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Weihnachten im Süden

Vor sehr vielen Jahren erzählte mir eine Neuseeländerin von Weihnachten: das Fest werde am Strand bei mondheller Nacht gefeiert und zur Abkühlung gehe man immer mal wieder schwimmen. Zu Weihnachten gehöre Hitze und viel Sonne. Und das Rauschen der Wellen als Musik der fernen Horizonte. Die Neuseeländerin konnte sich mit dem europäischen Wunsch nach Weihnachtsschnee nicht anfreunden. Schnee in Europa, Hitze auf der Südhalbkugel: Weihnachten weckt klimatische Wünsche im christlichen Herzen. In Mozambique zum Beispiel gehört zu einem gelungenen Heiligabend ein tüchtiger Regenschauer. Nun lebe ich selber seit langer Zeit südlich des Äquators und habe seither nie mehr ein Weihnachtsfest in Europa miterlebt. So ist es auch für mich nun so, dass sich in den Wochen vor Weihnachten kaum diese mit Tannenduft durchzogenen Gefühle entwickeln. Trotzdem ist auch in Afrika Weihnachten ein Begriff, nicht überall zwar, denn es hängt sehr davon ab, in welchem Grad die Bevölkerung christianisiert ist.

Auch auf dem schwarzen Kontinent wird die Vorweihnachtszeit von kommerziellen Linien dominiert - in städtischen Gebieten jedenfalls. Nur sind die Ansprüche der afrikanischen Kinder erheblich bescheidener als anderswo. Es gibt ja keine Werbeprospekte und Weihnachtskataloge, die mir als Junge den bislang unerfüllten Traum einer Modelleisenbahn ins Herz brannten. Trotzdem suchen die Eltern natürlich, auch ihren Kindern etwas zu schenken. Kleider meist, dann auch Konfekt und Süsswaren, die es das Jahr hindurch kaum je gibt. In einigen Städten macht sich die Verwaltung sogar die Mühe, ein paar Lichter mehr aufzuhängen. So wirkt die Hauptstadt Madagaskars in dieser Zeit durchaus attraktiv. In den ärmeren Quartieren der Randzonen jedoch und auf dem Land ist während des Advents von Weihnachtsstimmung kaum etwas zu bemerken. Doch kann man unvermittelt auf seltsame Hinweise stossen. So sah ich letztes Jahr in einem sehr abgelegenen Ort eine Kreidezeichnung auf der Bretterwand eines Krämerladens. Da war unverkennbar ein pausbäckiger Weihnachtsmann gemalt. Der Besitzer des Ladens war ein Muselmane und fand den äusserst warm angezogenen Bewohner seiner Hauswand durchaus exotisch.

Heiligabend wird auch in Madagaskar gefeiert, mit einem Festessen und mit möglichst viel fettem Fleisch. Wer Strom hat, leistet sich sogar blinkende Lichter als Zeichen der Moderne, dazu gehört auch ein sattgrüner Plastikbaum, made in China. Auf dem Land hingegen ist der Brauch des Weihnachtsbaums kaum vertreten. Am Heiligabend jedoch sind die Kirchen randvoll und es ertönen herrliche Gesänge, die weit über die Hügel tragen. Natürlich kleidet man sich dann auch besser. Generell ist es ja in den ärmeren Regionen dieser Welt noch immer so, dass am Sonntag bessere Kleidung getragen wird. In Europa hat sich ja der Kleidungsstil zwischen Alltag und Sonntag vermischt. Geschenke gibt man sich am Neujahr, wie das noch vor zweihundert Jahren auch in Europa üblich war.

Der Legendengestalt des Weihnachtsmanns wird auch in Afrika gehuldigt. Kinder mögen ihn, denn er verspricht Geschenke. Der gemütliche Mann mit dem rauschenden, weissen Bart im roten, pelzbesetzten Mantel wandelt zuweilen auch unter Afrikas Sonne. Meist bezahlt von einem Supermarkt. Hausbesuche macht er hingegen keine. Kitschige Weihnachtskarten gibt es auch vereinzelt zu kaufen. Darauf gleitet Sankt Nikolaus über hellblaue Wolken aus dem Himmel herab. Doch kaum jemand wird wissen, welche Tiere den himmlischen und mit Geschenken beladenen Schlitten durch die Luft ziehen. Rentiere gibt es auf dem Kontinent der Löwen nicht.

Die Zeit der Geburt Christi wird in Afrika sehr stark von christlichen Gruppen getragen und findet im Umkreis der Kirchen statt. Dabei geschehen durchaus Adaptionen. So können Joseph, Maria und Jesus auch schwarz und in der Mode des jeweiligen Landes gekleidet sein. Noch nie habe ich allerdings einen schwarzgesichtigen Weihnachtsmann gesehen. Und noch nie sah ich einen Sankt Niklaus mit einem karierten Hüfttuch, wie es zum Beispiel die Viehzüchter Ostafrikas tragen. Etliche Kirchen geben sich Mühe, ausladende Krippen zu gestalten. Für die Kirchenbesucher vermitteln diese Krippenszenen ja zugleich Geschichten, die sie sich gegenseitig beim Anblick der Krippe erzählen. Wo diese Szene stattgefunden hat, spielt keine Rolle. Bethlehem in Palästina ist ja nicht der einzige Ort dieses Namens auf der Welt. Von den 52 Orten mit dem Namen Bethlehem finden sich drei in Afrika. Namibia hat ein Bethlehem, ebenso La Réunion im Indischen Ozean. In Südafrika ist Bethlehem Ort und Flughafen zugleich.

Weihnachten ist in Afrika nicht so sentimental aufgeladen wie in anderen Weltengegenden. Im wesentlichen bedeutet Weihnachten ein besseres Essen und ein paar freie Tage danach. Dass in dieser Zeit die Verwaltung quasi stillsteht macht oftmals keinen Unterschied zum Rest des Jahres. Die öffentlichen Transportmittel sind dann genauso überbelegt und unpünktlich wie stets. Trotzdem schaffen es die Afrikaner immer wieder, aus allem ein Happening zu machen. So findet der Karneval in der Karibik zwischen Weihnachten und Neujahr statt. Tonangebend sind ehemalige Sklaven, also Afrikaner.

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Surseer Woche 14. Januar 1999