SY-VERENA
basilea
DOMIZIL AN BOARD
Freuden und Leiden einer lagen Vorbereitungszeit zum Open - Segeltörn
Unsere Entscheidung
Vreni, meine Frau und ich sind fest entschlossen, nach fast acht schönen Jahren auf dem Neuenburgersee, dieses Revier zu verlassen. Es ist uns zu eng geworden und ausserdem möchten wir das in den letzten Jahren zusätzlich für Charter ausgegebenes Geld lieber in das eigene Schiff stecken. Einzig die vielen guten Bekannten und Freunde aus der vergangenen Zeit werden wir natürlich vermissen.
Wir wollen unser so sehr geliebtes und gutes Segelschiff, des Typs „Jeanneau Arcadia“ verkaufen. Die erst siebenjährige Yacht ist in einem sehr guten Zustand und Tip - Top ausgerüstet. Wir hoffen noch recht viel Geld dafür zu bekommen. Dieses Geld brauchen wir auch sehr dringend. Es wird unser Startkapital zum Kauf einer grösseren, Occasions –Segeljacht auf dem Meer sein. Auch den Bootsplatz wollen wir verkaufen, obschon es die meisten unserer Bekannten nicht verstehen können. Wir brauchen jeden Franken für unser neues Vorhaben. Eine ansehnliche Summe steht auf dem Spiel, aber nur diese kann uns den Start zum Blauwassersegeln auf eigenem Kiel ermöglichen.
Ein Inserat im „Anzeiger der Stadt Bern“ und eines in der Segelzeitschrift „Yachting“ soll mithelfen möglichst bald einen Käufer zu finden. Ausserdem bringen wir rund um den Neuenburgersee, in allen Yachthäfen den Anschlag „Segelschiff mit Bootsplatz zu verkaufen“ an. Schon bereits das Inserat im Stadtanzeiger bringt uns zwanzig Interessenten. Weitere zehn, und wie sich später herausstellt eine Anzahl von Nachzüglern, melden sich auf die Anschläge in den verschiedenen Häfen und auf das Angebot im Yachting.
Nun beginnt für Vreni und mich eine mühsame Zeit. Telefon um Telefon, Abend für Abend. Manchmal ist es lustig, dann wieder ergibt sich ein interessantes Gespräch über Segeln und die Schiffe, oft aber gehen die Anrufer auch auf die schon langsam überlasteten Nerven.
...Was, so ein hoher Preis? Nein danke, ich möchte nur ein Schiff, mit dem ich gerade noch auf das Meer kann, also etwa sieben Meter.
... Ah, so gross! Ich habe mir etwas Kleineres vorgestellt und so gut ausgerüstet müsste es auch nicht sein.
... Kann ich nur den Bootsplatz kaufen? Das Schiff interessiert mich nicht.
Noch eine weitere Anzahl standardisierter Anmerkungen und Aussagen werden wir in den nächsten Tagen zu hören bekommen.
Trotz sehr vielen interessierten Menschen, stellen wir bald einmal fest, dass es nicht einfach sein wird unser schönes Schiff zum geforderten Preis verkaufen zu können. Wir werden aber nicht aufgeben. Wir sind auf dieses Geld angewiesen und werden auch nicht vom Preis abweichen, wir können es ganz einfach nicht.
Schlaflose Nächte und viele Abende an denen wir bereits Daten von zu verkaufenden Hochseeyachten studieren folgen in der nächsten Zeit. Was haben wir uns da nur wieder vorgenommen, mein Vreni und ich?
Dann der erste Interessent, der unser Schiff besichtigen will. Es ist sehr kalt an diesem Morgen; wir haben den Landstrom angeschlossen und unsere SY-VERENA, so heisst das Schiff, schön warm aufgeheizt. Etwas nervös empfangen wir den ersten Kunden. Er kommt alleine, das ist meistens kein hoffnungsvolles Zeichen. Es stellt sich auch bald heraus das Schiff möchte er schon, es gefällt ihm ausserordentlich, aber sein eigenes müsste er auch noch zuerst verkaufen und den Bootsplatz möchte er lieber im nächsten Hafen westlich haben. - Die nächste Besichtigung, ein Ehepaar, welches nach einer vollen Stunde selbständiger, detaillierter Besichtigung hoch begeistert zu sein scheint, will die Entscheidung nur noch überschlafen und dann zurückrufen. Das Telefon kommt auch wirklich, bereits am nächsten Mittag. Er hätte keinen Grund gefunden, so der Herr X, an meinen Aussagen zu zweifeln und auch das Schiff sei sehr schön, er habe den Preis, wie man das bei einem Auto mache, errechnet. 10000 Franken weniger als von uns verlangt, dann werde er kaufen. Aber er hat auch noch Bedingungen. Eine ganz genaue Liste über jeden lnventargegenstand, den ich mitliefern würde, eine schriftliche Bestätigung, dass im Frühling nach dem Einwassern auch wirklich alles einwandfrei funktionieren werde, und, und, und.. und.. . Hier fällen nun wir den Entscheid. Nein, dem gehört unser geliebtes Schiff nicht.
Am nächsten Wochenende haben wir drei Interessenten auf unserer Liste. Jede volle Stunde ein Vorführtermin. Es ist 13:30 Uhr, wir sind eigentlich bereit, aber noch zu früh. Sind Sie Familie Nydegger? Die Frage kommt von einem Ehepaar aus Biel, sie erwarten uns als erste und sind auch etwas früh angekommen. Gleich waren uns die beiden sympathisch, ja denen würden wir unsere SY-VERENA anvertrauen. Ob dieser erste Eindruck zutrifft? Nach einer Stunde, wir haben jedes Detail gezeigt und erklärt, sind sich JC und J gleich einig, das muss ihr neues Schiff sein. Mit dem Kaufvertrag unter dem Arm verschieben sie sich in Richtung Restaurant „Du-Port“. Unterdessen erklären Vreni und ich der nächsten, zur Besichtigung eingeladenen Familie, dass unsere SY-VERENA bereits verkauft sei. Auch dem dritten Interessenten, welcher noch kommen wollte, können wir telefonisch diese Nachricht zukommen lassen. Beide sind enttäuscht. Nachdenklich verschieben wir uns Richtung Restaurant. Wir sind in uns gekehrt, glücklich oder traurig? Nun muss dieser schwere Schritt getan werden. Es ist nicht einfach, sich von einem Schiff, für das man unzählige Stunden aufgewendet hat und mit dem man unsagbar viel Schönes erlebt hat, zu trennen. Wir sind uns beide einig, es war ein schöner Lebensabschnitt, aber er ist nun einmal vorbei, der Neuenburgersee ist uns zu klein geworden, wir möchten aufs Meer. Ausserdem sind wir jetzt schon davon überzeugt, unsere SY-VERENA kommt in gute Hände. Sie wird sich halt daran gewöhnen müssen, in Zukunft die Befehle, Lob und Tadel auch in französischer Sprache zu bekommen.
Die Suche nach unserem Hochseeschiff
So nun stehen Vreni und ich da. Wie zwei Fische, denen man das Wasser abgelassen hat. Wir ringen nach Luft, nach Wasser und nach einem Schiff. Wir haben nun viel Geld, aber wie wir wissen zu wenig, um ein neues, grösseres Schiff, nach unseren Wünschen zu kaufen. Die Zielvorstellung aber, die ist klar. Das „neue“ Schiff muss von guter Qualität sein und gross genug, damit wir in etwa acht Jahren auf grosse Fahrt gehen können. Wir haben vier begabte Hände und zwei Köpfe. Und ein Dritter lässt seine Ideen auch noch einfliessen, unser Sohn Roger. 11 bis 12 Meter Länge muss das Schiff haben, eine Mittelplicht, viel Stauraum, Wohnlichkeit kommt vor Geschwindigkeit. Eine Ketsch, ja das wäre natürlich schon noch etwas, aber werden wir nicht noch arrogant. Abende lang werden nun Angebote von Gebrauchtschiffen studiert. Im Yacht, im Yachting und im Bateau kennen wir bald alle in Frage kommenden Yachten auswendig. Von zwanzig Schiffen die uns interessieren, verlangen wir die Unterlagen und nähere Angaben. Am 13. Februar 1992, der dreizehnte hat uns schon immer Glück gebracht, ist es dann so weit. Zwei Schiffe sind noch übrig geblieben, eine Sharki von Amel und eine Amphora von Wauquiez. Beide sind gleich alt, beide sind im Preis und beide liegen in Südfrankreich und erst noch mit einem erschwinglichen Liegeplatz, der in Miete übernommen werden kann. Also fahren wir im nächsten Wochenende mit unserem Opel Kadett ans Mittelmeer. Die Sharki öffnet uns sofort beide Augen und zeigt uns, was für den für uns möglichen Preis noch zu haben ist. Oder wird es noch anders kommen? Auf alle Fälle können Vreni und ich nicht verstehen, dass man in nur zehn Jahren ein solch gutes Schiff in einen derart miserablen Zustand versetzen kann. Was wir auch anschauen, es ist defekt oder fehlt. Auch der optische Allgemeinzustand ist schlecht. Niedergeschlagen verschieben wir uns am späten Abend der Küste entlang nach Saint-Raphael. Wenigstens das Wetter stimmt, es ist frühlingshaft, es blühen bereits die Mimosen und es ist recht warm. Wie die Amphora aussehen wird, werden wir erst am nächsten Tag erfahren.
Die „SANTIANO“ liegt ziemlich verwahrlost im Yachthafen von Saint-Raphael. Die Besanpersenning ist zerrissen und das Schiff macht einen eher ungepflegten Eindruck. Aber wir sind uns klar darüber, dass unsere Vorstellungen von einem gepflegten Schiff etwas anspruchsvoll sind. Wir schauen dennoch genauer hin, die Amphora gefällt uns gut. Es ist ein Kunststoffschiff aus der bekannten Werft Wauquiez. Ein etwas ausgefallenes Schiff, aber das passt zu uns. Die Rettungsinsel und das Beiboot sind noch bei der Werft zur Kontrolle und werden uns später gebracht. Der Eigner, der uns das Schiff zeigt, musste sich entscheiden: das Schiff oder seine Frau. Er hat richtig entschieden und will uns seine Yacht zu einem guten Preis, es sind keine 200‘000 Franken, verkaufen. Die guten Seiten der Amphora kommen immer mehr zum Vorschein. Der Kocher mit Backofen ist neu, auf diesem Schiff hat man gar nie gekocht. Die Schläuche der Gasanlage und andere wichtige Details sind ersetzt, was uns das Datum verrät. Die Polster sehen noch schön aus und was für mich besonders wichtig ist, das Schiff ist trocken. Es liegt eine schriftliche Expertise vor, dass das Schiff weder Osmose noch versteckte Mängel aufweise. Alles kann man ja gar nie kontrollieren, wir machen uns nichts vor, so ein Bootskauf ist immer ein Risiko. Wir haben uns trotz der auf uns zukommenden Arbeit schon bald in das Schiff verliebt. „Ja“ zu sagen brauchte dennoch eine grosse Überwindung, ich tat mich sehr schwer, was auch meine liebe Frau merkte und mir einen Schubs geben musste.
Unsere neue SY-VERENA ist nun also eine Ketsch, ein Zweimaster von der französischen Werft Henry Wauquiez, vom Typ Amphora. Sie ist 11,40 Meter lang und 3,90 Meter breit. Die Achterkabine ist ein Wunderding an Platz und Komfort. Somit haben wir auch den zweiten Graben übersprungen, das zweite Problem gelöst. Das nächste folgt sogleich und wird bestimmt nicht das letzte sein.
Als echte Patrioten wollen Vreni und ich natürlich unter Schweizerflagge segeln. Ja, ja, da wird einiges abverlangt, wie wir bald feststellen müssen. Ist man in Frankreich, verlangen die Bürokraten dort, Angaben welche man zu Hause hat, ist man zu Hause, braucht man sicher Angaben, die auf dem Schiff in Frankreich zu finden wären. Immer wieder liegen 725 Kilometer mit 7 Stunden Reisezeit dazwischen. Was man auch nicht vergessen darf, mit diesen wiederkehrenden Reisekosten, hätten wir uns schon lange ein Haus oder eine tolle Wohnung als Eigentum leisten können. Aber eben, unsere Schweizer Versicherungsgesellschaften sind auf Binnenlandprobleme spezialisiert und haben wenig Interesse an einem zur Hochsee wollenden Spinner. Schon ein Schiffsname anstelle einer Chassisnummer ist einigen unverständlich. Wenn man dann noch als Heimathafen Basel angibt und wie wir es wollten auch noch die italienische Schreibart „Basilea“ wünscht, obschon doch das Schiff im Hafen von Saint-Raphael liegt, versteht man die Schiffswelt gar nicht mehr. Dank unserem hilfsbereiten Marco Moser von der Zürich Versicherung gelingt es uns, umfangreiche Informationen zu bekommen und doch noch eine Versicherung abzuschliessen. Unbegreiflicherweise nicht etwa bei der international tätigen Zürich Versicherung, sonder bei der Union UAP. Langsam haben wir alle notwendigen Unterlagen zusammengekratzt, um den Flaggenscheinantrag stellen zu können. Fast! ...ah, ja, da fehlt noch die Bestätigung vom französischen Zoll, dass die Flagge von France gelöscht wurde. Ein Telefongespräch mit dem Zoll in Saint-Tropez bringt Klarheit. Weder ein Fax noch ein Brief genüge, wir müssen mit den Unterlagen vorbei kommen. Überall sichert man sich ab, will ein Exemplar des Kaufvertrages, der Zahlungsüberweisung und weitere Unterlagen zur Bestätigung, dass jetzt wir die rechtmässigen Eigner dieser Yacht sind. Eigentlich gut so, aber eben umständlich. Immer wieder beansprucht es unsere kostbare Freizeit und natürlich auch harte Schweizerwährung. Doch man glaubt es kaum, trotz schlaflosen Nächten macht es Spass und wir freuen uns auf das Ende der Formularzeit und auf das Segeln. Über zwei Wochen seit unserem Schiffskauf in Frankreich sind mittlerweile vergangen, jede frei Minute war auf irgend eine Weise dem neuen Schiff gewidmet und nun glauben wir, endlich alles eingefädelt zu haben. Jetzt müssen wir auf die Antworten all der Anträge und Schreiben warten.
Erstes Wochenende auf dem neuen Segelschiff
Mit unserem Auto bis zum Dach beladen, erreichen wir mit etwas mulmigem Gefühl im Magen den Grenzübergang zu Frankreich. An der Wärme sitzend ist nur ein einziger Zöllner anwesend, der uns auch prompt ganz freundlich vorbeiwinkt.
Nach fünf Stunden Fahrt, ab Genf, erreichen wir bereits um neun Uhr Saint-Tropez. Der hiesige Zoll ist unser erster Anlaufpunkt. Wie bereits vor ein paar Tagen abgesprochen, melden wir uns zur Annullierung des französischen „Acte de Francisation“ auf dem Hauptzollbüro. Dass Vreni Telefoniert hat, will hier bereits niemand mehr wissen und im übrigen seien wir nicht ganz richtig, wir müssten zu dem Ein- und Ausklarierungsbüro gegenüber vom grossen Parkplatz gehen. Eine freundliche Zollbeamtin empfängt uns dort. Ihren Motorroller hat sie gleich neben Ihrem Pult auf dem Teppich im Büro parkiert. Zwei der drei Telefonhörer liegen auf der Tischplatte und über den dritten führt Madame gerade ein Gespräch, das sie bei unserem Erscheinen freundlicherweise gleich beendet. Sie mustert den von uns zur Annulation mitgebrachten Flaggenschein und weis sofort was zu tun wäre. Ja, leider „wäre“, und nicht „ist“. Der Vorbesitzer unserer Yacht hätte diesen Flaggenschein persönlich löschen lassen müssen. Ausserdem habe er leider auch die per Januar fällige Jahressteuer von 1300 Francs nicht bezahlt. Was nun??? Wir suchen krampfhaft eine Lösung zu finden, sind wir doch extra wegen dieser Amtshandlung die mehr als 700 Kilometer hierher gefahren. Bald müssen wir erkennen, dass es nur eine einzige Lösung gibt. Wir werden wieder einmal zur Kasse gebeten. Die fällige Steuer muss durch uns bezahlt werden, sofort und in bar. Es ist uns klar, dass wir sie zurückfordern werden, doch das ist nicht das Problem, sondern einmal mehr sind es die zusätzlichen Umtriebe, die entstehen. Wenigstens steht der Lösung des französischen Flaggenscheins jetzt nichts mehr im Wege - mit Ausnahme, dass der Kommissär, der diese Papiere unterschreiben und stempeln muss, erst am Nachmittag ab zwei Uhr anwesend sein wird. Somit fahren wir die rund 40 Kilometer zurück zu unserem Liegeplatz in Saint-Raphael. Wir möchten schliesslich noch an unserer SY-VERENA arbeiten, wir haben uns sehr viel vorgenommen. Da wir annehmen, dass um zwei Uhr unsere Papiere noch nicht fertig sein werden, fahren wir erst eine Stunde später zurück zum Zoll. Das Zollbüro finden wir geschlossen vor. Wir setzen uns vor die abgeschlossene Türe, schauen dem Hafentreiben und den Möwen zu und geniessen die warme Frühlingssonne. In meinem Innern, das kann ich euch flüstern, sah es zu diesem Zeitpunkt gar nicht so friedlich aus. Aber auch ich werde noch so manches in dieser Hinsicht lernen müssen. Nach etwa zwanzig Minuten kommt unsere nette Zollbeamtin zurück und bringt uns die Nachricht, dass Ihr Chef leider stark überlastet sei und er unsere Papiere erst in einer halben Stunde bearbeiten könne. Die Aufforderung, ein kühles Bier trinken zu gehen, nehmen wir wohl oder über gerne an. Wieder kommen wir erst nach doppelt verstrichener Zeit zurück denn wir wollen den Beamten genügend Zeit einräumen, schliesslich sind Vreni und ich auch zwei von dieser Berufsgattung. Leider hat der Herr Kommissär immer noch keine Zeit gefunden, den Stempel und seine werte Unterschrift auf das Papier zu setzen. Es ist halt schon ein Problem, wenn gerade an diesem Nachmittag, wo ausgerechnet wir erscheinen, einer der Beamten frei nehmen musste. Hilfsbereit wie immer, bittet man uns Platz zu nehmen und die Zöllnerin geht noch persönlich zu ihrem Chef. Er hat übrigens sein Büro auf der anderen Parkplatzseite, dort im Hauptgebäude, wo wir uns am Vormittag zuerst anmeldeten. Die drei Telefonhörer liegen wieder auf dem Tisch, das Telefon im Douane von Saint-Tropez ist und bleibt besetzt. Nach weiteren dreissig Minuten haben wir das heiss ersehnte Papier in der Hand. Wir besitzen das wichtige „Zertifikat de la Douane“, bedanken uns recht freundlich beim Zoll von Frankreich und hoffen, nun bald unseren Schweizer Flaggenschein beantragen zu können. Übrigens liegen die drei Telefonhörer als wir gehen noch immer auf der Tischplatte im Zollbüro von Saint-Tropez.
Wir benötigen eine Schiffsexpertise
Am Samstag um zwei Uhr werden wir, so wurde es wenigstens abgesprochen, Monsieur GiI und den Schiffsexperten treffen. Wir erwarten die Beiden auf unserem Schiff, Liegeplatz Nummer 965. Herr Gil, ein älterer, hagerer, netter und kompetenter Bootsfachmann hat in den letzten fünf Jahren unser Schiff gewartet und unterhalten. Er hatte vom Besitzer einen Dauerauftrag, weil dieser nur sehr selten auf das Schiff kommen konnte. Herr Gil war für das periodische Laden der Batterien, für regelmässigen Motorenprobelauf und für alle anfallenden Reparaturen und Unterhaltsarbeiten zuständig und verantwortlich. Er kannte von jeher das Schiff besser als sein Eigner. Er erscheint sehr pünktlich und wir erkennen gleich, dass er glaubt auf „sein“ Schiff zu kommen. Wir glauben fast fragen zu müssen, ob wir an Bord kommen dürfen. Dass das Schiff einen schon viel ordentlicheren Eindruck macht, sieht der Mann nicht, oder er will es nicht sehen. Was ihn aber bereits unruhig macht ist, dass nicht mehr alles dort liegt, wo es einmal seinen alten Platz hatte. Er ist aber sehr nett und wir profitieren von seinem Wissen über unser Schiff. Er zeigt uns, was er noch reparieren wollte und was er noch repariert habe. „C‘est nouveau“ ist anscheinend alles, was nicht mehr original ab Werft ist und somit nicht Jahrgang 1981 hat. Mit einer Stunde Verspätung erscheint der Schiffsexperte. Er entschuldigt sich und wir wissen nur allzu gut wie man auf der verkehrsreichen Küstenstrasse von Nizza nach Saint-Raphael aufgehalten werden kann. Monsieur Jollois nimmt die Hochseetauglichkeitsprüfung, die vom schweizerischen Seeschifffahrtsamt Basel verlangt wird, sehr ernst. Man stellt gleich fest, dass hier ein Profi am Werk ist. Die oft kniffligen Fragen beantwortet zum Glück unser Herr Gil sehr gut und präzise. Fast drei Stunden lang wird unsere SY-VERENA auf Herz und Nieren geprüft und jeder verborgene Winkel wird mit der Taschenlampe ausgeleuchtet. Zusammenfassend meint der Experte, wir hätten ein sehr, sehr gut gebautes Schiff gekauft und es habe die Hochseetauglichkeitskategorie 1 wirklich verdient. Der Rost und die Korrosion allgemeiner Art sei minimal und absolut im Rahmen. Der Pflegezustand und das laufende Gut sowie die Segel seien - ganz persönlich und sehr gekonnt richtet er sich mit viel Charme und Diplomatie an Vreni - eher mittelmässig, aber er sehe schon, wir brächten das schon hin. Sein Blick lässt erkennen, dass er uns bereits durchschaut hat. Er hat festgestellt und gesehen, wie wir bereits am Reinigen, Reparieren und Ersetzen sind. Unser Experte verabschiedet sich und verspricht uns, in etwa zehn Tagen hätten wir seine detaillierte und mit Fotos bebilderte Expertise bei uns zu Hause. Im Doppel wolle er sie uns senden, ein Exemplar für das Schifffahrtsamt und eines für die Versicherung. Er ist ganz erstaunt als wir ihm erklären, die Versicherung hätten wir bereits ohne Expertise abschliessen können.
Mit Monsieur GiI erledigen wir noch einige Geschäfte. Wir erwarten von ihm eine Offerte für eine komplette Plichtsprayhood und für eine „Delphiniere“ ein Bugspriet mit Ankeraufnahme wie auch ein Angebot für neue Fenster in der Eignerkabine. Wieder wären einige Geschäfte erledigt oder wenigstens eingefädelt und es geht weiter mit putzen, putzen und noch mal putzen. Noch lange schmunzeln Vreni und ich über das von Monsieur Gil immer wieder ausgesprochene „C' est nouveau“. Meine eigenen Verlängerungskabel und das durch mich sechs Stunden vorher eingebaute neue Pump-WC waren wirklich „nouveau“. Gil‘s Ergänzung, dass von ihm... ja, ist schon recht.
Todmüde nach einem 16 Stunden Arbeitstag, aber glücklich über den heutigen Erfolg und auch mit der Gewissheit, ein gutes Stück weiter gekommen zu sein, legen wir uns in unsere saubere, grosse Koje in unserer wirklich feudalen Eignerkabine im Heck des Schiffes.
