Führung in Ausnahmesituationen internationales Zivilschutz Logo

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung
  2. Grundsätzliche Führungsregeln
  3. Besonderheiten der Führung in Ausnahmesituationen
  4. Grundregeln der Befehlsgebung
  5. Befehlsschema
  6. Führungszyklus

Die auf dieser Seite gesammelten Dokumente und Erfahrungen stammen aus meinen beruflichen Tätigkeiten als Linienvorgesetzter und Projektleiter in der Banken und Logistikbranche. Ausserdem wirke ich seit über 10 Jahren in einem Stab des Zivilschutz Basel-Stadt, momentan als Kdt Stellvertreter eines Schutzbereichs im Rang eines Hauptmanns. Ich bin mir bewusst, dass die Informationen sehr gerafft dargestellt sind. Bitte schreib mir, ob die Zusammenstellung für Dich nützlich war oder allenfalls warum nicht. Ich nehme gerne jede Chance wahr, um besser zu werden. ich lächle Dich an!

Ein-Führung

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Führer sind auch Menschen. Die Formulierung ist bewusst provokativ gewählt. Ein jeder Mensch ist unvollkommen, macht Fehler oder hat charakterliche Fehler. Wenn wir einer Führungsperson begegnen, können wir ihm dann seine Fehler verzeihen? Ist es wirklich so einfach unserem Vorgesetzten seine Macken nachzusehen. Kannst Du einem Staatsführer verzeihen, der Tausende (oder gar Millionen) von Menschenleben auf dem Gewissen hat? Wir erwarten mehr von einem Führer. Zum Teil fast Übermenschliches wird erwartet , möglichst keinen Fehler darf er in seiner Rolle begehen. Je höher in der Hierarchie der Führer sich befindet, umso höher wird die Erwartung: Das Privatleben eines Staatschefs, sein Vorleben, seine sexuellen Vorlieben und seine Drogenkonsumgewohnheiten sind scheinbar ernsthafte Issues für die Öffentlichkeit.

Unsere Erwartungshaltung mit den hochgesteckten Zielen hat für uns zwei Folgen:

  1. Wir werden laufend von unseren Vorgesetzten und Politikern etc. enttäuscht, da sie unseren Erwartungen nicht entsprechen können.
  2. Wenn wir selbst eine Führungsrolle übernehmen (Elternrolle, Lehrer, Jugendgruppe, Freizeitgruppenleiter, Militär, Zivilschutz, Projektleiter, Linienvorgesetzter in Job...) dann setzen wir uns mit den hohen Erwartungen selbst unter Druck. Dieser Druck kann neben seinem positiven Effekt (Einhaltung ethischer Grundprinzipien, selbstkritische Reflektion) auch einen negativen Effekt haben, die bis zur Blockierung von Führungs-Systemen führen kann. Ein Führer der gehemmt ist in seinen Entscheidungen, aus Angst vor Fehlern, verliert seine Berechtigung die Führungsrolle inne zu haben, und taugt noch als Durchlauferhitzer.)

Im ganzen Leben wechseln wir öfters -z.T. mehrmals täglich- zwischen der Rolle 'Führer' und der Rolle 'Geführter' hin und her. In beiden Rollen kannst Du Dir das Leben einfacher machen, sobald Du akzeptieren wirst: Führer sind auch Menschen. Sie dürfen Fehler machen. Jeder Fehler den Du machst ist ein Gewinn für Dich. Bei jedem Fehler, den Du machst, sagst Du Dir: 'Toll schon wieder was gelernt'.

