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Von
Städten: Z., Tansania, 170 000 Einwohner Zanzibar Stadt
und Insel zugleich. Sand und Felsen als Magnet für Gold und Tränen
seit Jahrhunderten. Das älteste Gebäude ist eine Moschee. Doch fromm
war Zanzibar nie. Sobald die Gebetsmatten gerollt waren, begann das
Geschäft. Wenn Zanzibar pfeift, tanzen die Seen. Aus dem Bauch Afrikas
marschierten die Sklaven zum Markt und Verladeplatz. Jedes Sandkorn ist
heute noch eine Träne. So reich war die Insel, dass die Schiffe des
Empires und des Reiches ankerten, aber auch Trikolore und Sternenbanner.
Und weit mehr segelten unter keiner Flagge. Die Portugiesen bauten ein
Fort und setzten ein Steinkreuz wie überall. Der Sultan aus Oman übernahm
die Insel und in seinem Schatten kamen die Briten. Mit der Unabhängigkeit
wurde Zanzibar dem Festland einverleibt. Die enge Stadt liegt auf einer
Landnase dem Kilimanscharo zugewandt. Mit der Abendsonne im Gesicht
blickten die weissgetünchten Kastenhäuser hinüber aufs Festland, von
wo der Reichtum kam. Damit bauten sich die Händler ihre Häuser mit den
hohen Mauern. Verzierte Holztüren, luftige Balkone, vergitterte Fenster
und schmale Gassen. Versteckspiel mit Steinen und Winkeln, Licht und
Schatten, Hitze und Kühle. Monatelang staubbedeckt und dann
kahlgewaschen vom Monsun. Draussen vor der Altstadt ein Ring aus
Wohnsilos, grauer Beton mit Pappkarton als Festerscheiben. Und diese
Hotels mit ihren Ethno-Bars im internationalen Stil. Noch weiter
draussen die Nelkenplantagen, hochgereckte Palmen und windschiefe
Fischerdörfer. Wie unverändert seit Jahrhunderten. Die Dhows, die des
morgens die Fische anlanden, sind nun aber motorgetrieben. Und nicht
mehr alle Mädchen heissen Fatima, sondern Rachel oder Stephanie. Die
Kathedrale liegt neben der Moschee. Die zweite neben dem ehemaligen
Sklavenmarkt. Auf dem jetzt Touristenfüsse schwitzen. Der Nelkenduft
zieht durch die Gassen. Vom Festland fahren jeden Tag die Boote heran.
Wie immer besteht ihre Fracht aus Menschen: damals Sklaven, heute
Touristen. |
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Franz Stadelmann |
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Publiziert in Neue Zürcher Zeitung 19. 07. 1997 |
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