das neuerdings angepriesene «natürliche Weidefleisch» von «glücklichen» Schlachttieren, die Auslauf im Sonnenlicht hatten, keine Alternative, sondern nur eine neue kommerzielle Taktik der Fleischproduzenten, um den verunsicherten Konsumenten zu beruhigen. Denn auch ein «glückliches» Tier erfährt Todesangst!
Die Produktion von sogenanntem «Bio-Fleisch» ist eigentlich schizophren: Einerseits will man die Tiere als Lebewesen respektieren und gewährt ihnen deshalb angenehmere Lebensbedingungen, und andererseits schlachtet man sie und isst sie auf. Das einzig natürliche Fleisch ist das Fleisch eines natürlich gestorbenen Tieres.

Nahrungsmittelverschwendung

Fleisch ernährt wenige auf Kosten vieler. Für die Produktion von Fleisch wird wertvolles Getreide, das den Menschen direkt ernähren könnte, an Tiere verfütert. Laut amtlicher Angaben des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten werden über 90% des in Amerika angebauten Getreides an Tiere verfüttert (Rinder, Schweine, Lämmer, Geflügel usw.). Oder anders ausgedrückt: Den Schlachttieren Amerikas wird jährlich mehr Getreide verfüttert, als die Bevölkerung von Indien und China zusammengenommen zur Ernährung braucht. (Heller: Das Brot des Siegers, 1985, S.27)
Doch dieses Verfahren, Getreide in Fleisch umzuwandeln, ist über alle Masse verschwenderisch. Fleischproduktion ist, energetisch gesehen, die schlechteste Form der Bodenausnützung: Um ein Rind ein Jahr lang zu mästen, benötigt man 0,5 ha Land. Nach einem Jahr erhält man von diesem Tier ca. 300 kg essbares Fleisch. Hätte man während diesem Jahr auf derselben Fläche Getreide oder Kartoffeln angepflanzt, hätte man 3000 kg bzw. 20'000 kg Nahrungsmittel bekommen, also 10 Mal mehr Getreide und 65 Mal mehr Kartoffeln als Fleisch!
Diese verschwenderische Nahrungsproduktion geschieht willentlich. In den letzten vierzig Jahren, das heisst seit dem Zweiten Weltkrieg, haben finanzstarke Konzerne begonnen, zahllose Kleinbetriebe aufzukaufen und in riesige Kommerzfarmen umzuwandeln, um das Land mit Monokulturen auszubeuten. Dadurch warfen diese Grossgrundbesitze (die hauptsächlich europäischen, amerikanischen und japanischen Chemie-, Versicherungs- und Bankriesen gehören) dreifache und noch höhere Getreideerträge ab, was nur möglich war durch den Einsatz von hochtechnologischen Maschinen, genetisch manipuliertem Saatgut, chemischen Düngern und Agrargiften. Um zu verhindern, dass durch diese Überproduktion die Preise sinken, mussten die Ernteerzeugnisse vom Markt ferngehalten werden, das heisst anders verwendet bzw. verschwendet werden
Man stand also vor der Frage, wie man den Überfluss profitbringend loswerden konnte. Die Antwort lag auf der Hand: durch Fleischproduktion! Die Rechnung war einfach: Man mästet die künstlich gezüchteten Tiere mit der überproduzierten Nahrung, die an sich ein totes Kapital darstellt, und verkauft das Fleisch alsdann mit hohem Gewinn.
Tiere fressen eine viel grössere Menge Futter, als die Schlachtung Fleisch ergibt, und von allen Tieren ist das Rind am ungeeignetsten, pflanzliches Protein in tierisches Protein zu verwandeln. Rindfleisch stellt also die «ideale» Verschwendung dar: 1 Kilo Rindfleisch entspricht 16 Kilo Getreide. Die restlichen 15 Kilo, also 94%, sind für den Menschen verloren.
Die Fleischwirtschaft kommt also einer Vernichtung von Nahrungsmitteln gleich. Und dennoch (oder gerade deshalb?) wird die Fleischproduktion durch neue Gesetze mit riesigen Subventionen gefördert, und zwar auf Kosten des Konsumenten: mit seinen Steuergeldern in Form von Subventionen an die Schlachttiermäster und durch Erhöhung der Preise für die gesunden, natürlichen Nahrungsmittel, wie Brot, Milch, Gemüse und Obst. Während Fleisch dadurch künstlich billiger angeboten wird, steigen die Brot- und Milchpreise!
Die oben beschriebene Taktik der Grosskonzerne führte explosionsartig zu einem gesteigerten Fleischangebot, und dem Volk musste das Fleisch des wachsenden Fleischberges irgendwie schmackhaft gemacht werden. Über eine grossangelegte Werbung und «wissenschaftliche» Propaganda wurde verkündet, Fleisch sei gesund, der Mensch brauche viel Protein, pflanzliches Protein sei minderwertig, Vegetarier hätten Mangelerscheinungen, usw.
Leider wird dieser werbungstechnische Unsinn auch heute noch von vielen Medizinstudenten, Ärzten und anderen geglaubt und verkündet.

Ausbeutung der Dritten Welt

Wohlstandsländer verschwenden nicht nur ihr eigenes Getreide, indem sie es an ihre Schlachttiere verfüttern, sondern verwenden für diesen Zweck auch Futtermitel, die in der Dritten Welt angebaut werden. Dadurch wird den dortigen Bauern lebensnotwendiges Acker- und Weideland geraubt, was das Gleichgewicht der Wirtschaft in diesen Ländern zerstört und zu Viehsterben und Nahrungsmittelknappheit und dadurch zu Importabhängigkeit und Verschuldung führt.
47% der globalen Getreideproduktion wird an Schlachttiere verfüttert. Demgegenüber sterben nach UNO-Statistik täglich 43'000 Kinder an Hunger. Stellvertretend für all diejenigen, die diese Zusammenhänge erkannt haben, sagt der Schweizer Nationalrat und Dritt-Welt-Experte Prof. Jean Ziegler:

«Diesen fürchterlichen Massenmord will ich nicht mehr mitmachen. Kein Fleisch zu essen ist ein minimaler Anfang.»

Solche Tatsachen haben Weltwirtschaftsexperten veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das Hungerproblem auf der Welt im Grunde von wenigen Menschen verschul det ist. Nicht die angebliche Überbevölkerung ist die Ursache der Nahrungsmittelknappheit, unter der heute fast Dreiviertel der Erdbevölkerung leidet, sondern der Missbrauch der Nahrungsmittel. Wir produzieren mehr als genug Nahrungsmittel für alle Menschen auf unserem Planeten, doch wir verteilen sie ungerecht, indem wir sie verschwenden, das heisst den Schlachttieren verfüttern (oder tonnenweise ins Meer schütten, um den Preis stabil zu halten).
Die Fleischproduktion verursacht in den Ländern der Dritten Welt aber nicht nur Hunger, sondern auch die Zerstörung der Umwelt.
Der tropische Regenwald, Hauptquelle der Sauerstoffproduktion unseres Planeten, bedeckte noch im Jahre 1945 die Erde mit einer Ausdehnung von 16 Millionen Quadratkilometern. In den letzten vier Jahrzehnten jedoch ist diese «grüne Lunge» weltweit um rund 50% geschrumpft! Wo vorher die üppige tropische Vegetation vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bot, setzt nach der Rodung sofort die Erosion ein, und nach wenigen Jahren der profitgierigen Nutzung bleibt nichts anderes als eine karge Wüstenlandschaft übrig. Und wer ist schuldig? Hauptsächlich die internationalen Fleisch- und Hamburgerkonzerne, die das gerodete Land als Weideflächen für ihre Schlachttierherden oder als Ackerland für riesige Futtermittelplantagen (z.B. für Soja) verwenden, und zu einem gewissen Teil auch die Papier- und Holzmultis. «Das reichste Okosystem der Erde wird also zu Hamburgern*, Sperrholz und Packpapier verarbeitet — für Europäer, Amerikaner und Japaner.» (Neue Zürcher Zeitung, 30.3.1983)
Skrupellos werden einheimische Kleinbauern in die Städte vertrieben, das Land wird mit Monokulturen und Chemie ausgebeutet, der Boden mit schweren Maschinen zerdrückt und der natürliche Kreislauf der Nahrungsversorgung zerstört.
Der brasilianische Erzbischof HeIder Camara fasste diese Missstände mit folgenden Worten zusammen:

«Überall in der Dritten Welt wird die Landwirtschaft auf Kosten des Volkes modernisiert. Um die Konsumgewohnheiten der Reichen zu befriedigen, die immer mehr Fleisch essen wollen, lässt man das fremde Vieh die kärglichen Kulturen der wehrlosen Kleinbauern zertrampen.»

