.

 

McSursee und die legalen Einwanderer  

Kürzlich habe ich meine Insel Madagaskar für ein paar Wochen verlassen und war oft in Sursee. Das ausgesprochen schöne Städtchen hat sich sehr verändert seit meiner Jugend. Auch sprachlich. Und nun ist es sogar eine der 26000 McDonald's Städte dieser globalen Welt. McDonald’s mitsamt McDrive gaben mir den Anstoss, nach englischen Wörtern Ausschau zu halten. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich eine ganze Kolonie englisch-amerikanischer Worte, die sich bei Firmennamen und auf Schaufenstern eingenistet haben.

Ein (verlassener?) Wohnwagen heisst Nadja's food-corner, doch weder Nadja noch ihr food waren in Sicht. Aber man kann ja nebenan ins Hooters gehen. Oder ins Oliver's Pub. Ich weiss nicht, in welchem Sektor die International Trading GmbH und die International floor-marketing  tätig sind. Was im Gymnastikstudio GM street - oder heisst es GYM street - gemacht wird, ist hingegen klar, ebenso welche Freuden im Joy (Bar &  Disco) zu  erleben sind. Dort gibt’s auch ab und zu eine Weekendpowerparty mit Amination, Dancegirls und Powerbeats for everybody. Nicht zu vergessen die Powerdrinks. Übrigens wird in einem Inserat eine Pub-Maid gesucht. Green paradise wirbt mit Agrolight, was auch immer das ist. Zudem bietet Green Paradise eine grosse Auswahl an fun T-shirts.  Der Weg hin zu Goldenway ist simpler Asphalt. Hoch an einer Gebäudefront wirbt Collano adhesives by Design. Natürlich hat die Computerindustrie viele neue Wörter gebracht und die boomenden Informatikfirmen geben sich gern einen englischen Touch. Insbesonders weil im Surental ein Computer-valley entsteht mit einem business area enterprise. Ihr business braucht Profis, meint ein Unternehmen und wirbt für Hardware, Software und Schulung, da hätte man gleich Workshop hinschreiben können. Andere Unternehmen nennen sich brainconnect und basenet. Rund um computing kümmert sich Byte Line. Die quicken Boys der virtual reality haben in Sursee einen ziemlich speedigen Drive drauf.

Auf einem Anhänger wirbt the look, die show agentur für disco und dancing und eine homepage haben die auch. Die Autowash ist eine Waschstrasse, einmal als self-service, ein andermal als selfservice, zwar versehen mit design, aber nicht stilsicher in Sachen Bindestrich. Anderswo gibt's auch einen self autowash. Ach ja und es gibt den elf Shop und den Pneus-Shop, das mit dem s würde ich als Firmeninhaber nochmals überdenken. Mit dem Buchstaben s hat auch das Transportunternehmen Galliker seine Mühe: auf dem gleichen Lastwagen steht seitlich food logistics und auf dem Hinterteil food logistic, was falsch ist und eine schlechte Werbung, sorry publicity, ist. Erfrischend ist in diesem anglo-amerikanischen Sprachengeflecht, wenn in einem ruhigen Quartier ein selbstgemaltes Schild warnt: Achtung Kinder.