Als erstes heisst es immer wieder reinigen, reinigen und noch mal reinigen. Wir möchten den muffligen, abgestandenen Geruch aus dem Schiff verbannen und auch wieder ein Teak haben, das gepflegt aussieht. Allein über zwei Stunden wird mit Javelwasser die Nasszelle, also unser WC-Raum geputzt. Dazu kommen laufend neue, nicht eingeplante Probleme. Aber eben, was können wir schon einplanen? Immer mehr zum Problem, das es zu lösen galt, wurde die Tatsache, dass wir über praktisch keine Betriebs- und Bedienungsanleitungen verfügten. Alle Schiffsunterlagen, oder zumindest die wichtigsten, sind verschwunden. Problem Nummer eins vom heutigen Tag: unsere Batterien sind wieder einmal unter die Schmerzgrenze von 11 Volt entladen und ich will nicht, wie dies das erste Mal der Fall war, sie aus Zeitgründen durch Motoren aufladen. Schliesslich haben wir ein Ladegerät an Bord und 220 Volt sind eingerichtet. Also müssen jetzt die 220 Volt an Bord, damit endlich die drei 103 Amperestunden Batterien richtig geladen werden können. Auch Vreni wartet ungeduldig auf das Staubsaugen mit 220 Volt. Als ich dann endlich die lnstallationsart und den Standort der Bauteile herausgefunden habe, montiere ich das Kabel. FI-Schalter, Hauptschalter und Batterielader werden eingeschaltet. Nichts passiert, der Strom ist nicht nur geruchlos und unsichtbar, nein, er ist auch gar nicht hier. Die Suche mit dem Voltmeter beginnt. Das neue Kombiinstrument von meinem Sohn Roger ist zwar sicher das modernste und beste, das er mir als Elektroniker besorgen konnte, aber da ich eher ein mechanischer Mensch bin, macht mir dieses Ding am Anfang arg zu schaffen. Anstelle von Bedienungsanleitungen von Prüfgeräten zu studieren, hätte ich jetzt lieber Strom an Bord!
Nachdem das Prüfgerät funktionstüchtig ist, ist der Fall klar, das Zuleitungskabel zum Schiff hat im Stecker einen Unterbruch. Ich repariere ihn fachmännisch. Immer noch keine Spannung, immer noch fliesst kein Strom aufs Schiff. Meine kostbare Zeit muss ich wieder mit solch einem Schei... vergeudet werden. Bleib ruhig Skipper und suche weiter....! Die Stromsäule an unserem Liegeplatz bringt ja gar keinen Strom, das ist die nächste Feststellung. Nach dem Einstecken an der Nachbarsäule das Erfolgserlebnis 220 Volt an Bord, alles bestens. Ab heute sogar kaltes Bier, da nun auch der Kühlschrank läuft.
Nun braucht Vreni Wasser, Zwei oder drei Tanks seien in diesem Schiff, glaubte der Voreigner. Ich will es nun wissen: es sind deren drei Inox Stahltanks, die über nur zwei Einfüllstützen aufgefüllt werden, Total etwa 750 Liter Wasser. Wo aber sind die verschiedenen Ventile und Hähnen? Die Suche endet nach einer weiteren halben Stunde erfolgreich. Strom und Wasser an Bord, was braucht man noch mehr? Das Wasser fliesst tatsächlich und erst noch mit einer elektrischen Pumpe, was wir auf unserem ersten Schiff noch nicht hatten. Wir werden richtig verwöhnt. Es fliesst, aber wie... zuerst eine braune stinkende Brühe, dann trübe wie eine Fischsuppe. Mit dem von Zuhause mitgebrachten, Spezialmittel wird nun entkeimt und gereinigt. Dreimal werden die 750 Liter aus den Tanks abgelassen und wieder mit Frischwasser und Spezialmittel gefüllt. Nach einigen Stunden der Erfolg, das Wasser kommt rein und klar. Nun kommt Aquaclean in die Tanks und dann werden sie ein letztes Mal aufgefüllt.
Lärm an Bord, unsere Trinkwasserpumpe läuft plötzlich selbständig und mit einem fürchterlichen Laufgeräusch. Bald gibt sie den Geist ganz auf. Schluss, aus der Traum. Wie ich schon gesagt habe, vier begabte Hände sind an Bord, wir werden es schon schaffen. Als wir nach diesen ersten vier Tagen von Bord gehen und wieder in Richtung Schweiz fahren, sind doch schon Eignerkabine, Nasszelle, Navigationsecke und die Pantry sowie ein Teil des Mittelschiffes gereinigt und nach unseren Wünschen eingerichtet. Einzelne Reparaturen sind ausgeführt und auf zwei A4-Seiten sind weitere Reparaturarbeiten nach Priorität geordnet aufgelistet. Ein schöner Erfolg! Wir sind zufrieden. Das Schiff ist nun schon echt unser Schiff, unsere neue SY-VERENA, ein Teil von mir und meinem Vreni.
Es droht uns eine Verurteilung
Heute Morgen brachte die Post einen eingeschriebenen Brief. Absender ist das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt. Nach dem Öffnen müssen wir im ganzseitigen Schreiben folgende Feststellung der Behörde zur Kenntnis nehmen: Wir hätten unsere Schiffsversicherung gekündigt, obschon unser Schiff mit dem Kennzeichen VD 22056 (Nummer geändert) noch in Verkehr sei. Da in der Schweiz eine Versicherungspflicht bestehe, machten wir uns dadurch strafbar und würden, wenn wir nicht binnen 5 Tagen einen Versicherungsnachweis vorlegen könnten, mit Fr. 100.-- richterlich gebüsst. Was soll das nun wieder? Unser Schiff ist doch seit Wochen verkauft, der Ausweis annulliert und der neue Eigner hat auch bereits seine Schiffssteuer dafür bezahlt. Vreni und ich lesen den Brief noch einmal ungläubig durch. Was ist mit dieser VD-Nummer? Das ist oder besser gesagt war doch gar nicht unsere SY-VERENA auf dem Neuenburgersee. Unser Name, unsere Adresse, all das aber stimmt. Dann die Erleuchtung: diese Nummer, das ist doch unser Gummiboot, unser Zodiac mit dem 4 PS Mariner! Wir haben diesen Ausweis bewusst nicht annulliert, es könnte ja sein, dass wir dieses Beiboot zwischendurch einmal in die Schweiz zurücknehmen würden, um auf dem Neuenburgersee Freunde zu besuchen. Nun sind wir natürlich gleich beim anstehenden Problem. Wir haben ganz vergessen, dass die Versicherung von diesem Zodiac in die Versicherung des Segelschiffes integriert war. Somit ist natürlich die Feststellung des aufmerksamen Schifffahrtsamtes absolut richtig. Was nun? Unsere Entscheidung liegt auf der Hand. Wir wollen keine neue Versicherung abschliessen, da das Boot nun auf dem Meer eingesetzt wird. Dieses Geld können wir jetzt anders und besser einsetzen, das heisst, sofort den Ausweis annullieren. Aber wieder einmal ist es wie so oft in letzter Zeit. Der Zodiacausweis, den wir für die Annulation benötigen, liegt auf unserem Schiff in Frankreich. Annulation somit erst in drei Wochen möglich, Frist unserer Behörde fünf Tage. Vreni ruft in Lausanne beim zuständigen Amt an. Das Problem wird der zuständigen Person erklärt. Es gibt selbstverständlich eine Lösung für diesen Fall, eine echt schweizerische, etwas bürokratische, wie mir scheint. Man sende uns ein Formular und zwar umgehend, denn es eilt. Dieses müssen wir sofort ausfüllen und retournieren. Damit haben wir den fiktiven Verlust unseres in Saint-Raphael liegenden Ausweises gemeldet und ein Duplikat beantragt. Daraufhin will uns das Amt ein Ausweisduplikat erstellen und dieses dann auf unseren zweiten Antrag hin annullieren. So und nur so wird es dann auch tatsächlich gemacht. Und nachdem wir selbstverständlich auch noch das Duplikat bezahlt haben, wird unser Zodiac aus dem schweizerischen Verkehr gezogen und die Drohung auf eine Busse von 100 Franken aufgehoben. Wir sind froh und haben nun einen neuwertigen, annullierten Schiffsausweis in der Schweiz und einen fast neuen nicht annullierten auf dem Schiff in Frankreich. Beide werden wir als Erinnerung in unser Bordbuch einkleben.
Wir ziehen eine Zwischenbilanz
Heute ist wieder Freitag, der 13. genau ein Monat seit unserem Schiffsverkauf. Und heute ist wieder ein besonderer Tag, für uns mit einem Erfolgserlebnis verbundenen. Wir haben die Hochseetauglichkeitsexpertise von unserem Schiff im Briefkasten. Unverzüglich setze ich mich hin, nun fehlt uns nämlich gar nichts mehr, alle vom Seeschifffahrtsamt verlangten Unterlagen habe ich vor mir liegen. Noch einmal wird das bereits ausgefüllte Formular „Antrag zum Eintrag einer Yacht in das schweizerische Schifffahrtsregister“ genauestes kontrolliert. Habe ich wirklich jede Rubrik ausgefüllt, nirgends etwas vergessen, die Fragen richtig verstanden, alles korrekt beantwortet? Als Vreni und ich davon überzeugt sind, dass nichts mehr zu bemängeln ist, kontrollierten wir miteinander auch noch die verlangten Beilagen. Der Kaufvertrag, er ist als Kopie bereit, die Bestätigung, dass wir das Schiff auch bezahlt haben, die Kopie der Banküberweisung, alles liegt vor. Die Kopien unserer Pässe, Seite zwei und drei, sind ebenfalls vorhanden. Wo sind unsere Segelscheine? Auch sie liegen als Kopien auf unserem Wohnzimmertisch von uns: beide B-Scheine, 0-Scheine und Funkerzeugnis der PTT. Eine Auslegeordnung ist das, der Tisch ist fast zu klein. Die Zollbestätigung, dass der französische Flaggenschein gelöscht ist, liegt wie verlangt im Original vor und nun zuletzt noch die ausführlichen 14 Seiten der umfassenden Expertise über die Seetauglichkeit des Schiffes. Die Expertise alleine kostete uns 850 Franken. Schweizer Franken versteht sich. Zum Schluss eine kleine Karte für die Sachbearbeiterin des Seeschifffahrtsamtes Basel mit dem Dank für ihre freundliche Unterstützung und prompte Erledigung. Das ganze kommt nun in ein speziell Grosses Couvert aus Karton. ,,Einschreiben“ wird mit Grossen Lettern oberhalb der Adresse geschrieben und ab zur Post. So, endlich auf den Tag genau ein Monat nach dem Erwerb unseres Schiffes, können wir den lang ersehnten Flaggenschein beantragen. Was wir beide noch fast nicht zu glauben wagen, ist dass dieser Antrag einmal ohne zusätzliche Nachfragen und in Kürze erledigt wird. Warten wir es ab. Wir haben alle Fragen wahrheitsgetreu und vollständig beantwortet und auch lückenlos alle Unterlagen beigelegt. Eigentlich müsste sogar, das Seeschifffahrtsamt Freude daran haben.
Wir schreiben den 24. März, Vreni und ich ordnen Pendenzen:
Dem CCS habe ich vor bald drei Wochen unsere Anmeldung zugeschickt und bis heute keine Antwort erhalten. Ob wir beide so genau unter die Lupe genommen werden? Erst später kann ich das etwas zeitraubende Prozedere zur Aufnahme von Neumitgliedern in den Statuten lesen. (Später stelle ich dann auch mit Genugtuung fest, dass das Vorgehen geändert wurde.)
Die Offerten von Monsieur Gil sind ebenfalls noch offen. Ein Telefongespräch mit ihm gibt die Antwort, es sei schon, seit über zehn Tagen ein Brief an uns unterwegs - er ist nie angekommen.
Von der Schiffswerft Wauquiez, der ich als erstes geschrieben habe, um allenfalls noch Unterlagen über unser Schiff zu erhalten, habe ich ebenfalls noch nichts gehört.
Vom Seeschifffahrtsamt ist heute ein dünner Brief angekommen, wird wohl nichts Gutes sein, der Flaggenschein wäre bestimmt dicker. So ist es auch, unsere Bankbestätigung reicht anscheinend nicht aus, um die Barzahlung unseres neuen Schiffes zu beweisen, es braucht die Belastungsanzeige der Bank. Per Fax, einem sehr nützlichen Instrument der Textübermittlung, senden wir das gewünschte Papier nach Basel, mit einem zusätzlichen Telefongespräch mit der Sachbearbeiterin Frau Städeli, welcher ich hier noch einmal persönlich danken möchte, werden auch noch die letzten offenen Fragen beantwortet. Per Nachnahme, und das ging auch wieder nur dank dem zuvorkommenden Einsatz von Frau Städeli, erhalten wir am darauffolgenden Tag unseren lang und heiss ersehnten, Flaggenschein. Und siehe da, zu unserer Überraschung ist unser Funkrufzeichen auch schon eingetragen. Der Antrag PTT für diese Konzession wurde nun durch die zwei unterschiedlichen Behörden vereint, was ich sehr zu würdigen weis!!
Fast genau sechs Wochen sind zwischen dem Flaggenscheinantrag und dem Erhalt verstrichen. Vier Wochen benötigten wir vorher um alle Unterlagen zu beschaffen. Heute abend wurde bei uns zu Hause gefeiert, mit Champagner, geräucherter Makrele, einem guten Bordeaux und Tischgrilladen mit zahlreichen Zutaten. So feierten Vreni, Roger und ich den Erhalt unseres Flaggenscheins.
Der Auffahrtstag ist in unmittelbarer Nähe gerückt. Eine Gelegenheit, mit vier ergänzenden Tagen eine zusätzliche Woche Ferien zu bekommen. Am Freitagmittag fahren Vreni und ich wie gewohnt mit bis zum Dach vollgestopftem Kombi los. Es hat erstaunlich wenig Verkehr und an drei Streckenstellen fahren wir wieder wie praktisch jedes Mal durch Geschwindigkeitskontrollen der Gendarmerie. Da wir uns vorgenommen haben im Limit zu fahren, ist die Polizei für uns kein Angstgegner. Nach knapp sieben Stunden eher gemütlicher Fahrt, mit zwei Drinkstops, erreichen wir gegen Abend unseren Liegeplatz im Hafen Santa-Lucia bei Saint-Raphael. Wie gewohnt ist es wieder etwa 10 Grad wärmer als bei uns zu Hause in Bern. Landstrom montieren, Gangway herunterlassen, Wasserpumpe und Lichtschalter sowie der Batteriehauptschalter werden auf ‚ON‘ gestellt und bereits sind wir wieder auf unserer SY-VERENA Basilea daheim.
Am Samstagmorgen, der Skipper hat schlecht geschlafen, er weis aber nicht warum, stehen wir bereits um sechs Uhr auf und nehmen die Arbeit auf. Unsere Kontrollliste über die auszuführenden Arbeiten, welche wir dauernd nachführen, ist noch immer zwei A 4 Seiten lang. Immer noch ist es so, wenn ich einen Punkt als erledigt abhaken kann, sind bereits wieder zwei neue aufgeschrieben. Als erstes nehme ich mir den Innenborder, den Perkins Dieselmotor und die Motorenbilge vor, während Vreni hinter das Ablaugen und Olen der Holzteile an Reling und in der Plicht gehen will. In der Bilge liegt ein Gemisch von zirka drei Liter Motorenöl und Wasser und vom übrigen Schmutz wollen wir erst gar nicht sprechen. Da der Motor recht trocken aussieht - ausser der eingebauten Ölwechselpumpe, die ein wenig leckt - nehme ich an, dass man bisher den Ölwechsel zum grössten Teil in die Bilge gemacht hat. Nach den ersten Reinigungsarbeiten wird es Zeit, erst einmal ein ausgiebiges Frühstück zu geniessen. Der Skipper II kommt mit frischen Baguettes zurück und aus der Pantry riecht es nach heissem, frischen Kaffee. Bei sommerlichem Klima und herrlichem Wetter geniessen wir unser Zmorge in der geräumigen Mittelplicht. Nach dem Warmlaufen des Motors wird das Motorenöl abgelassen, es ist schwarz wie Kohle und riecht alt und verbraucht. Der Ölfilter wird abgeschraubt, was ohne das immer noch nicht gekaufte Ölfilterband wieder ein kleines Problem bietet. Der dann gekaufte Ölfilter ist wieder einmal, wie könnte es anders sein, der falsche. Bei der Perkinsvertretung im Hafen kann ich mit etwas Mühe den fast richtigen kaufen und mit etwas Verspätung einbauen. Das Kühlwasser vorn Frischwasserkreis wird abgelassen und das Kühlsystem dreimal durchgespült bis klares Wasser ausläuft. Ein leichtes Frostschutzgemisch, das vor allem als Korrosionsschutz dient, wird nun eingefüllt. Als ich als nächstes dem lmpeller der Wasserpumpe wechseln will, folgt eine böse Überraschung. Obschon ich das Seeventil geschlossen habe, schiesst unvermindert Wasser aus der geöffneten Jacobspumpe. Die Prognose ist klar: das Seeventil ist defekt und schlisset nicht mehr. Ein, nicht mehr verschliessendes Seeventil und zwei nicht funktionierende Lenzpumpen... Wir kommen mehr und mehr zur Gewissheit, dass unsere bei Kauf getroffene Entscheidung, nicht auszulaufen, bevor wir alles am Schiff kennen und kontrolliert haben, nicht nur richtig, sondern absolut erforderlich war. „C' est nouveau...‘ und „mit diesem Schiff können sie sofort auslaufen und die Welt umsegeln“, diese beim Kauf gehörten Worte kommen uns wieder in den Sinn.
Nach einem harten zwölfstündigen Arbeitstag machen wir müde Feierabend. Eine heisse Dusche bringt uns etwas Erholung. Bei kulinarischen Leckerbissen geniessen wir den milden, schönen Abend an Bord. Ein kleiner Whisky zum Apéro, zur Vorspeise grillierte und flambierte Langusten des Skippers und zum Abschluss feines Fleisch vom Grill. Da wir in unserem Hafen sehr preisgünstig und frisch einkaufen können, erübrigt sich meistens die Fahrt in den grossen Supermarkt von Fréjus. Den Abwasch erledigen wir gemeinsam und auch gemeinsam geht es dann ab in die Koje, welche wir reichlich verdient haben. Auch am Sonntag, Montag und Dienstag herrscht der gleiche Arbeitsrhythmus an Bord. Jeder Tag ist ein zwölf- bis Fünfzehnstunden Arbeitstag. Immer wieder neue Überraschungen erwarten uns. Am Mittwochabend sind wir beide geschafft. So kann und darf es nicht mehr weiter gehen, wir sind regelrecht überarbeitet. Eine Standortbestimmung wird gemacht. Der Motorservice und die technische Kontrolle sind mit Ausnahme des Treibstoffsystems ausgeführt, die Bilgenpumpen arbeiten wieder normal, die Bilgen sind sauber, trocken und mit Bilgenfarbe ausgestrichen, die ganze Kabine II ist gereinigt, die Schränke herausgewaschen und das Holz erstrahlt auch auf Deck weitgehend in neuem Glanz. Weitere 20 Arbeitspositionen können wir auf unserer Liste abhaken. Am Donnerstag wollen wir endlich das erste Mal auslaufen, lautet unsere Entscheidung.
Donnerstagmorgen. Nach ausgiebigem Frühstück - wir wechseln immer zwischen Rührei, Spiegelei mit Speck und Drei- sprich Fünfminuten-Eier mit Schinken ab - machen wir, einen gründlichen Bootscheck und eröffnen zum ersten Mal das Logbuch unserer eigenen Hochseeyacht. Es ist ein erhebendes Gefühl und wir sind auch ein bisschen stolz auf uns. Fünfzehn Wochen liegend wir nun schon in diesem Hafen und haben praktisch jedes Wochenende nach einer Fahrt von 725 Kilometern am Schiff gearbeitet. Viele Probleme schon gelöst, aber auch etliche Francs verbaut. Nun also soll es zum ersten Mal heissen „klar zum Ablegen... Leinen los“. Alle Instrumente ausser dem Log funktionieren. Wieder zeigt es sich, dass unser Walker Schlepplog, das wir immer auch mit auf die Charterschiffe nahmen, ein unentbehrliches Navigationsinstrument ist. Der Ostwind bläst recht stark von Steuerbord her in den Hafen. Werde ich mit dem Ablegen klarkommen? Es ist sehr eng und schon etliche Rammings haben wir mit verfolgt. Auch die beiden Hände von unserem Sohn Roger, an die wir uns die letzten acht Jahre so gewöhnt haben, werden uns beim Ablegen fehlen. Mit Vreni habe ich das Vorgehen des Manövers besprochen und die Leeleine ist bereits gelöst. Der Perkins dieselt mit 600 Umdrehungen pro Minute gleichmässig vor sich hin und wartet auf den Befehl zu mehr Schub. Das Mittelcockpit wird nun ein bisschen zum Nachteil, denn ich kann nicht am Ruder stehen und gleichzeitig die Achterleinen lösen. Vreni wirft die Luvleine achtern auf die Mole und spurtet sogleich mit der bereitgelegten Mooringleine der Backbordseite entlang nach vorn, dort wird gelöst und der Anbinder respektive die Mooringkette über Bord geworfen. Alles geht ruhig, gekonnt und schnell. Mit zusätzlichem Schub motore ich nun langsam aus unserem engen Liegeplatz. Das Hafenbecken ist hier sehr eng und nur durch ein zweimaliges Vor- und Zurück, mit natürlich entsprechendem Ruderlegen gelingt es, in das Fahrwasser zu gelangen. Der Dreheffekt unserer rechtsdrehenden Schraube ist enorm, daran werde ich mich erst gewöhnen müssen. Ein bisschen stolz, das kann ich nicht verleugnen, fahren wir das erste Mal durch den grossen Nordhafen mit seinen fast 1500 Liegeplätzen. Der Törnstart ist geglückt, alles bestens. Nach einer Viertelmeile, unmittelbar vor der Hafenausfahrt, wir haben genau navigiert, legen wir auf der Backbordseite an einem Schwimmsteg an. Unser heutiger erster Törn endet nämlich genau hier, unser erster Wegpunkt und zugleich Zielort ist erreicht. Schiffsreinigung und Rumpfpolieren stehen auf dem restlichen Tagesprogramm.
Wahrscheinlich das erste Mal seit etlichen Jahren, dass dieses Schiff wieder einmal poliert wird. Der Bootscleaner, den mir mein Mitarbeiter und Freund Kurt Etter von der Firma Riwax besorgt hatte, ist der Beste den ich bisher je benutzte.
Am Freitag ist es aber dann wirklich endgültig so weit, wir setzen das erste Mal Segel. Ein kleiner Schnuppertörn zum Kennenlernen unseres neuen Schiffes soll es werden. Fahrtengebiet ist die Bucht von Fréjus, die unmittelbar vor unserem Hafen Port Santa Lucia liegt. Östliche Winde gegen Mittag, umlaufend, Stärke 1 bis 3 Beaufort, ruhige mässig bewegte See. Bewölkt, gegen Abend Gewitter nicht ausgeschlossen, so lautet der Seewetterbericht, der am Monitor bei der Capitainerie abgelesen werden kann. Zehn Uhr, wir haben den Bootscheck ausgeführt und das Logbuch eröffnet. Die Segelpersenninge von Grosstuch und Besan sind entfernt und in der Backskiste verstaut. Die Genuaschoten sind ebenfalls angeschlagen und sogar der Loran ist eingeschaltet und mit zwei Wegpunkten programmiert. Das Walkerlog mit dem Speedometer ist am Heckkorb montiert und auch einsatzbereit.
Das Ablegen gelingt schon fast perfekt und wir erreichen nach der Hafenausfahrt das offene Wasser der Bucht. Der „Autohelm 3000“ übernimmt das erste Mal, noch mit etwas Schwierigkeiten, kurzfristig den vorgegebenen Kurs. Vreni und ich setzen Grosstuch und Genua, der Besan bleibt noch auf dem Baum. 3 Beaufort. Wind, wenig Seegang, unsere SY-VERENA fängt an zu laufen. 4, ja sogar 5 Knoten Fahrt nimmt sie auf, Kurs 130 Grad. Der Skipper steht zum ersten Mal und das nicht mit wenig Stolz am Ruderrad. Nach drei Seemeilen rauschender Fahrt, das Wetter verschlechtert sich zusehends, üben wir Wendemanöver. Wenden, Halsen, Abfallen, Anluven, schlussendlich setzen wir wieder Kurs Richtung "Lion de Mer“, also heimwärts. Mittlerweilen hat es zu regnen begonnen und wir bergen die Segel. Unter Maschine laufen wir, die dem Hafen vorgelagerte Insel „Lion de Mer“ Steuerbord lassend, in den Hafen ein. Das Anlegen bietet uns infolge der starken Strömung und aufgefrischtem böigem Wind einige Probleme. Trotz einigen Zuschauern, die es natürlich besser könnten, aber das ist so üblich und allen Seglern bekannt, benützen wir die Gelegenheit und machen vier oder fünf Anlegemanöver. Schlussendlich gelingt es mir recht annehmbar, das 12 Meter Schiff, trotz engem Raum, auf den Liegeplatz zu fahren.