(zitiert in: «Die Schuld der Fleischfresser», Tagesanzeiger, Zürich, 23.9.1978)

* Statistiken zeigen, dass der weltweit grösste Hamburger-Konzern im Jahr mehr als 500 neue Filialen eröffnet (alle 17 Stunden eine) und pro Sekunde 140 Hamburger verkauft (mit rapide steigender Tendenz). Für einen einzigen Hamburger (!) müssen vier bis fünf Quadratmeter Regenwald in Weide- oder Ackerland umgewandelt werden.

Zerstörung des ökologischen Gleichgewichtes

Der Teufelskreis zieht aber noch weitere Kreise. Tiere sterben aus, mittlerweile mindestens eine Tierart pro Tag! Nicht nur die Tiere des Urwalds, sondern auch andere Tiere erliegen der Umweltzerstörung und der Mordlust des Menschen. Und dies schlägt auf den Menschen zurück. Zum Beispiel stellen viele Bauern fest, dass es vermehrt Ungezieferplagen gibt, da die insekten- und larvenfressenden Vogelarten verschwinden — aufgrund der Monokulturen, Agrargifte, Hecken- und Waldabholzungen usw.
Die riesige Abholzung ist auch eine der direkten Ursachen für die weltweite Klimaverschiebung, deren katastrophale Folgen (Treibhauseffekt, Dürren, Wüstenausbreitung, Überschwemmungen, Abschmelzen der Polkappen usw.) noch nicht konkret vorauszusehen, aber vorauszuahnen sind.
Auch in den modernen Industrienationen sind die Schäden, die durch Monokulturen, Profitwirtschaft und Fleischessen verursacht werden, fatal. Diese äussern sich vor allem in der extremen Umweltverschmutzung.
Die stark verunreinigten Abwässer von Mastbetrieben und Schlachthöfen tragen in hohem Masse zur Überdüngung und Abtötung der Seen, Flüsse und Meere bei. Allein auf einem mittleren Mastbetrieb mit 5000 Kälbern entstehen jährlich zehn Millionen Liter Jauche! Die in Deutschland von den Masttieren gesamthaft ezeugte Jauche hat ein solches Ausmass erreicht, dass jährlich pro Person mehr als drei Tonnen Jauche anfallen. (aus: Fleisch frisst Mensch, ARD, 18.10.1987)
Ein Beispiel: Zum Anbau von einem Kilogramm Weizen werden nur rund 60 Liter Wasser benötigt, wohingegen die Produktion von einem Kilogramm Fleisch zwischen 2500 und 6000 Liter Wasser erfordert, die dann im Güllenloch landen. Wohin mit diesem Meer von Jauche? Man versucht, sich ihrer zu entledigen, indem man sie auf die Felder kippt; aber da zwischen der Menge der Tierexkremente und dem zur Verfügung stehenden Land kein Verhältnis mehr besteht, werden die Felder oft masslos überdüngt. So gerät die Jauche, die auch die den Tieren verabreichten Chemikalien enthält, in das Grundwasser (= Trinkwasser!) und/oder Abwasser und so in die Gewässer (Flüsse, Seen, Meere).
Eine der sichtbaren Folgen dieser Eingriffe in die Natur sind die sterbenden Meere, wie die Nordsee und das Mittelmeer. Fische sterben, Algenschwemmen treten auf, usw. Ursache dafür sind in erster Linie Phosphate und Nitrate. Allein in die Nordsee werden jährlich etwa 100'000 Tonnen Phosphate und 1'000'000 Tonnen Nitrate geschwemmt. Diese Salze stammen aus der Industrie und den kommunalen Kanalisationen entlang den Zuflüssen und auch — wie hinlänglich erwiesen — zu einem grossen Teil aus der kommerziellen Landwirtschaft und den Tiermästereien.
Die massenweise produzierten tierischen Exkremente haben darüber hinaus noch eine weitere Nebenwirkung: sauren Regen. Die holländische Regierung, die diese Zusammenhänge erforschte, kam zu dem Ergebnis, dass die Ammoniak- und Methangas-Emissionen der Güllebehälter von Massentierhaltungen zu saurem Regen führen und zu einem Drittel für das Waldsterben verantwortlich sind.
Der Ökologe Dr. Georg Borgström errechnete, dass durch die Fleischproduktion zehnmal mehr Verschmutzungen verursacht werden als durch Privathaushalte und dreimal mehr als durch die Industrie. (zitert in: Lappé, Die Öko-Diät, 1982)
Mit anderen Worten: Durch eine vegetarische Ernährung könnten viele Probleme, die die heutige Welt belasten, mit einem Mal gelöst werden. In Anbetracht all dieser Gründe ist es sehr schwer zu verstehen, wie es sich jemand noch leisten kann, nicht Vegetarier zu sein.

4. Ethische Gründe

«Auch wenn wir gar nicht hoffen könnten, dass jemals alle Menschen zur vegetarischen Lebensweise übergehen werden, hätte niemand deswegen das Recht, Fleisch zu essen. Ein Unrecht bleibt auch dann ein Unrecht, wenn alle es verüben.»

— Magnus Schwantje (1877-1959), einer der ersten grossen Vorkämpfer für Vegetarismus und Tierschutz; prägte im Jahre 1902 den Begriff «Ehrfurcht vor dem Leben»
Bisher haben wir nur die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachteile des Fleischessens behandelt. Die nächste Fragestellung geht tiefer:
Haben wir — abgesehen von den Folgen — überhaupt das Recht, Tiere zu töten?
Diese Frage bringt uns in den Bereich der Ethik, einer Wissenschaft, die nicht nur wie die heute gängigen Wissenschaften leblose Materie untersucht, sondern über die leblose Materie hinaus nach Leben und Sinn sucht. Ethik wird in der heutigen Zeit des technischen Fortschritts als Stiefkind behandelt und an den Schulen und Universitäten schon gar nicht mehr gelehrt. Ohne Ethik, Fragen nach dem Sinn und Wert einer Handlung, wird jede Wissenschaft jedoch sinn- und wert-los. Ethik muss also Grundlage eines jeden wissenschaftlichen Strebens sein. Das griechische Wort ethos, von dem das Wort «Ethik» abgeleitet ist, bedeutet «innere Gesinnung, Sitte und Lebensführung», die sich aus der Verantwortung gegenüber der Schöpfung herleiten. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Vertreter der Ethik immer auch mit dem Thema des Vegetarismus auseinandersetzten.
Das Wort «Vegetarier», das im Jahre 1842 von den Gründern der Britischen Vegetarischen Gesellschaft geprägt wurde, hat seine Wurzel im lateinischen Wort vegetus, das «unversehrt, gesund, frisch» oder «kräftig» bedeutet. (Mit dem Ausdruck homo vegetus bezeichneten die alten Römer einen «geistig und körperlich gesunden Menschen».) Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes weist also auf eine philosophisch und moralisch ausgeglichene Lebenseinstellung hin, die weitaus mehr beinhaltet als nur die Ernährung von Gemüse und Früchten.
Die meisten Vegetarier sind Menschen, die verstanden haben, dass wir als Beitrag zu einer gerechteren und friedlicheren Gesellschaft zunächst das Problem der Gewalt in unserem eigenen Handeln lösen müssen. Sie sind sich bewusst geworden, dass Fleischessen eine Gewaltanwendung gegen andere Lebewesen mit sich bringt, die unverantwortbar ist.
Viele Menschen würden zweifellos sogleich zu Vegetariern werden, wenn sie die schreienden und zuckenden Tiere im Schlachthaus sähen oder wenn sie die Tiere, die sie essen, selbst töten müssten. Dies würde manchem Fleischesser die Augen und das Herz öffnen.

