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Von Städten: W., Namibia,  150 000 Einwohner

Windhuk

Früher auf der kühl perlenden Bierflasche. Die schwarze Silhouette des Kaisers Reiter. Wie er aus Erz gegossen noch heute. Mit schiessbereitem Gewehr. Hoch über der Hauptstrasse reitet. Die vor kurzem noch Kaiserstrasse hiess. Und von vielen. Immer noch so genannt. Die Stadt mit ihrem anmutigen Provinzgesicht. Ist schnell gross geworden und gibt sich international. Die Skyline links der Strasse ist aus Glas. Aus Stahl und dem Duft der Welt. Rechts hingegen atmen die wellbeblechten Gebäude beharrlich Geschichte. Ihr solides Gestein verbleibt erdennah. Doch auch die hochgestylten Etagenquader, so keck modern sie erscheinen. Auch sie werden punkteklein im langen Tal. Auf dem die Ochsenkutscher. Vor hundert Jahren. Nach dem langen Marsch durch Südwest. Durch Steingestrüpp und Durstland. Ihr karges Lager aufschlugen. Und ein Wehrdorf erbauten. Über den heissen Quellen und ihren nebligen Dämpfen. Inzwischen ist der Ort der Winde. Die Hauptstadt des dornbebuschten Landes. Ein Dorf ist die Siedlung geblieben. In ihrem Zentrum der Ausspannplatz. Obwohl die Ochsen längst ersetzt. Rings auf den Hügeln die erloschenen Burgfesten. Viel näher die sittenstrengen Spitztürme der Kirchen. Die sorgsam wachen. Dass zumindest sonntags Ruhe in den Strassen. Nur ein paar Herero-Frauen. Mit ihren wallenden Röcken in der Mode des letzten Jahrhunderts. Verkaufen selbstgemachte Stoffpuppen im Eingang der Mall. Obwohl die Geschäfte geschlossen. Sie sitzen im Schatten der Hightechgebilde, bezahlt mit Diamanten oder Uran oder Edelsteinen. Abends kehren sie zurück in ihre Wohnzonen. Katutura zum Beispiel. Noch immer überbevölkert. Noch immer sehr viel Wellblech und sehr viel Staub. Noch immer. Aber wo das Bier auch früher keinen schwarzen Reiter hatte. Weil selbstgebraut.

 

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Neue Zürcher Zeitung 23. 06. 1996