Am Samstag schlechter Wetterbericht, eine Front durchzieht die Gegend. Der Himmel ist mit Wolken verhangen, es regnet kontinuierlich und der Wind ist umlaufend und böig. Wir entscheiden uns, im Hafen zu bleiben um wie gewohnt etwas zu arbeiten.
Unsere SY-VERENA sieht jetzt schon sehr schön und gepflegt aus und auch der technische Zustand ist sehr gut. Alle Arbeiten der ersten Priorität dürfen weitgehend als abgeschlossen erachtet werden. Etwa fünfhundert Mann- und Fraustunden Arbeit und einige Francs und Franken Material haben wir dazu investiert. Pfingsten soll weitgehend arbeitsfrei werden. Vor zehn Jahren, es war noch die Zeit, als wir unsere Freizeit im Mobilheim am Neuenburgersee verbrachten und mit unserem Sperrholz Jollenkreuzer S segelten, war es üblich, dass an Pfingsten der Zischtigsclub zusammen kam. Es sind zwei Brüder von mir, mit ihren Ehefrauen. Warum mit diesem Brauch nicht wieder beginnen, meint Vreni mein Skipper ll eines Tages zu mir. Toll, klar, aber jetzt auf unserem Segelschiff auf dem Mittelmeer.
Um nicht mit zwei Personenwagen und getrennt fahren zu müssen, organisiert mein Bruder Dani einen Grossraum-PW. Damit wir dem zu erwartenden Pfingstverkehr etwas ausweichen können beschliessen wir, am Freitag bereits mittags wegzufahren. Für Vreni und mich ist die 725 Kilometer lange Strecke mittlerweilen schon fast zur Gewohnheit geworden und nichts Aussergewöhnliches mehr, obschon immer wieder ein schönes Erlebnis. Das Wetter am Freitag mieser denn mies, es regnet ohne Unterlass und die Wetterprognose vom Radio sieht weder für den Norden der Schweiz noch für den Süden von Frankreich eine Besserung vor. Pünktlich fährt Dani mit dem Toyota Previa bei uns vor. Wir verladen unsere Seesäcke im nicht übermässig Grossen Gepäckraum und nehmen im dafür um so geräumigeren Achtplätzer unsere Sitze ein. Dani will die Hinfahrt als Driver übernehmen und uns mit einer komfortablen Fahrt verwöhnen. Nach knapp zwei Stunden Fahrt bei strömendem Regen haben wir bereits bei Genf Perly die schweizerisch- französische Grenze passiert und fahren auf der Überlandstrasse die 30 Kilometer bis Cruseilles. Um 14.00 Uhr fahren wir, auf die Autobahn A41/A43 und nehmen Kurs Lyon. In L‘lsle d‘Abeau Ouest verlassen wir die Autobahn wieder, nachdem wir an der Zahlstelle die ersten 57 Franc bezahlt haben. Übrigens mit Visa, da das viel einfacher und schneller vor sich geht. Die 32 Kilometer nach Vienne fahren wir wieder auf einer gut ausgebauten Hauptstrasse und schneiden damit die Grosstadt Lyon ab. Auch durch das enge Städtchen Vienne kommen wir heute sehr gut durch. Der Rhone entlang gelangen wir bereits nach dreieinhalb Stunden Fahrt auf die Autobahn A7. Aire Pont I‘lsere, hier machen wir eine halbe Stunde Rast. Wir tanken unseren Previa, der ein bisschen ein Säufer zu sein scheint auf und auch wir trinken eine Cola und essen eine Kleinigkeit. Über Orange fahren wir weiter und kommen bei Aire de Lançon zur zweiten Zahlstelle. Wir bezahlen für diesen Streckenteil 88 Francs. Bei der zügigen Weiterfahrt auf der A8 bessert sich zusehends auch das Wetter. Als wir bei der Ausfahrt Saint-Raphael zum letzten Mal 42 Francs Autobahngebühr zahlen, ist bereits schönes Wetter. Die letzten zehn Kilometer bis zu unserem Liegeplatz im Port Santa Lucia fahren wir bei recht viel Verkehr, aber beschäftigt durch die Besichtigung der schönen und interessanten Gegend.
Nach knapp sieben Stunden Reisezeit erreichen wir unsere SY-VERENA. Wir richten uns ein. Das Los soll entscheiden, wer von den Gästen im Mittelschiff schlafen soll. Bevor wir aber zum Hölzchenziehen kommen meinen Heinz und Elisabeth, dass sie wohl im Mittelschiff mehr Luft hätten als in der Vorderkabine, was sie zur freiwilligen Wahl dieses Schlafplatzes bewege. Sechs Personen an Bord unseres Schiffes sind zum Übernachten das absolute Maximum, hier liegt nun eben der Unterschied zu einem Charterschiff. Mit fast 12 Metern Länge wären normalerweise ohne weiteres drei getrennte Zweierkabinen möglich, ein Umstand den wir von Anfang an nie suchten. Der milde Abend verführt uns noch zu einem kleinen Bummel, bevor wir die Kojen beziehen. Am nächsten Tag ist Segeln angesagt, es weht eine steife Brise und unter Vollzeug inklusive Besan kreuzen wir durch die weite Bucht von Fréjus. Da Heinz nicht besonders Freude an der Seglerei hat und lieber den kulinarischen Dingen frönen möchte, kehren wir nach ein paar Stunden wieder in den Hafen zurück. Auch an den übrigen zwei Tagen, reissen wir keine Bäume aus, ist doch unsere Gastcrew schon zufrieden, dass sie hier sein darf mit möglichst viele Ruhe, genügend Essen und Trinken.
Wir kämpfen mit Fensterproblemen
Schön sind sie, die zwei Grossen Fenster am breiten Spiegel unserer Segelyacht und sehr viel Licht bringen sie ebenfalls in unsere Grosse Eignerkabine. Leider hat ihnen aber die mangelnde Pflege, Sonne und Salz arg zugesetzt. Beide Fenster sind mit Haarrissen übersät und stark verkratzt. Zudem ist das auf der Backbordseite montierte Fenster an der Innenseite von einem nicht mehr wegzubringenden Belag überdeckt. Alles kein Problem, die beiden Kunststofffenster werden wir auswechseln lassen. Monsieur Gil bekommt den Auftrag, uns eine Offerte zu unterbreiten. Über zehn Wochen warten wir. Jedes Wochenende, das wir in Saint-Raphael verbringen, nützen wir um bei Gil nach dem aktuellen Stand zu fragen. Die Antworten wechseln sich ab. Zuerst ist der Materialpreis zu hoch. Er wolle nach einer Alternative suchen. Dann spricht er von 6 Millimetern Materialstärke die genüge, jedoch beim Zuschneiden Probleme biete. Warum wir wieder getöntes Material wollten, war wieder einmal eine Gegenfrage. Nach langem hin und her, fehlendem Devise, keine Antwort, kristallisiert sich heraus, dass es ihm nicht möglich ist, eine Offerte zu unterbreiten. Die Gründe sind einerseits, dass er keine Firma gefunden hat, die ihm die Fenster zuschneidet und andererseits kann er den Aufwand nicht abschätzen, den er zum Auswechseln benötigt. Somit sind wir wieder einmal auf uns selber angewiesen. Wir bauen am nächsten Samstag das erste Fenster aus. Zwei Stunden Arbeit, die Konstruktion ist sauber und gut gelöst. Das Fenster aber... von wegen 6 Millimetern! Das konnte ich mir schon vorher ausdenken, wäre doch viel zu schwach, ganze 14 Millimeter stark ist das Material. 15 Bohrungen mit einer 45 Grad Ansenkung sind zur Befestigung bestimmt und weitere 10 Sacklöcher dienen zur Aufnahme des zweiteiligen Aluminiumrahmens. Das Fenster ist auf der Rückseite mit 45 Grad etwa 6 Millimeter abgeschrägt, damit eine hundertprozentige Silikonabdichtung gewährleistet ist. Das grösste Problem für die Erstellung jedoch ist, dass das Fenster bombiert ist. Ein Schiffsnachbar, ein Franzose, hält kurz bei unserem Schiff an und fragt, ob wir bereits eine Herstellerfirma gefunden hätten? Auch er sollte schon lange seine Fenster austauschen lassen, aber er habe bis heute erfolglos nach einer Kunststofffirma, die so etwas mache gesucht. Vreni erklärt ihm, dass wir halt aus diesem Grunde die Arbeit in der Schweiz ausführen lassen, denn wir Schweizer hätten in solchen Sachen keine Probleme... Denkste !... Sechs Firmen, dem Telefonbuch entnommen, werden von mir kontaktiert. Entweder ist das Fenstermaterial mit seinen 14 Millimetern zu dick, das Risiko für die Bohrungen, dass das Kunstglas reissen könnte zu gross, oder es ist der Firma nicht möglich, das Fenster in die gewünschte Form zu pressen. Wieder einmal sind wir auf Unterstützung angewiesen. Diese gibt uns diesmal Andrea, eine Seglerkameradin und die Frau meines Mitarbeiters Kurt. Die Firma Westiform, bei der Andrea längere Zeit arbeitete, wäre in der Lage diese Fenster anzufertigen. Nicht billig und mit Terminauflagen verbunden, was mich bei der Organisation etwas fordern, doch manchmal und das ist wieder einmal das Wesentliche, muss man Kompromisse eingehen. Da zur Formgebung der Grossen und gewölbten Fenster ein spezielles Verfahren angewendet wird, für das auch ein spezieller Ofen verwendet werden muss, könnte ich 120 Franken sparen, wenn ich beide Fenster, was nicht vorgesehen war, miteinander herstellen lassen könnte. Ich muss nun eine zweite Sperrholzblende anfertigen, womit denn auch das Steuerbordfenster während fast drei Wochen mit dieser abgedeckt sein wird. Das alles gefällt mir zwar nicht sonderlich, denn neben dem viel grösseren Arbeitsaufwand kommt hinzu, dass der Wetterschutz und die Einbruchsicherheit wesentlich herabgesetzt sind. An ein Auslaufen und ein Segeln ist während dieser Zeit ebenfalls nicht zu denken. Schade, denn am nächsten Wochenende sind meine Eltern eingeladen. Sie lösen unseren Gutschein ein, den wir ihnen zum gemeinsamen 65-zigsten Geburtstag geschenkt haben.
Wenn doch der Computer Segel hätte
.... dann hätte ich es bedeutend einfacher, diese Geschichte zu schreiben. Die internen Zusammenhänge unseres PC‘s, hat mir Roger schon so oft zu erklären versucht. Gestern nun aber ist es wieder einmal passiert. Ein neues Kapitel meiner Story habe ich über den Mittag in meinem Büro geschrieben. Da die entsprechende Diskette aber zu Hause war, habe ich sie auf eine andere abgespeichert. Sonntag war nun Zeit, Ordnung in meine journalistische Arbeit zu bringen. Als Seite acht und neun wollte ich den neu erstellten Bericht auf meiner dafür bestimmten Diskette anfügen. Das Ausdrucken funktionierte leider nicht, der Tintenstrahldrucker lief trocken. Andere administrative Arbeit ist genug vorhanden, also bringe ich, meine Unterhaltskontrolle der SY -VERENA a jour und klebe noch die gestern zurückerhaltenen Fotos ein. Roger wird am Abend, wenn er vom Surfen zurück ist, das Tintenproblem am Drucker viel einfacher lösen als ich das kann. So ist es auch, nur seine Frage, wo die Seiten 1 bis 7 meiner Story seien, bringt mich ins Rasen. Weg sind sie, unwiderruflich weg! Überspeichert, weil ich einen ganz lapidaren Fehler gemacht habe. Was nun? Ich schiesse den Hut auf und schiebe den Schalter auf ‘0FF.
Am nächsten Tag sieht die Welt wieder anders aus. Der erste Teil meiner Story „Wie komme ich vom Neuenburgersee auf das Mittelmeer“ habe ich gestern morgen in den Briefkasten geworfen. Ich werde in ein paar Tagen wissen ob die Seglerzeitschrift Yacht oder das Yachting Interesse daran haben. Ansonsten ist nicht nur meine Veröffentlichung gestorben, sondern mit ihr auch mein Text verlorengegangen. Ein zweites mal sieben Seiten in kleinster Schrift in den PC eintippen, für mich ein eher unvorstellbarer Gedanke. Sorry, Story aus... Später, das weis ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, soll es vielleicht ein Buch werden. Die Zeitschrift „Yacht“ hat genügend eigenes Material und sendet mein Manuskript nach zwei Wochen zurück. Auf die Antwort von „Yachting“ warte ich nach zwei Monaten immer noch.
Ein verlängertes Wochenende mit kleinem Problem
Donnerstagmittag, die Radiomeldungen sind, was die Lastwagenblockaden auf den französischen Autobahnen betreffen, zweideutig. Immer noch protestieren aufgebrachte Trucker gegen das Punktesystem und die neuen Strafmassnahmen bei Verkehrsübertretungen.
Der Skipper entschliesst sich deshalb, heute via grossen Sankt Bernhard, Aosta, Alessandria also durch Italien nach Saint-Raphael zu fahren, 15:00 Uhr starten wir beim BIGA, wo wir Vreni (den Skipper II), abholen. Wir, das sind auch unser Sohn Roger mit seiner Freundin. Roger wird in einer Woche in die Rekrutenschule einrücken und möchte vorher noch einmal mit uns segeln. Wir freuen uns natürlich riesig, denn dass Roger auf sein Camperwochenende und das Surfen verzichtet um zu segeln, ja das ist schon etwas. Wir reisen gut, aber die Fahrt von Martigny bis Aosta ist mühsam, es hat viele langsame Lastwagen und Camper und auch sonst viel Ferienverkehr. Bis Ventimigla erreichen wir einen Durchschnitt von 70 km/h und das trotz weiter Strecke Autobahn. Die Autobahn von Ventimigla der Küste entlang zur Côte ist interessant. Tunnel - Brücke - Tunnel - Brücke usw. Die Tunnel riecht man und die Brücken spürt man. 670 Kilometer, acht Stunden und 86 Franken Kosten für Tunnel und Autobahn. Fazit zwar 60 Kilometer weniger weit jedoch keine Zeitersparnis und Mehrkosten von 50 Prozent. Es ist 23:00 Uhr als wir unsere SY-VERENA erreichen und wir gehen müde möglichst schnell in unsere Kojen.
Am Freitag ist zuerst, wie könnte es anders sein, ein Arbeitstag angesagt. Roger und seine Freundin wurden darauf vorbereitet und waren bereit, tatkräftig anzupacken, was uns natürlich sehr willkommen war. Während die Bordfrauen sich dem haushalten und schiffreinemachen hingab, montierten Roger und ich die zwei neuen Fenster am Heck und die zwei nun einteiligen Rahmen. Die Materialkosten kamen uns dank guten Beziehungen nur, resp. dennoch, auf 1000 Franken zu stehen. Rechne ich noch unsere Arbeitszeit von sicher nicht weniger als fünfzehn Mannstunden dazu, so waren diese Fenster, die auch aus Sicherheitsgründen ersetzt werden mussten, eine recht teure Angelegenheit.
Kurz nach dem Mittag beenden wir unsere Arbeit - ich wenigstens wollte es. Mein Sohn jedoch war anderer Meinung, jetzt müsse endlich bessere Musik in dieses Schiff und der schon lange bereit liegende neue Radio mit CD-Player eingebaut werden. Ich mache ihn darauf aufmerksam, in was er sich da einlasse und dass ab Morgen ganz klar Segeln angesagt sei. Aber da es heisst, „der Apfel falle nicht weit vom Stamm‘ nützt dieser Hinweis nicht viel. Es werde schon reichen, bis zum Abend sei alles fertig und wir könnten dann „full power“ gute Musik hören. Übrigens, dass Vreni die CD‘s vergessen hat, bleibe dahingestellt .... Der Einbau war aber mit vielen Folgearbeiten verbunden. Es wurde ein neues, bereits vor Wochen aus Teakholz angefertigtes und durch unseren Kollegen Lüthi Max schön lackiertes Brett als neues seitliches Armaturenbrett eingebaut. Und in dieses Brett wird nun das neue Radiogerät zentelsgenau eingepasst, auch der Funkpeiler und der Telefonieteil des Sprechfunkgerätes werden integriert. Diese Anpassungen hatten zur Folge dass wir den Loran C Navigator vom seitlichen nicht sehr optimalen Einbau ins Blickfeld des Navigators versetzen konnten. Aber eben alles ist mit Arbeit verbunden. Es ist jedenfalls 20:00 Uhr Ortszeit geworden und das Mittelschiff gleicht immer noch einem Schlachtfeld. Werkzeuge, Holz, Schrauben usw. .... wo man hinsieht und Roger schwitzt, lötet, sucht Kabel und vergrössert die zu klein ausgesägten Öffnungen. Alle helfen beim aufräumen mit, Roger hat saubere, tolle Arbeit geleistet und wir können zum gemütlichen Teil übergehen.
Nach dem Apéro kommen wir bei vorgerückter Stunde zu unserer Vorspeise. Auf dem sehr heissen Holzkohlenbordgrill werden die leicht gesalzenen, gepfefferten Langustinen kurz ein paar mal hin und her gewendet und dann mit Cognac flambiert und angerichtet. Für jeden, acht Stück, dazu frisches Baguette und ein Glas kühlen Rose aus dem VAR Gebiet der Gegend in der wir uns befinden. Auch die Koteletten die zur Hauptspeise vorgesehen sind, werden grilliert und Vreni richtet das im Bordbackofen fertig gewordene Kartoffelgratin an, zusammen mit gemischtem Salat und einer Flasche nun vom Roten aus unserer Gegend lassen wir es uns wohl ergehen. Es ist nahezu 23:00 Uhr als wir mit dem Abwasch fertig sind und noch einen Bummel durch den Hafen unternehmen.
Samstag morgen, aus unserem Plan Segeln und in der Rade d‘Agaj zu Ankern wird leider nichts. 6 - 9 Beaufort zeigt unser Windmesser. Mistral. Der Seewetterbericht meint es nicht besser und auch der Barometer setzt seinen Sinkgang fort. Auch solches gehört dazu wir tragen es mit Fassung und entschliessen uns zur Fahrt mit dem Auto nach Frejus in den Einkaufscenter zu fahren. Wir kaufen für die nächsten Tage ein. Roger und ich entschliessen uns zu einem Co-Kart Rennen auf der nahe gelegenen Piste. Also mieten wir einen Minirennwagen und werden für zwanzig Minuten zu Rennfahrern.
Roger hat ganz klar das bessere Material, auf der Geraden habe ich keine Chance gegen ihn, sein roter Sturzhelm rast auf der Zielgeraden lnnenseitig an mir vorbei. Aber in der Kurve da ist der alte Mann besser, seine Technik und Erfahrung macht es wieder wett. Als Roger das Überholmanöver abgeschlossen hat, denkt er sich wohl „dem habe ich es gezeigt“ aber eben eine kurze Konzentrationsschwäche und es ist passiert Roger steht mit seinem Kart quer in der Fahrbahn, er hat übersteuert und der Skipper kann die kurz zuvor verlorene Führung wieder übernehmen, knapp kann er den Sieg über die Ziellinie retten dicht gefolgt vom zweit placierten Roger. Es war ein Heiden Spass und die beiden Frauen waren ein hervorragendes Publikum.
Es ist über 50 Grad warm in unserem metallic schwarzen Auto als wir kurze Zeit später zum Hafen Santa Lucia zurückfahren. Auch heute wird wieder der Grill angefeuert und jedes von uns darf sich an zwei zarten Tournedos erfreuen. Die Nachspeise, so entscheiden wir gibt es in Frejus dort kennen wir ein sehr gutes Cocktail- und Glace-Restaurant. Coup „Yachting“ heisst das Riesen Ding, zwei mal eine doppelte bringt man uns, nachdem sie zuerst von vielen Leuten fotografiert waren, auf unseren Tisch. Entweder ist mein Stuhl zu tief oder das Coupglas zu hoch, auf jeden Fall ist das essen der hervorragenden erfrischenden Glace und der frischen Früchte gar nicht so einfach. Beim Zurückbummeln werden wir das erste Mal mit der Hochsaison konfrontiert. Dem breiten Quai entlang, wo wir noch vor zwei Wochen, anfangs Juli praktisch alleine gebummelt sind, tummeln sich jetzt Tausende von Touristen. Franzosen, Italiener, Deutsche und was uns auffällt auch viele Nordländer.
Wir fragen uns wie lange diese Zeit nun dauern werde .... Etwas kann ich an dieser Stelle noch nachholen, die Preise bei uns im Hafenviertel haben sich seit Februar nicht, wie von einigen meiner Verwanden und Bekannten prophezeit, massiv erhöht. Was wir feststellen konnten sind sie genau gleich geblieben. Eine kleine Feststellung haben wir höchstens in unserer Stammkneipe gemacht. Gab es bis letzte Woche bei der Bestellung, „une pression‘ automatisch das einheimische Bier „33“ für 13.-- Franc, so serviert man nun das 18.-- Franc teure Tuborg. Es ist schon seit einer halben Stunde morgiger Tag als wir nach einem schönen Tag, wenn auch leider ohne Segeln, in unsere Kojen schlüpfen.
Sonntag morgen; es ist zwar sehr schönes Wetter und im Moment wehen östliche Winde aber gemäss Seewetterbericht soll ab Mittag der Westwind wieder das Zepter ergreifen und sich bis auf 30 -35 Knoten verstärken. Es ist etwa 12:00 Uhr der Wind hat nach einer kurzen Flaute bereits gedreht, als ich es nicht lassen kann. Wir alle möchten so gerne segeln und übrigens hat Vreni der Muriel, Rogers Freundin, bereits ein Stugeron Forte verabreicht. Wenn nur dieser starke Schwel nicht wäre und ich nach vorn etwas mehr Freiraum hätte. Eine knappe Schiffslänge steht mir nur zur Verfügung und im Lee steht noch ein 14 Meter Segler extrem vor, welcher mich mit seiner Mooring zusätzlich behindert. Später habe ich meinen Entscheid bei diesen schlechten Verhältnissen auszulaufen bereut aber eben später ist zu spät und auch ich kann aus Fehler nur lernen. Alles ist gut vorbereitet, Lee Anbinder gelöst, den Luvanbinder halt Vreni über die Klampe unterstützt fest, Roger hält die gelöste Mooring in der Hand. Es wird alles recht schnell und mit etwas viel Motorschub gehen müssen denn sonst treibt mich der Wind in die anderen Boote und die Moorings. Nun mache ich den Fehler, in dem ich Roger befehle den Mooring auf die Leeseite zu nehmen. Zwar kommt jetzt unser Bug etwas mehr in Richtung Luv und dadurch in Richtung der Ausfahrtschneise dafür aber verläuft nun die Mooringleine unter unserem Schiff durch. Klar zum Ablegen? Klar... Heckleine los.... Mooring los Unsere Mooringkette hat, mindestens 12 mm starke Glieder und die Sorgleine habe ich alle zwei Meter mit zusätzlichen 2 bis 4 Kettenglieder versehen, somit ist ein sehr schnelles Absinken gewährleistet. Jetzt aber kam es anders ich gab Schub und versuchte trotz grosser Abtrift und engem Raum, frei zu kommen. Es gelingt, sauber haben wir das gemacht, aber leider nur ein paar Meter. Es lärmt ruckt knallt der 4 Zylinder 50 PS Starke Perkins Diesel wird abgewürgt. Ende Aus .. Die halbe Schiffslänge im freien Kanal dem Wind und dem Schwel voll ausgesetzt. Nun wird es etwas laut aber meine Crew kennt mich, klare, Laute Befehle sind nicht böse gemeint und meine etwas resolute Stimme ist Ihnen schon bekannt.