Aja, öfters hört man auch, dass der Führer auch eine grosse Verantwortung trägt. Glaubst Du das? Kann ein Führer wirklich die Verantwortung tragen für sein Tun? Kennt er alle Folgen seines Handelns? Wie trägt er die Verantwortung? Und trägt er sie dann wirklich? Ist es nicht vielmehr so, dass je mehr Macht als Führer Du hast, je mehr Möglichkeiten hast Du die Fehler andern, die tiefer in der Hierarchie sind, in die Schuhe zu schieben. Du behauptest, Du wurdest nicht rechtzeitig oder umfassend genug informiert. Der Satz 'Ich trage hier schliesslich die Verantwortung' ist meist eine Rechtfertigung für einen Machtmissbrauch, und zeugt sicher immer von schlechtem Führungsstil. Wie kann ein Führer überhaupt die Verantwortung übernehmen? Ein Rücktritt eines Staatschefs kann seine Fehler meist nicht mehr gutmachen. Seine Taten betreffen viel mehr Menschen oder gar Menschenleben als er mit seinem Leben gut machen kann. Was hilft es wenn ein mächtiger Manager seinen Posten zur Verfügung stellt, und damit 'die Verantwortung übernimmt'. Seine Fehler sind nicht mehr rückgängig zu machen. Und er kassiert vielleicht noch eine zusätzliche Abfindung, die weder berechtigt noch nötig ist, da er im finanziellen Bereich schon lange ausgesorgt hat. Es kommt mir bei Rücktritten von Führern oft so vor, als ob die 'Verantwortung übernommen' wird, obwohl gerade dann betont wird, es treffe einem keine Schuld. Doch das ist ein Widerspruch: Die Frage der Schuld lässt sich nicht von der Verantwortung trennen. Verantwortung tragen kann letztlich nur jeder gegenüber seinem eigenen Gewissen.

Grundsätzliche Führungsregeln

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Besonderheiten der Führung in Ausnahmesituationen

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Eine Ausnahmesituation tritt ein, wenn ein Ereignis nicht mehr mit den üblichen Prozessen und Organisationen während den normalen Arbeitszeiten bewältigt werden kann. Der Übergang von einer normalen rettungsdienstlichen Aktion zu einer Ausnahmesituation ist demnach fliessend.

Grundregeln der Befehlsgebung

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'Auftragstaktik' bezeichnet das Führungsprinzip, Aufträge so zu formulieren, dass sie den Untergebenen so wenig wie möglich in der Durchführung einengen.
  1. Erst befehlen, wenn Du weisst, was Du willst.
  2. In der Reihenfolge der Dringlichkeit befehlen.
  3. Befehle so übersichtlich gestalten, dass das Wesentliche sofort erkennbar ist.
  4. Nach 'Auftragstaktik' nur das befehlen, was der Unterstellte wissen muss, um sebständig handeln zu können.
  5. Trotz ' Auftragstaktik' vollständig befehlen.
  6. Denken beim Befehlen. Versetze Dich in die Lage des Empfängers.
  7. Klare Unterstellungs- und Befehlsverhältnisse schaffen. 'Vereinbarungen' werden meistens versagen.
  8. Dienstweg einhalten. Nicht in Stäbe 'hineinbefehlen' oder über Führungsebenen 'hinwegbefehlen'. Kann der Dienstweg ausnahmsweise nicht eingehalten werden, alle Zwischenstellen unverzüglich nachträglich unterrichten.
  9. Nichtssagende Redensarten vermeiden, denn sie verwirren: z.B. restlos, unter Umständen, baldmöglichst, unbedingt versuchen. Befehle exakt und ohne Tilgungen (vgl. Meta-Modell der Sprache)
  10. Besser ein nicht formvollendeter Befehl rechtzeitig, als ein formvollendeter Befehl zu spät.

Nur sachgemässe Anwendung der Befehlsgebung stärkt das Vertrauen in die Führung und sichert damit Disziplin und Schlagkraft der Formation. Das Befehlen erfordert charakterliche, geistige und fachlich hohe Voraussetzungen neben ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein. Sachkenntnis, schnelle Auffassungsgabe, Fähigkeit zum folgerichtigen Denken und Einfühlungsvermögen, Vorhersage von künftigen Entwicklungen sind die Grundlagen zu einer guten Befehlsgebung. Nicht vorhersehbare Ereignisse und 'Reibungen', die auf gegebene Befehle einwirken, müssen durch einen festen Willen des Befehlenden überwunden werden, ohne jedoch zur Sturheit zu werden; die Haltung der Sturheit würde eine rasche Anpassung an neue Lagen erschweren. Der vielgepriesene 'Mut zur Lücke', oder der 'Mut zum Fehler' sei hier erwähnt. Lieber ein brauchbarer Entschluss zur Zeit, als ein optimaler Entschluss zu spät. Und wie ein erfahrener Feuerwehr Kommandant bei einer Stabsausbildung meinte:'Man soll nicht schon beim Essen ans Scheissen denken.'

