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10 Themen aus der Landwirtschaft, publiziert in Die Grüne 1998

Schwarze Kühe geben weisse Milch

In Uganda verdient ein Bauer mit zwei Milchkühen soviel wie ein Beamter. Bei zehn Litern Tagesleistung erzielt der Landwirt einen Monatsgewinn von rund 300 Franken. Durch den Milchverkauf findet seine Familie erst mal ein Auskommen. Doch die Realität sieht meist anders aus. Afrikanische Kühe geben einen bis zwei Liter Milch und auch das nicht das ganze Jahr. Rinder werden in Afrika zumeist als Statusobjekt gehalten: je grösser die Herde, um so angesehener ihr Besitzer. Dabei spielt die Qualität der Tiere eine geringere Rolle, viel wichtiger sind Farbmusterung und Hornkrümmung. Dies trifft vor allem auf die Viehhalter Ostafrikas zu. Natürlich finden sich auch Viehzüchter, die ihre Herde professionell betreuen. In Südafrika und Simbabwe zum Beispiel werden die Rinder durch stete Zuchtmassnahmen verbessert, um Milch und Fleischleistung zu erhöhen. Äthiopien ist mit 30 Millionen Rindern das viehreichste Land Afrikas, gefolgt von Sudan und Nigeria.  Dort jedoch begnügt sich der traditionelle Viehhalter mit dem Anblick seiner Tiere. Die Milch wird selbst konsumiert, denn der Verkauf ist nicht einfach. Meist gibt es keine Kühlhäuser, oft auch nur zwei oder drei Molkereien im Land. In vielen Regionen will auch niemand Milch kaufen. Denn für einzelne Volksgruppen bestehen althergebrachte Verbote, Milch zu trinken. Trotzdem nehmen Rinder in der afrikanischen Welt immer eine Sonderstellung ein. Zahlreiche Sprichwörter und Volksweisheiten beschäftigen sich mit dem Rindvieh. So etwa die Weisheit: Auch eine schwarze Kuh gibt weisse Milch.

 

Land und doch keins

Das Problem des afrikanischen Bauern ist nicht Land, sondern Landbesitz. Gesamtafrika ist mit 30,3 Mio. Quadratkilometern 733 mal grösser als die Schweiz und hat genügend Agrarfläche für eine angepasste Landwirtschaft. Zwar gibt es Regionen, die infolge Trockenheit und Bodenbeschaffung keinerlei landwirtschaftliche Aktivitäten erlauben - nomadischen Viehhaltern aber durchaus einen Lebensraum bieten. Trotzdem existiert kein einziger afrikanischer Staat, der sich nicht aus eigener Kraft ernähren könnte. Naturkatastrophen verursachen zwar Einbrüche, ebenso wie Kriege und Konflikte. Viel hemmender ist jedoch die Frage des Grundstückbesitzes. Nur in den wenigsten der 53 Staaten Afrikas ist der Landbesitz durch Vermessung und Grundbuch klar geregelt. Trotzdem gehört das Land nicht einfach allen. Im weitaus grössten Teil des Kontinents bestehen traditionelle Landrechte, die als ungeschriebenes Gesetz gelten. Infolge von Überbevölkerung und Konflikten sind Millionen von Menschen in andere Gebiete geflohen. Diese Neusiedler werden von der ansässigen Bevölkerung zwar meist geduldet, doch Anrecht auf Landbesitz gibt ihnen auch jahrelange Präsenz nicht. Oft liegt Land auch einfach aufgrund von Erbstreit brach. Vielleicht sind Mitglieder der Familie in die nächste Stadt gezogen, um dort ihr Glück zu suchen. Ihr Landrecht wollen sie aber nicht aufgeben, weil Landbesitz ihren Bezug zur Heimat darstellt. Andererseits wollen sie nicht, dass jemand das Land bewirtschaftet, weil dies dann doch einen Anspruch darauf geben könnte. Weil Land nicht besteuert wird, liegt kein ökonomischer Druck vor. So sind über 10% bestes Ackerland in der Umgebung der Hauptstadt Madagaskars unbebaut. Derweil bittet die Insel im Indischen Ozean immer wieder um Nahrungsmittelhilfe.

