Embryotransfer Freezing

 

1. Einleitung

Die Techniken Kryokonservierung und Revitalisierung sind neben denjenigen der Embryogewinnung und des Embryotransfers die methodischen Grundlagen einer Embryobank. Die Embryogewinnung und der Embryotransfer finden aber auch Verwendung in anderen Zusammenhängen, die über den Betrieb einer Embryobank hinausgehen.

Eine Embryobank, und auch einzelne ihrer Techniken, sind u.a. nützliche Hilfen bei der Zucht von Nagern. So stellt z. B. der sterile Embryotransfer eine Alternative zur Hysterektomie dar (Juhr, 1976; Dagnaes-Hansen, 1988; Reetz et al., 1988; Spörri et al., 1988), da er ihr gegenüber den Vorteil aufweist, daß postimplantatorische, vertikale Erregertransmissionen beim Embryotransfer prinzipiell ausgeschlossen sind. Konventionelle und kontaminierte Zuchten können durch sterilen Embryotransfer in SPF-Zuchten überführt bzw. saniert werden.

 

 

Große Bedeutung erlangen Kryokonservierung und Embryotransfer auch im Zusammenhang mit der gentechnologischen Entwicklung transgener Tiere. Um solche einmal entwickelten Tiere nicht durch aufwendige Zuchten erhalten zu müssen, erweist sich die Kryokonservierung als hilfreiche, nicht zuletzt auch ökonomische Methode zur Erhaltung diverser Genotypen. Dies gilt übrigens auch für die zahlreichen Nagerstämme und ihrer Zuchtlinien. Bei diesen ergibt sich durch die Möglichkeit der Kryokonservierung über viele Jahre noch der Vorteil, die bei fortwährender Zucht natürlicherweise nicht zu vermeidende Gendrift durch Revitalisierung von jahrelang kryokonservierten Embryonen von Zeit zu Zeit wieder auszuschalten.

Für die Gewinnung von Embryonen und auch für den nach der Revitalisierung auszuführenden Embryotransfer ist es von großer Bedeutung auf gut geführte Zuchtpopulationen mit hohem hygienischem Standard zurückgreifen zu können. Dabei stellt sich die Frage nach den Erfolgsquoten. Das Problem ist, die konservierten Genotypen einerseits mit hinreichender Sicherheit und andererseits mit minimiertem Aufwand zu revitalisieren, zu transferieren und als zuchtfähige Linien schließlich einsetzen zu können.

                   

                    2. Literaturübersicht

2.1 Reproduktion und frühe Entwicklungsphasen der Maus

2.1.1 Ovulation

Überraschenderweise degeneriert mehr als die Hälfte der primordialen Follikel, die bei der Geburt vorhanden sind, bevor die Maus ein Alter von 3 - 5 Wochen erreicht hat. Es ist wenig über die hormonalen und lokalen Faktoren bekannt, die diesen Vorgang steuern (Faddy et al. 1983), was jedoch im Hinblick auf die Superovulation (siehe Kapitel 2.2.1 und 3.4.5) wünschenswert erscheint. Die weibliche Maus erreicht die Geschlechtsreife mit ca. 6 Wochen je nach Stamm und äußeren Bedingungen wie z. B. Futterrestriktion (Ball et al., 1947). Zu diesem Zeitpunkt enthält jedes Ovar näherungsweise 104 Oozyten verschiedener Reifungsstadien.

Die Ovulation findet unter optimalen Laborbedingungen ca. alle 4 Tage spontan statt. Dieser Zyklus kann jedoch durch viele Umweltfaktoren (z.B. Hell-Dunkel-Phasen, olfaktorische Stimuli) und Hormongaben beeinflußt werden. Speziell bei jungen Mäusen ist nicht jeder Östrus von einer Ovulation begleitet (Togari, 1929); ebenso kann Ovulation unabhängig vom Östrus auftreten (Young, 1941). Während eines natürlichen Zyklus reagieren immer nur einige wenige Follikel auf das körpereigene FSH der Maus und beginnen zu reifen. Der Follikel akkumuliert Flüssigkeit, schwillt an und wandert zum Rand des Ovars, bereit die Oozyte zu entlassen. Man bezeichnet ihn in diesem Zustand als 'Graafschen Follikel'.