Die schwarze Trosse aus dem Schrank vorne Backbord belegen. Eines soll aufs Nachbarschiff und die Leine dort belegen. Vreni geht, und ruft zurück das gibt es nicht, dieses Schiff hat keine einzige Klampe. Roger nimm die lange weisse Trosse und legt diese mit dem Zodiac, der Aussenborder ist zum Glück noch montiert, durch den Kanal ins Luv an den Mooring des gegenüberliegenden Motorbootes, Muriel befördert die nur aufs Deck gelegten Fender über Bord und hängt noch zwei zusätzliche dazu. Nach einigen Minuten ist das Schiff stabilisiert, ein Schaden verhindert. Der Wind bläst mittlerweile mit 25 Knoten durchs Rigg. Vreni bringt mir die Taucherbrille und mahnt mich ich könne es jetzt ruhiger nehmen. Im Hafen tauchen, nicht gerade mein Wunsch, aber was sein muss, muss sein. Die Kette ist einige Male um unsere Propellerwelle gedreht ein total festgezurrtes Knäuel, die Mooringkette zudem immer noch extrem gespannt ein Abwickeln vom Kettenende her ist absolut unmöglich, es geht nur durch abrollen von der Mooring her und diese ist wie gesagt noch total unter Spannung und nicht gerade leicht von Gewicht. Meine Crew muss das Schiff nun in eine weiter Position nach vorn bringen damit die Kette entlastet wird. Muriel wehrt durch zurufen den Moorbooten welche unsere, durch den Hafen gelegte Bugleine noch nicht gesehen haben. Nun kann ich, nachdem wir die Kette mit einer Leine nach oben gesichert haben die Verbindung Kette, Mooringleine mit dem Messer trennen, das abwickeln jedoch geht nach wie vor nur von der langen Kette her, fünf sechs Mal hebe ich die schwere Kette unter Wasser um die Propellerwelle herum, immer wieder muss ich zum Luftholen auftauchen, bevor ich es schaffe die Kette vollständig abzuwickeln. Wie lange ich gearbeitet habe wurde mir nicht bewusst aber die Kette ist nun endlich frei. Aufatmend gehe ich nach oben. Was ist los, ich bin ja total blutüberströmt und es tropft auf unser sauberes Schiff. Vreni meine liebe Frau kommt sofort mit dem Desinfektionsmittel vorbei und desinfiziert und verpflastert die paar schlimmsten Körperstellen. Nun aber muss unser Schiff wieder an seinen alten Liegeplatz zurück. Das Manöver gelingt problemlos, nichts hat Schaden genommen und die Mooring wird wieder zusammengesetzt. Dank einer guten Crew konnten wir dieses Missgeschick, das ja sicher nur mir passieren konnte wieder gutmachen. Bei einem Whisky, den wir vier reichlich verdient haben, schaut mich Vreni nun etwas detaillierter an und macht aus mir, mittels Desinfektionsmittel eine Rothaut. Meine Hände, beide Arme und ein Teil des Oberkörpers weisen unzählige Schnittwunde auf die Mooringkette war nicht nur schwer, sondern auch über und über mit Muscheln bewachsen. Aus dem Segeln wurde leider nichts mehr.
Am Montag gegen Mittag sitzen wir wieder in unserem Kombi und fahren Richtung verregnete Schweiz.
Der Seewetterbericht ist jetzt gut und eine konstante Brise lockt unzählige von Yachtis aufs Meer hinaus. So ist halt das Leben, nächstes Mal werden auch wir wieder etwas mehr Wetterglück haben.
Nur noch zwei Wochen Ferien bleiben mir übrig. Zwei Wochen und meine ganze Überzeit habe ich bereits tageweise aufgebraucht. Zwei Wochen Ferien sollen es werden, an denen Vreni und ich nicht arbeiten wollen. Schiffspflege soll nicht das einzige sein, wir wollen segeln, baden und die Gegend kennen lernen.
Es ist nicht einfach einen Törnplan aufzustellen, denn wir haben spezielle Vorstellungen. Möglichst wenig Häfen wollen wir anlaufen und die Badetage sollen zahlreich sein. Als unser Süd- westlichstes Ziel möchten wir die Calanques besuchen. Im Mittelmeer in unmittelbarer Nähe des Golf du Lion gilt es die Wahl des Ankerplatzes besonders zu berücksichtigen. Da leider die Anzahl der geschützten Buchten eher klein ist bleiben nicht sehr viele Varianten offen.
Wir Legen uns als erstes folgenden Törnplan fest, den wir übrigens niemandem bekannt geben, weil wir zwei doch nun endlich das neue Schiff für uns alleine geniessen möchten und nach all den harten Arbeitseinsätzen etwas ausspannen möchten.
Für alle die uns noch nicht kennen gilt nachzuholen dass Vreni und ich seit wir segeln unsere Törns immer sehr minuziös vorbereiten. Jeder Ferientörn, das war schon während unserer Charterzeit so, füllt fast einen ganzen Bundesordner:
· Wetterberichte
· Radiosender
· Notadressen
· Wetterinfos
· Landinfos
· Törnpläne
· Crewlisten
· Kostenvoranschläge
· Marina Unterlagen
· Buchtbeschreibungen
· Navigationshinweise
· Wegpunkte
Alles Notwendige wird bestmöglichst vorbereitet.
Für die Navigation, für die übrigens zum grössten Teil mein Skipper II zuständig ist, benützen wir den Plotter, unsere eigenen verschiedenen Seekarten und zahlreiche Bücher. Mein HP 41 CX mit dem „Bobbi Schenck“- Navigationsmodul bestückt ist ebenfalls vorprogrammiert und kommt immer mit. Auch mein neues Schneider Fernglas mit dem eingebauten elektronischen Peilkompass leistet uns beste Dienste. Auf das Walker Schlepplog können wir ebenfalls nicht verzichten. Premiere hat nun, auf unserem ersten Törn mit dem eigenen Hochseeschiff, das Loran C Apelco.
Über vorsichtig? Mag sein, aber kann es Übervorsichtigkeit auf dem Meer überhaupt geben?
Jeder Skipper steht für sein Schiff und seine Crew gerade und trägt die volle Verantwortung. Wir jedenfalls wollen unsere Törns so weit möglich ohne negative Überraschungen, deren gibt es dann immer noch genug erleben. Was man vorher vorbereiten kann braucht man nicht dann nachzuholen, wenn eine kritische Situation bereits entstanden ist oder schlicht weg, wenn man lieber Schnorcheln oder Schwimmen möchte. Ende Juli jedenfalls sind wir mit unseren Vorbereitungen fertig und können die Reise mit unserem Opel Kadett nach Saint-Raphael kaum erwarten.
Es ist Hochsommer als wir am Freitag abend vor unserem Liegeplatz das Auto abstellen, ausräumen und für 14 Tage abschliessen. Auch die Codekarte meines Blaupunkt Autoradios habe ich entfernt, so das jeder sehen kann dass ihm ein eventueller Diebstahl meines Gerätes nichts nützt. Am Samstag morgen bekommen wir noch wie vorgesehen Besuch von Monique Cantin mit Ihrer Tochter Ariane. Monique ist die Tochter von Monsieur Perisset von der Werft am Neuenburgersee, bei der wir seit Jahren Kunde sind und die mit uns auch am neuen Schiff schon so manches Problem gelöst haben. Da der Seewetterbericht nichts Gutes verheisst, entschliessen wir uns in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht auszulaufen, sondern das Leben an Bord zu geniessen. Wir verwöhnen unsere Gäste mit einem Willkommenstrunk aus einer sprudelnden Flasche und auf dem Bordgrill bereite ich uns feine Langustinen flambiert mit Cognac zu. Wir haben genügend Gesprächsstoff, so dass es uns nicht langweilig wird. Den Bummel den zahlreichen Verkaufständen entlang nach Saint-Raphael verleitet zum einkaufen von kleinen Geschenken für die Daheim gebliebenen. Fast wie zu unserer Begrüssung vorgesehen, erleben wir am Abend noch ein tolles Feuerwerk.
Am Sonntag bereits um sechs Uhr früh sitzen wir beim Kaffee und eine halbe Stunde später machen sich unsere zwei netten Gäste auf den Heimweg in die Schweiz.
Für Vreni und mich beginnen nun die Ferien, unser erster Ferientörn mit eigenem Schiff. Wir benützen den Sonntag um die restlichen Vorbereitungen zu treffen. Schiffsreinigung und alle notwendigen technischen Checks. Auch der Loran wird durch Vreni programmiert. Er ist Neu, deshalb arbeitet Vreni noch mit der Bedienungsanleitung zusammen. Am Montag morgen Legen wir ab. Der erste Tagestörn führt uns zu der Insel Port Cros, wo wir in der Bucht Port Man vor Anker gehen wollen. Allgemein südliche Winde von Stärke 2 bis 3 sind angesagt und der Barometer steht stabil auf 1924 Hektopascal. Auf der Höhe des Lion de Mer setzen wir Segel. Grosstuch, Genua und etwas später auch den Besan. Alle Notizen für das Logbuch machen wir auf einen vorbereiteten Notizblock, denn ins reine geschrieben wird jeweils erst am Abend in aller Ruhe. Das Mittelmeer tut sich alle Ehre, wie üblich haben wir den Wind platt von vorne und, das heisst aufkreuzen. Nicht das dies für uns heute ein Problem wäre, wir geniessen das segeln und haben uns vorgestellt so spätestens um 20:00 Uhr in der Bucht Port Man zu ankern. Der Wind nimmt etwas zu, es bläst jetzt durchschnittlich mit etwa 4 Beaufort und wir machen tolle Fahrt. Es ist etwas nach 17:00 Uhr als wir bereits etwa drei Seemeilen vor der Insel sind und unsere Bucht schon recht gut ausmachen können. Es scheint als wären schon jetzt etwa 50 Schiffe dort vor Anker also so richtig Hochsaison, was wir ja wussten. Wir entschliessen uns, anstatt weiter aufzukreuzen, die Segel zu bergen und unter Motor den Ankerplatz auf direktem Kurs anzufahren. Mit 1500 Umdrehungen motoren wir mit unserem 50 PS starken Perkins Diesel gegen die steilen recht hohen Wellen an. Es spritzt meterhoch über unser Vordeck, während wir absolut trocken in unserem Mittelcockpit sitzen und es aus vollen Zügen geniessen. Leider nicht lange.
Eine Unregelmässigkeit in der Motorendrehzahl erschreckt mich. Ein zweites Mal, wieder senkt sich die Drehzahl etwas ab, dann kommen ernsthaftere Aussetzer, bis der Motor schliesslich ganz abstellt. Das darf doch nicht wahr sein.... Der erste Tag Ferientörn und schon beginnt es uns wieder zu prüfen. Segel setzen, Grosstuch und ein Drittel der Genua. Der Wind hat zugelegt und es bläst nun mit 5 Beaufort, der Seegang ist auch nicht ohne. Vreni übernimmt das Steuer und geht auf Kreuzkurs nach Sicht. Wie gut, dass ich einmal den Beruf des Automechanikers erlernt habe. Beidseitig des Motors öffne ich die Motorraumtürchen und schaue mich um. Wie gut, dass im Motorenraum zwei Lampen eingebaut sind, die den Motor recht gut beleuchten. Ich kann visuell keinen Defekt feststellen, hätte ich mir fast denken können. Ich brauche wohl doch Werkzeug, es stinkt mir. Zuerst löse ich die Dieselleitung am Ausgang der mechanischen Förderpumpe. Mit der Handpumpe kontrolliere ich ob Diesel kommt, negativ, es bleibt trocken. Ich entferne auch die Zuleitung zur Pumpe und überprüfe die Funktion der mechanischen Membranpumpe, diese funktioniert zu meinem Glück einwandfrei, ein Ersatz hätte ich nämlich nicht an Bord. Mein Befund, kein Diesel am Eingang der Förderpumpe, dass Diesel im Tank ist muss ich wirklich nicht kontrollieren, denn diese Kontrolle habe ich vor der Abfahrt gemacht und im Logbuch eingetragen 1/3 ist noch im Tank also noch über 50 Liter. Ich stülpe ein Stück Plastikschlauch über die Kupferleitung, die vom Treibstofftank zur Pumpe kommt, damit ich etwas besser durchblasen kann. Ich puste aus vollen Lungen, doch da geht nichts durch, irgendwo muss die Leitung verschlossen sein. Als nächstes Bauteil wird der CAV Wasserabscheider ausgebaut, geprüft und als in Ordnung taxiert. Auch der Dieselabsperrhahn am Tankausgang ist geöffnet und lässt den Treibstoff durch. Nun also kann es nur noch im Tank selber liegen. Zum Glück hat der Grosse, auf dem Kiel sitzende, Dieseltank eine Reparatur- und Kontrollöffnung, welcher mit einem mit einem Schnellverschluss abgedichtet ist. Diesen entferne ich nun und demontiere unterhalb des Dieselniveaus, also nur nach dem Gefühl und ohne den Gabelschlüssel in den Tank fallen zu lassen, die Dieselansaugleitung. Und siehe da der Ansaugfilter ist total durch Schmutz verschlossen. Sicher wurde der Filter bisher kein einziges Mal gereinigt und nun, gerade jetzt, bei uns, muss diese Panne eintreten.
Vreni möchte wenden um sich nicht zu weit von der Insel zu entfernen. Werkzeug, Putzlappen und Dieselsystemteile werden so gut es geht seefest zusammengelegt und gemeinsam führen Vreni und ich das Segelmanöver aus. „Wirst du Erfolg haben“, fragt mich nun Vreni zum ersten Mal, hat sie doch alle Hände voll zu tun um möglichst ruhig zu segeln, denn das arbeiten unten ist nicht gerade einfach. Es ist mittlerweile schon nach 19:00 Uhr und an eine definitive, saubere Reparatur ist nicht zu denken. Darum entschliesse ich mich zu einer Notreparatur. Aus der Backskiste nehme ich den kleinen Zehnliter Dieselkanister, bastle mir aus Kupferrohr und Plastikschlauch eine Ansaugleitung und gehe direkt auf den Förderpumpeneingang. So gut es geht befestige ich diesen Nottank im Durchgang zwischen Achterkabine und Mittelschiff, indem ich ihn festzurre. Nun muss ich noch das ganze Dieselsystem entlüften. Beim Feinfilter geht es recht einfach, sitzt er doch auf der gleichen Seite wie die Handförderpumpe, also Leitung anlösen und pumpen bis blasenfreier Kraftstoff austritt, dann Leitung wieder festziehen. Abgesehen dass Diesel, sagen wir, nicht gerade wie Eukalyptus riecht und er mir, trotz den Putzlappen, überall herunterläuft, ein Kinderspiel. Das Entlüften der Verteilereinspritzpumpe bietet mir schon etwas mehr Mühe, liegt sie doch auf der anderen Motorenseite und erst noch schlecht zugänglich. Ich mache mir Vorwürfe dass ich nicht schon einmal im ruhigen Hafen dieses Entlüften ausprobiert habe. Denn prompt kann ich zuerst die Entlüfterschraube nicht orten und als ich sie doch endlich finde, geht die Suche nach einem besonders kurzen 7 Millimeter Gabelschlüssel los. Zum Glück trage ich nur die Badehosen, denn meinen Körper muss ich dann, im Gegensatz zu den Kleidern wohl selber waschen müssen. Das Entlüften der Pumpe wird nun zur Gefühlssache. Über den Motor gebeugt pumpe ich mit der einen Hand auf der Steuerbordseite und halte den Entlüfter mit der anderen Hand auf der Backbordseite offen. Als ich glaube, dass nun die Luft draussen sein könnte, schliesse ich den verborgenen Entlüfter wieder. Das Hochdrucksystem zu entlüften erspare ich mir, denn meistens geht es ja ohne. Mit einem leeren Marmeladeglas fülle ich aus dem Dieseltank meinen Nottank noch absolut voll auf, denn ich befürchte dass bei der ewigen Schlingerei des Schiffes mein Plastikschlauch herausrutschen könnte was das ansaugen von Luft und dadurch das zunichte machen meiner Arbeit zur Folge hätte.
Etwas mitgenommen steige ich zu Vreni in die Pflicht, Souverän und toll wie mein Vreni das Schiff segelt, wir befinden uns unmittelbar vor der Buchteinfahrt. Bitte halte die Daumen, sage ich noch kurz, dann drehe ich den Kontaktschlüssel. Kurzes Vorwärmen, dann Starten. Unser Diesel läuft als wäre nie etwas gewesen. Die Segel werden geborgen und langsam motoren wir in die überfüllte Ankerbucht Port Man.
Ich lege den Anker bereit und kontrolliere immer wieder mein notdürftiges Dieselsystem. Auf 10 Meter Wassertiefe legen wir den Anker dreissig Meter Kette und sicherheitshalber noch zehn Meter Trosse. Trotz allem nehmen wir uns Zeit den Anker mit dem Motor richtig einzufahren. Erst als wir sicher sind, sicher und gut geankert zu haben, stellen wir den Motor ab und schnaufen auf. Ruhig und gelassen meint Vreni, auf ihre Uhr schauend, „Ich weis gar nicht was du hast, du hast ja gesagt wir seien etwa um acht Uhr hier, es ist acht Uhr.“
Dienstag morgen, zuerst einmal so richtig schwimmen. Das Thermometer zeigt 27 Grad Wassertemperatur, herrlich warm wie wir es lieben.
Nach ausgiebigem Frühstück geht es an die Arbeit. Das ganze Dieselsystem und vor allem der verstopfte Filter wird gereinigt. Nach dem alle Teile geprüft und wieder so wie es sich gehört eingebaut sind, wird das System entlüftet. Im Schiff aufgeräumt, alles Werkzeug und die Notersatzteile versorgt. Wir entschliessen uns am nächsten Tag eine Tankstelle anzulaufen um unseren Tank mit sauberen neuen Kraftstoff aufzufüllen. Vreni stellt fest, dass es auf der Insel Porquerolles eine Tankstelle gibt. Das kommt uns sehr gelegen, wollten wir doch wenn irgendwie möglich nicht zurück an das Festland segeln. Also machen wir am nächsten Tag einen nicht geplanten Abstecher zur Insel Porquerolles. Als wir gegen Mittag in den kleinen Hafen einlaufen, erwartet uns an der Mole zur Tankstelle bereits ein Mitarbeiter der Capitainerie mit einem Megaphon und fragt uns nach unserer Absicht. Diesel bunkern möchten wir, rufen wir ihm zurück. Wir sollen kreisen bis die drei Yachten vor uns aufgetankt hätten und dann erst zur Tankstelle kommen. Wie befohlen so getan, wir kreisen im engen Hafenbecken und manövrieren hin und her, bis wir endlich an der Reihe sind. 130 Liter Diesel bunkern wir und bezahlen 603 Franc. Wohl der teuerste Diesel von ganz Frankreich. Da es im total überfüllten Hafen unmöglich ist ein Liegeplatz zu ergattern, verlassen wir diesen engen überfüllten Platz und motoren in die nur ein paar 100 Meter westlich gelegene Bucht Plage d’Argent. Auf fünf Meter Wassertiefe in glasklarem Wasser und auf feinem schönen weissen Sand, legen wir unseren Anker aus, fahren in wieder gut ein und lassen es uns wohl sein.
Mit dem Dingi sind es nur zehn Minuten hinüber in den Hafen von Porquerolles und so können wir problemlos einkaufen gehen und die schöne Insel erkunden. Der unfreiwillige Abstecher zu dieser Insel hat sich gelohnt, es ist wunderschön hier durch schneeweissen mehlartigen Sand schlendern wir dem Strand entlang und kommen durch herrliche Rebfelder, wo die Rebstöcke mit kiloschweren Traubenbüscheln behangen sind. Herrlich der Duft unter den Eukalyptus Bäumen, wo uns ein einheimischer Inselbewohner erklärt wie gut die Eukalyptus schmeckt, wenn man sie grün in das Feuer legt oder wenn man sich mit dürren Blätter einreibt, wie nicht nur die Haut vom Duft angenehm riecht, sondern auch wie die Insekten dadurch ferngehalten werden. Wir fühlen uns wieder einmal wie im Paradies und wagen sogar den Vergleich mit einer Bucht in der Karibik. Am nächsten Morgen überrascht uns auch noch eine angenehme Seite unserer Zivilisation. In der Bucht kurvt ein grösseres Dingi herum mit einer an einem langen Stock flatternden Fahne, mit meinem Fernglas kann ich darauf entziffern „Pain“. Tatsächlich kommt nun dieser fliegende Händler von Schiff zu Schiff und verkauft frisches Brot, Süssigkeiten und auch Eis.
Bereits ist fast eine Woche unserer Ferien vorbei und wir haben zwei Tage Verspätung auf unseren Törnplan. Da wir uns aber erholen wollen und nicht auf einem Meilentörn sind, macht uns dies nichts aus. Wir entschliessen uns, heute Freitag auszulaufen und nach Bandol zu segeln. Wir sehnen uns nach einem Hafenplatz mit Wasser, Dusche und Strom und Vreni möchte auch nach Herzenslust bummeln und shoppen gehen. Mit dem Wind ist heute nicht viel los, so dass wir gut die Hälfte der Strecke mit unserem Diesel, der wieder einwandfrei läuft, zurücklegen müssen.
Bandol. Eine Touristenstadt wie man sie sich in Südfrankreich vorstellt, mildes Klima, palmengesäumte Promenaden, alte Fischerboote, ein Yachthafen und zahlreiche Restaurants und Geschäfte. Wir bergen kurz vor der Hafeneinfahrt die Segel mit denen wir die letzten Meilen trotz fehlender Brise zu segeln versuchten. An der Mole bei der Anmeldung für fremd einlaufende Yachten, der Capitainerie, wird es sehr eng für uns da bereits ein Motorboot festgemacht hat. Gut gefendert mit Heck- und Bugleine sind wir für kurze Zeit sicher. Die Skippermappe unter den Arm geklemmt melde ich mich mit meiner Dolmetscherin, sprich mit meiner lieben Frau Vreni, auf der Capitainerie. Papiere brauchen wir zwar, wie wir gleich feststellen praktisch keine. Den Flaggenschein müssen wir vorlegen, denn da sind Länge und Breite unseres Schiffes vermerkt. Länge und Breite ist für die Hafenbehörde am wichtigsten, denn damit wird der Liegeplatzpreis berechnet. Stolze fünfzig Schweizerfranken müssen wir umgerechnet pro Nacht bezahlen. Strom und Wasser finden wir an unserem Liegeplatz und beides ist in diesem Preis auch inbegriffen. Die Sanitären Einrichtungen sind sehr dürftig und schmutzig, wie in einzelnen Marinas in Südfrankreich heute leider noch üblich. Obschon Vreni und ich nicht heikel sind, ziehen wir es vor auf dem Deck der SY-VERENA zu duschen. Zwei Tage und zwei Nächte verbringen wir im schönen Bandol, dann zieht es uns wieder in Richtung von schönen Buchten. Leider sind unsere viel zu kurzen zwei Wochen Ferien schon so weit fortgeschritten, dass an ein noch weiter nach Süden Segeln nicht mehr zu denken ist. Es heisst also wieder Kurs Nordnordost.
Über Porquerolles und Port Gros geht unsere Reise nach vierzehn Tagen wieder zurück zum Heimathafen Port Santa Lucia bei Sant Raphael. Am Morgen unserer letzten Buchtnacht lichten wir in der Port Man den Anker und fahren aufs offene Meer. Der Wind hat auf nördliche Richtung gedreht und bläst mit 2 bis 3 Beaufort. Schön zum Segeln, der Wind aber genau von vorn. Vreni übernimmt die Navigation und unser Helm, das ist die Selbststeueranlage von Autohelm, das Ruder. Nur fast übernimmt der Helmi, denn unser älterer Autohelm 3000 ist nicht sehr zuverlässig und es bedingt die dauernde Aufsicht des Skippers. Meilenweit kann uns der Helmi sicher auf Kurs halten, dann plötzlich bekommt er den „Spinner“, beginnt zu korrigieren und wechselt plötzlich willkürlich die Richtung. Vreni übt mit dem Navigationssystem Loran 0. Da wir aufkreuzen, ist ein öfterer Kurswechsel notwendig, was das Üben besonders interessant macht. Vor jeder Wende kommt die Frage von der Navigationsecke zu mir hoch in den Ruderstand. „Was kannst du gerade voraus erkennen?“
Wenn ich dann zum Beispiel Antworte, „gerade aus liegt ein Yachthafen, ich sehe einen hohen weissen Pfeiler mit einer roten Spitze,“ und die Antwort dann kommt, „genau das ist die Einfahrt von Port de Cavalaire“, dann sind wir beide sehr zufrieden und uns einig. Es geht nichts über ein modernes Navigationssystem. Immer wieder erleben wir an diesem Tag diese Zuverlässigkeit bis plötzlich im Laufe des Nachmittags Vreni plötzlich zu mir heraufkommt und ganz geschlagen mitteilt. „Du, etwas stimmt nicht mehr, das Loran zeigt Fahrt über Grund Null und die Position verändert sich auch nicht mehr.“
Wie gut dass Vreni laufend den Kurs und die sicheren Positionen auf die Seekarte überträgt. Wir liegen nun etwa 4 Seemeilen südöstlich des Cap Camerat und bestimmen von nun an unseren Kurs durch Koppeln und später bei Gelegenheit unterstützt durch Kreuzpeilungen. Vreni ist sehr enttäuscht, also doch nicht so zuverlässig diese Dinger. Wir suchen nach Bedienungsfehlern, Fehlern am Bordnetz und nicht zuletzt beim Lorean Apelco. Da ich mich um die Schiffsführung kümmern muss, kann sich vor allen mein Skipper II dem Navigationsproblem annehmen. Die sehr logisch aufgebaute Bedienungsanleitung hilft Vreni immer mehr auf den Sprung. Schlussendlich kommt es mit der Überzeugung zu mir, dass der Nebensender „zwei“ ausgefallen sei und nur noch Signalstärke Null also nicht vorhanden Anzeige. Kurz vor unserer Hafeneinfahrt, ich will gerade den Befehl zum Segelbergen geben, ruft Vreni freudestrahlend. „Es ist wieder alles in Ordnung, ich habe das Gerät neu aktiviert und es hat nun an Stelle der Lorankette France wie bisher die Keife Mediterrane übernommen.“ Ob es ein Zufall ist oder nicht am Tag darauf hören wir über Funk wie ein anderer Skipper an der gleichen Stelle, im Bereich des Cap Camerat keine Position mehr auf seinem Loran C hat.