 

Muskelkraft statt Maschinen

Weltweit gibt es 25 Millionen Traktoren, Mähdrescher und Melkmaschinen. Trotz der grossen Landmasse finden sich nur wenige dieser Geräte in Afrika. Wohl existieren Grossfarmen und Plantagen mit mechanisierter Landwirtschaft. Diese kostenintensiven Betriebe haben sich dabei zumeist auf den exportorientierten Anbau von Monokulturen wie Baumwolle oder Mais spezialisiert. Der normale Landwirt in Afrika, sofern diese Generalisierung erlaubt ist, ist nicht in der Lage, eine Maschine selbst zu finanzieren, Bankkredite erhält er nicht. Zudem stellt sich die Frage der Ersatzteile, der Wartung, des Treibstoffs und des Stroms. Diese unerreichbaren Güter sind für den Bauern oft auch unnütz. Denn der traditionelle afrikanische Bauer ist Kleinbauer: er bewirtschaftet seine Felder mit einer Hacke oder nutzt die Muskelkraft von Ochsen, Kamelen oder Eseln. Zur Minderung des Risikos baut er mehrere Produkte an, um unabhängiger von Wetterlage, Buschfeuer und Schädlingen zu sein. Geerntet wird mit einer Sichel, gedrescht von Hand. Alle helfen mit: Frauen und Kinder eingeschlossen. Produziert wird in erster Linie für sich selbst. Sozialistisch orientierte Staaten wie ehemals Tansania und zahlreiche Entwicklungshilfeprojekte haben zwar versucht, Genossenschaften zu gründen mit dem Ziel, Maschinen zur Gemeinschaftsnutzung bereitzustellen und die Bauern für eine marktorientierte Mehrproduktion zu gewinnen. In der Mehrheit scheiterte diese Idee an Managementproblemen und Finanzaspekten. Aber auch, weil der Bauer alle seine Produktionsmittel selber kontrollieren will. Dank dieser selbstgenügsamen Produktionsweise verbraucht eine Bauernfamilie fast keine von aussen kommende Energie. Der Energieverbrauch Afrikas ist zehnmal kleiner als jener in Europa, wobei in Afrika die Städte fast alle Energie konsumieren - und nicht die rurale Bevölkerung.

 

Hühner als Kleingeld

Es gibt doppelt so viele Hühner auf der Welt wie Menschen. Seit Jahrtausenden gehört das Federvieh zum Begleiter der ruralen Bevölkerung. So auch in Afrika. Fast jede Bauernfamilie hat ein paar Hühner ums Haus, denn sie ertragen eine ziemliche Spannbreite an klimatischen Einflüssen. Zwar gibt es keine Rassenzüchtungen und keine Schönheitswettbewerbe, doch Hühner legen Eier und sind essbar. Zudem sind sie das Kleingeld des Bauern. Wer auf den Markt geht, nimmt ein paar Hühner mit, um sie einzutauschen gegen Seife, Lampenöl oder Medikamente. Wer einen Besuch abstattet, bringt ein Huhn als Gastgeschenk mit. Wie das Sprichwort sagt: Mensch und Huhn treten durch die gleiche Tür ein. Hühner sind auch die idealen Opfertiere. In ganz Afrika werden auf Opfersteinen Hühner getötet, um die Ahnen um Regen, Glück und Sicherheit anzuflehen. Manchmal sind Hähne auch Spielattraktion: Hahnenkämpfe sind auf Mauritius und in Madagaskar ein beliebter Freizeitsport - fast  ausschliesslich der Männer. Wohl finden sich im Umkreis der Städte kommerzielle Farmen, in denen - oft in engster Käfighaltung - Massenhühner Eier legen und Hähnchen aufgezogen werden. Daneben aber existieren die normalen Landhühner,  die jedoch keinesfalls die mitteleuropäische Legeleistung von 277 Eiern erreichen. Diese Feilandhühner werden kaum zugefüttert. Eine Veterinärkontrolle gibt es nur selten. Daher raffen immer wieder Seuchen den Bestand eines ganzen Dorfes dahin. Meist kümmern sich die Frauen um das Federvieh, wie auch Schafe und Ziegen eine Angelegenheit der Frauen sind, während die Rinder immer zur Männerdomäne gehören. Fleisch zählt bei einer Bauernfamilie bei weitem nicht zur täglichen Nahrung. Somit wird auch ein sehniges Huhn an einer Kokossauce zum Festmahl in Afrika. Gegessen wird alles: Hühnerfüsse an einer scharfen Erdnusssauce kratzen den Gaumen  - genauso wie das Hühner tun.