Die erste meiotische Teilung findet statt. Ein Satz homologer Chromosomen wird, umgeben von etwas Zytoplasma als Polkörper abgegeben. Nach dem Anstieg des körpereigenen LH-Levels wird die Oozyte, etwa um die Mitte der Dunkelphase, entlassen.

Jede ovulierte Oozyte ist von der Zona pellucida und Cumuluszellen, die mit Polyglykanen assoziiert sind, umgeben. Die Eizellen werden durch die von den Zilien der inneren Epitheloberfläche erzeugten Strömung in das offene Ende (Infundibulum) des Eileiters eingeschwemmt und gelangen so in die Ampulla. Die Ampulla ist eine Ausweitung des Eileiters, die nur in einer begrenzten Phase des Zyklus vorhanden ist. Hier findet die Befruchtung der normalerweise 5 - 15 Eizellen statt. Die Follikelzellen, die beim Ovar verblieben sind, bilden die Corpora lutea (Gelbkörper). Sie helfen später mit die Trächtigkeit zu erhalten.

 

2.1.2 Befruchtung

Nach der Kopulation bildet sich der Pfropf, der für meist 6 - 12 h sichtbar bleibt. Er besteht aus koagulierten Spermabegleitstoffen und füllt die Vagina von der Zervix bis zur Vulva. Der Pfropf ist ein sicheres Zeichen für eine stattgefundene Kopulation, seine Voraussagekraft für eine zu erwartende Trächtigkeit ist jedoch stark stammesabhängig. Bei MORO etwa ist bei 83 % und bei B6 nur bei 52 % der Tiere mit Pfropf mit einer Trächtigkeit zu rechnen (Schnekenburger, 1983).

Bei der Ejakulation gelangen ca. 585-106 Spermien in den Reproduktionstrakt des Weibchens. Einige Spermien erreichen die Ampulla schon nach etwa 5 min, sind aber vor Ablauf von 1 h nicht fähig zur Befruchtung. Diesen Reifevorgang nennt man Kapazitierung. Um die Oberfläche der Oozyte zu erreichen, muß das Spermium erst die Cumuluszellen und dann die Zona pellucida durchdringen. Während der Penetration findet die akrosomale Reaktion statt: das Akrosom, eine sekretorische, vakuolenartige Struktur im Spermienkopf, fusioniert mit der Plasmamembran des Spermienkopfes und setzt verschiedene hydrolytische Enzyme frei. Ohne akrosomale Reaktion kann das Spermium die Eizelle nicht befruchten. Unbefruchtete Eizellen bleiben während ca. 12 h (Braden und Austin, 1954) und Spermien für ca. 6 h (Merton, 1939) lebensfähig.

 

 

Die Fusion des hinteren Teils des Spermienkopfes mit der Eizellen-Membran löst eine Folge von Reaktionen aus, die man als Befruchtung bezeichnet. Eine der ersten Reaktionen ist eine Veränderung der Oozytenoberfläche, die das Eindringen weiterer Spermien verhindert. Die zweite meiotische Teilung findet statt, und der zweite Polkörper wird gebildet. Die Kernmembranen bilden sich um die Chromosomen, und der haploide männliche und weibliche Pronukleus wandern zur Mitte der Eizelle, währenddessen die DNA-Replikation stattfindet. Die Membranen der Pronuklei fusionieren nicht, sondern lösen sich auf, worauf bald die erste Teilung erfolgt.

 

2.1.3 Präimplantationsstadien

 

 

Wegen der asynchronen Ovulation und Fertilisation finden die ersten Teilungen über mehrere Stunden verteilt statt. Die Blastomere sind nicht immer gleich groß und teilen sich auch nicht immer synchron, so daß Embryonen mit 3 oder 5 Blastomeren vorkommen können. Bis zum frühen 8-Zellstadium sind die Blastomere der Maus mit ziemlicher Sicherheit (Tarkowski, 1959) equipotent, was heißt, daß einzelne Blastomere sich zu einer vollständigen Maus entwickeln können. Nach der Teilung zum 16-Zeller lassen sich bereits zwei Zell-Linien unterscheiden: das Trophoektoderm und die innere Zellmasse. Mit der Kompaktierung des Embryos steigt der Kontakt der Blastomeren untereinander, es bilden sich Apikal- und Basalmembran und die Blastomere entwickeln eine Polarisation. Diese Differenzierung endet zunächst in der voll expandierten Blastozyste, bei der das Trophoektoderm die innere Auskleidung eines flüssigkeitsgefüllten Hohlraumes (Blastozoel) darstellt. Dieser Auskleidung liegt nach innen die innere Zellmasse auf. Eine ausführliche Beschreibung der Kompaktierung und Diskussion der Polarisierung findet man bei Gardner (1983), Johnson et al. (1981), Johnson und Ziomek (1981) und Pratt et al. (1981).

