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Land und Stadt

Ein Bauer in Senegal lebt natürlich anders als ein Landwirt 5000 Kilometer weiter östlich im Sudan. Und ein Viehzüchter in Botswana hat andere Probleme als ein Viehhalter in Mauretanien. Trotzdem stellt sich für alle das gleiche Problem: die überquellenden Städte saugen das Land aus. Die Städter bilden für die Herrschenden eine potentiell gefährliche Macht. Sie zu besänftigen braucht billiges Brot und ab und zu Spiele. Daher werden die Landwirtschaftsprodukte in vielen afrikanischen Staaten aus politischen Gründen tief gehalten. Dadurch bleibt der Anreiz des Bauern, für den Markt zu produzieren, gering. Aus dem Ausland kommen zudem Lieferungen zu Dumpingpreisen und subventionierte Produkte, die eine landesinterne Produktion unterlaufen. Eine Tonne Reis aus Thailand kostet in der Hauptstadt Madagaskars weniger als die gleiche Menge von der Reiskammer des Landes, die nur 200 Kilometer entfernt ist. Hilfslieferungen, so gut sie gemeint sein mögen und so notwendig sie - manchmal - sind, korrumpieren den Binnenmarkt eines Landes. Denn sehr oft werden die Lieferungen nicht an die bedürftige Bevölkerung verteilt, sondern verkauft. Dadurch konkurrenzieren sie die im Lande gewachsenen Produkte. Die Bauern reagieren darauf überall gleich: sie ziehen sich in die Subsistenz zurück. Sie essen, was sie produzieren und kümmern sich nicht weiter um einen erhöhten Anbau. Dein Magen ist die Grenze deines Reisfeldes, sagt ein Sprichwort. Somit entziehen sie sich jedoch dem Geldkreislauf und der hat inzwischen auch im hintersten Dorf Afrikas an Gewicht gewonnen, denn nicht nur Schulgeld und Medikamente sind zu bezahlen. Aber auch hier resignieren die Bauern vielerorts. Aus verständlichen Gründen. Zahlreiche afrikanische Staaten haben pro tausend Einwohner mehr Soldaten als Ärzte und Schullehrer. Das Militärbudget ist oft weitaus höher als jenes des Landwirtschaftsministeriums.

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Die Grüne 1998