SY-VERENA basilea

 Dezember 1999 /II

Das Segeln als Ehepaar

Als Mann und Frau an Bord, ein ungemein heikles Thema. Sehr viele verschiedene Ansichten bestehen zu dieser Situation, die schon so oft im Chaos endete, bevor sie überhaupt richtig begann. Es sei klar festgehalten, dass hier nur meine ganz persönliche Meinung steht, die aber aus nun bald 15 Jahren gemeinsamen Segeln entstand.

Ich bin absolut kein Einhand Segler und wäre ganz bestimmt auch nie dazu geeignet. Genau das selbe gilt auch für Vreni meine Frau. Vreni und ich sind eine Crew! Eigentlich besteht bei uns beiden eine sehr unterschiedliche Konstellation. Aber vielleicht liegt gerade darin der Grund unserer Gemeinsamkeit. Ich bin als ältester von acht Kindern aufgewachsen, dazu lebte ich längere Zeit bei meinen Grosseltern, wo eine sehr starke Bindung entstand. Vreni dagegen ist ein Einzelkind und hat seine Jugend bei den Eltern verbracht. Schon hier beginnen also unsere Unterschiedlichkeiten. Vreni, ein sehr ruhiger, manchmal sogar etwas verschlossener Typ von Mensch. Feste, Einladungen und Tam Tam liebt es nicht besonders. Vreni liebt gutes Essen, Reisen und ein harmonisches Leben. Das am liebsten mit der eigenen Familie oder mit guten Freunden zusammen. Vreni liebt ‚ am Strand einen herrlichem Sonnenuntergang oder an Bord unseres Schiffes ein einfaches Essen vom Grill. Es darf auch mal eine Cervelat vom offenen Feuer sein. Dies alles zieht es einer Einladung in Gala vor.

Obschon ich in diesen Dingen recht ähnlich bin, liebe ich doch die Abwechslung und bin sehr gerne unter Menschen. Ich liebe es Filmabende zu organisieren und Vorträge zu halten. Ich drücke mich gerne aus. Wir haben uns beide aneinander angepasst, was ehrlich gesagt auch nicht immer leicht war. Wichtig für uns war immer, dass diese Anpassungen gegenseitig geschahen. Egoismus führt unweigerlich zu Konflikten. In den primären, den grundsätzlichen Punkten des Lebens muss meines Erachtens eine in etwa analoge Grundeinstellung vorhanden sein, oder erarbeitet werden.

Segeln, eine Leidenschaft, die das ganze Leben verändert. Wehe, wenn es nicht beide Partner packt. Oder wehe, wenn es sie packt wie uns!

Oft sagt man zu mir. „Du hast schon ein Riesenglück, dass Vreni das alles mitmacht!“

Ja, das habe ich wirklich und ich schätze es auch. Es darf aber auch gesagt werden, dass Vreni das Glück hat, dass auch ich mitmache. Oft ist Vreni nämlich noch fanatischer als ich.

Mancher Skipper oder ganz einfach Segler ist aber selber daran Schuld, dass seine Partnerin nicht mehr mit segelt und die Lust an diesem wunderschönen Hobby verloren hat. Schon so oft wurde leider bereits beim ersten Segeltörn einer Frau, das Leben auf einem Segelschiff vermiest. Meilenfresserei, ein zu kleines Schiff, eine falsche Crew, zu wenig Zeit zum shoppen, alleinige Frau an Bord bei einer Männercrew, ein dauernd ausrufender, unsicherer Skipper und viele andere Dinge führten so oft schon dazu, dass das Segeln bei einer Frau zum Horrortrip wurde. Es gibt aber auch Menschen die sind ganz einfach nicht zum Segeln geeignet und das ist auch gut so. Damen die Jeans und Turnschuhe nicht mögen, die sich mehrmals an einem Tag im Spiegel ansehen müssen, das Hotelbett allem anderen vorziehen, nur mit dem Schminkkoffer durch die Gegend ziehen und keine Kompromisse eingehen können, sollten bitte nie auf einem Segelschiff anheuern.

Einmal einen Segeltörn erleben, nur um den Freunden davon erzählen zu können, bitte lässt das sein, es bringt meistens nur Probleme und nützt niemanden etwas. Segeln aus Prestige verabscheue ich aufs vollste.

Vreni und ich sind erst nach und nach Segler geworden. Heute leben wir nur noch mit dem einen Ziel: So bald wie möglich, aber spätestens im Jahr 2000, nur noch auf unserer SY-VERENA zu Leben und mit ihr die Weltmeere zu erkunden.

Nicht für zwei, drei Jahre nein einfach weg, nach hinten offen, ohne Zeitlimit. Reisen, ferne Inseln und andere Menschen kennen lernen. Bleiben dort, wo es schön ist, wo es uns gefällt. Segeln wohin der Wind uns weht.