Die vollständig expandierte Blastozyste enthält ca. 64 Zellen, von denen etwa 20 zur inneren Zellmasse zu rechnen sind. Während des 5. Entwicklungstages schlüpft die Blastozyste, d. h. sie verläßt die Zona pellucida, von der sie bis dahin immer noch umgeben war, und ist bereit zur Nidation. Dieses Schlüpfen wird durch trypsinähnliche Enzyme verursacht, die von Teilen des Trophoblast synthetisiert werden (Wassarmann et al., 1984). Zur Zeit des Schlüpfens ist das Lumen des Uterus sehr klein, so daß die Uteruswände aneinander liegen. Die Nidationsstellen sind nicht vorbestimmt und die Verteilung der Embryonen wird durch die Peristaltik des Uterus verursacht.

 

2.2 Embryogewinnung und -transfer

2.2.1 Superovulation

Bei der Superovulation imitiert man durch PMSG die Wirkung des natürlichen FSH und durch HCG die des natürlichen LH. Dieses Vorgehen bewirkt Einleiten des Zyklus und eine Erhöhung der Anzahl reifender Follikel und damit auch der ovulierenden Eizellen. Diese Technik wird bei vielen Spezies z. T. schon seit Jahrzehnten erfolgreich angewandt.

Die Superovulation erleichtert die Embryogewinnung entscheidend. Da die Anzahl der Embryonen pro Tier sich um Faktoren zwischen 2-10 erhöht, ist der Einsatz dieser Technik für die Arbeitseffektivität unabdingbar. Gleichzeitig werden wesentlich weniger Tiere als ohne Superovulation benötigt, weshalb diese Technik auch vom Standpunkt des Tierschutzes gesehen angewendet werden sollte.

Der Erfolg der Superovulation ist im wesentlichen von den Faktoren Stamm, Alter des Tieres und Applikations-Zeitschema abhängig. Das günstigste Alter für die Hormonbehandlung variiert von Stamm zu Stamm; Z. B. CGa: 21 Tage (Gates, 1971), B6: 25 Tage (Hogan, 1986). Allgemein liegt es zwischen 3 und 5 Wochen, was eine interessante Tatsache darstellt, da die Tiere im Alter von 21 Tagen gerade abgesetzt werden und die Geschlechtsreife erst im Alter von 6-7 Wochen eintritt. Nach dem Eintritt der Geschlechtsreife nimmt die Sensitivität gegenüber der Superovulation innerhalb von 1 - 2 Wochen schnell ab. Der Stamm B6 z. B. reagiert dann mit diffusen Ergebnissen in Anzahl und Qualität der Embryonen, während bei anderen Stämmen (z. B. B6D2F1) Superovulation bis in ein Alter von etwa 8 Wochen durchaus sinnvoll ist.

Die Entwicklungsfähigkeit von nicht tiefgefrorenen Mausembryonen, die von superovulierten Tieren gewonnen wurden, ist in vitro gleich denen von normal ovulierten Embryonen (Gates, 1956; Vogel et al., 1989). Reduzierte Entwicklungsfähigkeit von Embryonen, die im hormonbehandelten Tier belassen wurden, führten Vogel et al. (1989) auf maternale Faktoren zurück. Bei Kaninchen jedoch gibt es einen Hinweis, daß Embryonen von superovulierten Spendern nach dem Tiefgefrieren eine niedrigere Überlebensrate haben verglichen mit der von normal ovulierten Embryonen (Reynard, 1979).

 

2.2.2 Embryotransfer

Die ersten Embryonen wurden von Heape (1890) am Kaninchen übertragen. Heute ist der Embryotransfer ein Routineverfahren in vielen Laboratorien und auch in der Landwirtschaft.

Im allgemeinen transferiert man Embryonen in pseudoträchtige Empfängertiere (siehe Kapitel 3.6.2), obwohl durch geschicktes Ausnutzen von Fell- und/oder Augenpigmentierung auch ein Transfer in trächtige Empfängertiere möglich ist (z. B. Jean, R. and C.W. Lo, 1990).

