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Khartoum
International Airport Nachts
um halb zwei ist der internationale Flughafen von Khartoum ziemlich
belebt. In der Abflughalle stehen Leute, Männer zumeist, und
verabschieden Familie und Freunde. Wie überall ist man auch hier im Sudan
zu früh zum Flughafen bestellt und ist aus alter Gewohnheit pünktlich.
So sitze ich in einer der pastikgegossenen Sitzwannen von der Farbe eines
schmutzigen orange und warte. Die Diele der 40 auf 40 m grossen Halle ist
mit goldschimmernden Messingplatten bekleidet, eingraviert sind
Rosenmuster. Der Raum ist gekühlt, zwei der fünf Kühlgeräte
funktionieren und stossen Winde gebrauchter Luft durch die Halle. Nutzen
tut es nicht viel, es ist noch immer fast dreissig Grad. Die Männer sind
europäisch gekleidet mit dem Hemd über dem Hosenbund - oder sie tragen
die traditionellen Röcke mit weissem Turban, der alle wie ehrfürchtige
Scheichs aussehen lässt. Die Sudanesen sind ein vielschichtiges Volk. Es
gibt Männer, die durchaus als Südeuropäer durchgehen würden, wie es
auch Leute gibt mit einer Hautfarbe so schwarz wie Vulkangestein. Die
Frauen hingegen sind in Tücher gehüllt und tragen wie überall im
islamischen Sudan ein Kopftuch. An ihren Füssen ist zu erkennen, ob eine
Frau verheiratet ist: ist sie es, dann sind ihre Fusssohlen mit Henna
braunrot gefärbt. Pro
Tag starten rund zehn Flüge, eben ist Jemen eingecheckt worden, die Halle
leert sich deutlich. An der Wand sind zwei grossflächige
Holzschnitzereien angebracht von der Art Kunstwerke, die man nie beachtet.
Es gibt auch hier diese Männer mit den dunklen Sonnenbrillen, die diskret
unauffällig herumstehen. Was genau sie beobachten, bleibt unklar. Hoch
auf der Stirnwand wünscht die Sudan Airlines bon voyage und anderswo
vernehmen wir, dass die Sudan Airways 7000 Jahre Geschichte und Erfahrung
habe. Soviel Eigenlob spiegelt sich im Liniennetz kaum wider. Die
nationale Airline betreibt ein dürftiges Liniennetz innerhalb des Landes,
das immerhin das grösste Afrikas ist. Daher haben sich weitere Airlines
gebildet, die dann auch die heisseren Gebiete anfliegen wie etwa das
kriegsumwobene Juba im Süden. Der Airport von Khartoum liegt quasi in der
Stadt und ist gleichzeitig der Militärflughafen. Von hier starten auch
die Bomber, die ihre Fracht in den umkämpften Süden tragen und abwerfen.
Manchmal sogar auf die eigenen Truppen. Eine
Gruppe frommer Pilger schreitet einher: graue Mantelröcke und lange Bärte,
natürlich nur Männer. Ein einsamer katholischer Priester hütet sein Gepäck
mit müden Augen. Die Namen der Airlines leuchten über den Schaltern:
Yemenia, Egyptair, Sudan Airways, Saudi Arabian Airways, Qatar Airways und
Lufthansa. Die Mädels der Kenya Airlines sitzen zierlich erwartend in hübschen
roten Uniformen hinter den Schaltern. Warum man für Yemenia, Egyptair und
Sudan Airways noch eine zusätzliche Abflugsteuer bezahlen muss, bleibt
unklar. Ob das eine Art Risikobeteiligung ist? Das Büro für die
Airporttaxe ist natürlich nur mit einer Person besetzt, was wieder einen
kleines Gedränge und einen Stau verursacht. Doch der Beamte ist speditiv,
pro Passagier verbraucht er bloss fünf Minuten, was erklärt, warum man
so früh zum Flughafen bestellt wird. Da ist nämlich noch ein Papier
auszufüllen und in Umgehung der Warteschlange drängen sich auch Freunde
vor mit einer Handvoll Tickets, die dann prioritär bearbeitet werden. Der
Taxbeamte hat seine Schulterstücke mit drei goldenen Strichen versehen, hübsch
aus Glanzpapier ausgeschnitten und auf die Achseln geklebt, auch der Knopf
ist aus Karton. Aber die Maquillage wirkt und gibt seiner tarngrünen
Uniform eine gewisse Autorität. Die Quittungen schreibt er alle von Hand. Ein
sehr hochgewachsener Schwarzer in blauem Monteurengewand nimmt sich des
Priesters an, der nicht genau weiss, an welchen Schalter zu gehen ist,
wahrscheinlich ist der Monteur ein christlicher Kriegsflüchtling aus dem
Süden. Ich folge dem Mainstream und so stehe ich hinter dem Priester mit
seiner abgewetzten Ledertasche in einer Schlange, die sich gebildet hat,
weil sich ein rabenschwarzer Mann mit wulstigem blendendweissem Turban
intensiv von einem Schalterbeamten verabschiedet. Der
Passbeamte hat drei richtige metallene Sterne auf der Schulter, dazu einen
echten Messingknopf. Er schlägt den Passstempel dreimal auf das trockene
Kissen wie das archetypische Postbeamte tun, dann fragt er mich, ob ich
aus der Schweiz sei, was ich angesichts des Passes bejahe und er fragt, ob
ich aus Genf sei. Genf ist in arabischen Regionen wohl die bekannteste
Stadt der Schweiz. Danach wird das Handgepäck nochmals kontrolliert und
endlich tritt man in die Zentralhalle mit grünen gegossenen Plastikstühlen,
nebenan ist die südliche Halle - so steht es auf einer Tafel. Dort sind
die Eingänge zu Toiletten und zur Moschee (Männer)
und nebenan zur zweiten Moschee (Frauen). Die beiden Türen stehen
offen, auf Teppichen liegen Leute und schlafen. Neben den Toiletten
verkauft ein Dutyfreeladen trockene Datteln. Die Verkäuferin liegt
halbwegs auf dem Glastresen und verfolgt eine Fernsehsendung, in der
gerade eine Königin einen König heiratet. In der dominanten Zentralhalle
hingegen läuft eine dieser unsäglichen Catchershows mit hochgedrehtem
Ton. In den Sesseln hängen ein paar schlafende Leute, es ist nun halb
vier morgens. Eine Stunde später startet der Flieger. Er wurde
aufgehalten, weil ein Koffer nicht identifiziert worden war. |
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Franz Stadelmann |
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Publiziert in Surseer Woche |
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