8.1 Errichtung der Aktiengesellschaft

8.1.1 Motive für die Gründung einer AG

8.1.2 Gründung und Gründungsvorgang

8.1.2.1 Rechtsnatur und Stadien des Gründungsvorhanges

Vorgespräche über eine allfällige Gründung einer AG sind unverbindlich. Die Gründung erfolgt in zwei Phasen:

Der Gründungsvertrag ist ein Vertrag sui generis, er wird auch als Organisationsvertrag bezeichnet.

8.1.2.2 Rechtsnatur der in Gründung befindlichen Gesellschaft

Das Gesellschaftsvermögen haftet erst mit der Entstehung, also dem Eintrag der AG im Handelsregister. Grundsätzlich gilt die AG vor Entstehung als einfache Gesellschaft (Art. 530 Abs. 1 OR). Dies hat insbesondere zur Folge, dass die Gesellschafter solidarisch haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Art. 645 OR beinhaltet eine entsprechende spezialgesetzliche Regelung. Nach Art. 645 Abs. 2 OR werden die Handelnden von den Verpflichtungen befreit, wenn diese im Namen der zu bildenden Gesellschaft eingegangen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister von der Gesellschaft übernommen wurden, und es haftet in der Folge nur die Gesellschaft.

8.1.2.3 Gründungsvorgang im Einzelnen: einfache Gründung

8.1.2.3.1 Hauptelemente

Diese wird auch als Bargründung bezeichnet, weil die Erfüllung der Einlageverpflichtung in Bargeld erfolgt.

Vier Hauptelemente (Art. 629 OR):

Es erfolgt eine zweifache behördliche Kontrolle einerseits durch die notarielle Beurkundung, andererseits durch das Handelsregisteramt.

8.1.2.3.2 Zahl und Person der Gründer/-innen

Für die Gründung der AG sind nach Art. 625 Abs. 1 OR mindestens drei Gesellschafter nötig. Gemäss Art. 625 Abs. 2 OR kann die Aktionärszahl unter drei sinken, jedoch können diesfalls die Aktionäre oder die Gläubiger klagen auf Auflösung.

Möglich ist folglich auch die Einpersonen-AG. Die Haftungsbeschränkung ist auch bei dieser gegeben, jedoch besteht bei rechtsmissbräuchlicher Verwendung der AG eine Durchgriffsmöglichkeit.

Mögliche Gründer der AG sind neben natürlichen und juristischen Personen auch Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Bezüglich dem OR ist die Nationalität der Gesellschafter irrelevant.

8.1.2.3.3 Statutenfestlegung

Die Gründer entwerfen die Statuten und genehmigen diese einstimmig. Für den Statuteninhalt wird unterschieden zwischen absolut notwendigem, bedingt notwendigem und fakultativem Inhalt.

8.1.2.3.3.1 Absolut zwingender Statuteninhalt

Was zwingend in den Statuten geregelt werden muss ist in Art. 626 OR abschliessend (bis auf zusätzliches in der Wirtschaftsgesetzgebung) aufgezählt. Es dürfen bezüglich dieses geforderten Inhalts keine Verweisungen vorgenommen werden, sondern die Regelung muss materiell in den Statuten erfolgen. Gemäss Art. 940 Abs. 2 OR hat dies die Handelsregisterbehörde zu überprüfen. Zwingend zu regelnde Punkte:

Bei den Namenaktien besteht eine Kontrollmöglichkeit der Gesellschaft über die berechtigten Aktionäre, denn um die Mitwirkungsrechte ausüben zu können, muss der Inhaber in das Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen werden.

Heute besteht eine Tendenz zur Einheitsaktie, d.h. die Gesellschaften geben häufig nur noch eine Form von Aktien aus.

8.1.2.3.3.2 Bedingt notwendiger Statuteninhalt

Solche Regelungen sind nur erforderlich wenn sie eine Abweichung vom dispositiven Aktienrecht des OR darstellen. Solche Abweichungen sind durch die Handelsregisterbehörde zu überprüfen. Für welche Fragen eine Eintragungspflicht besteht bei Abweichung von der gesetzlichen Regelung sagt Art. 627 und 628 OR. Die Eintragung ist Verbindlichkeitserfordernis. Ist in den Statuten nichts eingetragen, so gilt in jedem Fall das dispositive Gesetzesrecht.

