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Land und doch keins

Das Problem des afrikanischen Bauern ist nicht Land, sondern Landbesitz. Gesamtafrika ist mit 30,3 Mio. Quadratkilometern 733 mal grösser als die Schweiz und hat genügend Agrarfläche für eine angepasste Landwirtschaft. Zwar gibt es Regionen, die infolge Trockenheit und Bodenbeschaffung keinerlei landwirtschaftliche Aktivitäten erlauben - nomadischen Viehhaltern aber durchaus einen Lebensraum bieten. Trotzdem existiert kein einziger afrikanischer Staat, der sich nicht aus eigener Kraft ernähren könnte. Naturkatastrophen verursachen zwar Einbrüche, ebenso wie Kriege und Konflikte. Viel hemmender ist jedoch die Frage des Grundstückbesitzes. Nur in den wenigsten der 53 Staaten Afrikas ist der Landbesitz durch Vermessung und Grundbuch klar geregelt. Trotzdem gehört das Land nicht einfach allen. Im weitaus grössten Teil des Kontinents bestehen traditionelle Landrechte, die als ungeschriebenes Gesetz gelten. Infolge von Überbevölkerung und Konflikten sind Millionen von Menschen in andere Gebiete geflohen. Diese Neusiedler werden von der ansässigen Bevölkerung zwar meist geduldet, doch Anrecht auf Landbesitz gibt ihnen auch jahrelange Präsenz nicht. Oft liegt Land auch einfach aufgrund von Erbstreit brach. Vielleicht sind Mitglieder der Familie in die nächste Stadt gezogen, um dort ihr Glück zu suchen. Ihr Landrecht wollen sie aber nicht aufgeben, weil Landbesitz ihren Bezug zur Heimat darstellt. Andererseits wollen sie nicht, dass jemand das Land bewirtschaftet, weil dies dann doch einen Anspruch darauf geben könnte. Weil Land nicht besteuert wird, liegt kein ökonomischer Druck vor. So sind über 10% bestes Ackerland in der Umgebung der Hauptstadt Madagaskars unbebaut. Derweil bittet die Insel im Indischen Ozean immer wieder um Nahrungsmittelhilfe.

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Die Grüne 1998