.

 

Modeschau unter blühenden Akazien

Letzthin wurde eine Afrikanerin unter 96 Teilnehmerinnen zur Miss World gewählt. Damit hat diesen Wettbewerb der Schönheit erstmals eine Frau mit schwarzem Gesicht gewonnen. Unnötig zu sagen, dass die Nigerianerin Abgani Darego bildhübsch ist. Die 18-Jährige Informatikstudentin war überwältigt: ’es ist ein wunderbares Feeling und unbeschreiblich. Ich weiss, dass zuhause alle zuschauen und ich bin glücklich, sie stolz zu machen’. Damit spricht sie urafrikanische Gefühle an: denn in den letzten 50 Jahren gewannen nur drei Frauen aus Afrika diese begehrte Schönheitskonkurrenz, aber es waren zwei weisse Südafrikanerinnen und 1954 wurde eine Ägypterin zur weltschönsten Frau erkoren. Doch nie wurde diese Ehre einer Schwarzafrikanerin zugestanden. Dabei sind Afrikanerinnen in Mode und Beauty durchaus vertreten und sogar die Madonna im Kloster von Einsiedeln hat ein schwarzes Gesicht.

Die Wahl zur Miss World wurde in ganz Afrika am Fernsehen übertragen und in den Zeitungen kommentiert. Und dies erinnerte mich an eine lokale Modeschau in Mozambique. Es war ein normaler Sonntag in Chimoio, einer Stadt mit 200'000 Bewohnern im mittleren Teil von Mozambique.

Die Tropensonne sticht aus einem irisklaren Himmel. Auf dem Gelände eines Gartenrestaurants toben sich Kinder aus. Die Erwachsenen essen, trinken, unterhalten sich. Heute haben sich mehr Leute als sonst eingefunden, denn für den Nachmittag ist eine Modeschau angesagt. Der hüfthohe Laufsteg steht bereit, er wackelt zwar noch ein bisschen, doch ein paar Helfer nageln heftig, um ihm mehr Stabilität zu geben. An der Tonanlage wird ebenfalls hantiert, gelegentlich tönt ein dunkler Testsound wie aus dem tiefsten afrikanischen Dschungel durch die Luft. Die Show soll um 15 Uhr beginnen.

Dann dunkelt es ein, schnell wie immer in den Tropen. Die Nacht senkt sich über die Leute, die im Freien an runden Tischen sitzen und warten. Endlich knirscht das Mikrophon verheissungsvoll: die Show beginnt. Der Kommentator, ein lokal bekannter Diskjockey, führt wortgewaltig ins Thema ein. Scheu und leicht unsicher betritt das erste Model den Laufsteg. Etwas selbstsicherer folgen ihre Kolleginnen. Die Beleuchtung ist schwach, die Modeschau hätte ja unter dem Akazienbaum im Licht der Sonnenschatten stattfinden sollen.

Es sind nun aber keine bekannten Topmodels auf dem Laufsteg und es wird keine internationale Mode präsentiert. Trotzdem tun alle Models, als wären sie Noemi Campbell und mit etwas Training würden sie es auch schaffen. Mit jedem Durchgang gewinnen sie sichtlich an Form und Vertrauen. Die gezeigten Kleider stammen nicht von den Salons der Haute Couture in Paris oder Mailand. Das Outfit scheint zum Teil aus europäischen Altkleidersammlungen zu kommen. Andere Stoffhüllen hingegen haben Stil und afrikanische Identität. Sie wurden in Zimbabwe hergestellt oder in Südafrika. Beide Länder verfügen über eine grosse Konfektionsfabrikation und durchaus auch über eigenwillige Kleiderkünstler, die berauschende Harmonien zwischen Tradition und Moderne kreieren. Auch mit neuester westlich-moderner Konfektion können die Modehäuser im südlichen Afrika mithalten. So ist es in Zimbabwe seit Jahren üblich, dass die Firmenbesitzer in Europa je ein Exemplar der neuesten Mode einkaufen und sie dann einfach kopieren. Daher lässt sich in Harare durchaus ein Top von Gucci oder eine Jeans von Wrangler erstehen. Mit gefälschtem Label zwar, aber immerhin. Die selbstbewussten jungen Frauen in den Städten im südlichen Afrika bewegen sich liebend gern auf der Höhe des neuesten Modetrends, denn die Fernsehkanäle strahlen natürlich zahlreiche Programme auf diesem Sektor aus. Und dafür finden sie ein interessiertes Publikum. Es ist ein spezielles Erlebnis, mit mozambikanischen Frauen Fernsehen zu schauen. Sie kommentieren sofort die Kleiderauswahl der Präsentatorin und sehen auch auf einen Blick, ob sie Fremdhaare eingewoben hat oder nicht. Die Bevölkerung in Mozambique ist jung, an Impulsen aus der Aussenwelt interessiert und will leben. Denn erst vor zehn Jahren ging ein zwanzigjähriger Krieg zuende. Nach all den Entbehrungen wollen sich die Mädels nun auch hübsch kleiden. Plateauschuhe sind genauso in Mode gekommen wie in New York oder Tokio. Modeschauen gehören zum Programm fast jeder Lokalveranstaltung, ebenso wie die unzähligen Misswahlen. Wohl jede junge Frau in Mozambique träumt davon, durch die Kür zu einer Miss die Schwelle zwischen Armut und Reichtum zu überschreiten.

Die Herkunft und die Machart der Kleider werden an diesem Abend nicht kommentiert. Es zählt das momentane Erlebnis, eine junge Frau im Zentrum von ein paar hundert Augen zu erleben, das Spiel zwischen Körper, Stoff und Mimik zu verfolgen. Die Jungmodels bewegen sich grazil über den Laufsteg. Von ihren Kleidern ist soviel zu hören wie das leise Rauschen des Elefantengrases, wenn Gazellen hindurchstreichen.

Die Modeschau mit ihren zehn Modellen hat hörbaren Erfolg. Die Zuschauerinnen und Zuschauer klatschen nach jedem Durchgang und die Queen der Séance ist schon nach der zweiten Runde klar: Merka ist die eindeutige Favoritin des Publikums. Wer weiss, vielleicht schafft sie es eines Tages auf einen Catwalk, der nicht unter ihren Füssen zittert.

top 

 

Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Surseer Woche 20. Dezember 2001