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Von
Städten: B., Malawi, 350 000 Einwohner Blantyre Sanft
streicht der Wind von den Gipfeln des Göttersitzes. In Felsenhöhlen
ruhen seit tausend Jahren Antilopen, Elefanten und Kudu, als Zeichnungen
der Buschleute. Dann kam jener, der heute als Bronzestatue den weissen
Dunst der Engelsfälle überblickt. In der schattigen Kuhle blieb der
rastlose Missionar nur kurz. Trotzdem wurde die Siedlung nach seinem
Geburtsort im fernen Schottland benannt. Die Briten behielten den Namen
bei und auch der schwarze Gentleman aus Malawis Gärten änderte ihn
nicht. Blantyre wuchs zu einem Zentrum mit Banken, Handelsvertretungen
und einer Eisenbahn. Die Stadt entwickelte sich auch ohne Hochhäuser
zur wichtigsten im Land - aber sie wurde nie Hauptstadt. Über Blantyre
schwebt noch immer eine britische Aura: die adretten Schuluniformen der
Kinder, die roten Backsteinhäuser, die Kirche des Sankt Michael. Ende
Nachmittag leeren sich die grünen Cricket-Rasen, abends schliessen die
wenigen Pubs wie in Britannien. Im warmen Herzen Afrikas sind die
Bibliotheken voll mit Shakespeare und Byron. Es gibt mehr Schulen als
Polizeiposten, in jedem Park steht eine Kirche für die
unterschiedlichsten Gottheiten. Doch die moderne Zeit krallt auch im
abgelegenen Nyassaland ihre Finger in das Tuch der Stadt. Schreiende
Tankstellen und Lagerhallen als Supermärkte mit viel Leuchtfarben und
Glitzerzeug. Dahinter jedoch Afrika. Vor allem in der Zwillingsstadt
Limbe und ihrem Markt voll Menschen und Gerüche: Trockenfisch aus dem
Malawisee, Milchpulver aus Spenden für die Flüchtlinge aus Moçambique,
gedörrte Käfer und aufgespiesste Larven. Über glimmendem Holz röstet
Mais zu Kuchen. Limbe ist die afrikanische Spiegelseele zum britischen
Blantyre. Geschwatze und Gefeilsche, bare Füsse auf rotem Laterit,
tanzende Tücher über Hüften. Während im Spiegel in Grabesstille,
Raum zu Distanz sich verformt. |
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Franz Stadelmann |
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Publiziert in Neue Zürcher Zeitung 01. 03. 1997 |
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