«Mir schmeckt's trotzdem»

Aus den bisherigen Betrachtungen ging hervor, dass das Essen von Fleisch für den Menschen weder notwendig noch gesund, noch wirtschaftlich vertretbar ist. Fleisch macht den Menschen krank, abgestumpft und verantwortungslos gegenüber Tier, Natur und Mitmensch. Es bleibt also nur noch das egoistische Argument, das bewusst alle tieferen Uberlegungen über Bord wirft und somit jeglicher Vernunft entbehrt: «Wie dem auch sei, mir schmeckt's trotzdem.»
Woher aber nehmen wir uns das Recht, andere Lebewesen auszubeuten und ihnen ein schreckerfülltes Ende zu bereiten, nur um Fleisch zu essen — mit der Begründung, dass es uns «schmeckt» und dass wir Lust haben? Könnte man, wenn es so einfach wäre, mit dieser billigen Begründung nicht auch andere Gewaltverbrechen rechtfertigen? Würde aber irgendein Gericht der Welt eine solche Erklärung für einen Mord oder eine Vergewaltigung gutheissen? Ist das «Leid», das ich mir durch den Verzicht auf Fleischnahrung bereite, grösser als das Leid der Tiere, die ich verspeise?
Diese Frage der Ethik griff auch die Schweizer Illustrierte in ihrer Ausgabe vom 8.6.1987 auf, indem sie den deutschen Erfolgsautor Volker Elis Pilgrim zitierte:

«Das zurechtgemachte Kotelett liegt im Regal wie eine Schachtel, ein Teller oder ein Hosenknopf. Ist es aber nicht. Gestern noch gehörte es zu einem atmenden, fühlenden, pulsierenden Ganzen. Will ich es töten, um so an mein Kotelett zu kommen? Nein, ich will nicht. Nun — würden wir alle ernsthaft vor diese Frage gestellt, gäbe es in der Schweiz vermutlich nur noch Vegetarier. Und wir stünden damit in guter Gesellschaft mit Dichtern und Denkern aller Zeiten, die das Töten von Tieren seit jeher für des menschlichen Geistes unwürdig hielten.»

Und solche Persönlichkeiten gibt es viele! Zu den bekanntesten ethischen Vegetariern gehören
Buddha, Dalai Lama, Zarathustra, Pythagoras, Empedokles, Sokrates, Platon, Aristoteles, Horaz, Ovid, Seneca, Plutarch, Franz von Assisi, Leonardo da Vinci, Isaak Newton, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau, Alexander von Humboldt, Leo Tolstoi, Wilhelm Busch, Rudolf Steiner, Thomas Alva Edison, Ralph Waldo Emerson, George Bernard Shaw, Rainer Maria Rilke, Richard Wagner, Albert Einstein, Mahatma Gandhi usw. — von den vielen Vegetariern der Gegenwart ganz zu schweigen.
Schon immer hat es grosse Kulturen und Persönlichkeiten gegeben, die den Tieren den Respekt, der ihnen gebührt, zukommen liessen. Während in unseren Breitengraden noch primitivste Lebensumstände herrschten, gab es in Indien bereits blühende Hochkulturen, wie uns die altüberlieferten Sanskrit-Schriften jener Zeiten informieren. Vor allem die Bhagavad-gitã, die wichtigste dieser Schriften, sagt, dass Ackerbau, Naturalhandel und der Schutz der Kühe die wirtschaftlichen Säulen einer überlebensfähigen Gesellschaft sind. Ausserdem offenbart die Bhagavad-gitã, dass es Gottes Wunsch ist, dass die Menschen sich vegetarisch ernähren. (Weitere Details über die Lehren der Bhagavad-gitã werden im 6. Kapitel und im Nachwort angeführt.)
Auch in der ältesten europäischen Kultur, im antiken Griechenland, war der Vegetarismus ein hochgehaltenes Ideal. Das Zitat aus Platons Buch «Der Staat» und die oben angeführten Namen haben dies bereits illustriert.

Zitate berühmter Vegetarier

Pythagoras (ca. 500 v.Chr.), der auch das Gesetz der Reinkarnation kannte, sagte:

«Wer mit dem Messer die Kehle eines Rindes durchtrennt und beim Brüllen der Angst taub bleibt, wer kaltblütig das schreiende Böcklein abzuschlachten vermag und den Vogel verspeist, dem er selber das Futter gereicht hat — wie weit ist ein solcher noch vom Verbrechen entfernt?» Und Aristoteles führte den Gedanken weiter: «Wie der Mensch in seiner Vollendung das edelste aller Geschöpfe ist, so ist er, losgerissen von Gesetz und Recht, das schlimmste von allen.»

Genau wie bei den alten Griechen gab es auch bei den Römern grosse Philosophen, die Vegetarier waren (Horaz, Ovid, Plutarch). Plutarch (45-120 n.Chr.) schreibt in seiner Abhandlung Über das Fleischessen»:

«Könnt ihr wirklich die Frage stellen, aus welchem Grunde sich Pythagoras des Fleischessens enthielt? Ich für meinen Teil frage mich, unter welchen Umständen und in welchem Geisteszustand es ein Mensch das erstemal über sich brachte, mit seinem Mund Blut zu berühren, seine Lippen zum Fleisch eines Kadavers zu führen und seinen Tisch mit toten, verwesenden Körpern zu zieren, und es sich dann erlaubt hat, die Teile, die kurz zuvor noch gebrüllt und geschrien, sich bewegt und gelebt haben, Nahrung zu nennen ... Um des Fleisches willen rauben wir ihnen die Sonne, das Licht und die Lebensdauer, die ihnen von Geburt an zustehen.»

Dann fordert Plutarch die Fleischesser offen heraus:

«Wenn ihr nun behaupten wollt, dass die Natur solche Nahrung für euch vorgesehen hätte, dann tötet selbst, was ihr zu essen gedenkt — jedoch mit euren naturgegebenen Mitteln, nicht mit Hilfe eines Schlachtmessers, einer Keule oder eines Beils.»

Durch alle Zeiten hindurch hat es schon immer Stimmen gegeben, die eindringlich lich auf die Notwendigkeit fleischloser Ernährung hinwiesen. Die folgenden Zitate sprechen für sich:
Horaz (65-8 v. Chr., klassischer Dichter Roms):

«Wage es, weise zu sein! Höre auf, Tiere zu töten! Wer die Stunde des rechten Lebens hinausschiebt, gleicht nur dem Bauern, der darauf wartet, dass der Fluss versiegt, ehe er ihn überquert.»

Leonardo da Vinci (1452-1519, italienisches Universalgenie):

«Wahrlich ist der Mensch der König aller Tiere, denn seine Grausamkeit übertrifft die ihrige. Wir leben vom Tode anderer. Wir sind wandelnde Grabstätten!»
«Ich habe schon in jüngsten Jahren dem Essen von Fleisch abgeschworen, und die Zeit wird kommen, da die Menschen wie ich die Tiermörder mit gleichen Augen betrachten werden wie jetzt die Menschenmörder.»

Jean Paul (1763-1825, deutscher Dichter):

,,Gerechter Gott! Aus wie vielen Marterstunden der Tiere lötet der Mensch eine einzige Festminute für seine Zunge zusammen!»

Alexander von Humboldt (1769-1859, Begründer der wissenschaftl. Erdkunde):

«(Grausanikeit gegen Tiere kann weder bei wahrer Bildung noch wahrer Gelehrsamkeit bcstehen. Sie ist eines der kennzeichnendsten Laster eines niederen und unedlen Volkes.«

Ralph Waldo Emerson (1803-1882, amerikanischer Schriftsteller und Politiker):

,,Sie haben soeben zu Mittag gegessen; und wie sorgfältig auch immer das Schlachthaus in einer taktvollen Entfernung von einigen oder vielen Kilometern verborgen sein mag — Sie sind mitschuldig.»

Thomas Alva Edison (1847-1931, amerikanischer Erfinder, unter anderem der Glüh birne, des Grammophons und des Mikrophons):

«Ich bin Vegetarier und Antialkoholiker. weil ich so besseren Gebrauch von meinem Gehirn machen kann.»