Bei den meisten Methoden erfolgt die Übertragung der Embryonen auf chirurgischem Wege in den Eileiter (1-Zeller bis zur frühen Morula) bzw. den Uterus (kompaktierte Morula, Blastozyste). Obwohl auch 'unblutige' Transfermethoden für Kleinnager (durch den Zervixkanal) entwickelt wurden, so z. B. für Mäuse (Marsk und Larsson, 1974; Moler et al., 1979) und für Ratten (Vickery et al., 1969), haben sich diese wegen geringer Effizienz nicht durchgesetzt. Die 'unblutige' Vorgehensweise setzt außerdem implantationsfähige Embryonen voraus, die in den Uterus transferiert werden können. Sie ist also erst von der kompaktierten Morula an bis zur Blastozyste einsetzbar.

Morulae können mit gutem Ergebnis in den Uterus von 2.5 Tage lang pseudoträchtigen Empfängertieren transferiert werden und Blastozysten in solche Tiere, die am Tage 3 - 3.5 ihrer Pseudoträchtigkeit stehen (Rafferty, 1970; Dickman, 1971). Alle frühen Teilungsstadien, von der Zygote bis zur Morula, können in den Ovidukt von pseudoträchtigen Empfängern transferiert werden. Bei dieser Technik benötigen die Embryonen eine intakte Zona pellucida, was beim Uterustransfer nicht notwendig ist (Bronson, 1970).

 

2.2.3 Wechselwirkungen zwischen Embryo und Empfänger

Wechselwirkungen zwischen dem Empfängertier und den transferierten Embryonen sind als immunologische Reaktionen beschrieben worden. Embryotransfer bei Mäusen in allogener Kombination (Embryospender und Embryoempfänger sind von verschiedenen Stämmen) ruft beim Empfängertier eine Immunreaktion hervor. Diese ist stärker als eine solche, die man bei semiallogenem Transfer (Embryospender oder Embryoempfänger ist ein Hybrid des Embryospender-Stammes bzw. des Embryoempfänger-Stammes) oder bei natürlicher Trächtigkeit durch ein allogenes Männchen erhält. Beim transferierten Nachwuchs hingegen fand man eine reduzierte immunologische Aktivität gegen Zellen der Ziehmutter (Cibotti et al., 1986). Solche Effekte sind aber entgegen der Hypothese von Uphoff (1972a; 1972b) als nicht erblich anzusehen (McCullagh, 1985). Vatev et al. (1985) fanden schließlich eine Korrelation zwischen den höheren Antikörperspiegeln von Empfängermäusen nach allogenem Transfer und niedrigeren Implantationsraten. Diesen Befund stützt McCullagh (1985), der eine reduzierte Überlebensrate beim Transfer von allogenen Rattenembryonen fand, woraus Hedrich und Reetz (1988) den Schluß zogen, Embryonen auf möglichst nah verwandte Empfängerstämme zu transferieren oder Hybridstämme (Hedrich and Reetz, 1990) dafür einzusetzen, die den genetischen Background der zu transferierenden Embryonen enthalten.

 

2.3 Kryokonservierungsmethoden für Embryonen

Die Originalmethode (Whittingham et al., 1972; Wilmut, 1972) beschreibt ein kontrolliertes langsames Einfrieren und langsames Auftauen mit DMSO (Dimethylsulfoxid) oder Glyzerol als Gefrierschutzmittel.

Welche der nachfolgend beschriebenen Einfriermethoden man verwendet, hängt von vielen Faktoren ab, häufig einfach von der Laborausstattung und den gemachten Erfahrungen. Verläßliches Lagern und Revitalisieren werden von einer Vielzahl Faktoren beeinflußt (z. B. Kühl- und Erwärmungsrate, Medium, Gefrierschutzmittel, Lagertemperatur, Entwicklungsstadium des Embryos, Stamm und Vorbehandlung des Empfängertieres, Transfertechnik). Ihre Einzelfaktoren beeinflussen sich auch gegenseitig. Daher können Veränderungen einzelner Schritte zu unvorhergesehenen Ereignissen an anderer Stelle des Systems führen. Eine etablierte Kryokonservierungs-Methode ist als Einheit zu sehen und kann nur streng kontrolliert weiterentwickelt werden.