8.1.2.3.4 Übernahme und Liberierung des AK

Damit die AG nicht nur eine lehre Hülse ohne Vermögen ist, sind Mechanismen nötig, die sicherstellen, dass das AK effektiv eingezahlt und nicht nur gezeichnet wird. Im Gesetz sind deshalb zwingend vorausgesetzt eine Mindestliberierung und die vollständige Zeichnung:

Gemäss Art 632 Abs. 1 OR sind mindestens 20 % der Nennwertes zu liberieren (einzuzahlen), in jedem Fall aber mindestens 50000 Franken (Art. 632 Abs. 2 OR). Es ist dies eine Voraussetzung der Errichtung der AG.

Die Einzahlung erfolgt auf eine Bank, die unter Bankenaufsicht stehen muss (Art. 633 Abs. 1 OR). Diese Bank als Depositenstelle bescheinigt, dass die erforderlichen Beträge tatsächlich eingezahlt wurden. Nach dem Handelsregistereintrag erfolgt die Freigabe des eingezahlten Geldes (Art. 633 Abs. 2 OR). In der Regel wird in den Statuten die Volllieberierung vorgesehen.

Für den Ausgabepreis der Aktie gilt, dass dieser höher als der Nennwert sein kann, jedoch nicht tiefer (Art. 624 Abs. 1 OR). Regelmässig ist er am Anfang gleich (Ausgabe zu pari). Erfolgt eine Ausgabe über pari, d.h. der Ausgabepreis ist höher als der Nennwert, so führt dies zu einem Mehrerlös. Dieser wird als AGIO bezeichnet. Das AGIO ist den gesetzlichen Reserven zuzuweisen (Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR).

8.1.2.3.5 Gründungsakt

Die Feststellung der erfüllten Voraussetzungen wird öffentlich beurkundet. Was Inhalt der öffentlichen Urkunde sein muss, regelt Art. 629 OR. Alle Gründungsmitglieder und der beurkundende Notar haben diese zu unterzeichnen.

8.1.2.3.6 Anmeldung und Handelsregistereintrag

Die Anmeldung hat im Registerkreis des statutarischen Sitzes zu erfolgen. Sie muss mit beglaubigten Unterschriften oder persönlich beim Handelsregisteramt erfolgen (Art. 640 Abs. 2 OR). Beizulegende Dokumente sind nach Art 640 Abs. 3 / 4 OR unter anderem die Statuten und der Errichtungsakt.

Die Handelsregisterbehörde prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 940 Abs. 1 OR), ob der zwingend zu regelnde Statuteninhalt enthalten ist und ob keine zwingenden Vorschriften verletzt werden (Art. 940 Abs. 2 OR).

Zur Kognitionsbefugnis der Handelsregisterbehörde:

8.1.2.3.7 Drehbuch für die Gründung einer AG
  1. interne Rahmendaten der Gründer, Einigung und Finanzierungsfragen
  2. Entwurf der Statuten
  3. Vorabbegrüssung des Notars und Formulierung der Gründungsurkunde
  4. Annahmeerklärung der Kontrollstelle
  5. Begrüssung etwaiger Aufsichtsbehörden (namentlich bei einer Bank die Bankenaufsicht), Ersuchen um eventuell erforderliche Spezialbewilligungen
  6. Einreichung der Unterlagen zur Vorprüfung (Eidg. Amt für Handelsregister in Bern)
  7. Vollmacht für den Gründungsakt
  8. Einzahlung des AK auf die Depositenstelle
  9. Gründung selbst, Unterlagen an die Notariatsperson
  10. definitive Eintragung im Handelsregister
  11. Ausgabe der Aktien
  12. Aufnahme der Geschäftstätigkeit

8.1.2.4 Qualifizierte Gründung im Einzelnen

8.1.2.4.1 Begriff

Bei der qualifizierten Gründung geht es um besondere Tatbestände, insbesondere solche bei denen die Liberierung nicht aus Bargeld besteht.