Friedrich Nietzsche (1844-1900, deutscher Philosoph):

«Alle antike Philosophie war auf Simplizität des Lebens gerichtet und lehrte eine gewisse Bedürfnislosigkeit. In diesem Betracht haben die wenigen philosophischen Vegetarier mehr für die Menschen geleistet als alle neuen Philosophen, und solange die Philosophen nicht den Mut gewinnen, eine ganz veränderte Lebensweise zu suchen und durch ihr Beispiel aufzuzeigen, ist es nichts mit ihnen.»

Leo Tolstoi (1828-1910, russischer Schriftsteller):

«Wenn der Mensch ernstlich und aufrichtig den moralischen Weg sucht, so ist das erste, wovon er sich abwenden muss, die Fleischnahrung ... Vegetarismus gilt als Kriterium, an welchem wir erkennen können, ob das Streben des Menschen nach moralischer Vollkommenheit echt und ernstgemeint ist.»

Wilhelm Busch (1832- 1908, deutscher Dichter und Zeichner):

«Wahre menschliche Kultur gibt es erst, wenn nicht nur die Menschenfresserei, sondern jeder Fleischgenuss als Kannibalismus gilt.»

Émile Zola (1840-1902, französischer Schriftsteller):

«Die Sache der Tiere steht höher für mich als die Sorge, mich lächerlich zu machen.»

George Bernard Shaw (1856-1950, englisch-irischer Dramatiker):

«Tiere sind meine Freunde, und ich esse meine Freunde nicht!»

Sven Hedin (1865-1952, schwedischer Asienforscher):

«Ich habe es nie über mich gewinnen können, ein Lebenslicht auszulöschen, das aufs neue anzuzünden mir die Macht fehlt.»

Albert Schweitzer (1875-1965, elsassischer Theologe und Missionsarzt; Friedensnobelpreisträger 1952):

«Meine Ansicht ist, dass wir, die für die Schonung der Tiere eintreten, ganz dem Fleischgenuss entsagen, und auch gegen ihn reden.»

Franz Kafka (1883-1924, österreichisch-tschechischer Schriftsteller):

«Nun kann ich euch in Frieden betrachten; ich esse euch nicht mehr.» (beim Betrachten von Fischen in einem Aquarium)

Mahatma Gandhi (1869-1948, indischer Politiker und Vertreter des gewaltlosen Widerstandes):

«Ich glaube, dass spiritueller Fortschritt an einem gewissen Punkt von uns verlangt, dass wir aufhören, unsere Mitlebewesen zur Befriedigung unserer körperlichen Verlangen zu töten.»
«Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.»

Albert Einstein (1879-1955, deutsch-amerikan. Physiker; Nobelpreisträger 1921):

«Rein durch ihre physische Wirkung auf das menschliche Temperament wurde die vegetarische Lebensweise das Schicksal der Menschheit äusserst positiv beeinflussen können.»

Isaac Bashevis Singer (*1904, amerikanischer Schriftsteller; Literaturnobelpreis träger 1978):

«Wir sind alle Gottes Geschöpfe — dass wir um Gottes Gnade und Gerechtigkeit beten, während wir weiterfahren, das Fleisch der Tiere zu essen, die um unseretwillen geschlachtet wurden, ist unvereinbar.»
«Ich würde fortfahren, vegetarisch zu leben, selbst wenn die ganze Welt begänne, Fleisch zu essen. Dies ist mein Protest gegen den Zustand der Welt. Atomkraft, Hungersnöte, Grausamkeit — wir müssen Schritte dagegen unternehmen. Vegetarismus ist mein Schritt. Und ich glaube, es ist ein sehr wichtiger.»

5. Religion

Barmherzigkeit und Mitgefühl gegenüber Schwächeren sind zwei grundlegende Werte, die von sämtlichen Religionen der Welt hoch geachtet werden. Aber warum werden sie heute nicht mehr auf die Tiere bezogen? Warum fordert heute keine der grossen Religionen von ihren Gläubigen, mit dem Schlachten von Tieren aufzuhören?
Wäre es nicht logisch anzunehmen, dass Gott, der nur das Beste für Seine Schöpfung will, den Menschen die gewaltlose, gesunde vegetarische Ernährung empfiehlt? Doch dieses grundlegende und selbstverständliche religiöse Prinzip der vegetarischen Lebensweise wird von vielen Religionen heutzutage völlig verkannt, ja oft sogar bewusst heruntergespielt oder geleugnet.

«Die Grausamkeit gegen die Tiere und auch schon die Teilnahmslosigkeit gegenüber ihren Leiden ist meiner Ansicht nach eine der schwersten Sünden des Menschengeschlechts. Sie ist die Grundlage der menschlichen Verderbtheit. Wenn der Mensch so viel Leiden schafft, welches Recht hat er dann, sich zu beklagen, wenn auch er selber leidet?»

— Romain Rolland (1866-1944, französischer Dichter; Literaturnobelpreisträger 1915).
Von den heutigen Religionen jedoch wird diese Sünde weder als solche angesehen noch als solche bekämpft. Wenn wir aber die ursprünglichen Lehren der einzelnen Religionen betrachten, sehen wir, dass das Schlachten von Tieren nirgendwo gutgeheissen wird, ja dass es sogar in vielen Religionen direkt verboten ist.

Christentum

Aus der frühchristlichen Geschichtsschreibung geht hervor, dass die ersten Heiligen und Lehrer in der direkten Nachfolge Jesu nur fleischlose Nahrung zu sich nahmen, ja sogar einige Apostel werden namentlich erwähnt.
Im Buch Paedagogus (II, 1) des Clemens von Alexandrien (150-215) heisst es, dass der Apostel Matthäus «von Pflanzenspeisen lebte und kein Fleisch berührte.» Der griechische Geschichtsschreiber Eusebius (264-339), Bischof von Caesarea, weist in seiner Kirchengeschichte (II 2,3) darauf hin, dass der Apostel und Evangelist Johannes ein strikter Asket und Vegetarier war. Und der Apostel Petrus bezeugt in den Clementinischen Homilien (XII,6): «Ich lebe von Brot und Oliven, denen ich nur selten ein Gemüse zufüge.»
Weitere Beispiele frühchristlicher Vegetarier sind Tertullian (160-220), Origenes (184-254), der hl. Antonius (250-356), der hl. Hieronimus (347-420) und Johannes Chrysostomos (344-407), um nur die wichtigsten zu nennen.

Wie das Fleischessen in die Bibel kam

Bis ins 4. Jahrhundert weisen die Spuren der frühchristlichen Gemeinden aus Palästina, Byzanz, Griechenland und Alexandrien (Agypten) darauf hin, dass bei ihnen das Trinken von alkoholischen Getränken und das Essen von Fleisch abgelehnt wurde. Sie erhielten ihr Wissen über die Lehren Jesu von den vielen damals zugänglichen heiligen Schriften.
Viele dieser urchristlichen Schriften wurden später jedoch vom «westlichen» Christentum, dem neuen Zweig mit Rom als Zentrum, ignoriert oder abgelehnt — aus Unfähigkeit, den darin enthaltenen Lehren zu folgen, und auch aus rein machtpolitischen Interessen.
Die nach Rom abgewanderten Christen waren bereit, mit der unchristlichen römischen Lebensweise Kompromisse einzugehen, um durch diese Haltung den im ganzen Römerreich durchgeführten Christenverfolgungen zu entgehen und sich bei der Obrigkeit beliebt zu machen. Sie erlangten dadurch sogar die Gunst des damaligen Kaisers Konstantin (285-337), der sich in der Folge tatsächlich «bekehren» liess. Konstantin, der notabene ein überzeugter Fleischesser und Trinker war und es auch blieb, entschied, dass die römische Form des Christentums die Religion für alle Bürger seines Reiches sein solle, und diesen Beschluss setzte er in der Folge unter Gewaltanwendung durch.
Im Jahre 325 berief Konstantin das Konzil von Nicäa ein, bei dem gewisse Gelehrte (sogenannte correctores) beauftragt wurden, die zahlreichen frühchristlichen Dokumente über das Leben und die Lehren Jesu zu «sortieren» und zu «korrigieren». Nur vier der vielen ursprünglichen Zeugnisse wurden als Evangelien anerkannt und zu einem ersten Kanon zusammengefasst, der jedoch nicht unumstritten war. Erst ein halbes Jahrhundert später (382) wurde eine mehrmals überarbeitete kanonische Textauswahl von Papst Damasus als «Neues Testament» anerkannt.
Der Theologe und Urchristentumforscher G. Ousley kommentiert diese vorsätzliche Änderung bzw. Verwässerung der Lehren Jesu wie folgt: «Alles, was diese correctores taten, war, dass sie mit peinlicher Sorgfalt die Evangelien um ganz bestimmte Lehren unseres Herrn beschnitten, denen sie (bzw. Konstantin) nicht zu folgen gedachten. Und zwar handelt es sich hierbei um jene Verbote, die sich gegen das Fleischessen, berauschende Getränke usw. richteten.» (Evangelium der Heiligen Zwölf Vorwort. Humata Verlag 1988)
Die ursprünglichen Christen, die weiterhin strikt nach Jesu Geboten der Ein fachheit und Enthaltsamkeit lebten — somit auch auf Fleisch und Alkohol verzich teten —, die sich also nicht dem neuen Kirchentum unterordnen wollten, mussten sich vor ihren römischen «Glaubensbrüdern» verstecken, denn Konstantin duldete weder Ungehorsam noch Kritik. Es wird berichtet, dass er gefangene «abtrünnige» Christen hinrichtete, indem er ihnen gemäss römischem Brauch flüssig heisses Blei in die Kehle giessen liess. Auf diese Weise begann sich die neue Form des Christentums unter dem Patronat des Kaisers Konstantin und seiner Nachfolger auszubreiten. Er wurde in der Folge von der römischen Kirche wie ein Heiliger verehrt, das Christfest wurde auf seinen Geburtstag (25.12.) verlegt, und man verschönte seine Lebensgeschichte durch zahlreiche Legenden.