Eine interessante Variante, die jedoch keine praktische Relevanz erlangte, beschreiben Storen et al. (1983), die, entgegen den üblichen Gepflogenheiten, Mausembryonen erfolgreich noch im Ovidukt befindlich tiefgefrieren und revitalisieren konnten. Man erspart sich so etwas Aufwand beim Verpacken der Embryonen, hat jedoch keinen exakten Überblick bezüglich der Anzahl kryokonservierter Embryonen und deren Güte.

 

2.3.1 Kryoprotektiva

Da es bisher nicht gelungen ist, Embryonen ohne ein Gefrierschutzmittel erfolgreich zu kryokonservieren, ist der Zusatz eines Kryoprotektivums oder einer Kombination mehrerer Kryoprotektiva zum Einfriermedium als notwendig anzusehen.

Die Kryoprotektiva werden traditionell in zwei Gruppen eingeteilt, einerseits in zellpenetrierenden Substanzen (z. B. 1,2-Propandiol, DMSO, Glyzerin), die in multimolarer Konzentration geeignet sind, lebende Zellen vor Tiefgefrierschäden zu schützen, und andererseits in nichtpenetrierende Stoffe (z. B. Polyvinylpyrrolidon, Sucrose, Trehalose), die, schnelle Einfrier- und Auftauraten vorausgesetzt, bereits in niedrigen Konzentrationen (Meryman, 1971) kryoprotektiv wirken.

Der Schutzeffekt penetrierender Kryoprotektiva beruht vermutlich auf einer Reduzierung der intra- und extrazellulären Ionenkonzentration bei gleichzeitiger Gefrierpunktserniedrigung (Lovelock, 1953). Durch die Wasserbindungsfähigkeit penetrierender Gefrierschutzmittel wird die Dehydrierung der Zellen vergrößert, so daß der Anstieg der intra- und extrazellulären Ionenkonzentration auf einen kritischen Wert erst in einem niedrigen Temperaturbereich stattfindet, in welchem zellschädigende Prozesse verzögert ablaufen. Diesen Sachverhalt postulierte Lovelock (1954) für Erythrozyten; Meryman et al. (1977) bestätigten ihn.

Bei Untersuchungen an Mäuseembryonen stellten Leibo und Mazur (1974) fest, daß DMSO und Glyzerin nicht unbedingt penetrieren müssen, um eine ausreichende Kryoprotektion hervorzurufen. Ausgehend von dieser Beobachtung folgerte Mazur (1980), daß penetrierende Gefrierschutzmittel zusätzlich einen stabilisierenden Effekt auf die Zellmembran ausüben.

Eine zellmembranstabilisierende Wirkung wird auch für nichtpenetrierende Kryoprotektiva angenommen (Maurer, 1978; Mazur, 1970). Meryman (1971, 1974) zeigte eine solche an Erythrozyten und Renard et al. (1982) beim Ausverdünnen des Kryoprotektivums aus dem Medium revitalisierter Rinderembryonen. Im Gegensatz zu den klassischen Gefrierschutzmitteln DMSO und Glyzerin reicht ihre alleinige Anwendung jedoch nicht aus, um ein Überleben der Embryonen während des Tiefgefrier- bzw. Auftauvorgangs zu gewährleisten (Kasai et al., 1981; Wilmut, 1972).

Visintin et al. (1988) haben schließlich eine synergistische Wirkung von Glyzerin (penetrierend) und Sucrose (nichtpenetrierend) als Gefrierschutzgemisch bei Mausembryonen gefunden.

 

2.3.2 Einfriergeräte

Die Einfriergeräte lassen sich in zwei Gruppen einteilen: die offenen Einfriergeräte und die Kammergefriergeräte.

Bei den offenen Einfriergeräten dienen verschiedene Alkohollösungen, Trockeneis, flüssiger Stickstoff oder Kombinationen diese Medien als Kühlmittel. Beim Einfrieren nutzt man z. B. die verschiedenen Temperaturzonen des Kühlmittels aus und senkt das Gefriergut langsam in das Kühlmittel ab, oder man benutzt ein Kühlaggregat. Der Vorteil dieser offenen Einfriergeräte liegt, neben der guten Kontrolle, die man über das Gefriergut hat (z. B. beim Seeding), in der Einfachheit und geringen Größe der Geräte. Da, wie unten ausgeführt werden wird, für die Dehydrierungsphase ein Temperaturbereich bis -30 °C genügt, sind offene Systeme mit Alkoholbad und Kühlaggregat für die Kryokonservierung von Embryonen ausreichend.