Unser erster Ferientörn war ein kleiner Schnuppertörn. Am ersten Tag und am letzten Tag wurden wir geprüft aber sonst war alles ohne nennenswerte Probleme verlaufen, es war sehr schön und wie so üblich kommt bei uns wieder die tiefgründige Frage „Warum müssen wir wieder zurück?“ - nicht nach Hause, denn unser wahres Zuhause ist schon heute unsere Segelyacht SY-VERENA.
Wir werden vom Zoll kontrolliert
Elegant sehen sie aus, freundlich aber bestimmt sind sie. Einer trägt die braune Uniform und ist bewaffnet, während seine zwei Begleiter ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift „Custom“ tragen. Ein noch etwas junger, aber wie sich zeigt bereits gut ausgebildeter Hund, begleitet die drei Beamten. Von der südlichen Hafeneinfahrt her kommend beaugapfeln sie die an der Mole festgemachten Yachten. Ihr Zollboot liegt gut vertäut an der Aussenmole.
Wir von der SY-VERENA sind fast mit dem Frühstück fertig als die drei Zöllner hinter unserem Schiff Halt machen. Ob sie an Bord kommen dürften fragt der eine, klar dürfen sie das, ob der Hund auch mitdürfe? Er sei noch etwas jung und brauche noch Training. Auch der Hund darf, wobei ich bereits versichern kann, dass er kein Rauschgift oder sonstiges verbotenes erschnuppern wird. Während ich dem ersten Zollbeamten meine Bootspapiere zeige, macht der zweite mit seinem Hund einen Decksrundgang und verlässt die SY-VERENA wieder. Unseren Flaggenschein und das Titre de Sejour werden kontrolliert und da diese Papiere in bester Ordnung sind, verlassen die drei uns wieder. Ich muss sagen eigentlich haben wir diese Kontrolle als positiv gewertet, stellten wir doch fest, dass man Ordnung haben will. Dass täglich zwei Mal die Gendarmerie bei uns vorbei fährt und jedes Schiff optisch kontrolliert, gibt uns eine gewisse Sicherheit, obschon es eigentlich traurig ist, dass es so etwas in der heutigen Zeit überhaupt braucht.
Zoll und Steuern, das sind Probleme mit denen wir uns nach den ersten Monaten in Frankreich plötzlich wieder auseinandersetzen müssen. Gemäss internationalem Recht darf man unter fremder Flagge bis maximal ein ganzes Jahr im Gastland verbringen. Frankreich hält aber im Titre de Sejour fest, dass nach sechs Monaten Aufenthaltsdauer das Land verlassen werden muss oder die recht hohe Versteuerung des Schiffes fällig werde. Eine Möglichkeit bestehe auch darin, dass man während der Zeit in der man das Schiff nicht benützt, die Bootspapiere auf dem Zoll deponiert. So steht es in allen Büchern, die wir mittlerweilen gekauft haben und so bestätigt es auch die ausführliche Broschüre des CCS. Wie aber sieht dieses Problem nun für uns in der Praxis wirklich aus? Bereits im April, beim lösen des Titre de c est Jour, sagte man uns am Zoll von Saint-Tropez, wir müssten erst vor Ablauf eines Jahres uns wieder melden damit diese die Aufenthaltsbewilligung erneuern können. Im Text des erwähnten Formulars ist aber die Halbjahresfrist erwähnt und je nach der Art wie man den Text übersetzt kann man verschiedener Meinung sein. Vreni und ich hören uns um. Monsieur Gil hatte uns bereits darauf aufmerksam gemacht, dass wir jeweils nach sechs Monaten unsere Bootspapiere deponieren müssten und das Schiff dann nicht mehr betreten könnten. Er werde dann während dieser „Sperrzeit“, wie lange sie dauert sagte er uns nicht, zum Wohle unserer Yacht sehen. Seglerkameraden von uns, die Hochseeerfahrung haben, gaben uns wieder anders lautende kompetente Auskünfte. Von „kein Problem“ über, „nur nicht Fragen“, bis zum, „man muss mit saftigen Bussen rechnen“, bekommen wir alles zu hören. Wir sind wieder einmal gleich klug wie vorher und verdrängen dieses Problem vorerst, da dies die einfachste Lösung ist. Wir wollen einerseits keine unnötigen Probleme schaffen und andererseits sind wir nicht bereit unser Schiff in Frankreich zu versteuern oder zu verzollen. Das Schiff gar für eine längere Zeit stilllegen kommt für uns erst recht nicht in Frage. Das beste wäre wohl auf einem längeren Törn in Richtung Spanien oder Italien zu starten. Diese Variante würde uns zwar sofort zusagen aber leider ist unser Ferienbudget und unsere Überzeit aufgebraucht und wir müssen Brötchen verdienen.
An der jährlichen Bootsausstellung in Friedrichshafen der „lnterboot“, treffen wir am Jeanneau-Stand unseren Monsieur Perisset. Bei der Familie Perisset, der Bootswerft in Estavayer le Lac, kaufen wir seit wir segeln unser Bootszubehör und holen uns Rat und fachkundige Unterstützung. Auch unsere Arcadia, unser vorheriges Schiff, war von der Firma Perisset. Noch immer können wir auf die vorzügliche Beratung und Unterstützung dieser liebenswerten und sachkundigen Familie zählen. Monsieur Perisset warnt uns eindringlich vor dem Problem das bei abgelaufenem Titre de Selour entstehen kann. Diese Aussage gibt uns nun doch langsam zu denken, läuft doch das halbe Jahr in acht Tagen ab. Was unternehmen?
Herr Kernen aus Bern soll doch gemäss Aussage von Seglerfreunden sein Schiff schon etliche Jahre in Südfrankreich haben und das sogar im gleichen Hafen wie wir. Kurz entschlossen suche ich nach der Telefonnummer und rufe diesen „Leidensgenossen“ an. Ein netter Mann, wie dies meistens bei den Seglern übliche ist, gibt mir nun am Telefon bereitwillig Auskunft. Vreni und ich sind nie zu stolz um andere nach Ihrer Meinung zu Fragen, was man dann jeweils damit anfängt und wie man sich schlussendlich entscheidet das liegt ganz im persönlichen Ermessen. Schon oft haben Vreni und ich entgegen aller Meinungen und Ratschlägen entschieden und selten hat es sich negativ ausgewirkt. Schön, dass der Mensch sich individuell entfalten kann. Hier nun aber nehmen wir den Vorschlag, uns beim Hafenzoll, beim netten Duanier Monsieur Fesaz zu melden, ohne Änderung an. Die Zeit drängt und wir haben nur noch das nächste Wochenende in der Frist zur Verfügung.
Am 8. Oktober fahren wir nach Saint-Raphael, denn am 9. Oktober ist das Zollbüro von 14:00 bis 16:00 geöffnet. Am 15. dieses Monats ist die Frist von 6 Monaten abgelaufen.
Monsieur Fersaz, das bestätigt sich, ist ein kompetenter und sehr netter Zollbeamter. Er erklärt uns nun sozusagen aus erster Hand wie und was für uns Gültigkeit habe. Wir sind Touristen mit unserem Schiff hier im Hafen. Wir dürfen das Schiff nur zu unserem Vergnügen verwenden und keinen Charter betreiben noch dürfen wir das Schiff Dritten zur Benützung überlassen. Ausserdem dürfen wir mit unserem Titre de Sejour im Jahr maximal 180 Tage auf unserer Yacht verbringen, respektive uns im Land Frankreich aufhalten. Eine Hinterlegung der Papiere sei nicht mehr nötig, das habe man 1986 abgeschafft, da die Umtriebe und die Probleme die er uns schildert, den Nutzen bei weitem übertrafen. Als Beleg genüge Ihnen das Log- oder Bordbuch. Vertrauen gegen Vertrauen. Vor Ablauf eines Jahres müssten wir aber die Aufenthaltsbewilligung wieder erneuern. Das gesagte gibt er uns auch noch in Form einer neuen Broschüre ab, der Text, man glaubt es kaum, ist sogar ins deutsche übersetzt.
Der falsche Liegeplatz der auf unseren Papieren steht, „Port Grimaud“ statt „Port Santa Lucia“, korrigiert er uns ebenfalls noch und obschon er meint es wäre nicht notwendig, versieht er die Dokumente noch mit Datum, Stempel und Unterschrift. Er wünscht uns alles Gute und recht viele schöne Stunden im Land Frankreich und besonders hier in Saint Raphael. Diese Wünsche freuen uns und wir nehmen sie gerne entgegen bisher wurden sie voll und ganz erfüllt, hoffen wir das es so bleibt.
Wir beantragen eine französische Telefonkonzession.
In unserem Schiff ist ein UKW Sprechfunkgerät eingebaut, unter dem Gerät befindet sich ein Bedienteil mit einer Telefontastatur, ähnlich einem NATEL. Ein Telefon RIO 120. Der Voreigner hat uns bei der Schiffsübergabe das Ding gezeigt, indem er kurz jemandem telefonierte, somit kann also von erklären keine Rede sein. Aber eines verspricht er uns, er werde die Telefonkonzession bei der Telecom France auf uns umschreiben lassen, das sei erstens gar kein Problem und zweitens sei das telefonieren in Frankreich sehr billig. Umgerechnet müssten wir mit einer Jahreskonzession von etwa 30 Franken rechnen. Schon nach einer Woche ist das Gerät abgeschaltet und tot. Von umgeschrieben kann keine Rede sein. Da wir unsere Arbeiten nach Prioritäten aufgeteilt haben und das Telefon nicht lebenswichtig eingestuft wurde, lassen wir vorerst dieses Problem bei Seite. „Prio zwei“, wie der Skipper meint. Jetzt aber, wo langsam alle Prioritätsarbeiten eins fast fertig erledigt sind, stellen wir fest, dass so ein direktes Übermittlungsgerät sehr praktisch und vorteilhaft wäre, insbesondere da unser Sohn nun für 17 Wochen im Militärdienst ist, wäre zwischendurch diese Art zu telefonieren etwas einfacher.
Vreni telefoniert, nach einem schönen Wochenende wieder einmal in Bern angekommen, mit der Telecom France. Die Rufnummer entnehmen wir dem Anmeldeformular, welches uns freundlicherweise ein Mitarbeiter vom Orsini Jachtzubehör in unserem Hafen gegeben hat. Und nun wieder eine kleine Story unserer Erlebnisse wie wir sie mittlerweilen gewohnt sind. Bereits hat Vreni 20 Schweizerfranken vertelefoniert und ist immer noch nicht fündig geworden. Keine der bisher erreichten Stellen der Telecom in Frankreich will für diese Konzession zuständig sein. Dann endlich nach hartnäckigem weitertragen die ersehnte und richtige Anlaufstelle. Man will uns das richtige Anmeldeformular zustellen. Tatsächlich haben wir nach einigen Tagen das ersehnte Formular in unserem Briefkasten. Die ersehnte Telefonkonzession so ohne weiteres zu erhalten, daran glauben wir schon lange nicht mehr. Das soll nicht etwa als negativ aufgefasst werden aber die Erfahrung hat uns gezeigt, dass es zwischen den verschiedenen Länder, in unserem Fall zwischen der Schweiz und Frankreich, verschiedene Normen und verschiedene Strukturen gibt, die oft nicht einfach zu umgehen oder zu vereinen sind. Es soll mir im Moment noch, niemand weismachen wollen, dass dies bei einem EG Beitritt der Schweiz, ändern würde.
Zwei Probleme sehen wir bereits jetzt schon auf uns zukommen. Die Telecom will die Rechnung direkt unserem französischen Bankkonto, das wir gar nicht haben, belasten können. Zweitens, unser Funkgerät, das es zum telefonieren ebenfalls braucht ist bereits mit einer Schweizer PTT Konzession auf HB 3092 eingelöst. Auf diesen Funk beantragen wir nun ein zusätzliches Telefonabo. Wir suchen nach Möglichkeiten und sagen uns schlussendlich, dass PTT gleich PTT sein müsste. Kurz entschlossen beantragen wir bei uns ein Postscheckkonto, füllen den Anmeldebogen für Telecom France aus und geben als Rechnungsstelle unser Postkonto an. Wir warten auf die Antwort.
Es ist endlich Juli und sehr warm hier in Südfrankreich. Wir geniessen es in vollen Zügen. In der Schweiz hatten wir weder einen schönen Frühling noch einen trockenen Sommer zu verzeichnen. Vier Wochen, ganze vier Wochen haben Vreni und ich nun Ferien. Endlich genügend
Zeit einen längeren Segeltörn zu unternehmen. Für diese erste Grosse Fahrt auf eigenem Kiel haben wir uns für die Inselgruppe der Balearen entschieden. Mallorca, Menorca und Ibiza sollen schöne Inseln sein und dazu auch ein geeignetes Gebiet für Tagestörns von Bucht zu Bucht, oder Hafen zu Hafen.
Schön und Gut, aber... zwischen unserem Liegeplatz in Saint-Raphael und Menorca liegen 220 Seemeilen. Kein Problem, gerade auf so eine lange Strecke freuen wir uns schon lange. Das aber bezieht sich eher auf das Seegebiet, welches es über diese mehr als 300 Kilometer zu durchfahren gilt. Es ist der, wegen dem Mistral so gefürchteten, Golf du Lyon.
Praktisch in jedem Buch ist zu lesen, dass der Golf du Lyon nicht zu unterschätzen sei. Er gilt als eine der sturmreichsten Gegenden dieser Erde und vor allem des Mittelmeers. Windstärken von 40 bis über 100 Knoten sind nicht selten und auch im Sommer nicht ausgeschlossen. Wenn der Mistral in Sturmstärke durch das Rhonedelta pfeift, ist dies nicht nur für die Yachtis gefährlich, sondern kann auch Grosse Schiffe in arge Bedrängnis bringen. Der wohl einzige Vorteil dieses Windes ist, dass er ablandig ist. Er weht also vom Land aufs Meer hinaus und kann uns nicht gleich an Land spülen oder stranden lassen.
Der Kalender an Bord zeigt Samstag und die schöne Borduhr aus Messing leuchtet mit dezenter Beleuchtung und zeigt 2:00 Uhr Morgen in der Früh, als Vreni mit der elektrischen Ankerwinde unseren schweren Anker vom sandigen Grund hochholt. Ich stehe am Ruder. Es ist noch stockfinstere Nacht. Der Mond nirgends zu sehen und die Leuchtkraft des grossen Wagens reicht nicht aus die Gegend zu erleuchten. Möglichst leise, mit tiefer Motorendrehzahl, um unsere Ankernachbarn nicht zu wecken, verlassen wir vor Sonnenaufgang die schöne Ankerbucht d‘Argent auf der Hyeres vorgelagerten Insel Porquerolles. Zwischen den beiden Leuchtfeuer geht es unter Motor hinaus auf das offene Meer. Ganz einfach ist es leider nicht. Drei Leuchtfeuer blinken uns mit ähnlicher Kennung entgegen. Die Unterscheidung ist recht schwierig. Langsam tasten wir uns zwischen dem südlichen Zipfel der Halbinsel Giens und dem Nordwestlichen Ende der Insel Porquerolles hindurch.
Wir setzen die Segel und nehmen zusammen mit der aufgehenden Sonne Kurs. Der Seewetterbericht von Monaco Radio, welchen wir jederzeit über den UKW Funk Kanal 23 abhören können, ist gut. Es weht ein Ostwind mit drei bis vier Beaufort. Es ist ein herrliches Gefühl. Mit 6 bis 6,5 Knoten Fahrt segeln wir rauschend Richtung Menorca. Der Autopilot, unser „Helmi“ hält treu und sehr genau den Kurs. Leider flaut schon nach wenigen Stunden der Wind ab und wir nehmen unseren Perkins Diesel zu Hilfe, um eine Reisegeschwindigkeit von fünf Knoten einhalten zu können. Es kommt unsere erste Nacht auf See. Der Wind hat wieder aufgefrischt, leider aber auch zu unseren Ungunsten. Wir müssen den Besan bergen und segeln nun mit Grossegel und Genua, hart am Wind. Ohne festen Plan, es geht ja nur um eine einzige Nacht, lösen Vreni und ich uns auf der Wache ab. Es ist eine wunderschöne klare Nacht.
Am zweiten Tag begleiten uns über mehrere Meilen vier spielende Delphine welche unsere Kameras klinken lassen. Der Tag neigt sich bereits seinem Ende entgegen, ohne dass wir auf Menorca angekommen sind. Wir sind uns nicht sicher ob der Grund bei den Delphinen zu suchen ist die uns während Stunden ablenkten oder ob uns die wunderschöne Nacht die Geschwindigkeit vergessen Iies. Auf jeden Fall müssen wir nun feststellen, dass wir unsere Reisedurchschnittsgeschwindigkeit nicht erreichten und es wir langsam eng, wollen wir die Bucht von Fornells noch in der Dämmerung erreichen.
Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden und der Himmel hat sich in glühendes Rot verwandelt, als wir die Insel Menorca wie eine flache Scheibe aus dem Meer rage sehen. Wir können das Ziel kaum erwarten und starten deshalb zusätzlich unseren Knurli, sprich Perkins. Vor uns erhebt sich nach einiger Zeit eine senkrechte Felsenwand, irgendwo müsste doch die Einfahrt in die Bucht sein. Unser Navigationssystem Loran weist uns bis auf einige Meter genau den Weg. Nachdem wir alle Segel geborgen haben und auch klar Schiff gemacht haben, fahren wir begleitet vom letzten spärlichen Tageslicht, in die wunderschöne weite Grosse Bucht hinein. Wie ein kleiner Binnensee zeigt sich uns dieses geschützte Wasser. Auf fünf Meter Wassertiefe ankern wir unmittelbar vor der Ortschaft Fornells. Wir sind müde aber glücklich.
Die Insel Menorca ist die kleinste der drei Baleareninseln Mallorca, Ibiza und Menorca. Menorca hat eine Gesamtfläche von nur 700 Quadratkilometer. Die Küste aber ist 220 Kilometer lang und sehr abwechslungsreich. Im Norden stark zerklüftet mit kleinen engen Buchten. Im Süden geschlossen und Flach.
Im Süden finden wir auch den zweitgrössten Naturhafen der Welt. „Mahon“. Der Unterschied zwischen der Nord- und Südseite gilt für die
ganze Insel. Der nördliche Teil ist wild und es kann im Winter kälter, als in dieser Region erwartet, werden. Auf dem Nordteil der Insel wachsen weder Oliven noch Zitrusfrüchte. Es gibt hier nur Ackerbau und Viehzucht. Dicke Mauern aus Natursteinen verhindern das wegschwemmen des Bodens. Der Grund liegt darin, dass der Insel-Nordteil im Einfluss des kalten Nordwindes (Mistral) liegt.
Der südliche Teil von Menorca hingegen ist subtropisch, das Klima daher ähnlich wie auf der Nachbarinsel Mallorca. Der Südteil von Menorca ist daher auch dichter besiedelt
Der höchste und übrigens einzige „Berg“ auf der Insel ist der Monte Toro mit einer Höhe von 358 Meter über Meer
Früher war Ciudadela der Hauptort der Insel, heute aber ist es Mahon. Regiert wird die Insel von Palma auf Mallorca aus
Hafenorte:
• Mahon die Hauptstadt
• Ciudadela
• Fornells
• Ei Grao
Beispiel eines Fischerortes "CaIa Fornells“
Fornells ist unser erster Ankerplatz, nach der Überfahrt vom spanischen Festland zur Insel Menorca. Auf unserem gemeinsamen Menorca Törn werden wir hier auch noch einmal vor Anker gehen.
Der kleine idyllische Fischerort im Norden der flachen Insel ist ein besonderes Kleinod. Auffallend weisse Häuser mit leuchtend grünen Fensterladen und hochglanzpolierten Messing Türgriffen. (Ist übrigens auf der gesamten Insel immer wieder anzutreffen) Die einfache, schneeweisse Kirche in mitten der engen Strassen und Gassen vermittelt den Eindruck von einer heilen Welt.
Hotelbunker sucht man hier vergebens, denn Fornells lebt, nebst der Hummerzucht, fast nur von Tagestouristen. Diese kommen mit dem Autobus, meistens von Mahon angereist. Die wunderschöne Ankerbucht ist von See her sehr schwer auszumachen. Die enge Einfahrt zwischen dem Felsen und dem alten Wachturm erfordert einiges seemännisches Können. Einmal sicher geankert, liegt man ruhig und wie auf einem kleinen Binnensee. Am südöstlichen Ufer lässt sich Schnorcheln fast wie in der Karibik. Hummer sind hier die grösste Spezialität, wenn auch nicht mehr billig zu haben.
Wir geniessen die Insel Menorca und Mallorca
Am nächsten morgen begeben wir uns gleich zum Hafenamt und wollen einklarieren. Selbst das vom CCS erhaltene Formular, fein säuberlich vorbereitet und ausgefüllt, will auf dieser Insel keiner haben. Wir versuchen klarzumachen, dass wir in Frankreich ausgelaufen sind und hier nun den ersten Hafen in Spanien angelaufen hätten. Es nützt alles nichts. Man gibt sich anscheinend europäisch. Niemand will etwas von Zollformalitäten und einklarieren wissen. Nach über einer Stunde geben wir auf und finden es eigentlich gut so. Ein einziger Wunsch hat aber der in weisser Offizieruniform gekleidete Hafencapitain doch noch. Trotz Juli und eigentlicher Hochsaison hat er im kleinen Yachthafen noch einige Plätze frei und würde es lieber sehen, wenn wir von unserem Ankerplatz in den Hafen wechseln würden. Eigentlich klar, es geht hier um den Verdienst, denn Ankerliegen ist hier noch gratis. Als wir ihm auf nette Art erklären wir liebten es zu ankern und seine wunderschöne Stadt mit den weissen Häusern und den grünen Fensterladen vom Schiff aus zu geniessen und zu betrachten hat er Freude und wünscht uns einen schönen Urlaub auf seiner Insel.
Als wir am nächsten Morgen noch die eben neu gekaufte Flagge der Balearen hissen sind uns die Menorciser noch freundlicher gesinnt.