Im Namen Jesu?

Aber nicht nur die Menschen hatten unter dieser willkürlichen Abänderung der Gesetze Gottes zu leiden, sondern auch die Tiere, die fortan überall ungehindert geschlachtet und gegessen werden durften.
Im Mittelalter verkündete Thomas von Aquin (1225-1274), das Töten der Tiere sei durch die Vorsehung erlaubt, denn Tiere hätten keine Seele. (Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass er auch sagte, Frauen hätten keine Seele.) Eine Einzelmeinung aus dem dunklen Mittelalter? Nein, leider nicht. Später hiess es auch, die Indianer hätten keine Seele und die Neger hätten keine Seele, weshalb es den Christen erlaubt war, Indianer zu töten und Neger zu versklaven und mit ihnen genauso wie mit den Tieren Handel zu treiben, sie zu schinden und sie nötigenfalls auch zu töten. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit werden in christlichen Ländern bis zum heutigen Tag Tiere gequält, getötet und gegessen.

Bischof Machens von Hildesheim erklärte in seinem «Fastenbrief» vom 8.3.1949:
«Tiere haben keine geistige Seele und kennen kein Fortleben nach dem Tode. Darum haben sie aber auch keinerlei Würde, auf die sie Rechte bauen könnten. Und in der Tat, Tiere haben keine Rechte. Sie haben keinen Anspruch auf Dasein und Gesundheit, auf Eigentum und guten Ruf.»

In einem Gespräch mit dem namhaften Theologen Dr. Heinrich Streithofen stellte die Zeitschrift Deutsche Geflügelwirtschafl und Schweineproduktion vom 26.10.1985 die Frage: «Einige Tierschützer behaupten, die Tiere hätten analog unseren menschlichen Grundrechten auch ein Grundrecht auf Leben. Was halten Sie davon?» Der Theologe antwortete: «Das ist Unsinn! Das ist weder rechtlich noch theologisch, noch philosophisch haltbar ... Nur der Mensch ist Person. Dem Tier fehlt Personencharakter ... In der Hinordnung des Tieres auf den Nutzen des Menschen lässt sich nicht nur seine Verwendung, sondern auch seine Tötung rechtfertigen oder seine Zucht.»
Und selbst Papst Johannes Paul II. erklärte im Jahre 1985 in einer Rede vor Biologen: «Es ist gewiss, dass Tiere zum Nutzen des Menschen geschaffen wurden; das heisst, dass sie auch für Experimente benutzt werden können.»
Es ist also nicht verwunderlich, dass es schon immer Stimmen gegeben hat, die von einem «Verrat der Christen an den Tieren» sprechen. «Was erwarten wir von einer Religion, wenn wir das Mitleid mit den Tieren ausschliessen?», fragte sich mit Recht Richard Wagner (1813-1883), der Komponist und Vegetarier, bereits im letzten Jahrhundert.

Fleischessen und die heutige Bibel

Die verschiedenen Ausgaben der Kirchenbibel stützen sich auf den Codex Sinaiticus, den ältesten Bibeltext, der heute noch verwendet wird. Dieser Text ist in griechischer Sprache abgefasst und stammt aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, das heisst also aus der Zeit nach dem Konzil von Nicäa! Frühere Bibeloriginale sind heute nicht mehr verfügbar. Andere Bibeltexte, wie der Codex Vaticanus und der Codex Alexandrinus, wurden noch später verfasst und sind, wie auch schon der Codex Sinaiticus, nur kirchliche Übersetzungen und Abschriften von Abschriften.
Es ist also nicht verwunderlich, dass uns nur noch Bruchstücke der Lehren Jesu erhalten sind, gerade auch in bezug auf die menschliche Ernährung. Da uns in dieser Frage die schlüssigen Aussagen Jesu nicht mehr bekannt sind, erübrigen sich Diskussionen über die Ernährungsweise Jesu, wenn man sich ausschliesslich auf das heutige Neue Testament stützt. (Es würde den Rahmen der vorliegenden Broschüre überschreiten, hier im einzelnen auf die zahlreichen apokryphen urchristlichen Schriften einzugehen, wie das Essener-Evangelium, die Petrus-Akten oder das Thomasbuch, die beschreiben, dass Jesus unter anderem strikte Fleischenthaltung predigte.)
Auch das Alte Testament macht, oberflächlich betrachtet, keine klaren Aussagen, sondern enthält sich widersprechende Anweisungen. Gewisse Textstellen gebieten dem Menschen eine vegetarische Ernährung, wohingegen andere das Fleischessen und Tieropfer erlauben. Bei einer genaueren Untersuchung jedoch muss man erkennen, dass der fleischlosen Ernährung der Vorzug gegeben wird.
Im 1. Buch Mose (Gen. 9.3) findet man z.B. eine deutliche Erlaubnis zum Fleischessen, aber diese bezog sich auf die Zeit nach der Sintflut, als sämtliches Ackerland fortgespült war. Anstatt sich willkürlich auf diesen Notbehelf zu berufen (man müsste dann konsequenterweise auch die in 9.6. geforderte Todesstrafe annehmen!), täte man besser daran, sich an die ursprüngliche Anweisung Gottes zu halten, die man auf der ersten Seite der Bibel finden kann: «Und Gott sprach:
Siehe, ich gebe euch alles Kraut, das Samen trägt, auf der ganzen Erde, und alle Bäume, an denen samenhaltige Früchte sind; das soll eure Speise sein.» (Gen. 1.29)
Im übernächsten Vers bestätigt Gott, dass diese Art der Ernährung «gut» ist, wohingegen die andere, die Er später erwähnt (diejenige mit Fleisch), nur erlaubt war zur Befriedigung der verdorbenen Lust des Menschen — eine Ernährungsweise, die «Furcht und Schrecken ... über alle Tiere der Erde, über alle Vögel des Himmels, über alles, was auf Erden kriecht, und über alle Fische im Meer» legen werde. (Gen. 9.2)
Das vielzitierte Beispiel mit den Wachteln im 4. Buch Mose macht diesen Punkt noch klarer. Nachdem das Volk Israel auf seiner Wüstenwanderung des Manna, des Himmelsbrotes, überdrüssig geworden war, geschah es, dass Gott Wachteln vom Himmel regnen liess, worauf das Volk diese gierig einsammelte und in einem grossen Festmahl verzehrte (beschrieben in Num. 11.31-32).
Um jedoch der ganzen Geschichte gerecht zu werden, muss man den darauffolgenden Vers ebenfalls berücksichtigen: «Sie hatten aber das Fleisch noch zwischen den Zähnen, es war noch nicht gegessen, da entbrannte der Zorn des Herrn über das Volk, und der Herr schlug das Volk mit einer bösen Plage.» (Num. 11.33) Mit anderen Worten: Gott gefiel es nicht, dass die Menschen das Fleisch der Wachteln assen.