Bei den Kammergefriergeräten regelt ein Mikrocomputer die Temperatur einer geschlossenen Kammer, die das Gefriergut enthält, durch das Einblasen von Stickstoffdampf bzw. elektrisches Beheizen. Für den Betrieb dieser Geräte benötigt man flüssigen Stickstoff in Druckbehältern. Allgemein ist der Aufwand größer als bei den offenen Einfriergeräten. Ein Vorteil des geschlossenen Konzeptes ist in der größeren Menge zu sehen, die in einem Arbeitsgang eingefroren werden kann, da die Kühlmitteloberfläche der offenen Geräte wegen des Kühlmittelverlustes und der Wärmeaufnahme klein gehalten werden muß.

 

2.3.3 Einfriermethoden

2.3.3.1 Langsames Einfrieren und Auftauen

Kühlt man Embryonen langsam mit einer Rate von 0.3 - 0.8 °C/min bis -80 °C, so wird der Embryo fortschreitend dehydriert, wodurch die Bildung intrazellulärer Kristalle verhindert wird.

Das Originalprotokoll, wie es von Whittingham et al. (1972) entwickelt wurde, ist eine handbetriebene langsame Einfriermethode, die Dewarbehälter benützt. Als Gefrierschutzmittel dient DMSO mit einer Molarität von 1.5 - 2. Die Embryonen werden bei 0 °C für 10 min äquilibriert, in ein Kältebad (-6 °C) verbracht und nach 5 min findet das Seeding (kontrollierte Auslösung der Kristallisation) statt, indem man das Tube mit einem in flüssigem Stickstoff vorgekühlten Metallgegenstand berührt. Nach einer weiteren Äquilibrierungszeit von 5 min werden die Tubes in einer mit flüssigem Stickstoff gekühlten Kammer plaziert, die auf -6 °C vorgekühlt wurde. Die Temperatur wird dann konstant mit 0.5 °C/min auf -80 °C abgesenkt. Nach Abschluß dieser Phase werden die Tubes sofort in flüssigen Stickstoff überführt und gelagert.

Das Auftauen muß, im Vergleich zu anderen Einfriermethoden, langsam mit einer Rate von ca. 8 °C/min vor sich gehen, um dem Embryo Zeit zu lassen, sich zu rehydrieren (Whittingham, 1981).

 

2.3.3.2 Schnelles Einfrieren

Im Gegensatz zur ursprünglichen Ansicht, daß Embryonen die Lagerung bei -196 °C nur nach langsamem Abkühlen bis -80 °C überleben, hat sich gezeigt, daß Embryonen, schnelles Auftauen vorausgesetzt (100 - 300 °C/min) auch schnelleres Einfrieren tolerieren, obwohl sich im Inneren dieser Embryonen, wegen der zu geringen Dehydrierung Eiskristalle bilden (Rall, 1981).

Embryonen, die mit verschiedenen dieser schnellen Methoden eingefroren wurden, sind vermutlich in einem metastabilen Zustand. Nach Leibo (1981) können minimale Veränderungen beim Auftauen und Ausverdünnen der Gefrierschutzmittel ungeahnte Folgen haben. Ebenso wurde festgestellt, daß die Lagertemperatur für Embryonen, die schnelles Auftauen verlangen, unbedingt bei -196 °C gehalten werden muß. Im Unterschied dazu sind langsam eingefrorene Embryonen weniger empfindlich gegenüber der Lagerung bei etwas 'höheren' Temperaturen (Rall et al. 1980; Rall, 1981) und können daher auch mit Trockeneis gekühlt transportiert werden (Whittingham, 1981), was einer Temperatur von -79 °C entspricht. Lagerung und Transport bei höheren Temperaturen bedeutet immer einen Vorteil, da dies mit weniger apparativem und finanziellem Aufwand verbunden ist.

 

2.3.3.3 Zweischritt-Methode

Bei dieser Methode werden Embryonen langsam mit einer Rate von ca. 0.4 °C/min bis in einen Temperaturbereich von -30 bis -40 °C abgekühlt und anschließend in flüssigen Stickstoff überführt (z. B. Willadsen, 1977). Diese Methode ist weniger zeitaufwendig, verbraucht weniger Stickstoff oder kommt sogar ganz ohne ihn aus, da die angesprochenen Temperaturbereiche auch mit Alkohol-Kryostaten erreicht werden können. Die Zweischritt-Methode ist schneller, einfacher und billiger.