Befehlsschema

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Lagedarstellung

Allgemeine Lage
  • Art des Ereignisses
  • Ort des Ereignisses
  • Umfang des Ereignisses
  • Wirkung des Ereignisses
  • besondere Gefahren
Eigene Lage
  • vorhandene Einsatzkräfte
  • zu erwartende Einsatzkräfte
  • unterstellte Kräfte/Material
  • Angaben, mögliche Anforderungen
Betroffene (Opfer)
  • Verletzte
  • Tote
  • Obdachlose

Auftrag

Auftragsart, -umfang und -formulierung

Durchführung

  • eigene Absicht: formuliert den Entschluss, die Zielsetzung, "Ich will"
  • Aufträge an einzelne Grupenmitglieder
  • Schwerpunkte
  • Abgrenzungen
  • gegebenenfalls Erkundungen
  • Massnahmen zur Zusammenarbeit der einzelnen Einsatzkräfte mit Dritten
  • Massnahmen zur Sicherung der Einsatzkräfte
  • Teilziele festlegen

Versorgung

  • Angaben zur laufenden Versorgung und Hilfe
  • ärztliche Versorgung, Rettungsmittel und -fahrzeuge
  • Verpflegung
  • Unterkunft
  • Instandsetzung

Führung und Verbindungen

  • Fernmeldeverbindungen
  • sonstige Verbindungen, Medien
  • Platz des Führenden (Standort Kdt, Einsatzleitung, Schadenplatz, Stab Front)
  • nächster Rapport

Führungszyklus in Notfallorganisationen

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Der Führungszyklus des Stabs einer Notfallorganisation besteht aus den folgenden Komponenten:

  • Alarm (einmalig)
  • Orientierungsrapport (einmalig)
  • Sofortmassnahmen (zyklisch)
  • Entschlussrapport (zyklisch)
  • Lagerapport (zyklisch)
Führungszyklus
Alle Rapporte werden grundsätzlich vom verantwortlichen Kommandanten befohlen (Art, Inhalt, Zeitpunkt, Länge, Ziele, Traktandenliste, Teilnehmer). Die Sitzung wird normalerweise vom Kdt Stellvertreter geführt und protokolliert. Der Kdt Stellvertreter bestimmt auch über Zeitpunkt und Ort des Rapports. Die Dauer der Rapporte soll nie länger als 10 Min. sein. Wer nichts zu sagen hat, sagt nichts! Nur kurz und prägnant formulierte Beiträge. Der Rapport ist nicht der geeignete Ort, um seine Probleme (weder privat noch fachspezifisch) vorzutragen. Berichte darüber was geht, und verliere dich nicht in Schilderungen was alles nicht geht oder nicht funktioniert. Es interessieren Lösungen, nicht Probleme. Im Rapport werden konkrete Anträge gestellt, Varianten präsentiert, sowie deren Vor- und Nachteile geschildert. Gute Rapport Vorbereitung ist das A und O. Bei einer Totalzeit von 10Min. und einem Stab von 5-10 Leuten hat jeder höchstens 1-2 Min. zur Verfügung. Nutze also Deine wenige Zeit gut.