Johannes der Täufer

Echte Gottgeweihte lehnen es ab, das Fleisch getöteter Tiere zu essen. Man erweist sich selbst und diesen grossen Persönlichkeiten einen schlechten Dienst, wenn man versucht, ihnen zu unterstellen, sie hätten Fleisch gegessen. Aber leider wurde derlei seit dem 4. Jahrhundert nicht nur mit Jesus versucht, sondern auch mit seinem wichtigsten Vorboten, Johannes dem Täufer: «Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaar und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung», kann man in Mt. 3.4 nachlesen.
Hier sehen wir ein klassisches Beispiel für eine Fehlübersetzung. Wer kann glauben, dass der erhabene Johannes der Täufer, von dem sich sogar Jesus taufen liess, Heuschrecken ass? Mit den «Heuschrecken» (tat. locusta) sind die Früchte des Lokustbaumes (sogenannter «Heuschreckenbaum» oder Courbaril) gemeint. In Palästina gehören die Früchte des Lokustbaumes und der Robinie (engl. carob) zu den wichtigsten Nahrungsmitteln, und gerade weil sich auch Johannes der Täufer davon ernährte, nennt man diese süssen bohnenartigen Früchte bis zum heutigen Tag «Johannisbrot». Und überall, wo diese blütentragenden Bäume wachsen, gibt es auch wilden Honig. Darin besteht die Nahrung grosser heiliger Persönlichkeiten, wie dies bereits im Alten Testament vorausgesagt wird («Butter und Honig wird er essen...» Jes. 7.15).

«Du sollst nicht töten!»

So lautet das fünfte der Zehn Gebote des Moses (Ex. 20.13 und Deut. 5.17). Es liesse sich wirklich nicht einfacher und deutlicher ausdrücken, und es bezieht sich, entgegen anderslautenden Interpretationen, nicht nur auf das Ermorden von Menschen.
In der hebräischen Originalsprache heisst dieses Gebot: lo tirtzach. Lo bedeutet «du sollst nicht», und tirtzach bezieht sich auf «jede nur erdenkliche Art des Tötens», wie wir dem Standardwörterbuch The Complete Hebrew/English Dictionary von Dr. Reuben Alcalay entnehmen können. Tirtzach heisst also nicht nur «morden», obwohl dieses 5. Gebot neuerdings in gewissen modernen «Einheitsübersetzungen» der Bibel mit «Du sollst nicht morden» übersetzt wird.
Diese eindeutige Anweisung Gottes sollte einem ernsthaften Christen eigentlich schon genügen, um mit dem Tieretöten und dem Fleischessen aufzuhören.

Andere Religionen

Judentum

Nicht nur die urchristlichen Kirchenväter der ersten Jahrhunderte nach Jesus nahmen strikt kein Fleisch zu sich, sondern auch viele jüdische Mönchsorden vor und während Jesu Lebzeit, wie z.B. die Essener und die Nazaräer. Für sie alle war Vegetarismus, gemäss 1 Mose 1.29, Grundlage eines gottesbewussten Lebens.
In den jüdischen Schriften und im Alten Testament ist es strikt verboten, «Fleisch mit Blut» zu essen. Statt das Fleisch gänzlich wegzulassen, wie es an anderen Stellen dieser Schriften empfohlen wird, führten sie — gestützt auf die Erlaubnis, Fleisch ohne Blut essen zu dürfen — komplizierte Rituale ein, um «koscheres» Fleisch zu bekommen. Sie schächten die Kühe, d.h. sie schneiden ihnen bei lebendigem Leib die Kehle auf und lassen sie verbluten (eine Tötungsmethode, die, abgesehen von der Brutalität, das Fleisch niemals 100% blutlos machen kann).
In Wirklichkeit sind solche Einschränkungen des Fleischessens da, um dem Menschen letztlich klar zu machen, dass es besser ist, das Fleisch ganz wegzulassen. Jesaja 1.11,15: «Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern? spricht der Herr. Die
Widder und das Fett eurer Rinder habe ich satt; das Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke ist mir zuwider. Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut.»

Islam

Der Prophet Mohammed predigte in der Wüste, wo es sehr schwierig ist, vegetarisch zu leben. Obwohl der Islam nicht eine Religion ist, die den Vegetaris mus propagiert, hielt Mohammed dieses Ideal hoch, wie aus den überlieferten Biographien hervorgeht. Er ernährte sich hauptsächlich von Milch, Joghurt, Honig, Nüssen, Feigen, Datteln und anderen Früchten.
Auch im Koran kann man Textstellen finden, die von universaler Barmherzigkeit sprechen und Gerechtigkeit für alle Lebewesen fordern. So heisst es zum Beispiel:

«Es ist kein Tier auf Erden, noch ein Vogel, der mit seinen Schwingen fliegt, die nicht gleich wären wie ihr, die ihr ein Volk seid. Alle Geschöpfe Allahs sind seine Familie.» (6.38)

Im Sufismus, einem bekannten asketisch-mystischen Zweig des Islam, gilt die Abstinenz von Fleisch und Alkohol als Voraussetzung zur Verinnerlichung des Geistes und zur ekstatischen Gottesschau.

Buddhismus

Buddha führte Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Vegetarismus als einen der fünf fundamentalen Schritte auf dem Weg zur Selbsterkenntnis ein. Eines seiner haupt sächlichen Anliegen bestand in der Tat darin, dem Laster der Tieropfer und des Fleischessens Einhalt zu gebieten. «Ich sehe keinen Grund, warum man Tiere schlachten und deren Fleisch essen soll, da man doch so viel anderes essen kann. Der Mensch braucht kein Fleisch.» — Dalai Lama (in Steven Rosen: Food for the Spirit, Vegetarianism and the World Re/igions, New York 1987)

Hinduismus

Hinduismus ist der moderne Sammelbegriff für die zahlreichen aus Indien stammenden Philosophien und Glaubensströmungen. Die verschiedenen altindi schen Gesetzessammlungen, wie die Manu-samhitã enthalten klare Anweisungen bezüglich des Fleischessens: «Fleisch kann man sich nicht verschaffen, ohne anderen Lebewesen Gewalt anzutun. Deshalb sollte man den Verzehr von Fleisch vermeiden.» An einer anderen Stelle in der Manu-samhitã heisst es: «Bedenkt man die abscheuliche Herkunft von Fleisch und die Grausamkeit, die die Gefangen schaft und das Schlachten verkörperter Wesen mit sich bringt, dann sollte man sich des Fleischessens völlig enthalten.»
Ebenso klar äussern sich die altindischen («vedischen») Schriften, von denen die Bhagavad-gitã und das Srimad-Bhãgavatam die wichtigsten sind: «Nahrung, die ohne Geschmack, faul und gegoren ist, und Nahrung, die aus Speiseresten und unberührbaren Dingen (wie Fleisch, Fisch und Eiern) besteht, wird von denjenigen geschätzt, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit befinden.» (Bhagavad-gitã 17.10) «Iss nichts, was durch Fleisch oder Fisch verunreinigt worden ist!» (Srimad-Bhãgavatam 6.18.49)
Im folgenden wollen wir diese vedischen Urtexte zu Rate ziehen, denn ihre Aussagen sind von höchster Wichtigkeit, wie im Zusammenhang mit der Proble matik des Fleischessens deutlich ersichtlich wird.

6. Fleischessen und das Gesetz des Karma

«Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück.»

— Pythagoras

«Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben.»