Es wurden verschiedene Varianten dieser Methode beschrieben, die vor allem in der Wahl des Gefrierschutzmittels, der Seedingmethode, Länge und zeitlicher Anordnung der Äquilibrierungsphasen sowie der Apparatewahl und in Feinheiten des Temperatur-Zeitschemas differieren (z. B. Hedrich and Reetz, 1990; Miyamoto and Ishibashi, 1986; Wood, 1980).

 

2.3.3.4 Vitrifikation

Mehrere Arbeitsgruppen haben berichtet, daß Maus- und Rattenembryonen direktes Einfrieren in flüssigem Stickstoff überleben können (Biery et al., 1986; Chupin and DeReviers, 1986; Hedrich and Reetz, 1990; Krag et al., 1985; Rall and Fahy, 1985; Takeda et al., 1984; Williams and Johnson, 1986). Diese schnelle Einfrier - schnelle Auftau-Methode setzt hohe Konzentrationen von Gefrierschutzmitteln in wäßriger Lösung voraus. Bei einer bestimmten Temperatur unter 0 °C werden diese Lösungen viskos und treten, ohne Eiskristalle zu bilden, in eine amorphe Phase über. Die meisten Arbeitsgruppen benutzten eine Kombination von Glyzerol (3.0 - 4.0 M) als penetrierende und Sucrose (0.25 - 1.0 M) als nichtpenetrierende Gefrierschutzmittel. Vor dem Einfrieren müssen die Embryos dehydrieren. Bei Temperaturen unter 4 °C halten die Embryonen solche konzentrierten Lösungen von Gefrierschutzmittel und die Dehydrierung aus (Rall and Fahy, 1985).

Obwohl diese Methode keinerlei Apparatur für den Einfriervorgang benötigt und daher durch ihre Einfachheit besticht, konnte sie bisher noch nicht die konventionellen Methoden ersetzen. Der Grund hierfür dürften die stark streuenden Erfolgsraten sein, wie sie z. B. Mendes da Cruz (1989) beschreibt.

 

2.4 Embryobanken

In der biomedizinischen Forschung besteht zunehmend Bedarf an genetisch spezifizierten Kleinnagerstämmen. Die Erhaltung eines derart umfangreichen Stammangebotes durch Zucht, insbesondere bei nur gelegentlichem Bedarf solcher speziellen Stämme, ist mit großem Pflegeaufwand, Material- und Raumbedarf verbunden. Dies wird besonders deutlich bei Stämmen, die regelmäßiger Applikation von Medikamenten bedürfen (z. B. spontan diabetische Ratten).

Eine Embryobank bietet die Möglichkeit, diesen Aufwand stark zu reduzieren und bewahrt gleichzeitig den Genpool eines einzelnen Stammes sowie die Verfügbarkeit vieler verschiedener und spezieller Stämme.

Die eingefrorenen Stämme stellen generell eine Reserve dar, aus der heraus verlustig gegangene Stämme (z. B. nach mikrobiologischer bzw. genetischer Kontamination) schnell saniert bzw. regeneriert werden können.

Ferner kann die unvermeidliche Gendrift bei Inzuchtstämmen durch Revitalisierung kryokonservierter Embryonen nach einer bestimmten Anzahl Generationen wieder rückgängig gemacht werden, was der Forderung nach genetisch standardisierten Versuchstieren entgegenkommt. Einen möglichen Weg unter Einsatz der Kryokonservierung beschrieb Hedrich (1980).

Zunehmende Bedeutung gewinnt die Kryokonservierung für die Lagerung transgener Stämme. Bei der wachsenden Anzahl genmanipulierter Populationen würde das kontinuierliche Züchten all dieser Variationen zur Erhaltung des modifizierten Genpools sehr aufwendig.

 

2.4.1 Minimalzahl einzufrierender Embryonen

Die minimal einzufrierende Embryonenzahl hängt ab von der Effektivität und Sicherheit des Einfrier-Revitalisierungs-Systems, dem Einfrierzweck und nicht zuletzt vom Sicherheitsbedürfnis.