Am zweiten Tag lichten wir Anker und segeln im Gegenuhrzeigersinn um die Insel herum zur Südseite. In der sehr schmalen Bucht Santandria gehen wir mit einigen Problemen vor Anker. Ein starker Schwel steht in der Bucht die so eng ist, dass ein schwoien nicht möglich ist. Es gibt also nur eines: Wir setzen den Buganker und bringen zusätzlich eine Heckleine an Land aus. Wenn man wie wir nur zu zweit an Bord ist geben solche Aktionen einiges zu koordinieren. Mit dem Zodiac motore ich, die lange Leine zwischen die Beine geklemmt, an das felsige Ufer und erklimme die bis zu zehn Meter hohen Felsen. An einem grossen Steinbrocken befestige ich vorerst unsere Leine. Das Schiff ist nun gut gesichert aber Vreni findet, nach einem Kontrollgang, meine Heckleine zu gefährlich. Die Trosse reibt stetig am Felsvorsprung und ein durchscheuern‚ wenn wir Pech haben, während der nächsten Nacht ist nicht auszuschliessen. Wieder mit unserem Dingi unterwegs suche ich der Felswand entlang nach einer Alternativlösung. Wie für uns geschaffen ist da plötzlich knapp einen Meter über dem Wasserspiegel ein alter verrosteter Ring eingelassen. Ich prüfe ihn auf seine Festigkeit und es zeigt sich, dass er unser achttonnen Schiff mühelos halten wird. Nachdem wir die Heckleine umbelegt und das Schiff wieder stabilisiert haben, sind wir sicher, aber.. wir liegen unheimlich unruhig. Das Schiff steht nun quer zur Bucht und somit auch quer zur Dünung die unvermindert in die enge schmale Bucht rollt. Es gibt keine Abhilfe und auch die anderen fünf vor Anker liegenden Schiffe werden hin und her geschaukelt.
Möglichst bald verlassen wir am nächsten Morgen den ungemütlichen Ankerplatz.
Wir lassen die kleine Insel Menorca hinter uns liegen und nehmen Kurs zur Insel Mallorca. Nur 25 Seemeilen sind an dieser Stelle die beiden Inseln voneinander getrennt. Das Wetter ist nicht besonders schön, es ist diesig und der Himmel bewölkt, aber wenigstens weht eine steife Bise und lässt unsere SY-VERENA segeln. Am Abend laufen wir den Hafen von Porto Cristo an. Der Stellvertretende Hafenmeister weist uns einen engen, schwierigen Platz zu. Es ist der zweit Innerste Platz an der ersten Mole und in unmittelbarer Nähe hat es eine Stelle mit nur noch knapp einem Meter Wassertiefe. Wir müssen höllisch aufpassen, aber es ist zu spät diese Situation zu ändern
Am nächsten Morgen dann prompt das Chaos. Der Wind hat stark aufgefrischt. Und wir sollten unbedingt auslaufen, da wir in Porto Petro Toni und Doris an Bord nehmen wollen. Die beiden kommen für eine Woche zu uns an Bord. Sie haben bei uns einen Törn rund um Mallorca gebucht
Das auslaufen bei diesem Wind und von diesem Platz aus, ist schlichtweg unmöglich. Es nützt uns auch nichts, dass uns der Hafenmeister erklärt, sein Kollege hätte einen grossen Fehler gemacht, als er uns diesen Liegeplatz zugewiesen habe. Unser Schiff sei viel zu gross um dort zu liegen und wie wir es überhaupt geschafft hätten dorthinein zu manövrieren, fragt er erstaunt. Trotz allem fühlen wir uns nun noch geschmeichelt. Hat er nicht, „Grosses Schiff gesagt“ und angedeutet, dass Vreni und ich gute Manöver fahren können?
Zum Glück haben wir einen Reservetag eingeplant. Dieser geht nun verloren. Wir geniessen diesen Tag mit einem Besuch der Drachenhöhlen. Es sind die grössten Tropfsteinhöhlen Europas und, obschon die Cars der umliegenden Hotels im Konvoi Anreisen, einen Besuch wert
Am nächsten Tag, der Wind hat etwas nachgelassen, suchen wir nach einer Strategie abzulegen. Dem Hafenmeister gefällt unser Vorhaben ganz und gar nicht. Erstens meint er, sei der Wetterbericht noch schlecht und zweitens der Wind im Hafen immer noch zu stark um problemlos ablegen zu können.
Wir aber müssen nach Porto Petro, leider, die Zeit drängt, das ewige Los, wenn man neben dem Segeln noch einem Verdienst nacheilen muss. Die Meteo übrigens ist nicht so schlecht.
Eine gut 50 Meter lange Trosse belegen wir an unserer Klampe am Heck auf Backbord und bringen diese Leine mit unserem Zodiac zur gegenüberliegenden Mole hin. Ein deutscher Skipper, auf seiner „AmeI“, ist sehr nett und erklärt sich sofort bereit uns beim Ablegen zu helfen.
Auch beide Nachbarn und der Hafenmeister bieten Ihre Unterstützung an. Während ich rückwärts herausfahre zieht der „Amel“ Skipper die zusätzliche Trosse dicht, damit es uns vom Winddruck nicht gegen die Untiefe wegdrückt. Es gelingt uns ein gutes Ablegemanöver, die Trosse wird eingezogen, man winkt sich noch einmal zu und bedankt sich. Unter Motor fährt die SY-VERENA aus dem Hafen von Porto Cristo.
Der Windmesser zeigt 20 Knoten, in den Böen klettert er etwas höher. Der Wind fällt platt von hinten ein und die hohen Dünungswellen kommen schräg von achtern auf uns zu. Wir setzen nur die Genua und auch diese nur zur Hälfte. Wir sausen förmlich der Küste Mallorcas entlang in Richtung Porto Petro. Vreni und ich sind glücklich, das ist richtiges segeln.
Der Wind nimmt stetig zu, zeitweise klettert der Windmesser auf 45 Knoten. Die Wellen türmen sich zu Bergen auf. Der Ruderdruck wird zu gross, ich brauche meine volle Kraft um die Wellen auszusteuern. Wir müssen unbedingt Reffen, also das Vorsegel noch mehr verkleinern. Vreni befindet sich im Schiff bei der Kartenarbeit, denn es ist nicht mehr weit und die Einfahrt in den nächsten Hafen wollen wir nicht verpassen. Ich rufe Vreni zum Reffen und in diesem Augenblick passiert es. Eine Riesenwelle schräg von hinten will unser Schiff querstellen, mit voller Kraft drehe ich am grossen Steuerrad. Ein lauter Knall, das Steuerrad dreht sich leer, das Schiff läuft aus dem Kurs. Sofort erkenne ich die Gefahr, das Steuerseil muss gerissen sein. Welch eine Schei...
Notruder, Vreni schnell.... rufe ich, den Wind übertönend in die Kajüte hinunter.
Nun machte sich meine Voraussicht bezahlt. Obschon ich von einigen als Perfektionisten angesehen werde, bin ich jetzt froh dass ich der Sicherheit so viel Aufmerksamkeit schenke. Unsere Notpinne nämlich habe ich revidiert, grundiert und leuchtend rot lackiert. An einer einfachen Klemmhalterung ist sie gut zugänglich im Achterstauraum montiert. Es ist noch nicht lange her, da haben Vreni und ich die Montage und Funktion dieses Stahlrohres, welches direkt auf die Ruderachse montiert wird, geübt. Keine zwei Minuten vergehen nun, schon steht Vreni im Niedergang, die feuerrote Notpinne in der Hand und fragt ganz ruhig: „Ist es Nur das Seil oder haben wir das Ruder verloren?“ Es ist „nur“ das Seil, aber das „nur“ war, wie sich später beim Versuch ein passendes Seil auf der Insel Mallorca zu finden herausstellte, alles andere als nur.
Mit der aufgesteckten und festgezogenen Notpinne habe ich das Schiff nun wieder im Griff und kann Kurs Halten. Jetzt aber zeigen sich die Probleme einer kleinen Crew. Ich knie auf dem Achterdeck und habe alle Hände voll zu tun das Schiff zu steuern, Vreni sollte nun mit der Navigation klarkommen, Segel bergen den Motor starten und den Motor bedienen, da ich nicht mehr zu dessen Bedienungselementen gelangen kann.
Wir sind mittlerweilen schon fast an der engen Einfahrt nach Porto Petro vorbei. Meterhoch sehen wir bei der Einfahrt die Brandungswellen den Felsen hochspritzen. Ich an der Notpinne, Vreni am Motor ganz in Luv mit viel Speed schieben wir uns durch die schmale Durchfahrt, in das etwas ruhigere Wasser der dem Hafen vorgelagerten Bucht. Wir suchen einen freien Ankerplatz zwischen 4 weiteren Seglern, auf denen man mit den Ferngläser unser Manöver beobachtete.
Der Anker fällt, genügend Kette dann ein sicheres einfahren des Ankers, Motor aus....
Vreni ist im Niedergang verschwunden und kommt wenige Minuten später mit zwei grossen Single Malt an Deck, die haben wir nun wirklich verdient. Nach weiteren drei Stunden harter Arbeit, bei starkem Wind im Hafen haben wir mit Unterstützung des Hafenpersonals auf dem letzten noch freien Platz an der Hauptmole festgemacht.
Kaum haben wir Reinschiff gemacht, es sah schrecklich aus, und uns etwas gewaschen und umgezogen haben, bekommen wir bereits Besuch. Toni und Doris erscheinen im Hafen und etwas später auch Heinz und Colette.
Heinz Leuenberger, der hier eine schöne kleine Ferienwohnung besitzt wird uns in den nächsten zwei Tagen, dank seinem Auto und seinen lnselkenntnissen eine sehr grosse Hilfe sein. Wir möchten deshalb an dieser Stelle ihm und seiner Frau Collette recht herzlich danken. Der gleiche Dank gilt auch Toni der mir bei der Reparatur eine grosse Hilfe war und Doris die sich als Newkommer nicht gleich vom Segeln abschrecken Iies.
Wie sich bald herausstellen sollte, wird die Beschaffung von zwei neuen Steuerseilen ein schier unlösbares Problem werden. Da das 6 Millimeter dicke Steuerbordseil zerrissen ist, entschliessen wir uns, aus Sicherheitsgründen gleich beide auszuwechseln. Das alte noch intakte können wir als Reserve beiseite legen.
In der Werft im Hafen hoffen wir ohne Sorge diese Seile zu bekommen. Weit gefehlt, man schickt uns nun von Geschäft zu Geschäft, von Werft zu Werft. Kreuz und quer fährt mich Heinz über die Insel Mallorca. Tief im Innern der ausgetrockneten Insel, hoch oben auf einem Hügel gelegen, laden wir schliesslich bei einem deutschen Ehepaar. Ihr Geschäft. Drahtseile... Sehr hilfsbereit versucht Herr Peter unser Problem zu lösen. Seine Frau ist gar nicht erfreut, seit Stunden müsste ihr Mann anscheinend auf dem Finanzamt sein und statt dessen bastelt er an unseren Steuerseilen herum. Für das anbringen der richtigen Bohrungen im Befestigungsnippel reicht dann aber leider die Zeit doch nicht mehr, er muss jetzt zum Fiskus.
Gegen den Willen seines Chefs wie sich erst später herausstellt, erlaubt uns der Mitarbeiter einer kleinen Autoreparaturwerkstätte, ihre Bohrmaschine und ihr Werkzeug zu benützen. Toni und ich können nun die Steuerseile fertig bearbeiten.
Unter den vielen fragenden und interessierten Blicken unserer Hafennachbarn, bauen wir die neuen Seile ein und justieren in stundenlanger Arbeit die Steuerung.
Nach zwei Tagen, wie im Törnplan vorgesehen, verlassen wir mit Toni und Doris als unsere Freunde an Bord Porto Petro.
Als Dank an Leuenbergers werden sie uns später auf einem Tagestörn nach Soller ebenfalls begleiten.
Toni und Doris werden während einer Woche mit uns Mallorca umsegeln. Obschon wir uns über das Wetter eigentlich nicht beklagen sollten‚ wir hatten noch keinen Tag Regen, spielt es ein bisschen verrückt. Jedes Tiefdruckgebiet und jede Schlechtwetterfase über dem Festland von Spanien, verursacht im Balearengebiet Störungen welche sich mit andauerndem Windwechsel für uns Segler unangenehm bemerkbar machten. Trotz allem ein schöner Balearentörn war’s.
Sonnenseiten und Schattenseiten
Unser Zodiac Beiboot liebt die Sonne nicht. Es ist nun schon längere Zeit einsatzbereit an Deck festgezurrt oder wird am Davids hängend mitgeführt. Nun plötzlich verfärbt es sich zusehends. Anscheinend darf man dieses Gummiboot nicht aufgeblasen an Deck mitführen, da es die Sonne nicht erträgt. Aber dieses Dingi erachte ich auch als Rettungsmittel und will es auch darum möglichst immer einsatzbereit an Bord haben. Jedesmal neu aufpumpen das ist doch nicht zu verlangen. Ich entschliesse mich die Schäden zu fotografieren und an die Firma Zodiac einen Kulanz Antrag zu stellen. Das Boot ist knapp zwei Jahre alt und es ist uns aufgefallen, dass die meisten Zodiac an dieser Krankheit leiden. Nach unserem Ferientörn ist das silberne Gummiboot nicht nur gelb verfärbt, sondern die Oberfläche fängt auch an sich abzulösen und fühlt sich ekelig klebrig an. Nach einigem Hin und Her bekomme ich nach einigen Wochen über die Verkaufsfirma den Entscheid von Zodiac. Man will mir das Boot in Teilgarantie ersetzen, 600 Franken muss ich aufzahlen. Obschon ich eigentlich für dieses Geld andere Bedürfnisse zu stillen hätte, entschliessen wir uns zuzustimmen, kostet doch das neue Boot heute über 2000 Franken. Ende November wird unser neues Zodiac geliefert. Es heisst jetzt Yachtline und ist schneeweiss. Viel Vergnügen für die Reinigung. Mit den zusätzlichen Halterungen versehen und abgeliefert kostet es dann schlussendlich 900 Franken. Aber das ist ja immer das gleiche Lied. Um das neue Beiboot besser zu schützen, will Vreni einen Ganzpersenning nähen. Wieder einmal an einem schönen Dezember Wochenende muss die Husquarna Nähmaschine mit ans Mittelmeer. Was dieses Ding von Elektronik schon alles nähen musste ist erstaunlich. Von Seide bis Leder, von Folien bis Segeltuch hat Vreni schon alles auf dieser Maschine verarbeitet. Beide, Vreni und die Husquarna sind ein Wunderding.
Ich mache mir wieder einmal so meine Gedanken, versuche Zwischenbilanz zu ziehen. Vor zwei Jahren haben wir nach einem günstigen Schiff auf dem Mittelmeer Umschau gehalten. Ein ganzes Jahr nun schon haben wir an unserer Amphora hart gearbeitet um sie nach unseren Wünschen auf Vordermann zu bringen. Finanziell sind wir einige Male bis an unsere Grenze gegangen und mussten lnstandstellungspausen einlegen. Dank Vrenis gutem Zusatzverdienst als Halbtagssekretärin und meinem Nebenerwerb als Gewerbeschullehrer konnten wir uns immer wieder die benötigten Ersatzteile und Ausrüstungsgegenstände erwerben. Einen grossen Schritt wurde mit der ersten Auswasserung getan. Der Unterwasserabstrich wurde von Grund auf erneuert und angeschlagene Seeventile wurden ersetzt. Es war eine harte Arbeit und wir waren unserem Sohn Roger sehr dankbar, dass er uns während Tagen bei der Arbeit geholfen hat.
Unsere Mängelliste ist nun erheblich kleiner geworden und enthält oft schon, neben dem wirklich Notwendigen, geheime Wünsche wie neue Segel, glanzlackierte Reling und ein neulackierter blauer Streifen an der Bordwand.
Gewittersturm über Saint - Tropez
Die weissen Segel vom Winde gebläht, die goldgelben Sonnenstrahlen im Gesicht. Shorts in tiefem blau und ein weisses T-Shirt mit dem Schriftzug SY-VERENA Basilea, die Bootsschuhe auf nackter Haut. Bei 15 Grad Krängung auf der hohen Kante sitzend, natürlich nur zum Plausch, segeln wir mit 6 Knoten rauschend südwärts.
Die See zeigt sich leicht bewegt, so als möchte auch sie ihrer Lebensfreude Ausdruck verleihen. Der Seewetterbericht ist gut. In so einem Augenblick des Lebens gibt es nur ein Gedanke: „Fast nichts kann schöner sein“
So und ähnlich dahinträumend lassen wir die vorgelagerten Klippen bei der Einfahrt in die Bucht von Saint-Tropez Steuerbord querab liegen. Sie tragen die netten Namen „Sardinen“.
Vreni drückt auf den Knopf des „Helmi“ vier, fünf Mal plus 10 Grad. Auf diese Weise gibt sie unserer Selbststeueranlage den Befehl doch bitte um 50 Grad nach Steuerbord den Kurs zu ändern.
Etwas später gehen wir in der idyllischen Bucht südwestlich des Städtchen Saint-Tropez vor Anker.
Es ist eine idyllische kleine Nebenbucht in der weiten Bucht von Saint-Tropez. Gegenüber kann man die Altstadt des sagenumwobenen Saint-Tropez, wo schon de Funé als Gendarm mit seinem Citroen herumkurvte, sehen. Der Blick auf den weltberühmten Friedhof ist offen. Etwas weiter entfernt sieht man die Küste von Sainte-Maxim mit der schön beleuchteten Halbmond Brücke.
Bei starkem Mistral kann es aber in dieser Bucht schon mal ruppig werden, gut geankert ist es aber nicht gefährlich. Wehe aber, wenn Gewitter aus Nord angesagt sind, hat uns Ueli Kernen damals gewarnt.
Das Wetter war aber gut an diesem milden Frühlingstag. Dass Monaco Radio einzelne Gewitter im Raume Côte Azur voraussagte, ignorierten Vreni und ich grosszügig, was uns ein „Lehrplätz“ für immer werden sollte. Vreni hat sich zu Recht durchgesetzt und mich davon überzeugt nicht näher am Ufer zu ankern. Es ist immer das gleiche, der Skipper möchte so weit ans Ufer wie nur möglich. Eine Handbreit Wasser unter dem Kiel scheint ihm zu genügen. Vreni ist da viel vorsichtiger, sie plädiert auf genügend Wassertiefe, Freilauf und Fluchtmöglichkeiten. Ich habe mich zu Gunsten der Sicherheit in dieser Meinungsverschiedenheit gebeugt und bin in den letzten Jahren dabei nicht schlecht gefahren.
Segeln zu zweit ist sehr schön und man geniest die Freiheiten die es mit sich bringt. Oft aber sind vier Hände an Bord auf einem Schiff, wie das unsrige das absolute Minimum. Auf Überführungen und längeren Törns sind also ein oder zwei Crewmitglieder gern gesehen. Ausserdem sind kleine Unkostenbeiträge, welche die laufenden doch hohen Betriebskosten ein klein wenig tragen helfen, immer willkommen. Aber ... das grosse Problem ist natürlich immer der Bordfrieden ... Aus diesem Grunde sind Vreni und ich in der Auswahl unserer Gäste sehr zurückhaltend und verbringen mindestens 3/4 unserer Törns ohne Begleitung. Vermehrt werden wir immer wieder angefragt, ob man nicht mitkommen könnte. Die Nachfrage von Verwandten, Bekannten und Freunden ist gross.
Sehr bald mussten wir erkennen, mitkommen möchte man schon, aber natürlich gratis. Nydi‘s sind doch gute Freunde...
Vreni hat sich nun entschlossen die von ihm in den letzten Jahren erfassten Törnkosten zu analysieren und auszuwerten. Dadurch ist nun ein Frankenbetrag entstanden den wir von unseren Gästen, die sich selber Anmelden verlangen.
800 Franken für eine Reise mit unserem Auto von Bern nach Südfrankreich, eine Woche das heisst 8 bis 9 Tage segeln mit Unterkunft in einer eigenen Kabine, Vollpension an Bord inklusive aller Getränke scheint nun einigen bereits zu hoch. Die Nachfragen zum Mitkommen sind etwas zurück gegangen. Wir sind froh darüber. Die echten Freunde und die, welche uns kennen kommen nach wie vor gerne mit und das freut uns natürlich besonders.
Ausbildungstörns ja oder nein? Da die Ausbildung ein Teil meiner beruflichen Tätigkeit war und etwas das ich auch besonders liebe, reizen mich natürlich solche Törns schon. Ich kann mein Wissen und meine wenigen Erfahrung an begeisterte gleichgesinnte Segler weitergeben, was eine schöne Aufgabe ist. Ausbildungstörns mit dem eigenen liebevoll gepflegten Schiff sind aber bedeutend Materialverschleissintensiver als etwa ein Ferientörn. Es werden öfters Hafen- und Ankermanöver geübt, oft gelingen sie nicht optimal und dann sind Schrammen am Schiff verständlicherweise das Resultat. Es braucht Nerven, wenn der Motor noch mit 1500 Umdrehungen vorwärts läuft und der Skipper selber schon längst den Neutral eingelegt hätte um frühzeitig vor der Mole stillzustehen. Oder wenn das Ruder an den Endanschlag gedrückt wird in der Meinung der Radius werde dadurch etwas kleiner und es reiche dann doch noch zum seitlichen anlegen. Sind gar möglichst viele Meilen zu segeln und das ist ja meistens bei einem Meilentörn der Fall, gibt es weitere Probleme die man sich bewusst sein muss. Bei einem Ferientörn wären Vreni und ich, wegen dem schlechten Wetter nicht ausgelaufen und hätten einen Landausflug dem Segeln vorgezogen. Ein anders mal wäre die Ankerbucht so schön gewesen dass man noch gerne geblieben wäre. Von alledem nun nichts mehr, man will nur Meilen. Ist die Meteo dann mal gar so schlecht, dass der Skipper ein Auslaufen aus Sicherheitsüberlegungen absagt, wird die oft mit schlechter Laune entgegengenommen.
Ausbildungstörns haben aber auch ihr schönes. Die Gespräche handeln vorwiegend von unserem schönen Hobby. Alle Arbeiten an Bord werden gemeinsam ausgeführt.
Wir haben uns entschlossen und von diesem Grundsatz weichen Vreni und ich nicht mehr ab: Entweder wird festgelegt, dass es sich um einen Ausbildungstörn handelt, so kommen keine Ferientörngäste mehr mit, oder es ist ein Ferientörn mit allen Annehmlichkeiten.
Von einem kleinen Ferientörn möchte ich im nächsten Abschnitt erzählen.
Hochzeitstörn für Silvia und Kurt Etter
Es war 1991/92 als einige Mitarbeiter von mir, mich und Vreni zur Durchführung eines Karibiktörn anfragten. Dieser Chartertörn in die kleinen Antillen wurde ein grosser Erfolg. Die Karibikcrew ist bis heute freundschaftlich miteinander verbunden. Etter Kurt war einer unserer Crewmitglieder. Er hatte damals erst kurz seine Zusatzausbildung mit Erfolg abgeschlossen und war das einzige Crewmitglied, ausser unserem Roger, das ohne Freundin oder Ehepartner mitkam.
Dieser „Küre“ hat nun mittlerweilen auch seine anderen Fähigkeiten aktiviert und die nette Silvia kennengelernt.
Zur Heirat haben Kurt und Silvia die ganze Karibikcrew eingeladen.
Nebst einiger Überraschungen überreichte diese Crew den beiden Neuvermählten einen Gutschein für ein verlängertes Wochenende auf der SY-VERENA. Einen Törngutschein Mittelmeer.
Kurt der vor zwei Jahren auf dem Karibiktörn seine ersten Seglererlebnisse hatte, wusste bereits dass er Stugeron mitnehmen musste. Für Silvia war dieser Schnuppertörn bei uns, Ihr erstes Erlebnis mit Segelschiff und Meer.
Vreni und ich stellten den beiden Crewmitglieder ein umfangreiches Törndossier zusammen. Dieses enthält nebst den ausführlichen Informationen über unser Schiff, das Seegebiet und den Reiseablauf auch wissenswertes über das Segeln als solches und über Frankreich. Auch ein SY-VERENA T-Shirt und einen offiziellen Reisegutschein bekommen Kurt und Silvia an ihrem Hochzeit ausgehändigt. Die ganze Karibikcrew wünscht, dass die beiden bei uns an Bord so richtig verwöhnt werden. Das Hochzeitserlebnis Hochseesegeln soll für die beiden eine ewige gute Erinnerung werden.
Am Donnerstag mittag treffen die Beiden bei uns Zuhause ein und können ihr Auto in unsere Einstellhalle stellen. Voller Erwartungen und gut gelaunt steigen sie in unseren Kadett ein. Das Seegepäck wird verladen und los geht die Reise. Über Lausanne fahren wir nach Genf, wo wir nach knapp 1.5 Stunden Fahrt den französischen Zoll passieren. Weiter geht es nach Lyon, Vienne, Orange, Nimes nach La Grande Motte. Nach etwas weniger als sechs Stunden beginnen wir bei unserem Segelschiff mit dem Eincheck.
