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Von Städten: Y., Elfenbeinküste,  100 000 Einwohner

Yamoussoukro

Wie ein weissgetünchter Schildkrötenrücken taucht die Basilika aus dem staubbedeckten Savannenbusch. Das Feuer der Sonne bricht im bunten Glas und entfaltet einen farbigen Lichtteppich im heiligen Raum. Der Dom ist aus Respekt weniger hoch als sein römisches Vorbild, mit dem vergoldeten Kuppeltürmchen und dem aufgesetzten Kreuz aber doch grösser. Kühler Marmor, goldene Verzierungen, funkelnde Pracht. Die pompöse Basilika, das höchste Kirchengebäude der Christenheit, strahlt keine demütige Ergriffenheit aus. Sondern Trotz und Macht. Und Gier nach Anerkennung. Zudem steht das zwanzigstöckige Hotel Président zu nahe an der heiligen Stätte. Beim dortigen Ausblick dominiert das Gotteshaus, die Stadt dahinter sucht man vergebens. Das Netz der Alleen ist dem Ort übergestülpt worden von einem seiner Söhne, der als Junge barfuss im Staub rannte und als Elfenbeinhäuptling in Krokodillederschuhen starb. Durch Bauten wie in Rom und Paris erhöhte er seinen Geburtsort und bereitete sich seine Ruhestätte vor. Die nur von ihm gewollte Stadt blieb jedoch leer und ohne Seele. Zwar hell beleuchtet des Nachts, doch ohne Häuser. Über die mehrspurigen Strassen führen die Sandspuren der Fusswege. Kinder spielen auf den Kreuzungen. Wäsche ist auf dem Asphalt des Flughafens zum Trocknen ausgelegt. Yamoussoukro bleibt ein Dorf, umgeben von einem künstlichen See in Hufeisenform. Dort werden abends Spiesschen gegrillt, Bananen gebraten und Bier getrunken. Für die Lastwagenfahrer war der Ort schon immer ein Rastplatz zwischen Hafen und Burkina. Und das ist er heute noch: Tankstellen, ein paar Restaurants afrikanischer Art, viel Lärm, Staub und Farben. Yamoussoukro wurde vor Jahren zur Hauptstadt deklariert, doch die Diplomaten und ihre klimatisierten Botschaften blieben im fernen Abidjan. Das zur Stadt aufgepumpte Dorf ist nicht die erhoffte Metropole geworden, sondern ein Mahnmal vor Grössenwahn.

 

 

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Franz Stadelmann

 

 

Publiziert in Neue Zürcher Zeitung 10. 05. 1997