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Vanille und Bier auf Mohéli

Wer weiss schon, wo Mohéli liegt? Die kleine Insel befindet sich nicht gerade im Zentrum der Welt. Und auch in der Region des Kanals von Moçambique zwischen Afrika und Madagaskar nimmt Mohéli eine Randposition ein. Zudem figuriert die Insel auch unter dem Namen Mwali. Dies in der schönen afrikanischen Tradition, immer mal wieder die Namen von Städten, Flüssen und Ländern zu ändern. Mwali ist  die kleinste der drei Inseln der Islamischen Bundesrepublik der Komoren: mit 211 km2 ist Mohéli kleiner als der Kanton Zug. Die Insel und ihre 30000 Einwohner kamen vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, weil Mohéli ein unabhängiger Staat werden sollte. Das klappte jedoch nicht. Immerhin ging das Abenteuer, das nur ein paar Tage dauerte, ohne Blutvergiessen ab. Diese Sache war ja auch nur so eine Idee von ein paar Politikern, die wie fast überall, die Aspirationen den Volkes aufsaugen und in eigenen Profit umwandeln. Mwali heute eine ruhige Tropeninsel wie eh und je. Ein Sprichwort sagt: Auf Grande Comore (der ‘Hauptinsel‘) wird palavert, auf Anjouan (der separatistischen Insel) wird gearbeitet, auf Mayotte (in französischem Besitz) vergnügt man sich und Mohéli schläft. So war ich also bei den schlafenden Leuten von Mohéli, nur ist schlafen der falsche Ausdruck. Moheli produziert Bananen, Rinder und Kokosnüsse. Aber auch Nelken, Vanille und Pfeffer. Es gibt drei Hotels, ein Spital und ein Gymnasium, wo dieses Jahr 16 Maturanden die Prüfung bestanden haben. Auf der Insel stehen mehr Moscheen als Schulen. Die Hauptstadt Fomboni ist ein Dorf von 6000 Einwohnern. Mohéli ist nicht gerade ein Hotspot der internationalen Touristenströme. Nur ab und zu verirren sich Leute dorthin. Denn die Strände sind eine sandige Pracht, die Tropenwälder voll Farben und Düfte. Und die Leute sind ausgesprochen nett: vor jedem Haus wird man mit einem freundlichen karibu (komm herein) begrüsst. Es gibt keinen Diebstahl. Mohéli schläft nicht, es lebt einfach mit einem anderen Zeitbegriff. Mohéli lebt im Tempo der Gezeiten unter der Flagge Allahs. Doch auch hier hat die Jugend entdeckt, dass die Arbeit auf dem Acker schweisstreibend ist. So lungern junge Männer in den Dörfern herum, ohne Arbeit, aber voll unrealistischer Träume. Und ohne Willen, der landwirtschaftlichen Arbeit zu frönen. Viele versuchen wegzukommen, am liebsten nach Frankreich, ins gelobte Paradies für alle Komorer. Wer auf der Insel bleibt, wird als Hinterwäldler abgetan. Dabei hat Mohéli gerade das zu bieten: Wald und Natur. Während die anderen Komoreninsel weitgehend abgeholzt, erodiert oder von Vulkanen verbrannt sind, leben die Leute auf Mwali im und mit dem Wald. Zudem sind sie sind ausgesprochen gute Fischer. Doch auf der Insel selber ist Fisch rar. Denn auf der Nachbarinsel Grande Comore, die in Sichtweite ist, verkauft sich der Fang zum dreifachen Preis. Der Anbau von Exportprodukten ist nicht sonderlich rentabel. So muss ein Bauer den Gegenwert von einem halben Kilo Vanille aufwenden, um mit dem Sammeltaxi fünfzehn Kilometer zu fahren. Dort erhält er für ein Kilo Vanille soviel wie ein Bier kostet und ein Kilo Nelken bringen gerade mal eine Mahlzeit in einem Restaurant. Verständlich, dass sich viele Bauern in die Subsistenzwirtschaft zurückgezogen haben. Es gibt aber durchaus auch Unternehmergeist auf Mohéli. So ist derzeit am Strand von Fomboni ein Eisenschiff im Bau. Rund 30 Meter lang und mindestens zehn Meter hoch. Das Meeresschiff wird ohne Bauplan zusammengeschweisst. Die Schweissnähte werden nicht mit Laser durchleuchtet. Früher wurden diese Frachter aus Holz erbaut: Gerippe mit runden Balken, dann die Planken drangenagelt und mit Teer und Baumwolle wasserdicht gemacht. Nach ungefähr der gleichen Arbeitsmethode entsteht auch dieses Schiff. Der künftige Kapitän steht jeden Tag an Bord und beaufsichtigt die Arbeiten. In ein paar Monaten wird er zwischen den Komoren, Zansibar und Madagaskar pendeln, mit 80 Personen an Bord. Die Leute machen diese Schiffsreisen in der Tradition der alten Handelsfahrer. Sie gehen nach Zansibar und schauen sich um, was sie für ihr Geld kaufen können. Derweil wartet das Schiff im Hafen. Nicht ein paar Stunden oder Tage, sondern ein paar Wochen. Dann fahren alle wieder nach Hause und verhökern die Ware. So muss es seit Jahrhunderten im Indischen Ozean zugegangen sein und eigentlich ist es nicht einleuchtend, warum diese Tradition nicht weiterhin bestehen sollte.

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Surseer Woche 21. Oktober 1999