Telefonieren kann man jedenfalls mit swisscom und der Teint wird braun im top sun solarium. Den Hunger danach stillt man mit sandwiches aus dem snacks-space (was früher Bäckerei Konditorei hiess und noch fast verschämt so angeschrieben steht.) Natürlich unterliegt die Sprache einem dauernden Wandlungsprozess. Heute wirken französische Wörter wie Pharmacie, Coiffure, Café und Confiserie schon sehr integriert. Die italienischen Worteinwanderer Pizza und Spaghetti sind quasi deutsche Wörter geworden. Auch Shop ist ja ok, denn Shop tönt echt cooler als Verkaufsladen. Der Türke am Bahnhof hat seinen Imbiss snack house genannt und take away ist auch möglich, nur ist Döner Kebab wohl noch nicht eingebürgert. Der Bahnhofkiosk hat auch snacks. Weiter unten an der stationstreet, die immer noch Bahnhofstrasse heisst, findet sich Snacki als trendige Abwandlung davon. Gegenüber verkauft das Musicland jede Menge Keyboards und Drums. Dank einer grossflächigen Schrift weiss man nun auch, dass Bose better sound through research produziert und dies sagt uns das Schaufenster des Händlers für communication and computer und teilt uns auch mit, dass Diax e-motion frischen Wind bringt und Nokia is connecting people. Anderswo vernehmen wir, dass Yamaha the power hat, to satisfy. Im gravo corner gibt's Schilder und Gravuren, gegenüber multimedia by expert Graber. Der Hunde- und Katzen-shop heisst Fridolin, nebenan ist der Hundeshop ohne Bindestrich offen. Der Hundesalon heisst wauwau und das ist wohl ein internationales Wort. Und daraus lernen wir, dass sich die Hunde überall auf der Welt verstehen. 

Im Zentrum für Schönheit und Wohlbefinden findet sich ein beauty-shop. Body nice Kosmetik, wo auch Body-Tatoos zu haben sind und permanent make up. Der Route 66 Trend-Shop liegt etwas verkehrsungünstig, nicht zu vergessen ist das Mode feeling für grosse Grössen. Auch in der adventure factory kauft man poppige Kleider. Anderswo gibt's fashion for you und auch big mack ist für die Hülle des Menschen besorgt. M+M fashion GmbH, daneben boutique red pepper und hairdesign. Ich wollte schon immer wissen, ob der Storch von anita maternity kommt, ein Kleber bei baby-rose bestätigt es. Die Kleiderwäscherei geht mit dry cleaning und Pressing ans Werk.

Wellness ist natürlich ein Thema, wer will nicht schon beauty-fit sein? Fitness-center und Training center gibt’s offenbar mehrere, auch eine Fitness-Connection. Wer aktive Bewegung sucht, findet vielleicht bei Board & Bike das passende. Der ultimative Mensch mäht den Rasen mit einem solar mower. Exotisches findet sich im Cebuana Asia-shop, Geschäftszeiten werden angekündigt mit we're open. Vielleicht ist der tight Store, der Geschenke verkauft und Feng Shui - Artikel, die Lokalkonkurrenz davon. Die Success-Story eines Business liegt im Marketing.

Wer den Spleen hat, unbedingt worken zu wollen, findet bei der Swissjobs oder bei Kelly Services Arbeit. Die gute alte SBB macht die Freizeit per Bahnfahrt mit RailAway schmackhaft. Fastenopfer wirbt für Timeout. The lions ist eine Music Band, die einen top sound macht. HIFI und Video tönen schon fast deutsch. Gegenüber der MMM gibt' kein Gas, sondern Gaz von elf. Um Kopf und Haar kümmert sich das Hair Team Fuchs. Fotos in Topqualität erhält man als duo print zum halben Preis, noch billiger wird es mit einer club card minit. Oder man geht zu Foto Zoom und Foto Weibel style. Der Traumladen meiner Kindheit heisst heute FCW dreamland. M do it + garden, sports sind auch vertreten und M-Finanz Shop, kurz Migrosbank. Schön, dass die Migros auch als snacks country-Kartoffeln anbietet, zu denen man einen Schoggiriegel classic essen kann. Alternativ dazu hot sandwiches. Wer noch nicht genug geshoppt hat, der geht zu Pick pay und Inter Discount. Und Vögele verspricht super-presentations. Im Obergeschoss erwartet die Kids eine super party.

Wer durch Sursee spaziert, kann gleichzeitig Englisch lernen. Da tönt es wie ein Relikt aus historischer Zeit und ist ein Zeichen von Mut gegen den trendigen Zeitgeist, wenn ein Unternehmen sich heutzutage noch Fuhrhalterei nennt. Doch es ist kein verstaubtes Unternehmen, denn es macht auch Recycling.

top 

 

Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Surseer Woche 25. Mai 2000