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Die
Coiffeuse von Dondo Ich
stand an der Polizeikontrolle westlich von Dondo, und das schon lange,
obwohl ich nicht der erste war. Etwa fünfzig Lastwagen waren hier, ein
langer Wurm aus Tankwagen, Frachtwagen, Anhängerzügen und
Kleinlastwagen. Aber ich hatte sie alle überholt. Doch die Polizei liess
auch mich nicht durch. Auf der Asphaltstrasse standen zwei leere Fässer
und darüber lag ein dürrer Ast. Strassensperre
in Mozambique. Der
Grund war klar: weiter vorne senkte sich die Strasse hinab in braunes
Wasser und tauchte in Sichtweite nicht mehr auf. Das Hochwasser des Pungue
Rivers hatte die Fernverkehrsstrasse unterbrochen. Damit war die
Hafenstadt Beira abgeschlossen. Dort war ich an diesem Vormittag gewesen
und wollte zurück auf das Hochland von Chimoio. Ich versuchte mit den
Polizisten zu verhandeln, aber das hatten andere vor mir auch schon
vergebens versucht. So wartete ich direkt vor den alten Ölfässern,
Stunde um Stunde. Einen Umweg, um den Kontrollposten zu umfahren, gab es
nicht, ich hatte ein paar Jungs auf Erkundungsmission geschickt. Also fuhr
ich am späten Nachmittag zurück nach Dondo, um zu telefonieren. Auf dem
Hauptplatz des Kleinstädtchens gab es ein öffentliches Telefon, das aber
nicht funktionierte. Ich fragte ein Mädchen, das gerade meinen Weg
kreuzte, nach einer Telefonmöglichkeit. Da hinten, meinte sie. Die Leute
in Afrika können ja nie einen Weg erklären. Folglich fragte ich nach und
so meinte sie, sie würde mir den Ort zeigen. Sara
hat einen Coiffeurladen und kommt eben von der Arbeit zurück. Nach meinem
Telefongespräch schlage ich vor, sie könne doch meine Haare schneiden.
In Beira gebe es einen besseren Salon, antwortet sie. Ich entgegne, dass
dies eine schlechte Verkaufstaktik sei. Sie solle doch besser sagen, ihr
Salon sei der beste am Ort. Er sei der einzige, meint sie. Um so besser.
Ich wollte schon immer in den konkurrenzlosesten Salon von Dombe. So gehen
wir zurück und betreten einen dunklen Hauseingang, die erste Tür links
ist offen: der Salon. Zwei Mädels sind dort, das eine macht an den Haaren
des anderen herum. Ich setze mich auf einen Rohrstuhl, der sich unter
meinem Fliegengewicht windet wie eine getretene Schlange. An den Wänden hängen
verblichene Ausschnitte aus Modezeitschriften zur Inspiration für neue
Frisuren. Vier, fünf Dosen und Flaschen mit Haarmittel und Spray stehen
auf einem Holztischchen. Es sei nun schon dunkel und sie habe keinen
Strom, entschuldigt sie sich. Sie zündet eine Kerze an und dann greift
sie mit ihrer Schere herzhaft zu. Ihr
Grossvater war Grieche und ihre Mutter hat indische Vorfahren. Sich selbst
bezeichnet sie als Mulattin und das ist mit keinen Negativassoziationen
behaftet. Wie ich sie so im milchigen Spiegel betrachte, muss ich zugebe,
dass sie ganz hübsch aussieht. Ihr Vater habe ihr letztes Jahr gesagt,
dass das Geld nicht mehr für ihre Schule reiche, sie müsse nun auch
etwas verdienen. Hier im Ort habe es keinen Coiffeursalon gegeben, so habe
diesen Salon eröffnet. Aber sie habe keinen Strom, so könne sie nicht
alle Frisuren machen. Die Frauen müssten sich zum Trocknen der Haare ins
Freie setzen und weil gleich daneben eine Tankstelle sei, würde das doch
stören. Nebenan sei eine Bar, dort könnte sie Strom abzapfen, doch die
Kabel und Arbeit würden 300'000 kosten, das ist der Gegenwert von 15
Bier. Sie sei 18 Jahre alt und wohne bei ihrer Tante. Beira sei eine schöne
Stadt mit vielen Sachen, aber sie gehe nur selten dorthin, weil sie kein
Geld habe. Noch lieber würde sie nach Zimbabwe reisen, um Produkte
einzukaufen, die dort billig seien, aber auch dazu habe sie kein Geld. Ob
es denn viele Kunden gebe? Zehn, fünfzehn, sagt sie. Pro Tag? Pro Woche,
antwortet sie. Die Leute würden sich ihre Haare von Familienangehörigen
schneiden lassen und es gebe auch ein paar Männer, die unter Bäumen ein
fliegendes Haargeschäft betreiben. Dann
hält sie einen Handspiegel hinter meinen Kopf und zeigt mir ihre Arbeit.
Beurteilen kann ich das nicht, auch wegen der Lichtverhältnisse. Aber
viel falsch machen kann man ja nicht bei meiner Haarmode. Die beiden Mädchen
sind in der Dunkelheit verschwunden. Nebenan unterhalten sich Männer im
Ton des fortgeschrittenen Biers. Die Kerze wirft einen schwachen
Lichtkegel in den trüben Spiegel, in dem ich Sara mehr umrisshaft als
real sehe. Sie selber träume davon, eines Tages Chefin eines richtigen
Geschäfts zu sein oder eines Restaurants. Jetzt aber gehe sie vormittags
noch immer in die Schule, sie wolle die zehnte Klasse schaffen. Vielleicht
finde sie dann einen Job, um zu lernen, wie man arbeite. Dann glaube sie
nicht an die Zukunft ihres Ladens, unterbreche ich sie. Sie lacht, weisse
harmonische Zähne hinter weichen Lippen. Ich weiss nicht, mein Leben ist
nicht sehr auf die ferne Zukunft ausgerichtet. Dann nimmt sie den Umhang
von meinen Schultern und schüttelt ihn aus, dabei geht die Kerze aus. |
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Franz Stadelmann |
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Publiziert in Surseer Woche 30. August 2001 |
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