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Hühner als Kleingeld

Es gibt doppelt so viele Hühner auf der Welt wie Menschen. Seit Jahrtausenden gehört das Federvieh zum Begleiter der ruralen Bevölkerung. So auch in Afrika. Fast jede Bauernfamilie hat ein paar Hühner ums Haus, denn sie ertragen eine ziemliche Spannbreite an klimatischen Einflüssen. Zwar gibt es keine Rassenzüchtungen und keine Schönheitswettbewerbe, doch Hühner legen Eier und sind essbar. Zudem sind sie das Kleingeld des Bauern. Wer auf den Markt geht, nimmt ein paar Hühner mit, um sie einzutauschen gegen Seife, Lampenöl oder Medikamente. Wer einen Besuch abstattet, bringt ein Huhn als Gastgeschenk mit. Wie das Sprichwort sagt: Mensch und Huhn treten durch die gleiche Tür ein. Hühner sind auch die idealen Opfertiere. In ganz Afrika werden auf Opfersteinen Hühner getötet, um die Ahnen um Regen, Glück und Sicherheit anzuflehen. Manchmal sind Hähne auch Spielattraktion: Hahnenkämpfe sind auf Mauritius und in Madagaskar ein beliebter Freizeitsport - fast  ausschliesslich der Männer. Wohl finden sich im Umkreis der Städte kommerzielle Farmen, in denen - oft in engster Käfighaltung - Massenhühner Eier legen und Hähnchen aufgezogen werden. Daneben aber existieren die normalen Landhühner,  die jedoch keinesfalls die mitteleuropäische Legeleistung von 277 Eiern erreichen. Diese Feilandhühner werden kaum zugefüttert. Eine Veterinärkontrolle gibt es nur selten. Daher raffen immer wieder Seuchen den Bestand eines ganzen Dorfes dahin. Meist kümmern sich die Frauen um das Federvieh, wie auch Schafe und Ziegen eine Angelegenheit der Frauen sind, während die Rinder immer zur Männerdomäne gehören. Fleisch zählt bei einer Bauernfamilie bei weitem nicht zur täglichen Nahrung. Somit wird auch ein sehniges Huhn an einer Kokossauce zum Festmahl in Afrika. Gegessen wird alles: Hühnerfüsse an einer scharfen Erdnusssauce kratzen den Gaumen  - genauso wie das Hühner tun.

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Die Grüne 1998