Alarm

Alarmierung des Stabes oder Teile davon (Kernstab) durch die vorgesetzten Stellen kann geschehen über:

Orientierungsrapport

Der Orientierungsrapport findet nur einmalig unmittelbar nach dem Alarm statt. Die Stabsmitglieder werden unterschiedlich lange brauchen bis sie im Stabsbüro eintreffen. Der Rapport wird durchgeführt, sobald ca. die Hälfte des Stabes anwesend ist. Ziel des Rapports ist es

Mögliche Traktandenliste des Orientierungsrapports:
  1. Orientierung (Kdt)
  2. Kurz-Analyse der Lage (Kdt)
  3. Sofortmassnahmen (alle)
  4. Aufträge: wer/was/bis wann (Kdt)
  5. Zeitplan (Kdt)
  6. Organisation des Stabs (Kdt)
  7. Umfrage (alle)
  8. festlegen nächster Rapport (Kdt)

Sofortmassnahmen

Sofortmassnahmen werden im Orientierungsrapport oder im Lagerapport beschlossen. Sie dienen dem Zeitgewinn und sollen die Entscheidungsfindung (im Entschlussrapport) nicht einschränken. Mögliche Sofortmassnahmen sind:

Nach dem Orientierungsrapport beurteilen der Kdt und sein Stellvertreter die Lage, bereiten einen provisorischen Entschluss vor, leiten die Konsequenzen ab und erstellen eine Eventual Planung (was wäre wenn?). Der Kdt Stellvertreter bereitet den Entschlussrapport vor.

Die andern Stabsmitarbeiter beurteilen nach dem Orientierungsrapport die Lage im Fachbereich (Fachlage), beschaffen sich Nachrichten (Holprinzip der fehlenden Infos) und bereiten Kurzvorträge (Varianten, Vor-/Nachteile, Empfehlung, Anträge, max.1-2Min.!) für den Entschlussrapport vor.

Entschlussrapport

Der Entschlussrapport findet zum vom Kdt vorgegebenen Zeitpunkt nach erfolgter Stabsarbeit oder ad hoc nach wichtigen Resultaten in einem Teilbereich statt und hat folgende Ziele:

Mögliche Traktandenliste des Entschlussrapports:
  1. Ziel/Zweck (Kdt)
  2. Beurteilung der Lage (Kdt Stv)
  3. Präsentation der Planung (alle)
  4. Anträge (alle)
  5. Entschluss/Entscheidung (Kdt)
  6. Mögliche Anordnungen (Kdt)
  7. Organisation des Stabs (Kdt Stv)
  8. Anpassung des Zeitplans (Kdt Stv)
  9. Umfrage (alle)
  10. festlegen nächster Rapport (Kdt Stv)
Alle Stabsmitarbeiter vervollständigen die Anordnungen/Weisungen/Befehle nach dem Entschlussrapport. Die Stabsmitarbeiter formulieren besondere Anordnungen in ihrem Fachbereich. Der Kdt redigiert die Absicht, Aufträge und grundsätzliche Anordnungen. Zusammen mit einem Nachrichten Chef (Kommunikations/PR-Verantwortlicher) formuliert er eine Orientierung für die Bevölkerung, Nachbarorganisationen etc. um sie über die beschlossenen Schritte zu informieren.

Lagerapport

Der Lagerapport findet statt nach Auftrag des Kdt oder des Kdt Stv (im Entschlussrapport festgelegt) oder ad hoc wenn die Lage ev. neue Entschlüsse fordert. Der Lagerapport dient ausserdem dem Informationsabgleich bei jedem Schichtwechsel. Der Lagerapport hat also folgendes Ziel:

Hat die neue Lage Einfluss auf mein Lagebild und auf die Entschlüsse? Es muss vorausschauend geplant werden. Jeder Fachbereichsleiter muss jederzeit fähig sein die Fachlage in seinem Bereich kurz und prägnant zu schildern. Mögliche Traktandenliste des Lagerapports:
  1. Rückmeldung vom Einsatz Ort (Fachbereichsleiter)
  2. Getroffene Anordnungen (Fachbereichsleiter)
  3. externe Lageentwicklung (Nachrichten Chef)
  4. Zustand der Kräfte, Fachlage (Fachbereichsleiter)
  5. Neue Gefährdungen (Nachrichten Chef)
  6. Beurteilung durch Fachbereiche (Fachbereichsleiter)
  7. Handeln? Sofortmassnahmen?, Entscheid? (alle)
  8. Umfrage (alle)
  9. festlegen nächster Rapport (Kdt Stv)
Hier schliesst sich der Kreis des Führungszyklus wieder bei den Sofortmassnahmen.

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