Bei der Effektivität ist nicht nur die Auftauquote, sondern der gesamte Ablauf bis zum Absetzen der Jungtiere zu berücksichtigen, da maternale Faktoren zu starkem Verlust von morphologisch intakt aufgetauten Embryonen nach dem Transfer und auch noch nach dem Wurf führen können. Friert man Embryonen mit dem Ziel ein, die Gendrift eines Inzuchtstammes zu verlangsamen, so müssen dafür die Auftauintervalle und deren gewünschte Anzahl bekannt sein. Da es sich um ein biologisches System handelt, bei dem mit großen Erfolgsschwankungen und unvorhergesehenen Effekten zu rechnen ist, sollte immer ein Mehrfaches der im ungünstigsten Fall notwendigen Embryonen tiefgefroren werden.

Um eine Inzuchtpopulation zu reetablieren sind 5 Zuchtpaare als ausreichend anzusehen. Bei Auszuchtstämmen ist eine ungleich größere Anzahl notwendig, müssen doch alle Zuchtgruppen oder Auszuchtlinien in der reetablierten Population in angemessener Zahl vertreten sein, um einen Heterogenitätsverlust zu vermeiden.

Die für notwendig erachtete Minimalzahl für die sichere Reetablierung eines Inzuchtstammes variiert von 500 Embryonen (Jackson Laboratory, Bar Harbor, USA (Mobraaten, 1981), Institute of Molecular Genetics, Prag, CR (Boubelik, 1988), MRC, Surrey, GB (Wood, 1981)) über 300 Embryonen (BRL, Füllinsdorf, CH (Schröder, 1989)) bis zu 200 Embryonen (ZFV, Hannover, D (Hedrich and Reetz, 1990)).

Bei Auszuchtstämmen ist die für homozygote Embryonen kalkulierte Zahl mit einem Faktor, der der Anzahl Zuchtgruppen entspricht, zu multipliziere.

 

2.4.2 Langzeitlagerung von tiefgefrorenen Embryonen

Seit es gelungen ist, Embryonen revitalisierbar tiefzugefrieren, steht die essentielle Frage nach der Stabilität tiefgefrorener Embryonen während ihrer Lagerzeit bisher noch nicht zufriedenstellend beantwortbar im Raum. Dieses Problem wurde von Mazur (1974) diskutiert, und Lyon et al. (1977, 1981) konnten einen Beitrag zu ihrer Beantwortung leisten.

Bei -196°C laufen weder normale chemische Reaktionen ab, noch existiert flüssiges Wasser. Wir haben es mit kristallinen oder glasartigen Strukturen zu tun, deren Viskosität sehr hoch ist, so daß Diffusion praktisch nicht stattfindet. Die thermische Energie und die molekulare Bewegungsenergie sind ebenfalls sehr gering. Die einzigen beachtenswerten Reaktionen in einem solchen System sind photophysikalischer Natur: die Bildung freier Radikale und Brüche in Makromolekülen durch ionisierende Hintergrundstrahlung oder hochenergetische Teilchen. Daraus entstehende Schäden akkumulieren sich zweifellos mit der Zeit, da in gefrorenem Zustand die Reparaturmechanismen, wie der gesamte Embryo lahmgelegt sind.

Bei Schätzungen mutagener Reaktionen geht man davon aus, daß ca. 1 % der unter normalen physiologischen Bedingungen vorkommenden Mutationen durch natürliche Strahlung hervorgerufen werden. Nimmt man weiterhin an, daß die Reparaturmechanismen nach dem Revitalisieren schnell wieder in Gang kommen, so ist erst nach Jahrzehnten Lagerzeit mit dem Anstieg von Mutationen im Vergleich zum physiologischen Background zu rechnen (Mazur, 1976).

Lyon et al. (1981) fanden nach 5 Jahren Lagerzeit kein Absinken der Revitalisierbarkeit im Vergleich mit Embryonen, die nach 24 h Lagerzeit schon revitalisiert wurden. Bei simulierten Background-Strahlungsdosen von 10 und 100 Jahren Lagerzeit konnten ebenfalls keine nachteiligen Wirkungen auf die Revitalisierbarkeit festgestellt werden.

Abschließend beantworten läßt sich die Frage nach der Stabilität der tiefgefrorenen Embryonen jedoch erst in der Zukunft, wenn genügend Embryonen zur Verfügung stehen, die längere Zeit gelagert worden sind.