Transport ohne Strassen

Die Jahre sind wohl erst mal vorüber, als man von einer Transafricaine träumte: einer Strasse, die Afrikas Nationen verbindet. Und die mit ihren netzartigen Zubringern das Hinterland erschliesst. Daher ist Afrika in weiten Gebieten noch immer schwer zugänglich. Auch der Landwirt in seinem Dorf ist mit diesem Problem konfrontiert. Denn er schafft es nicht, seine Überproduktion, sofern er welche hat, auf einen lukrativen Markt zu bringen. Dass es Eselskarren gibt wie in Namibia oder rustikale Ochsengespanne wie in Madagaskar ist eine Ausnahme. Doch diese Gefährte haben nur eine geringe Reichweite und wenig Ladekapazität. Davon profitieren Händler, die zur Erntezeit mit ihren Allradfahrzeugen in die unwegsamen Regionen vorstossen und die Produkte zu billigen Preisen aufkaufen. Es sind sie, die keine guten Strassen wollen. Den Preis für die ungenügende Infrastruktur bezahlen die Produzenten. So verrotten jedes Jahr Tausende von Tonnen Leetchis an der Ostküste Madagaskars. Leetchis, die im Dezember in der Schweiz für bis zu 20 Franken pro Kilo verkauft werden. Der madagassische Produzent erhält übrigens nur 30 Rappen dafür. Zudem verkaufen viele Bauern ihre Produkte zur Erntezeit, um wenigstens einmal im Jahr etwas Bargeld zu haben. Ein Aufbewahren der Ernte und ein Abstossen je nach Marktlage ist weithin unbekannt. Dies gilt seltsamerweise sogar für gut haltbare Produkte wie Maniok und Mais. Gespeichert wird nur der eigene Vorrat und manchmal nicht genug davon. So kommt es, dass in Madagaskar sogar die Reisbauern regelmässig hungern, nämlich dann, wenn die alte Ernte aufgebraucht und der neue Reis noch nicht reif ist. In ihrer Not kaufen sie einen Teil ‘ihrer’ Ernte wieder teuer vom Händler zurück - und verschulden sich dabei immer mehr.

Ländliche Unsicherheit

Die Kriminalität in Grossstädten wie Lagos ist berüchtigt. Doch auch in ländlichen Regionen Afrikas herrschte und herrscht nicht immer eitel Friede. So gut wie jedes Dorf verfügt über ein traditionelles Sicherheitsdispositiv: Stolperschwellen, Umzäunungen, Dornenwall. Obwohl eine aggressive Kriminalität auf dem Land eher selten ist, kommen Diebstähle, so sagen die Alten im Dorf, immer häufiger vor. Zu fest sind traditionelle Gefüge zerbröckelt. Zu stark ist der Wunsch, schnellen Reichtum zu ergattern. Diebstahl ist jedoch nicht immer Diebstahl. Denn es gibt vielerorts die jahrhundertealte Tradition des Stehlens von Rindern: ein feindlicher Clan fällt ins Dorf ein, treibt das Vieh weg und gliedert es in die eigene Herde ein. Jahre später passiert ihm dasselbe. Früher waren diese Raubzüge eher sportlicher Natur und galten als Mutprobe für junge Burschen. Mit dem Einzug von automatischen Waffen hat sich die Lage dramatisch geändert. Nun gibt es regelmässig Tote und die gestohlenen Rinder werden verkauft. Denn nun stecken professionelle Banden dahinter. Daher sind viele Regionen, wie etwa Kenyas Norden, unsicher geworden. Ein anderes Phänomen sind Erntediebstähle. Es gilt als sicheres Zeichen von Verelendung, wenn die im Feld stehende Ernte des nachts gestohlen wird. Die ländliche Kriminalität wird oft nicht geahndet, denn die Bauern haben kaum eine Möglichkeit, um Polizei und Gendarmerie zu aktivieren. Nicht selten arbeiten die Ordnungskräfte sogar mit den Banden zusammen. Daher schliessen sich die Dörfer zu Schutztruppen zusammen und nehmen die Justiz selber in die Hand. Dies ist für ein Staatswesen natürlich ungesund, doch nur dadurch haben die Bauern Gewähr, dass Diebe auch wirklich bestraft werden. Denn in vielen Ländern Afrikas ist die Justiz nicht nur träge, sondern auch käuflich.