— Leo Tolstoi
Wenn man sich die grundsätzliche Frage stellt, ob der Mensch Tiere töten darf, und erkennt, dass die Antwort nein lautet, stellt sich eine logische nächste Frage:
Warum ist es dem Menschen nicht erlaubt, und was geschieht, wenn er es — so wie heute — trotzdem tut?
Während sich die westlichen Philosophien und Religionen nicht einmal im klaren darüber sind, ob Tiere auch ein Recht auf Leben haben oder folgenlos getötet werden können, finden wir in den vedischen Schriften klarste Aussagen und Erklärungen über sämtliche Bereiche des Lebens, sowohl die materiellen als auch die spirituellen. Das Entscheidende, was in diesem Zusammenhang verstanden werden muss, ist das Thema des Karma.
Das Sanskritwort Karma bedeutet wörtlich «Handlung» (Aktion) und weist darauf hin, dass jede Handlung in der materiellen Welt verschiedene kurzfristige und langfristige Folgen (Reaktionen) verursacht. Jeder Mensch führt «Karma» (Handlungen) aus und untersteht somit dem Gesetz des Karma, dem Gesetz von Aktion und Reaktion, das für jede (gute oder schlechte) Handlung eine entspre chende zukünftige (gute oder schlechte) Konsequenz festsetzt. Wenn man vom Karma einer Person spricht, meint man damit also die «vorausbestimmten Reak tionen auf eine nach freiem Willen ausgeführte Handlung (Aktion)».
Das Gesetz des Karma ist nicht bloss eine östliche Theorie, sondern ein Natur- gesetz, das genauso unvermeidlich wirkt wie die Zeit oder das Gesetz der Schwer kraft. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion. Gemäss diesem Gesetz fallen Schmer zen und Leiden, die wir anderen Lebewesen zufügen, auf uns zurück. «Wie der Mensch sät, so wird er ernten», denn die Natur hat ihre eigene universale Gerech tigkeit. Niemand kann das Gesetz des Karma umgehen — ausser denjenigen, die verstanden haben, wie es funktioniert.
Grundlegend für das Verständnis des Karma-Gesetzes ist die Erkenntnis, dass alle Lebewesen beseelt sind, das heisst, dass sie alle unsterbliche spirituelle Seelen sind, die in vergänglichen Körpern weilen. In der Bhagavad-gitã der zentralen vedischen Schrift, beschreibt Krsna, dass die spirituelle Seele die Quelle des Bewusstseins ist, das den gesamten Körper durchdringt und ihn überhaupt erst lebe ns fähig macht. Wenn die Seele den Körper verlässt, spricht man von «Tod». Einer Seele den Körper zu zerstören, wie das beim Tieretöten der Fall ist, ist für den Menschen deshalb eine grosse Sünde.
Nur in der menschlichen Lebensform hat die Seele die Freiheit des bewussten Entscheidens. Mit dieser Freiheit trägt der Mensch jedoch auch die Verantwortung für all das, was er tut. Deshalb wird von einem Menschen erwartet, dass er die höheren Prinzipien des Lebens, wie z.B. das Gesetz des Karma, versteht und danach handelt, denn «Unwissenheit schützt vor Strafe nicht».
Das Verständnis des Karma-Gesetzes deckt also die eigentlichen zerstörerischen Folgen des Tieretötens auf. Auch wenn man das Tier nicht selbst tötet, schneidet man sich ins eigene Fleisch. Gemäss dem Karma-Gesetz bekommen alle Beteiligten

— derjenige, der das Tier züchtet, der es tötet, der das Fleisch verkauft, der es kocht, der es serviert und der es isst — entsprechende Karma-Reaktionen.

Aber das Gesetz des Karma gilt nicht nur individuell, sondern auch kollektiv, das heisst, es gilt auch für die Handlungen, die eine Gruppe von Menschen (Familie, Gemeinde, Nation, ja die Bevölkerung des gesamten Planeten) gemeinsam aus führt oder toleriert. Wenn die Menschen sicherstellen, dass die Schöpfungsgesetze eingehalten werden, profitiert die gesamte Gesellschaft. Wenn jedoch eine Gesell schaft sündhafte, ungerechte und gewalttätige Handlungen zulässt, wird sie unter dem entsprechenden kollektiven Karma zu leiden haben, das sich durch Kriege, Naturkatastrophen, Umweltsterben, Epidemien usw. äussern kann.
His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupäda (1896-1977), der bedeutendste Sanskrit-Übersetzer des 20. Jahrhunderts und der Gründer der Hare-Krishna-Bewegung, schrieb im Jahre 1974:

Wer Tiere tötet und ihnen unnötigen Schmerz zufügt — wie es die Menschen in den Schlachthäusern tun —, wird im nächsten und in vielen weiteren Leben auf ähnliche Weise getötet werden. Solch ein Vergehen lässt sich niemals entschuldigen. Wenn man viele Tausende von Tieren berufsmässig tötet, damit andere Menschen das Fleisch zum Essen kaufen können, muss man gewahr sein, im nächsten Leben sowie Leben für Leben auf ähnliche Weise getötet zu werden.

Es gibt viele Halunken, die ihre eigenen religiösen Prinzipien verletzen. In den jüdisch-christlichen Schriften wird eindeutig gesagt: «Du sollst nicht töten!»Nichtsde stoweniger erlauben es sich selbst die Führer der Religionen, Tiere zu töten, während sie gleichzeitig als Heilige betrachtet werden wollen und alle Arten von Entschuldi gungen vorbringen.
Solche Lächerlichkeit und Heuchelei in der menschlichen Gesellschaft führt zu unzähligen Katastrophen; deshalb gibt es gelegentlich grosse Kriege. Massenweise ziehen dann solche Leute auf die Schlachtfelder und töten sich gegenseitig. Nun hat man die Atombombe entdeckt, die nur auf die Massenzerstörung wartet.
Wenn die Menschen für ihre nachfolgenden Leben von diesem Töten und Getötet werden befreit werden wollen, müssen sie sich dem Krsna-Bewusstsein zuwenden und ihre sündhaften Tätigkeiten einstellen. Die Internationale Gesellschaft für Krsna-Be wusstsein empfiehlt, dass jeder sich des Fleischessens enthält ... Wir bitten jeden, sündhafte Tätigkeiten zu unterlassen und den Hare-Krsna-mantra zu chanten. Auf diese Weise können die Menschen sich vor wiederholter Geburt und wiederholtem Tod retten.» (Caitanya-caritdmrta, Madhya-lilä 24.251, Erläuterung)
Viele Menschen fürchten sich heute vor einem Krieg, aber gleichzeitig lassen sie es kaltblütig zu, dass jeden Tag in Schlachthöfen, Mastfabriken und Tierversuchs- laboratorien auf der ganzen Welt mindestens ebenso grauenvolle Massaker durch geführt werden — und erkennen nicht, wie eng diese Gewaltaktionen miteinander verbunden sind.

Karma, Vegetarismus und die Weltsituation

Wer die obigen Punkte versteht, muss angesichts der heutigen Weltsituation sehr nachdenklich werden. Trotz aller Warnrufe nimmt der weltweite Fleischkonsum immer mehr zu. Die Statistiken besagen, dass sich in den Industrienationen der jährliche Pro-Kopf-Fleischverzehr in den letzten dreissig Jahren verdoppelt hat (von 40 kg auf 80 kg und mehr. Deutschland ist mittlerweile bei 100 kg und die Schweiz bei 91 kg angelangt!).
Und der Fleischkonsum nimmt weiter zu: Die westlichen Fleischkonzerne sind in den geöffneten Ostblock eingedrungen, um vom neuen, hungrigen Markt zu profitieren. Mit irreführenden Werbesprüchen wie «Fleisch — ein Stück Lebens kraft» oder «Fleisch ist gesund» werden die Konsumenten zum Fleischessen ani miert, neue Mastbetriebe und Schlachthöfe werden mit staatlicher Hilfe aus dem Boden gestampft, und immer neue Länder werden von den Fleisch- und Hambur ger-Multis heimgesucht. (Die 1 Milliarde Chinesen sind das neuste Zielpublikum.) Auf diese Weise vergrössern sie die globale Last des kollektiven Karma.
Was kann der einzelne angesichts dieser Übermacht tun? Das Gesetz des Karma lässt uns nicht nur die drohenden Reaktionen erahnen, sondern zeigt uns gleichzei tig auch — durch Hinweis auf die wahren Ursachen — den praktischen Ausweg. Selbst wenn unser Umsteigen zur vegetarischen Lebensweise weltweit nicht viel zu ändern scheint, ändert dieser Schritt doch unser individuelles Karma. Und das kollektive Karma ist nichts anderes als die Summe des gesamten individuellen Karma; jede einzelne zusätzliche Person also, die nicht mehr die selbstmörderische Entwicklung der heutigen Zeit unterstützt, reduziert dadurch auch das kollektive schlechte Karma, das über der heutigen Menschheit schwebt.
Das ist der grosse Beitrag, den Sie, verehrte Leserin und verehrter Leser, für sich und die krisengeplagte Welt leisten, wenn Sie diesen einen Schritt — vegetarisch leben — tun!