8.1.2.4.2 Sacheinlagegründung

Man spricht von Apportgründung, wenn die Liberierung ganz oder teilweise nicht aus Bargeld besteht. Art. 628 Abs. 1 OR lässt die Sacheinlagegründung grundsätzlich zu und regelt die Vorgehensweise. Jedes bilanzierungswürdige Vermögensobjekt kann eingebracht werden (Mobilien, Immobilien, Patente). Nicht einlagefähig sind: Arbeitsleistung, persönliches Wissen, künftige Rechte (Anwartschaften). Einlagefähigkeit besteht nur wo es sich um einen realistischen Vermögenswert handelt. Bsp.: Die Gründung von Novartis ist eine Sacheinlagegründung.

8.1.2.4.3 Sachübernahmegründung

Geregelt in Art. 628 Abs. 2 OR. Es geht um den Erwerb von Vermögenswerten, der vor dem Handelsregistereintrag abgemacht wird. Gegenüber dem Verkäufer wird die AG Schuldnerin. Dies stellt eine Belastung des AK dar, da eine Verpflichtung zum Erwerb besteht. Es erfolgt eine effektive Bargründung, doch faktisch handelt es sich um eine Sacheinlagegründung, da dieser Sacherwerb die gleiche Wirkung hat wie die Einlage einer Sache. Überbringer der Sache können auch echte Drittpersonen sein.

Die Schwächung des Haftungssubstrates darf nur unter qualifizierten Voraussetzungen erfolgen. Kriterien sind:

Durch eine Sachübernahmegründung können die gleichen Sachen eingebracht werden wie bei der Sacheinlagegründung.

8.1.2.4.4 Gewährung besonderer Vorteile für die Gründer

Es handelt sich hierbei um ein Abrücken vom Prinzip der Gleichbehandlung. Möglicher Grund einer solchen Bevorzugung können besondere Dienste für die Gesellschaft sein.

Besondere Vorteile können sein:

Solche Sondervorteile sind zulässig, jedoch besteht eine Pflicht zur qualifizierten Offenlegung (Art. 628 Abs. 3 OR).

8.1.2.4.5 Sondervorschriften für die qualifizierte Gründung

Bei der Einlage von Sachen besteht die Gefahr, dass diese Sachen überbewertet werden. Die Folge wäre ein zu hoher Buchwert gegenüber dem Realwert. Deshalb besteht das Transparenzprinzip für entsprechende Einlagen (Offenlegungspflicht). Es bestehen folgende Sicherheitsbestimmungen:

8.1.3 Mängel anlässlich der Gründungsvorhanges

8.1.3.1 Rechtsfolgen von Gründungsmängeln

Werden die Mängel entdeckt, so verfügt die Handelsregisterbehörde, dass die Gesellschaft nicht eingetragen werden kann.

Falls die Mängel nicht entdeckt werden, so gilt der Grundsatz der Heilungswirkung des Handelsregistereintrags (Art. 643 Abs. 2 OR). Der Grundsatz bewirkt, dass die Persönlichkeit erworben wird, auch wenn die Voraussetzungen tatsächlich nicht gegeben sind. Es besteht aber eine Klagemöglichkeit der Gläubiger oder der Aktionäre bei einem qualifizierten Gesetzesverstoss (Art. 643 Abs. 3 OR). Für die Klage besteht nach Art. 643 Abs. 4 OR eine Verwirkungsfrist von 3 Monaten.

Möglich ist, dass die Gesellschaft nichtig ist. Es sind dies die Fälle der Widerrechtlichkeit und der Sittenwidrigkeit (Art. 52 Abs. 3 ZGB).

8.1.3.2 Haftung aus fehlerhafter Gründung

Die Gründer haften grundsätzlich nach der Haftungsregelung der einfachen Gesellschaft. Zusätzlich gelten Art. 752 und 753 OR. Danach haften nicht nur die Aktionäre, sondern alle Personen, die bei der Gründung mitwirken (Notare, Treuhänder u.s.w.). Verschulden (inkl. Fahrlässigkeit) ist Voraussetzung. Ausnahme bildet Art. 753 Ziff. 3 OR, wo Wissentlichkeit gefordert ist.