.

 

Geld in allen Farben

Vor vielen Jahren las ich einen seltsamen Roman: ein Amerikaner wurde von seiner Firma nach Afrika geschickt, um Versicherungen zu verkaufen. Natürlich scheiterte er. Und trotzdem gibt es Versicherungsgesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent. Auch in Madagaskar: drei Firmen, alle mehrheitlich in Staatsbesitz. Autos müssen versichert sein, ebenso Büros und es gibt auch Privatversicherungen. Doch wenn mal was passiert, dann verhält sich auch eine afrikanische Versicherung wie wohl alle anderen dieser Welt. Es muss ein Dossier her: Unterlagen, Begründungen und Erklärungen. Und das ist nie ganz einfach in solchen Ländern. Da kam letzthin jemand zu mir, ein sehr entfernter Bekannter, und bat um Hilfe. Er war in einem überfüllten Taxi Brousse mitgefahren. Dies sind die Sammeltaxis, meist Peugeot 505 mit Planenverdeck. Da passen so an die zwanzig Leute rein und wenn es sein muss, auch mehr. Dazu Gepäck und ein paar Hühner und Enten finden auch noch Platz. In einer Kurve war das Gepäck meines Bekannten heruntergefallen. Es brachte ein Kind zum stolpern, das sich in der Folge einen Arm brach. Der Fahrer hielt an, seltsamerweise, und dann begann die afrikanische Art der Schadensbeurteilung. Mein Bekannter beschuldigte den Fahrer, das Gepäck nicht richtig befestigt zu haben. Dieser klagte seinen Beifahrer an, der eigentlich dafür zuständig sei. Die Eltern des Kindes beschimpften gleich alle Anwesenden und verlangten, das Kind ins Spital zu fahren. Das Kind heulte derweil im Schatten eines Baobabs. Schliesslich wurde das Mädchen ins Spital gebracht, sechs Stunden Fahrzeit. Weil auch die Mutter, der Vater und eine Tante mitfuhren, war das Fahrzeug nun endgültig überladen. Eine Polizeikontrolle verlangte nicht das übliche Trinkgeld, sondern erheblich mehr. Und dies wurde von meinem Bekannten abgepresst. Im Spital versuchte er wegzuschleichen, was ihm aber nicht gelang. Also hatte er auch dort noch eine Vorauszahlung zu leisten. Kurzum: er war bankrott – und er hatte keine Versicherung. Nun war er aber in diese Stadt gefahren, um seinem Sohn das Studiengeld zu übergeben. Der Junior studiert in der Provinzhauptstadt Tulear die überaus zukunftsreiche Richtung der Mikrobiologie. Das heisst, sofern er je sein Studium beenden wird, wird er arbeitslos sein. Mein Bekannter, den ich eigentlich gar nicht kenne, sondern vor einigen Monaten anlässlich einer Brunneneinweihung kennen gelernt hatte, sass also vor mir und erzählte diese Geschichte. Erst dachte ich, es handle sich um einen Versicherungsfall.  Dann neigte ich eher zur Annahme, er wolle Geld. Aber wie oft irrt man sich in Afrika. Dort sind Gespräche wie junge Flüsse, deren Wasser sich den Weg durch eine Felsenebene sucht. Mein Bekannter beklagte weder den Unfall noch das verlorene Geld. Sein Problem war, dass er sich von seiner Frau getrennt hatte und nun seinen Sohn aufnehmen musste, der mangels Geld nicht mehr weiter studieren konnte. Aber seine neue Frau lehnte dies ab. Die Mutter des Studenten war irgendwo im Norden. So genau wusste es mein Bekannter nicht. Kurzum: er schlug vor, dass ich seinem Sohn einen Job verschaffe. Nur war der Sohn noch in Tulear, tausend Kilometer weit weg, also wäre da noch die Reise zu bezahlen. Er könne alles – lernen, sagte sein stolzer Vater. Insbesondere in Mikrobiologie, spezialisiert auf Meereskleingetier, sei er unschlagbar, dies nach zwei Semestern an einer mager ausgestatteten Universität ohne Bücher. Mein Argument, dass ich nicht eigentlich auf diesem Sektor tätig sei, schlug der Vater in den Wind. Schliesslich sei alles Mikrobiologie, sage sein Sohn. Das ist zwar ein unschlagbares Argument, aber ich leitete daraus nicht zwangsläufig ab, dem Sohnemann nun einen Job geben zu müssen. Wir sinnierten noch etwas über die Irrtümer und Irrläufer auf dem Weg durch dieses Leben und da gelang es mir, auch einen wesentlichen Beitrag zu platzieren. Was es war, verschweige ich lieber. Das hingegen nahm den Wind aus unserem Gespräch. Doch mein Bekannter, Jean de la Croix heisst er übrigens, wusste einen Ausweg. Er langte in seine Jacke und zog einen dunkelschimmernden Stein hervor: Turmalin, meinte er verzückt. Und den wollte er mir nun nicht eigentlich verkaufen, weil von so einem Stück man sich nicht trennt. Er wollte ihn mir in Depot geben, gegen die bescheidene Summe eines dreifachen Jahresgehalts. Die perfekte Lösung des Problems, meinte er. Nur hatte ich inzwischen den Faden etwas verloren, denn noch immer meditierte ich über meinen Gesprächsbeitrag. Schliesslich zog Hans vom Kreuz, so sein übersetzter Name, von dannen. Inzwischen glaube ich zu meinen, dass er halt doch einfach nur Geld wollte. Aber wer weiss das schon?

top 

 

Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Surseer Woche 30. Dezember 1999