«Systematisch die Schwierigkeiten der Krise aufzuzeigen ... heisst allerdings nicht,
uns stehe eine Welt aus lauter Alpträumen bevor. Man könnte Szenarien schreiben, die weit positivere Möglichkeiten berücksichtigen, beispielsweise die Entdeckung eines völlig neuen, umweltfreundlichen Energieträgers oder einen unerwarteten Durchbruch der Sonnenenergie- oder Kernfusionsforschung; oder eine alles mitrei ssende religiöse Bewegung in der westlichen Welt, die zur Einschränkung des Fleisch genusses führt (und dadurch Milliarden von Tonnen Getreide sparen hilft und der Menschheit als Ganzes eine bessere Ernährung garantiert) ...»

— Alvin Toffter, Autor von Der Zukunftsschock, Kursbuch ins Dritte Jahrtausend, Die Zukunflschance u.a., in seinem 1975 erschienenen Buch Die Grenzen der Krise (S.99)

Vegetarismus — notwendig, aber nicht genügend

«Ich sage ja nicht, dass jeder Mensch, der vegetarisch lebt, gerecht sei, sondern, dass jeder, der nicht vegetarisch lebt, dadurch ungerecht handelt.»
— Magnus Schwantje (siehe 5. 12)

Das Gesetz des Karma, das im 6. Kapitel beleuchtet wurde, zeigt auf, warum es dringend notwendig ist, dass der Mensch seine Ernährungsweise überdenkt und einsieht: das Essen von Fleisch ist nicht seine Privatsache! Zu gross sind die Schäden, die dadurch angerichtet werden, für die eigene Gesundheit, für die Tiere, für die Umwelt, ja für den gesamten Planeten.
Das Gesetz des Karma erklärt die eigentliche Ursache der Gefahren, die heute die Menschheit bedrohen, nämlich das unwissende und gottlose Handeln der einzelnen Menschen und ihrer verantwortungslosen Regierungen. Niemand darf sich Hoffnungen machen, dass die heutigen wachsenden Probleme gelöst werden können, solange wir nicht bereit sind, unseren eigenen Lebensstil zu ändern — und vegetarisch leben ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Die leidende Mutter Erde wankt nicht unter der zu grossen Anzahl Menschen, sondern unter der zu grossen Anzahl Menschen, die sich falsch verhalten. Gesundheit, Gerechtigkeit, Friede und eine lebenswerte Zukunft bleiben Utopie, wenn nicht etwas unternommen wird, um die Handlungen, die schlechtes Karma nach sich ziehen, einzudämmen. Die Wissenschaftler, die Politiker und auch die heutigen Religionen haben darin offensichtlich versagt, denn ihnen scheint das Wissen über die höheren Naturgesetze und über Gott, den Schöpfer der Natur, verloren gegangen zu sein.
Die Quellen jedoch, die uns das Wissen über Karma offenbaren — die vedischen Schriften —, weisen auch einen konkreten Weg zur Lösung, indem sie den Men schen informieren, was die Gesetze Gottes genau sind und wie man sie gemäss Ort, Zeit und Umständen befolgen kann.
Wenn heute immer mehr Menschen zu erkennen beginnen, wie vorteilhaft die vegetarische Ernährungsweise ist, so erkennen sie damit nichts anderes als das, was die vedischen Schriften schon immer gelehrt haben. Gewaltlose, das heisst fleisch- lose Ernährung ist eines der Gebote Gottes, die der Mensch in seinem eigenen Interesse befolgen sollte. So lautet der Ratschlag der zeitlosen vedischen Schriften, insbesondere der Bhagavad-gitã und des Srimad-Bhãgavatam, die vor fünftausend Jahren vom grössten Weisen Indiens (dem göttlich bevollmächtigten Vyäsadeva) niedergeschrieben wurden, damit dieses unentbehrliche Wissen für die Zukunft (d.h. für uns) schriftlich erhalten blieb.
Diese Schriften bezeichnen das gegenwärtige Zeitalter als Kali-yuga, «Zeitalter von Streit und Heuchelei». Im Verlauf des Kali-yuga vermindern sich die Reichtümer der Erde aufgrund der sündhaften Tätigkeiten der Menschen immer mehr, so dass die Menschen den ganzen Tag hart arbeiten müssen, nur um einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen zu bekommen. Das sehen wir heute: Die meisten Menschen scheinen für nichts anderes mehr Zeit zu haben als fürs Essen, Schlafen, Arbeiten und Sicherholen von der Arbeit. Kaum jemand findet mehr die Zeit, sich mit den höheren Fragen des Lebens zu beschäftigen; doch dies wäre genau die Aufgabe des Menschen, der ja — im Gegensatz zum Tier — für jede Handlung in seinem Leben verantwortlich ist.
Die Lösung ist also nicht einfach nur Vegetarismus an sich, sondern ein natürli cher, gottesbewusster Lebensstil, der als logische Folge den Vegetarismus mitein schliesst. Dieser Lebensstil wird in der Bhagavad-gitã und im Srimad-Bhãgavatam detailliert beschrieben, und er beinhaltet nicht nur Vegetarismus, sondern auch die Entwicklung des grundlegenden individuellen und kollektiven Bewusstseinswandels, der heute überall gefordert, aber leider nicht einmal von den Forderern selbst vollzogen wird. Dieser Bewusstseinswandel der Menschen, so erklärt die Bhagavad-gitã kann nur dann beständig sein und den heuchlerischen Charakter des Kali-yuga überwinden, wenn er um das gemeinsame Zentrum aller Menschen und aller Lebewesen — Gott — gedeiht.
Wenn der Leser sich angeregt fühlt, selbst zu beginnen, vegetarisch zu leben und die obenerwähnten vedischen Schriften zu lesen, um mehr über diesen empfohle nen Bewusstseinswandel zu erfahren, dann hat die vorliegende Broschüre ihren Zweck erfüllt.

Nachwort:

Vegetarismus und Krsna-Bewusstsein

Wir wollen nicht behaupten, dass Vegetarismus allein alle Weltprobleme lösen könne. Dies wäre zu vereinfachend. Die Vegetarier könnten beschuldigt werden, dass auch sie von der Natur stehlen, da der Mensch im Grunde nichts von Gottes Schöpfung für sich beanspruchen dürfe. Und dazu kommt, dass auch die Vegetarier manchmal töten (nämlich eine Pflanze). Diese Argumente sind in der Tat berechtigt; aber wieviel mehr treffen sie auf die Fleischesser zu!
Zuerst muss klar festgehalten werden, dass für die Beschaffung von Früchten, Nüssen, Getreide und Milch keine Lebewesen getötet werden. Die Kuh und die Bäume leben weiter, und das Getreide wie auch gewisse Gemüsesorten, die nur für eine Saison leben, sind zum Zeitpunkt der Ernte bereits tot.
Dennoch ist die vegetarische Ernährung nicht gänzlich von Karma-Reaktionen frei. Im besten Fall ist sie Karma-neutral. Aber das Ziel des menschlichen Handelns sollte es sein, sich von Karma-Reaktionen zu befreien. Wie man das tun kann, offenbart Krsna (Gott) in der Bhagavad-gitã «Wer Mir mit Liebe und Hingabe dient, wird nicht von Karma-Reaktionen gebunden.» (Bg. 4.41)
Dieses Prinzip kann in jedem Lebensbereich angewandt werden, auch in bezug auf das Essen. Da uns Gott durch Seine Schöpfung die Nahrung zur Verfügung stellt, sollten wir alles, was wir essen, zuerst dem Schöpfer mit Liebe und Hingabe darbringen. Aber Gott nimmt vom Menschen kein Fleisch, keine Fische und keine Eier an, sondern nur blut- und gewaltfreie, reine Speisen: «Wenn Mir [Krsna] jemand mit Liebe und Hingabe ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder etwas Wasser opfert, werde Ich es annehmen. Alles, was du tust, alles, was du isst, alles, was du opferst oder fortgibst, sowie alle Entsagung, die du dir auferlegst, solltest du mir als Opfer darbringen. (Bg 9.26-2)