Als Begrüssung an Bord und Willkommenszeichen wird eine gute Flasche Champagner entkorkt und in richtigen Gläser aus Glas serviert. Die Flasche kommt in den grossen Eiskühler und wir stossen an. Die Beiden freuen sich riesig. Kurt hat uns schon auf dem Karibiktörn gezeigt, dass er ein sehr gutes Gemüt hat. Seine positive Lebenseinstellung und seine aufgestellte Art lassen alle, die mit ihm zusammen sind, miterleben. Kurt kann noch an kleinen Dingen Freude haben ‚wie wir übrigens auch. Silvia steht da gar nicht etwa hinten an. Auch sie freut sich an allem neuen das auf sie zukommt.
Leider spielt das Wetter nicht so recht mit. Wir haben, wie in dieser Gegend halt üblich, eine Mistrallage erwischt. Es ist zwar schön, aber kühl. Die Meteo will Windstärke 6 bis 8. Der Windmesser zeigt uns am Freitag morgen auch wirklich Windstärke 4 und in den Böen 6 an. Vreni macht den Vorschlag als erstes, nach dem ausgiebigen Frühstück, zu einem Einkaufsbummel zu starten.
Gegen Mittag kehren wir zum Schiff zurück. Das Wetter ist Konstant, der Wind hat sich zwischen 4 und 6 Beaufort eingependelt.
Ich möchte alles andere als einer Frau gleich bei ihrem ersten Törn das Segeln vermiesen. Darum mache ich den Vorschlag nicht auszulaufen. Ich schlage einen Landausflug nach freier Wahl vor.
Silvias und Kurts Blick senken sich zu Boden. Die grosse Enttäuschung steht den beiden ins Gesicht geschrieben. So ein Pech meint Kurt. Ist es wirklich nicht möglich auszulaufen, fragt Silvia, ich habe ja meine Stugeron zum Frühstück genommen, es kann nichts passieren.
Also, gut... Ich und Vreni klären die beiden auf. Der Seewetterbericht ist recht stabil. Der Mistral wird andauern und kann Morgen sogar noch etwas zulegen. Wir haben aber ein sehr gutes Schiff und Windstärke 6 bis 8 sind für uns kein wirkliches Problem. Zudem sind wir hier in der weiten Bucht von den ganz hohen Wellen weitgehend verschont. Doch wir möchten euch nicht den ersten gemeinsamen Törn zum negativen Erlebnis machen. Es wäre wirklich schade, wenn es Euch heute Abend schlecht wäre.
Ein Freudenfeuer erhellte ihre Gesichter. Wir möchten gerne segeln, auch wenn es etwas ruppig werden könnte, sind sich die beiden einig.
Leinen los, wir segeln unter der Küste, ein bisschen vom flachen Land geschützt, nach Port Camargue. Bei raumen Wind und mit wenig Segelfläche segeln wir mit tollem Speed zu diesem Venedig des Mittelmeers. Es sind nur etwa sechs Seemeilen und bereits nach einer guten Stunde fahren wir in den Hafen ein. Der Crew geht es prima. Silvia und Kurt legen überall Hand an. Beide sind wissenshungrig und lernbegierig. Auch jetzt steht Kurt, den Lifebelt angelegt und mit der Leine gut gesichert, auf Deck und hilft Segelbergen. Das Schiff macht in den hohen Wellen vor der Hafeneinfahrt recht starke Bewegungen und Kurt bekommt einen Eindruck wie schwierig das Arbeiten unter solchen Verhältnissen sein kann.
Um eine schöne Erfahrung reicher und für Silvia das Erlebnis des ersten Hochseetörn in ihrem Leben, liegen wir mit dem Bug in Mistralrichtung nach einem gelungenen Anlegemanöver an der Gästemole.
Mit dem Beiboot erkunden wir über eine Stunde das Labyrinth der Kanäle ohne alles gesehen zu haben. Wir flanieren durch den grossen Yachthafen und geniessen am Abend, nach dem Essen, in einem der zahlreichen noch leere Restaurants eine grosse Glace. Für Silvia übrigens schon etwa die vierte Glace des Tages. Es wird auch uns bald klar, wie ausserordentlich gerne diese Frau Glace isst. Wir glauben bald einmal Silvia könnte sich von Eis alleine Ernähren.
Den Jass zu vorgerückter Stunde an Bord gewinnen wir Herren. Die Revanche folgte erst später und sei hier besser nicht erwähnt.
Wir schlafen herrlich, obschon ich um 6 Uhr erwache und feststellen muss, dass der Mistral merklich zugenommen hat.
Um 9 Uhr sitzen wir zusammen in der geschlossenen Pflicht und besprechen den Törn zurück nach La Grande-Motte. Heute gibt es keine Wahl mehr, denn wir müssen zurück und erst noch gegen den Wind. Die ausgehängte Meteo bei der Capitainerie sagt Klartext. Der Barometer ist noch etwas gestiegen und die Windstärke wird mit 8 bis 10 angegeben. Windstärke 10 zeigt mein Windmesser schon eine geraume Zeit und ich schalte auf die Knotenanzeige um. Das vorher besprochene Ablegen gelingt bestens und wir motoren, unter den zahlreichen Blicken verständnisloser Hafenbummler, Richtung Hafenausfahrt. Das zweimal gereifte Grossegel hissen wir bereits im Vorhafen, denn hier ist es noch einigermassen ruhig. Das Grosstuch dicht, den Motor mit 2300 Umdrehungen drehend, das ist bei mir sehr viel, fahren wir durch die Hafeneinfahrt hinaus ins kochende Meer. Ein kleines bisschen Genua wird noch ausgerollt, aber nur so viel bis das Schiff sauber getrimmt war. Alle Luken sind selbstverständlich dicht der Niedergang geschlossen und alles was kann sucht unter dem Spritzschutz Deckung. Wir tragen die Rettungswesten und der Skipper steht am Ruder. Für unsere Amphora ist dieser Seegang kein Problem, obschon freiwillig wären Vreni und ich heute nicht unbedingt ausgelaufen. Solches Wetter bekommt man, wenn man unterwegs ist noch genügend oft zu spüren und sucht sie deshalb normaler weise nicht. Und doch es ist toll und für unsere Gäste ein grosses Erlebnis. Der Windmesser klettert zeitweise bis auf 43 Knoten und die hohen Wellen schlagen weit neben unserem Schiff hoch in die Luft. Nicht selten steigen einige hundert Liter Wasser an unserer Bordwand hoch und überfluten Schiff und Steuermann. Die Crew hat noch ihre Freude, wenn es mich wieder einmal erwischt hat.
Das Aufkreuzen gegen den Wind erfordert viel Zeit und Arbeit. Erst nach 15 gesegelten Meilen und über 3 Stunden laufen wir in den gut geschützten Hafen von La Grande-Motte ein.
Es war ein herrlicher und zugleich sportlicher Tag, der zeigte was Segeln sein kann, aber er zeigte auch die Gefahren die der Mistral und das Meer bieten kann und so oft unterschätzt werden.
Kurt und Silvia werden nach diesem Erlebnis sicher nie die „ewige“ Frage stellen Hast du auch schon einen Sturm erlebt?
Am Abend sind unsere Gäste von uns zum Diner im „L‘Estrambord“ eingeladen. Es ist das Restaurant von unserem Ort La Grande-Motte. Sehr gepflegt, gut und erst noch Preiswert. Wir gönnen uns das teuerste Menü, uns kostete dies nur 115 Franc.
Den Sonntag morgen verbringen wir auf dem grossen Zigeunermark und gegen Mittag heisst es leider schon wieder Einsteigen in unseren Opel und die 610 Kilometer zurück in die Schweiz.
Seit vier Wochen ist es nun auch in der Schweiz wieder einmal richtig Sommer. Das Barometer kletterte auf 30 Grad und der Himmel ist blau in blau. Die einzelnen Wochenende zu Hause verbringen wir nur widerwillig. Einmal haben Therese und Willi unsere Freunde vom Neuenburgersee uns zu sich auf das Schiff eingeladen, das war sehr schön und ein zweites Mal waren wir bei meinem Arbeitskollege Kurt und der Andrea in ihrem wunderschönen Haus in lnterlaken. Beide Einladungen haben wir genossen, aber so richtig glücklich konnten wir einfach nie sein. Uns fehlte die SY-VERENA und das Meer. Ich glaube wirklich, Vreni und ich haben eine Art Sucht nach Meer. Am Donnerstag mittag können wir es uns wieder einmal Richten. Um 13:00 Uhr fahren wir los.
Mit unseren Ferientagen und Überzeitstunden wird es ab August immer sehr knapper und wir müssen beide haushälterisch mit ihnen umgehen.
An diesem Wochenende ist Arbeit auf dem Programm. Wann eigentlich nicht? Als Crewmitglied kommt unser 9jähriger Göttibub Simon mit. Er freut sich riesig und kann es kaum erwarten. Simon ist ein sehr lieber Kerl, aber er ist sehr wissenshungrig. Jeder Satz beinhaltet bei ihm eine Frage. Das Wort, warum ist das am meisten verwendete in seinem Wortschatz.
Vreni hat ebenfalls am Vormittag noch im Büro gearbeitet. Es macht anschliessend noch die Einkäufe und holt auf der Post die neuen Segel ab. Noch gerade rechtzeitig sind die Segel von LEE sail Hongkong bei uns eingetroffen.
Ja, ohne die Beweglichkeit und Arbeitsamkeit von Vreni könnten wir unsere Leidenschaft Segel schlichtweg vergessen.
Auch das Auto tankt es noch auf und verstaut das Gepäck im Laderaum unseres Kombis. Um 13:00 Uhr steht es fahrbereit bei der Loge des Zeughauses. Ich kann nur noch einsteigen und los geht die Fahrt.
Es ist ausserordentlich heiss und es herrscht reger Ferienreiseverkehr. Wir kommen aber gut voran und passieren ohne Probleme, schon kurze Zeit später in Genf den Zoll. Auf der normalen Autobahnroute fahren wir wieder über Lyon. In Lyon geraten wir in ein schlimmes Gewitter. Es hagelt und der Verkehr auf der Autobahn steht kurzfristig still. Sicht gleich null. Nach einigen Minuten ist das schlimmste vorbei und mit angezündeten Nebelleuchten geht die Fahrt weiter Richtung Süden.
Bei der Raststätte „Rambert“ tanken wir unseren Kadett mit bleifreiem Benzin auf und fahren dann bis zur Verzweigung Orange weiter.
In Orange trennt sich die Autobahn. Links geht es in Richtung Cote d‘Azur und Italien und gerade aus Richtung Barcelona, also Spanien. Unsere Route ist Richtung Spanien. Bei der Ausfahrt Lunel, das ist gut eine halbe Stunde nach Orange, verlassen wir die Autoroute de Sole und bezahlen, zum zweiten und letzten Mal, die Autobahngebühr. 105 FF bezahle ich und die restlichen 20 Kilometer auf der gut ausgebauten Hauptstrasse nach La Grande Motte sind gratis. Wir fahren durch das landschaftlich sehr schöne Gebiet der petit Camargue, Fenster und Schiebedach sind geöffnet und wir wünschten uns eine Klimaanlage.
Auf der SY-VERENA wird kurz der Strom installiert, damit der Kühlschrank läuft. Unser Gepäck verstaut. Sofort das Zodiac ins Wasser gelassen, Simon hilft mir dabei, und den Aussenborder montiert. Beim ersten Kick springt der Mariner Motor an und wir tuckern gemeinsam zum Badestrand. Ganz an das Ufer dürfen wir mit dem Beiboot nicht. Die Badezone ist zurecht durch Bojen abgegrenzt. Wir machen an einer der Bojen fest, netzen uns kurz an und springen ins erfrischende Nass. 27 Grad und so recht salzig, das schwimmen ist herrlich.
Das Kotelett vom Grill schmecken prima‚ nur Simon hat lieber Würstchen als Fleisch.
Es ist heute der 14. Juli 1991 also Nationalfeiertag in Frankreich. Der Abend ist somit vielversprechend. Für Spektakel aller Art ist gesorgt. Das schönste aber war das Feuerwerk. Über eine halbe Stunde lang erhellt es mit seinen prächtigen Bilder den Nachthimmel direkt über unserem Schiff. Es hinterlässt bei uns einen gewaltigen Eindruck und es ist bereits Morgen als wir drei in unsere Kojen steigen.
Warmwasser an Bord ist praktisch
Über die Art, wie man an Bord eines Segelschiffes Warmwasser zubereitet, kann man geteilter Meinung sein. Vreni und ich lernten unseren Gasdurchlauferhitzer „Vaillant“ schätzen. Obschon, das sei nicht verschwiegen, ich nach dem Kauf des Schiffes, dieses Gerät als erstes entfernen wollte, da mir Gas für diese Aufgabe zu gefährlich und das Gerät als zu veraltet erschien.
Ich lies mein Vorhaben zum Glück sein. Das umstrittene Gas an Bord eines Schiffes, ist nach unserer heutigen Meinung und Erfahrung weder besonders gefährlich noch problematisch. Seine Vorteile aber sind gewaltig. Wirtschaftlich, billig, sauber, wärmespendend und vor allem auch energiestark.
Wichtig ist eine fachmännische Installation und ein konsequenter Unterhalt der Gasanlage an Bord. Dazu gehört vor allem auch das zeitgerechte Ersetzen der Gasschläuche. Heute ist jeder dieser Spezialschläuche mit dem Herstellungsdatum oder, was viel besser ist, mit dem Auswechseldatum gekennzeichnet. Dichtheit bei Gas ist das aller wichtigste.
Unser „Vaillant“ Gasdurchlauferhitzer ist in der Pantri an der Wand montiert und versorgt die „Küche“ und die Nasszelle mit Heisswasser. Das Gerät hat das Herstellungsjahr 1980 und weist nach nun bald 14 jährigem Betrieb einige kleinere Mängel auf. Da das Gerät von unserem Voreigner wahrscheinlich nie entkalkt wurde, hat sich die Durchlaufmenge des Wassers sehr stark reduziert. Die Heizschlangen sind vom Kalkansatz weitgehend verschlossen. Der „Piezzo“ Anzündmechanismus funktioniert auch nur noch jedes fünfzehnte Mal. Das Temperaturwahlrad war schon beim Kauf des Schiffes abgebrochen und der Hahn lies sich nicht mehr regulieren. Auf unserem letzten Ferientörn kam nun noch ein Wasserverlust dazu, den ich mit Silikon nur notdürftig reparieren konnte. Eine Revision oder ein Geräteersatz drängt sich nun auf.
Nach diesem Entscheid folgen die üblichen Fragen: Wer hat die Vertretung des Gerätes? Wer hilft uns weiter? Gibt es dieses Gerät noch? Und so weiter. Einiges habe ich in meiner Yachtizeit gelernt und darum habe ich klare Vorstellungen. Das Gerät will ich auf alle Fälle erst dann demontieren, wenn die Revision klar geregelt ist oder ein neues Gerät geliefert an Bord steht. Leider ist es heute so, dass es immer zuerst heisst: Bringen sie mir das Gerät, wir werden dann abklären ..... Genau das will ich nicht!
Vreni und ich besuchen in Bern die Herbstausstellung BEA. An einem Stand für Ölheizungen lesen wir den Namen „Vaillant“. Der sticht uns natürlich sofort ins Auge und wir erkundigen uns gleich. Die Vertretung in unserer Region hätte die Firma Badertscher und diese befinde sich im Zent-Areal nähe vom Guisanplatz. Einfacher könnte es vorerst gar nicht sein. Das Zent-Areal liegt nur einige hundert Meter von meinem Büro entfernt. Als erstes greife ich am nächsten Montag zum Telefon und versuche mein Glück.
Herr von Arx hört sich mein Problem an und verspricht abzuklären. Er hinterlässt bei mir einen kompetenten und hilfsbereiten Eindruck, was heute nicht mehr immer selbstverständlich ist.
Prompt kommt ein paar Tage später seine Antwort. Eine Revision sei schwierig zu devisieren, es gäbe da einige unbekannte Faktoren welche erst bei der Zerlegung des Gerätes bekannt werden. Er nennt mir die Ersatzteilpreise, der nicht mehr funktionierenden und undichten Teilen und rechnet die Arbeitszeit für deren Ersatz und für das Entkalken.
Mit 700.-- bis 900.-- Franken müsse ich schon rechnen, meint Herr von Arx. Er habe auch die Möglichkeit eines Geräteersatzes abgeklärt und könne mir gute Antwort geben. Ein Austausch wäre kein Problem da die Firma „Vaillant“ dieses Gerät noch im Sortiment habe. „Vaillant“ habe eine gute Philosophie, sie ändern ihre Anschlüsse wenn möglich nie. Somit kann Alt gegen Modern ausgetauscht werden. Einziges Problem‚ die Geräte können auf verschiedenste Arten eingebaut und mit unterschiedlichen Wasseranschlüssen versehen sein. Eine Anschlussskizze und einige Fotos könnten die Problemlösung trotz einheitlicher Norm erleichtern.
Für netto 680.-- Franken könne mir die Firma Badertscher ein neues Gerät liefern. Billiger als eine Revision, wieder volle Garantie und eine Gebrauchsanleitung, welche wir nie besessen haben, das begeistert uns.
Fotos und Einbauskizze erstellen wir, während unserem nächsten La Grande-Motte Aufenthalt zwei Wochen später.
Am Montag habe ich alle Unterlagen ablieferungsbereit und rufe Herrn von Arx an. Er nimmt sich gleich Zeit und bittet mich, zu ihm in die Firma zu kommen. Ich mache mich gleich auf den Weg zu ihm.
Im ersten Stock der Firma Badertscher melde ich mich beim Empfang. Überaus freundlich werde ich empfangen, man bittet mich am Tisch Platz zu nehmen und bietet mir sogar einen Kaffee an‚ welchen ich aber aus Zeitgründen dankend ablehne. Während ich auf Herr von Arx warte betrachte ich die an den Wänden hängenden grossen Fotos. Sie zeigen Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlagen in Betrieben‚ auch Hinweise über Energiesparmassnahmen in Wohnhäuser sind dargestellt. Eine komplette Sache, welche diese Firma macht. Und ich, was will ich? Ein kleiner Warmwassererhitzer für ein kleines Schiff.
Als Herr von Arx Platz nimmt, gebe ich meiner Feststellung Ausdruck und entschuldige mich, ihn mit meinem kleinen Problem zu belästigen, hat er doch sonst sein Wissen bei technisch viel anspruchsvollerem eingesetzt.
Jedes Kundenproblem sei ernst zu nehmen, meint Herr von Arx, und auch meines wolle er, wenn möglich zu meiner vollen Zufriedenheit lösen.
Ob wirklich einmal etwas bis zuletzt mustergültig ablaufen wird, frage ich mich.
Eine Woche ist vergangen und ich erwarte ungeduldig das Resultat der Abklärungen zwischen der Firma Badertscher und der Firma Vaillant. Prompt ruft Herr von Arx wieder zurück, entschuldigt sich, dass es wegen seiner Ferienabwesenheit etwas länger gedauert habe. Das Gerät sei Mitte nächster Woche bei ihm abholbereit. Alles sei bestens, die Anschlüsse analog dem alten Gerät und alle Teile die ich zum auswechseln brauche seien bei der Lieferung dabei.
Vreni wirkt ungläubig, als ich ihm das alles voller Begeisterung erzähle. Abwarten, meint es, du wirst es dann sehen ob es wirklich einmal so einfach geht. Ich freue mich auf nächste Woche. Wer wohl recht bekommt? Vreni oder ich?
Donnerstag 17. November, ein Anruf der Firma Badertscher ‚ das Gerät sei abholbereit
Herr von Arx zuvorkommend und kompetent wie immer zeigt mir den neuen Durchlauferhitzer und vermittelt mir eine Menge Wissenswertes über Gasgeräte, Einbau und Unterhalt. Ich bezahle bar und gleich. 650 Franken wahrlich ein gutes Geschäft.
Hoffentlich passt das Ding auch.... kommen auch mir plötzlich wieder Zweifel auf.
Bereits am nächsten Wochenende wird es sich‘s zeigen
Am Freitagmittag hole ich, wie üblich Vreni beim BIGA ab. Wir fahren beim Gangloff auf die Autobahn Richtung Freiburg - Lausanne - Genf und geben Gas Kurs Südfrankreich
Mittlerweilen zeigt, bei Genf unser Kilometerzähler des Opel Kadett 105‘000 Kilometer an. Bestens eingefahren ist unser Auto nun im richtigen leistungsfähigen Alter. Ich gebe Gas und mit 130 Sachen, manchmal ein bisschen mehr, geht es unserem Ziel entgegen. Bis Orange haben wir mieses Wetter. Grau in Grau, trostlos klingt auch der Wetterbericht aus dem Autoradio. Kurz vor La Grande-Motte hellt es auf und wir treffen bei schönem Wetter bei der SY-VERENA ein.
So herrliches Herbstwetter, dass wir noch einmal zu Badehose und T-Shirt greifen können.
Am Samstag morgen nach ausgiebigem Frühstück, wird gleich mit dem Umbau des Gasdurchlauferhitzers begonnen. Wir nehmen es locker, es gibt tatsächlich keine Probleme. Bereits nach einer guten Stunde fliesst heisses Wasser aus dem neuen Gerät. Alle Anschlüsse waren passend, die Befestigungsdistanzen nicht geändert. Einmal hatten wir keine Probleme zu lösen.
Wir geniessen den herrlichen Tag mit einer Wanderung nach Grau du Roi. Zwei Stunden spazieren Vreni und ich dem Meer entlang, vorbei an ausgestorbenen Campingplätzen und Feriendörfer. Im acht Kilometer von La Grande-Motte entfernten schönen Fischerort Grau du Roi kehren wir in einer kleinen Kneipe ein, trinken ein „33 La Dry“ und fahren dann mit dem Bus zurück in unseren Yachthafen.
Wir möchten an dieser Stelle der Firma Badertscher und Herr von Arx noch einmal recht herzlich danken.
Ferientörn an der spanischen Küste
In diesem Jahr soll unser Ferientörn nur Erholung sein. Das Berufsleben schafft uns zusehend. Personalabbau, Armee 95 ‚Reorganisation EMD, Personalabbau und so weiter. Langsam aber sicher zerrt es an unseren Nerven. Wir sind zwei gestresste Typen und nur das Segeln kann uns zur Zeit noch helfen. Ohne Gäste an Bord und volle drei Wochen planen Vreni und ich von La Grande-Motte aus, Kurs Südwest, der Costa Brava entlang zu segeln.
Bereits am Donnerstag verabschieden wir uns im Büro, denn nur so können wir den Freitagswirren, wo noch jeder schnell etwas will, auf elegante Art entfliehen.
Es ist schon später Nachmittag als wir mit den Arbeiten „Klar Schiff“ für den Ferientörn beginnen. Der Freitag ist noch grosser Einkaufstag. Unterwegs möchten wir möglichst wenig schwere Lasten, wie Flaschen und Büchsen schleppen, darum kaufen wir möglichst alles gewichtige noch hier in La Grande Motte ein. Mit unserem Zodiac Beiboot bringen wir die gekaufte Ware direkt an Bord. Auch hier zeigt sich wieder ein grosser Vorteil unserer neuen Badeplattform am Heck. Wir stapeln Büchsen, Packungen und Flaschen auf dieses verlängerte Heck unseres Schiffes und Vreni hisst die Ware ohne grosse Anstrengung mit einem Flaschenzug an Deck. Wir haben es nicht eilig und benötigen den ganzen Tag für das Einkaufen und das Seeklar machen unseres Seglers.
Einen Törnplan haben wir auch dieses Mal wieder Zuhause vorbereitet auf dem PC von Roger geschrieben und hängen ihn nun beim Navigationstisch auf. Wir haben uns aber abgesprochen: Dieses Mal gilt er als fakultativ und jegliche Änderungen infolge Lust oder Wetter sind möglich.