 


Land und Stadt

Ein Bauer in Senegal lebt natürlich anders als ein Landwirt 5000 Kilometer weiter östlich im Sudan. Und ein Viehzüchter in Botswana hat andere Probleme als ein Viehhalter in Mauretanien. Trotzdem stellt sich für alle das gleiche Problem: die überquellenden Städte saugen das Land aus. Die Städter bilden für die Herrschenden eine potentiell gefährliche Macht. Sie zu besänftigen braucht billiges Brot und ab und zu Spiele. Daher werden die Landwirtschaftsprodukte in vielen afrikanischen Staaten aus politischen Gründen tief gehalten. Dadurch bleibt der Anreiz des Bauern, für den Markt zu produzieren, gering. Aus dem Ausland kommen zudem Lieferungen zu Dumpingpreisen und subventionierte Produkte, die eine landesinterne Produktion unterlaufen. Eine Tonne Reis aus Thailand kostet in der Hauptstadt Madagaskars weniger als die gleiche Menge von der Reiskammer des Landes, die nur 200 Kilometer entfernt ist. Hilfslieferungen, so gut sie gemeint sein mögen und so notwendig sie - manchmal - sind, korrumpieren den Binnenmarkt eines Landes. Denn sehr oft werden die Lieferungen nicht an die bedürftige Bevölkerung verteilt, sondern verkauft. Dadurch konkurrenzieren sie die im Lande gewachsenen Produkte. Die Bauern reagieren darauf überall gleich: sie ziehen sich in die Subsistenz zurück. Sie essen, was sie produzieren und kümmern sich nicht weiter um einen erhöhten Anbau. Dein Magen ist die Grenze deines Reisfeldes, sagt ein Sprichwort. Somit entziehen sie sich jedoch dem Geldkreislauf und der hat inzwischen auch im hintersten Dorf Afrikas an Gewicht gewonnen, denn nicht nur Schulgeld und Medikamente sind zu bezahlen. Aber auch hier resignieren die Bauern vielerorts. Aus verständlichen Gründen. Zahlreiche afrikanische Staaten haben pro tausend Einwohner mehr Soldaten als Ärzte und Schullehrer. Das Militärbudget ist oft weitaus höher als jenes des Landwirtschaftsministeriums.

 


 Eine Banane rollt nicht

Zum Glück gibt es Bananen. Diese Staudenpflanze ist anspruchslos, solange sie genug Sonne und Wasser hat. Und dies findet sie in halb Afrika. Bananensorten gibt es mehr als Staaten in Afrika. Grundsätzlich aber wachsen die roh essbaren Obstbananen und die Mehlbananen, die gekocht oder geröstet werden. Sofern es das Klima zulässt, stehen vor jedem afrikanischen Bauernhaus ein paar Stauden: vier bis zwanzig Meter hohe Gebilde mit Blättern, die im Wind wie Elefantenohren wackeln. Bananen reifen das ganze Jahr über, manchmal zwar saisonal konzentriert. Die Bananenstaude braucht keine Pflege. Sie produziert zwar nur einmal, pflanzt sich jedoch selber durch seitlich wachsende Schösslinge weiter. Der alte Stamm stirbt ab und kann als Viehfutter verwendet werden. Eine Banane stillt durch ihre Kohlehydrate den kleinen Hunger zwischendurch: sie ist in Afrika, was Mars oder Bounty in Europa. Bananen bilden aber oft auch die Hauptmahlzeit: Kochbanane an Ziegenfleisch ist die Nationalspeise auf den Komoren. Bananen werden von der Natur hygienisch verpackt und übertragen so keine Krankheiten. Ein paar westafrikanische Länder exportieren Bananen nach Europa und konkurrieren dabei mit zentralamerikanischen Lieferanten. Diese Bananen stammen aus Grossplantagen. Der afrikanische Kleinbauer kommerzialisiert seine Früchte kaum. Zuweilen wird vielleicht ein Fruchtstand, an dem dutzende von Einzelbananen hängen, zum Markt getragen. Die Bauernfamilie verarbeitet die Früchte auch nicht zu Trockenbananen, um sie zu konservieren oder zu verkaufen.  In vielen Regionen lieben die Männer ihre Pflanzung vor allem, weil sie mit den Bananen Bier brauen. Angetörnt durch den Alkohol mögen sie dann über die Standfestigkeit der Staude philosophieren und gar über die Banane selber. Wie das Sprichwort sagt: eine Banane rollt nicht.