Am Samstag morgen lösen wir unsere Anbindetrossen, nehmen sie mit an Bord, damit sie uns am Liegeplatz, wie auch schon, nicht geklaut werden. Wir stechen in See. Leider wird heute nichts mit segeln. Wir wollen nach Süden und genau von dort kommt auch das bisschen Wind. Wieder einmal mache ich mir so meine Gedanken über den Unsinn unseres heutigen Lebens. Wir haben nur drei Wochen Ferien und möchten nach Süden. Dabei weht ein leichter schöner Südwind und man könnte nach Norden, Westen oder Osten. Segeln wohin der Wind uns weht! Es hat noch keinen Sinn zu viel zu grübeln und solchen Gedanken nach zu hangen. Wir müssen in drei Wochen wieder im Büro sein, denn ohne diesen Verdienst könnten wir uns das Segeln gar nicht leisten.
Somit geht es uns heute auch beim segeln wieder einmal so, wie auch oft im Leben, „Gegen den Wind“. Wir finden uns damit ab und lassen unseren Perkins Dieselmotor mit 2000 Umdrehungen schnurren.
Rudolf Diesel hat schliesslich diesen zuverlässigen und sparsamen Motor dafür erfunden, nützen wir es aus. Mit der Drehzahl von 2000 Umdrehungen in der Minuten verbraucht unser Vierzylinder etwa zwei Liter Diesel in der Stunde und bringt uns bei sauberem Unterwasserschiff, auf eine Geschwindigkeit von nahezu sechs Knoten. Nach 45 Seemeilen erreichen wir unseres erstes Tagesziel „Port Gruissan".
Da wir diesen Ort aus vergangenen Besuchen schon recht gut kennen, machen wir dieses Mal keine grossen Sprünge und bleiben an Bord. Wir beginnen uns langsam vom Alltag zu lösen und geniessen es. Während ich meine Videokamera reinige und für den Einsatz auf See vorbereite, liest Vreni in seinem Buch. „Meine schwersten Stürme“
Der Sonntagstörn am nächsten Tag führt uns zum letzten Hafen, den wir in Frankreich noch anlaufen werden. Saint Cyprien. Hier gefällt es uns leider wenig. Wir machen längsseits an der Mole vor der Capitainerie fest und fragen nach einem Liegeplatz für eine Nacht. Die Mole ist leer und auch sonst scheint es, dass wir die einzigen Gäste sind. In der Capitainerie ist man recht freundlich, findet aber für nur eine Nacht könnten wir gleich an der Einfahrtsmole bleiben. Selbstverständlich aber nicht längs, sondern römisch katholisch. Draussen hat sich eine hohe Dünung aufgebaut, der Wind ist sehr schwach der Himmel nun stark bewölkt und im Hafen so viel freier Platz. Ich wäre lieber längs geblieben, denn mancher Yachti‘s wird bei diesem Wetter bestimmt nicht mehr kommen.
Aber Befehl ist Befehl. Vreni und ich lösen die SY-VERENA wieder und fahren das Manöver. Bug an die Mole und am Heck eine Mooringleine die mir Hände und Arme verschmutzt und verkratzt, da sie anscheinend seit längerer Zeit unbenutzt am Grund liegt und über und über verschmutzt und mit Muscheln bewachsen ist.
Obschon August, ist auch im Ort Saint Cyprien wenig los. Wir verbringen, mal abgesehen vom Schwel der uns die ganze Zeit hin und her schaukelt, eine ruhige Nacht. Um sechs Uhr morgens werde ich durch ein Geräusch aus dem Schlaf geholt und schaue nach was los ist. Ein älteres Ehepaar mit einem Motorsegler, das froh ist über meine sofortige Hilfeleistung beim Anlegemanöver an dem Platz neben uns. Es sind zwei deutsche Segler, sie sind todmüde. Die ganze Nacht hätten sie sich bei praktisch null Wind gegen die enorme Dünung voran gekämpft, in der Hoffnung Spanien zu erreichen. Jetzt können sie einfach nicht mehr, sie sind fix und fertig und brauchen ein paar Stunden Schlaf.
Dieses deutsche Ehepaar mit Ihrem Schiff waren die einzigen die Saint Cyprien noch anliefen. Wir verlassen den Hafen zwei Stunden später und hoffen auf besseres Wetter.
Kurz nach dem Kap Bear, wechselt Vreni an unserer Steuerbordsaling, die Gastlandflagge aus. Wir kommen nun in spanisches Gewässer. Die meisten Schiffe tragen zwar hier stolz die Katalanische Flagge und nur selten wie wir die Spanische. Da wir aber bisher noch keine solche kaufen konnten, zeigen wir die rot-gelb-rote Flagge von Spanien, was eigentlich auch korrekt ist.
Unser erster Hafen den wir in Spanien anlaufen ist „de La Selva.“ Im Laufe des Nachmittags fahren wir in die malerische, schöne Bucht ein und nehmen die Einladung, die man uns durch zuwinken macht, gerne an. Am Steg des Club Nautico de La Selva legen wir unter Mithilfe der Marinerons an. Der Wetterbericht ist schlecht. Ein Ankern in der Bucht wäre wohl möglich gewesen, aber sicher weniger angenehm als am Steg. Wir werden richtiggehend verwöhnt und das Personal des Yachtclubs ist sehr freundlich und hilfsbereit, was man natürlich auch bezahlt.
Wir haben Spanien erreicht und geniessen es, Wetter hin oder her, in vollen Zügen.
Laufende Reparaturen sind zu erledigen
Drei Wochen Ferientörn, nicht lange genug aber doch drei Wochen harte Beanspruchung von Schiff und Material.
Nach nun bald drei Jahren lnstandstellungsarbeiten an unserem Schiff befindet es sich in einem sehr guten Zustand. Doch man darf sich nicht täuschen. Ob ein Schiff drei oder zehn Jahre alt ist, Verschleiss gibt es immer wieder. Salzwasser, ja schon die Salzluft machen dem Material und vor allem der Elektrik und Elektronik zu schaffen. Dazu kommt die mechanische Beanspruchung von Boot und Ausrüstung. Rostfreiheit gibt es nicht. Alle diese Umstände und viele mehr führen zu dauernden Unterhaltsarbeiten und notwendigen Reparaturen an Bord eines Schiffes. Das Grossegel und der Besan fahren wir auf diesem Ferientörn das erste Mal. Beide Segel sind brandneu. Erst vor ein paar Wochen wurden sie uns von der Firma Lee Sails geliefert. Wir sind sehr zufrieden damit‚ Masse, Form, Verarbeitung und Qualität stimmen. Dann vor allen der Preis! Einen drittel verglichen zu europäischen Segel. Die zwei neuen Segel machen uns grosse Freude und sobald unsere Unterhaltskasse sich wieder etwas erholt hat, werden wir auch die Genua ersetzen. Der Voreigner hatte sie zwar neu gekauft und nur etwa zwei Mal gesegelt. Er lies das Segel aber aufgerollt über fast vier Jahre am Vorstag montiert. Als wir das Schiff kauften, war das Vorsegel so stark „vergraut“ und am äusseren Rand verschlissen, dass wir es nur mit einer Radikalkur, mit harter Bürste und dreimaligem waschen, in einer lndustriewaschmaschine einigermassen brauchbar sauber bekamen. Die Nähte haben dabei natürlich derart stark gelitten, dass sie nach und nach zu brechen begannen. Selbst eine Reparatur des Segels in Saint-Raphael für sage und schreibe 800.-- Schweizerfranken änderte an der Situation nur wenig.
Dass wir uns bis heute noch keinen GPS Navigator leisten konnten störte uns bis anhin wenig. Unser Loran C Navigator funktioniert ausgezeichnet und das Loransystem hat uns, bis heute, immer sicher ans Ziel geführt. Auf diesem Törn der Costa Brava entlang sollte sich diese Situation nun plötzlich ändern.
Kaum hatten wir das Kap Bear umsegelt, sagen wir besser „ummotort“, denn der Wind war wieder einmal voll gegen uns, war die sonst so zuverlässige Loranposition sehr ungenau bis unbrauchbar. Das Gerät zeigte uns konstant eine bis zu drei Meilen nordöstlichere Position an als richtig. Wir segelten theoretisch auf der Küstenstrasse der Spanischen Costa Brava entlang. Vreni, ein echter Loranfreak versucht alles. Ein Nebensender scheint die Ursache zu sein. Er kommt mit sehr schlechtem Signal daher. Vreni wechselt einige Male die Senderketten. Weder die Keife „Mittelmeer“ noch „France“ befriedigen uns. Der Erfolg hielte sich in Grenzen. Ob eine Seemeile im Landesinnern oder deren zwei, die Position zu finden ist in beiden Fällen ärgerlich und nicht brauchbar.
An der nächsten Bootsaustellung der „lnterboot Friederichshafen“ kaufen wir uns einen GPS Navigator Furuno GP-50. Wir freuen uns schon auf dessen Einbau auf der SY-VERENA.
Ich, der Skipper Hansruedi, bin mittlerweilen auch schon 47 Jahre alt geworden. Was also braucht der Skipper? Eine Lesebrille. Eigentlich schon seit bald zwei Jahren aber damit abfinden kann er sich einfach nicht. Nicht nur lesen ist aber ohne Brille mühsam, auch das schrauben und werken an kleinen Gegenständen. Vom Seekarten lesen gar nicht zu sprechen. Also trägt man dieses Unding auf der Nase ob man will oder nicht. Eine Billigversion hat Vreni dem Skipper vor der Abreise bei unserem Optiker gekauft, dazu ein Band zum tragen um den Hals.
Am dritten Segeltag ist es aber bereits soweit. Endlich einmal weht ein schöner steifer Wind aus der richtigen Richtung. Mit 7 Knoten Fahrt pflügen wir durch das Mittelmeer. Die See ist etwas bewegt und hoch spritz das Wasser neben uns in die Luft. Der Trimm ist dem Skipper noch zu wenig optimal. Ein paar Zehntel Speed könnten auch bei unserem Schiff noch drin liegen. Der Skipper dreht behutsam an der Winsch er schaut nach vorn zur Genua, noch ein wenig dichter, er beugt sich noch weiter nach aussen vergisst sich fast im Rausch des Segelns. Mit den Füssen muss er sich verstellen, alles ist sehr bewegt. Endlich geschafft, optimaler Trimm. Das Schiff zwar nach wie vor gleich schnell. Wir sind doch Fahrtensegler Hansruedi, meint Vreni tröstend. Das Brillenband vertörnt sich an der Winsch, die Brille wird frei und verabschiedet sich ohne Kommentar auf den Grund. Das Echolot zeigt eine Tiefe von 145,00 Metern an. Eine alte Weisheit kommt in Erinnerung: „Unser Skipper ist der Spezialist im versenken“.
Liegeplatzkosten im Mittelmeerraum
Juli bis September herrscht Hochsaison im westlichen Mittelmeer. An den Küsten Frankreichs und Spaniens jetzt zu segeln geht an den Geldbeutel.
Dieser Meinung sind sicher die meisten die dieses Revier kennen. Auch wir beide wissen, dass es grundsätzlich so ist. Wir machen uns somit für den Ferientörn nichts vor und rechnen pro Nacht in einem Hafen mit durchschnittlich 50.-- Schweizerfranken. Man glaubt es kaum, glaube aber nach wie vor, dass man auch heute noch, in diesem Mittelmeerraum billiger leben könnte, wenn man nur möchte.
Mit unserem fast 12 Meterschiff bezahlten wir 1994, in den meisten Häfen, im August zwischen 46.-- und 60.-- Franken.
Eine billigere Möglichkeit war „Palamos.“ Eine Grossstadt an der Costa Brava in Spanien. Ein Städtenamen der vielen bekannt ist, aber sicher nicht an erster Stelle im Reisekatalog zu finden ist. Es ist aber eine sehr schöne und alte Stadt die auch beste Versorgungsmöglichkeiten bietet. Vreni das so gerne „lädelet“, kommt in dieser Stadt voll auf seine Rechnung. Die neue Marina gilt auch hier als recht teuer, der Zufall kommt uns aber zu Hilfe. Im Hafenhandbuch ist die Position der neuen Marina identisch mit der des alten Handels- und Fischereihafens. Also, wo laufen wir ein? Einem 60 Meter langen rostigen Frachter aus Slovenien entlang fahren wir prompt in den alten Hafen von Palamos. Steuerbords gerade aus sehen wir das kleine Gebäude vom Yachtclub. Es gibt wenig Liegeplätze und die sind alle bereits belegt. An der Betonpier liegt eine deutsche Yacht, daneben noch für mindestens zwei Schiffe unserer Grösse freier Raum. Wir legen längsseits auf Backbordbug an und machen fest. Nicht sehr einfach. Die Mole ist so hoch, dass Vreni fast zu kurze Beine hat um hoch zu kommen. Die junge deutsche Crew ist uns, wie unter Seglern üblich, behilflich.
Es ist Sonntag. Seit Samstag liegen die deutschen hier an der Mole, ohne dass jemand vorbei kam um einzukassieren. Wasser- und Stromanschlüsse sind vorhanden, wir sind voll und ganz versorgt.
Im Laufe des Tages gibt es dann einen Wechsel. Die deutschen Gäste laufen aus und an ihrer Stelle legt ein 25 Jahre altes Segelschiff an. Ein Kunststoff Schiff mit einem Holzaufbau. Es ist Add Berg. Ein echter Lebenskünstler und zudem Einhandsegler aus Holland. Später macht auch Beat, ein Schweizer Skipper mit Crew, seine Sharki an unserer Mole fest. Wir alle geniessen Palamos in vollen Zügen und lassen es uns in allen Teilen gut gehen. Einzig, die Dusche fehlt uns ein wenig.
Am Montag morgen, wir sitzen in der Pflicht beim Frühstück, kommt ein Angestellter der Gemeinde vorbei, er sieht uns beim zmörgelen und gibt uns mit seiner Gestik das Zeichen, er komme dann später noch einmal vorbei. Einige Zeit nach unserem Frühstück kommt er zurück und fragt nach unserer Bootslänge. Wie üblich in solchen Fällen wo man keinen Flaggenschein vorzeigen muss, antworten wir mit einem Meter kürzer und bezahlen 12.-- sFr. Gegenseitig wünschen wir uns einen schönen Tag. Die erhaltene Quittung, hätten wir das doch schon gestern gewusst, sie berechtigt Gast des Nautik Club von Palavas zu sein. Schöne Duschen, ein tolles Restaurant ja sogar ein Schwimmbad unmittelbar neben unserem billigen Liegeplatz hätten wir zusätzlich benützen dürfen.
Da war auch noch San-Feliu. Sicher keine besonders reizvolle Stadt. Hier blühte vor vielen Jahren die Korkindustrie und der Grosse Hafen gab die Möglichkeit mit den vielen Grossen Kranen das verarbeitete Kork zu verladen und mit den Frachtern in aller Herren Länder zu verschiffen. Heute liegt der ehemalige lndustriehafen verlassen in der felsigen Gegend. Ein nostalgischer, aber technisch sehr interessanter Kran ist der Blickfang vor unserem Liegeplatz. Der hier ansässige Club Nautik bietet nur kleinen Booten Platz. Nichts für uns.
Bei der Einfahrt unter Motor fahre ich ganz langsam der Clubmole entlang, in der Hoffnung doch noch einen der wenigen Plätze mit Strom und Wasseranschluss zugeteilt zu bekommen. Zahlreiche Liegeplätze sind auch tatsächlich frei und ich gebe dem Clubangestellten ein Zeichen. Sein Handzeichen und seine Mimik spricht aber Klartext. Kein Platz für Fremde hier.... Fahre nach hinten an die Frachtermole.
Einige Schiffe liegen bereits im Päckli, aber ein Liegeplatz ist noch frei. Wir zwängen uns hinein und machen fest. Aussen am Schiff befestigen wir zusätzliche Fender, denn einem weiteren Schiff könnten wir das Längsseits kommen nicht verwehren. Ein etwas später einlaufender Katamaran geht an der Verlademole längs und eine weitere deutsche Segelyacht macht längs an einem Fischerboot fest. Letzteres hat dann aber leider Pech. Eine Stunde später läuft der Fischkutter aus.
Da es wieder ein Wochenende ist, bezahlen wir vorerst gar nichts. Erst am Montag morgen kommt der Dorfpolizist, hier heisst er wohl anders, vorbei und kassiert für eine Nacht 8.-- Schweizerfranken.
Zurück im teuren Südfrankreich. Auch hier finden wir immer wieder eine kostengünstige Liegemöglichkeit. In Fort Leucate, zwischen Meer und Etang gute 1,5 Seemeilen im Landesinnern liegt der Grosse, aus mehreren Becken gebauter Yachthafen. Eingangs an Backbord befinden sich einzelne Hafenbecken die nie fertig gebaut wurden. Je nach der Windrichtung, der Tramontan weht hier ungehindert über die Ebene in den Hafen, wählt man am Steg möglichst die Leeseite. Es hat genügend Platz für Yachten jeder Grösse. Kein Strom, kein Wasser aber ein sicherer Liegeplatz in Mitten eines grossen Ferienortes sowie einzelner Werften. Gratis!
EIN SCHWARZES WOCHENENDE IN LA GRANDE-MOTTE
Wir freuen uns sehr auf den Besuch von Sohn Roger und meinen beiden Brüder, Heinz und Daniel. Sie waren alle zusammen mit ihren Familien während zwei Wochen in Spanien in den Ferien. Auf ihrer Heimreise wollen sie noch für ein Wochenende bei uns in La Grande-Motte vorbei kommen.
Das Wetter ist prima, besser könnte es gar nicht sein. Obschon bereits Mitte Oktober, klettert das Barometer am Mittag noch auf 30 Grad. Strahlend blauer Himmel und windstill.
Am Freitag gegen Abend, früher als wir sie erwarten, treffen sie bei uns ein. Heinz mit seiner Frau Elisabeth und den beiden Kindern, Myriam und Simon. Den Mietcamper, den sie fahren parkieren sie auf dem grossen Parkplatz unmittelbar neben unserem Hafen.
Daniel, seine Frau Heidi mit der Tochter Rebekka treffen mit ihrem VW Passat und Anhänger zur gleichen Zeit ein, wie unser Sohn Roger mit seinem alten restaurierten VW Camper. Sarah die zweite Tochter von Daniel ist Beifahrerin bei Roger.
Daniel und Familie werden bei uns an Bord übernachten, da sie mit dem Zelt unterwegs sind, während Heinz mit Familie und Roger in Ihren Camper schlafen werden. Roger lässt seinen Liebling kaum aus den Augen. Es ist ein VW Typ 2 Jahrgang 1968. Er hat ihn mit meiner Hilfe total revidiert und weit über 20000 Franken in dieses Auto investiert. Blitz blank poliert ist sein Kleinod, als er wieder an diesem Abend bei uns vorfährt. Gesunde Musik tönt aus dem Spezialauspufftopf des 1,6 Liter Zweivergaser Motors mit etwas erhöhter PS Leistung. Als gelernter Automechaniker und ehemaliger VW Spezialist, lässt es mein Herz wieder etwas höher schlagen. Wir entschliessen uns miteinander den Abend zu verbringen und ins Casa Nostra zum Pizza Essen zu gehen. Heinz will mit seiner Familie bereits am nächsten Morgen wieder Richtung Schweiz weiter fahren.
Als wir am Sonntag morgen aufstehen ist Heinz mit dem Camper bereits weg, auf der Rückreise in die Schweiz. Um neun Uhr gibt es bei uns an Bord, für die noch hier gebliebenen, Frühstück. Wir geniessen gemeinsam diesen letzten Tag und kaufen zum Schlemmern ein. Frische Crevetten als Vorspeise und für den Hauptgang 1,5 Kilogramm Filet Mignon. Mitte Nachmittag machen wir unseren Bordgrill heiss, die Crevetten sind schon fast zum servieren bereit, als Roger, ausser sich über den Steg zum Schiff gerannt kommt. Wir haben ihn noch gar nicht vermisst, und nicht bemerkt, dass er mit seinem Camper zur Tankstelle fahren wollte.
Er bringt es kaum über seine Lippen. Bitte kommt schnell, helft mir, ich wurde beinahe gerammt, konnte noch knapp ausweichen, aber jetzt liegt mein VW Camper auf der Seite. Die Police ist bereits alarmiert und ein älteres Ehepaar hat mich schnell hier her, zu euch gefahren.
Roger blutet am Arm, ist aber Gott sei Dank sonst unverletzt.
Nun überstürzen sich die Dinge. Nachdem wir nun den Ort des Geschehens kennen, rennt Vreni sofort mit Daniel und Roger weg. Ich bespreche noch schnell mit Heidi was es mit dem Grill und den feinen Crevetten soll. Ein paar Minuten später bin auch ich unterwegs zum Unfallort. Ein grauenvolles Bild zeigt sich mir. Der wunderschöne metallic blaue VW Camper, zur Zeit die einzige Freundin von Roger, liegt auf der linken Seite, alle 4 Räder von sich streckend. Quer stehend zur zweispurigen Autostrasse, die von Lunel nach La Grande-Motte führt. Wie Schmerzenstränen tropft kontinuierlich etwas Motorenöl aus dem Hochglanz polierten Motorenraum auf die trockene Strasse.
Die Gendarmerie hat bereits den ganzen Platz abgesperrt. Die Situation ist klar, aber für Roger trostlos wahr. Man sieht seine Bremsspur, man sieht wie er sein Auto nach links zog um einen Unfall mit dem weissen Peugeot, der unachtsam über die spitzwinklige Einfahrt auf die Autostrasse gefahren ist, vermeiden wollte. Der Peugeot Fahrer aber ist leider geflüchtet. Es ist keine Fahrzeugnummer bekannt. Der Polizist schüttelt den Kopf und hebt die Schulter. Zu machen sei hier gar nichts. Pech für Roger sei das. Ja wirklich Pech. Das schöne Auto hat einen Totalschaden und ist natürlich nicht Vollkasko versichert, da eine Prämie, wenn überhaupt möglich, viel zu teuer käme. Daniel und ich möchten das Auto so schnell wie möglich aufstellen, denn für uns Profi, beide sind wir Automechaniker Meister, ist noch nicht alles verloren. Je schneller das Auto steht desto weniger Flüssigkeiten laufen aus und desto kleiner sind die Folgeschäden. Mit einem Spannset und dem 4x4 Passat von Daniel machen wir uns an die Arbeit. Aber das war nicht gut...! Der Polizeichef kommt, ausser sich, auf uns zu gerannt und verbietet uns mit aller Gesetzes Gewalt das Auto selber wieder auf die „Beine“ zu stellen. Der Abschlepper sei organisiert.. ,,Ici la France!‘ Hier befehle ich!!! Er wendet sich wieder ab und geht zu seinen, nun etwa 15 weiteren Polizeikollegen die mit mehr als 4 Fahrzeugen die Strassensperre aufrecht erhalten.
Als dann endlich der Abschlepper da ist‚ befehlen Daniel und ich dem Fahrer wie aufgestellt werden soll. Noch mehr Schaden wollen wir am Fahrzeug nicht. Wir beharren nun darauf, dass das Auto nicht aufgeladen und abtransportiert wird. Daniel erklärt, er habe einen Anhänger dabei und werden das Auto selber mit in die Schweiz nehmen. Das von wegen eigenem Anhänger ist auch nicht gelogen, er steht wirklich auf dem Parkplatz und ist gefüllt mit Zelt und Campingmaterial.
Roger hat einen leichten Schock. Vreni kümmert sich um ihn. Ich steige von der rechten Seite her in den Camper. Die linke Türe ist total verklemmt und die ganze Fahrzeugseite arg demoliert. Das Auto muss wirklich im letzten Moment und praktisch stehend umgefallen sei‚ was die Art der Schäden klar zeigen. Eine Funktionskontrolle zeigt mir, dass das Auto noch beschränkt fahrbar sein könnte. Nach dem wir sicher sind, dass auch noch genügend Oel im Motor ist, versuche ich einen Motorstart. Der Motor springt gleich an, raucht aber sehr stark blau. Das ist klar, denn Motorenöl konnte in der misslichen Seitenlage in die Brennräume von Zylinder 3 und 4 gelangt sein. Daniel mit seinem Passat und Vreni mit unserem Kadett nehmen mich ins Sandwich. Wir verschieben uns zum Ship-Shop, wo uns Direktor Navarro freundlicherweise einen Abstellplatz in seinem Areal zur Verfügung stellt. Mit dem Unfallwagen zurück in die Schweiz zu fahren wäre zu riskant, ist doch einiges an der Aufhängung verbogen.
Roger fährt dann mit uns zurück und der TCS wird, dank dem ET-Schutzbrief, den Camper in die Schweiz zurück schaffen.