 


Information bringt nicht Innovation

Was der Grossvater tat, tue auch ich, sagen sich die meisten Bauern und Viehhalter in Afrika. Von aussen kommen kaum Impulse. Zeitungen und Zeitschriften als Informationsquellen zirkulieren selten in ruralen Gegenden. Ein Radio ist teuer und die Batterien kosten Geld. Daher gelangen Informationen über landwirtschaftliche Innovationen nur schwer in den bäuerlichen Haushalt. Dabei ist der Kontinent eine Zone des gesprochenen Wortes. Rund tausend Sprachen werden in Afrika gesprochen. Legenden und Lebensweisheiten werden ‘als Erbe des Ohres’ von Generation zu Generation weitergegeben. Über Tagesaktualitäten informiert sich die Bevölkerung vor allem auf den Märkten. Die Zunge hat zwar keine Knochen, aber sie ist trotzdem sehr kräftig, sagt ein Sprichwort. Also zirkulieren Informationen doch und oft sehr rapide dank des ‘radio trottoir’ wie die informelle Gerüchteküche in Westafrika genannt wird. Trotzdem schaffen es Agrotechniker oft nicht, die rurale Bevölkerung von einfachen Verbesserungen in Viehzucht und Anbau zu überzeugen. Ganze Heere von Entwicklungshelfern versuchen mit Demonstrationsflächen, aber auch mit Rollenspielen und Liedtexten, den Bauern Zusammenhänge zu erklären, sie für neue Produkte oder Methoden zu  gewinnen. Oft reine Fehlschläge. Grund für die Vorsicht gegenüber Neuerungen: die Bauern leben oft am Existenzminimum. Sie können es sich gar nicht leisten, sich auf unsichere Experimente einzulassen. Oder sich in Abhängigkeiten zu begeben. Zu oft wurden sie schon betrogen. Der Staat lieferte das Saatgut nicht. Die Genossenschaft ging bankrott. Die neue Pflanze wirft zwar mehr ab, ist aber anfällig auf Krankheiten. Die Bauern verweigern sich auch, weil sie sich nur als Spielball im komplizierten Marktmechanismus sehen. Und das lieben die Bauern nirgendwo.


Frauen tragen viele Lasten

Auch in Afrika ist die Frau das Zentrum der Familie. Wie der Volksmund sagt: die Frau ist der Mittelpfosten des Hauses, der Mann ist das Dach. Grundsätzlich ist die Frau für Essen und Kinder verantwortlich, für Brennholz und Gesundheit. Diese Arbeiten weiten sich jedoch im bäuerlichen Umfeld aus. Die Arbeitsteilung ist zumeist sehr klar geregelt: die Männer bereiten die Felder vor, die Frauen pflanzen und ernten. Dabei arbeiten die Frauen immer in Gruppen: keine Bauersfrau ist allein auf ihrem Acker. Oft kümmern sich die Männer eher um jene Parzellen, die verkaufbare Produkte - zum Beispiel Erdnüsse oder Baumwolle - abwerfen, um den Erlös gleich in Bier umzusetzen. Derweil pflanzen die Frauen das Essen für ihre vielköpfige Familie an. Die Frauen kümmern sich auch um das Federvieh, Ziegen und Schafe, also um jene Tiere, die leichthin geschlachtet werden. Mit den Rindern und Kamelen haben sie kaum etwas zu tun. Diese Tiere haben einen hohen Sozialwert und werden von den Männern betreut. Ohne die langen Arbeitstage der Frauen könnte keine afrikanische Familie überleben. Und doch sind es die Männer, so gut wie überall, die das Sagen haben. Und die das Geld kassieren, sofern Produkte verkauft werden. Doch trotz der Männerdominanz haben Frauen auch Einfluss. Alte Frauen werden grundsätzlich geschätzt. Sie sind es, die alte Traditionen weitergeben. Sie kennen Wind und Wetter und wissen, wann Zeit für Aussaat und Ernte ist. Und sie verfügen oft über ein spezifisches Heilwissen, das der ganzen Familie zugute kommt. Jüngere Frauen müssen Schleichwege wählen, um ihre Ziele zu erreichen. Wie das Sprichwort sagt: Das Feld der Frau erweitert sich nachts. Obwohl die Mehrheit der afrikanischen Frauen zwar im Schatten ihrer Männer wandeln muss, liegt Afrikas Zukunft auf den Schultern der Frauen. Denn sie sind tüchtiger.

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Die Grüne 1998