Wir sind kein Einzelfall, zahlreiche Paare haben wir hier im Mittelmeer schon angetroffen die genau so fühlen wie wir und die es zum teil bereits geschafft haben. Hand aufs Herz. Ein Risiko ist immer dabei. Wir kennen auch Segler bei denen hat alles sehr gut angefangen und nach einiger Zeit ist ihre Beziehung auseinander gebrochen. Ein Schiff ist sehr eng, Fluchtmöglichkeiten sind gering. Oft ist das Leben hart oder kann sogar gefährlich sein. Ist das Wetter schlecht, wird man oft bis an das Äusserste beansprucht.

Segeln wie wir es lieben, geht nur dann, wenn beide Partner 100 Prozentig überzeugt sind, alles andere wäre eine Illusion.

Es ist ein Leben das manchmal alles fordert. Die ganze Freizeit und das ganze Geld. Andere Hobbys ausser etwa noch dem Fotografieren oder Videofilmen, haben keinen Platz mehr. Wir könnten uns weder ein neues Auto, ein Haus, noch zusätzliche Ferien mit Flug und Hotel mehr leisten. Wir wollen es aber auch gar nicht.

Wir leben glücklich in einer kostengünstigen, einfachen Mietwohnung in Bern Bümpliz und sind dort sowieso nur anzutreffen, wenn wir nicht auf unserem Schiff sein können. Auch die familiäre Abhängigkeit spielt eine grosse Rolle. Unser einziger Sohn ist bereits 23 Jahre alt. Er lebt zwar, das freut uns auch, zur Zeit noch immer bei uns Zuhause, aber wie lange noch? . Während seiner Studienzeit an der Ingenieurschule Bern ist das zur Zeit noch die billigste Lösung für ihn. Vor allem die Telefonrechnungen werden später für ihn teurer zu stehen kommen.

Es gibt weitere Menschen die nach meiner Meinung schlicht weg für das Segeln nicht geeignet sind. Zum Beispiel Menschen die Angst vor dem Wasser haben. Wind und Wellen machen ihnen zu schaffen. Auch wie man das Essen mag, spielt eine wesentliche Rolle. Am besten ist, wenn man grundsätzlich alles isst. Vor allem wer Fisch und Meerestiere nicht mag, ja sogar verabscheut, sollte wenigstens bei uns, auf keinen Fall anheuern.

Auch gegen Kälte und Hitze sollte man nicht zu empfindlich reagieren. Beim Segeln gibt es kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Bekleidung. Ein Segler eine Seglerin darf sich für keine Arbeit zu schade sein, ist diese auch noch so schmutzig und unangenehm. Reinigungsarbeiten, Kochen, Abwaschen wie auch das ausführen von Reparaturarbeiten aller Art gehören dazu. Eine Frau die nicht "schrauben" kann und eine Wasserpumpenzange nicht von einem Kreuzschraubenzieher unterscheiden kann und es, vor allem auch nicht lernen will, Sorry, aber die kannst du an Bord eines Schiffes einfach schlecht gebrauchen. Ich verlange nun nicht etwa, dass eine Frau alles können muss, nein ganz und gar nicht. Vreni musste, wie auch ich sehr viel lernen und wir haben sicher nie ausgelernt. Beide sind wir noch Hochsee Anfänger wie es im Buche steht.

Ich bin heute überzeugt dass man zum Fahrten Segeln geboren ist, man weiss das nur nicht. Menschen die in ihren Freien jeden Abend durch den Hafen bummeln, weil sie von Schiffen fasziniert sind oder die Atmosphäre im Fischerhafen lieben, denen der Geruch nach Salzwasser, Fisch und Motorenöl wie Balsam erscheint, ja die sollten vorsichtig sein es könnte der Beginn zum Segeln sein.

Eine Wasserratte zu sein, heisst noch gar nichts. Ich zum Beispiel schwimme nicht sonderlich gerne und ein Sprung von einem Dreimeter Sprungbrett wäre für mich heute noch eine Mutprobe. Auch sonst hatten Vreni und ich früher keine besonderen Beziehungen zu Wasser, oder zu Schiffen nicht einmal zum Camping. Unsere Leidenschaft erwachte sehr langsam und im Laufe der Zeit. Wir kauften uns, damit wir unserem Sohn etwas Freiheit bieten konnten vor Jahren am Neuenburgersee, ein kleines Mobilheim. Während sieben Jahren verbrachten wir dort unsere Wochenenden und die Ferien. Ein altes Ruderboot aus Holz war unser Einstieg aufs Wasser. Unser Seefahrerstart.

„Moby - Dick“ unser erstes Schiff

Es ist mir ein Bedürfnis von unserer ersten „Yacht“, die eigentlich den Start zum Segeln werden sollte, zu erzählen.

Edi, Vreni‘s Onkel besass am Murtensee ein altes Ruderboot. Früher brauchte er es zum fischen, aber schon seit Jahren lag das geklinkte Holzboot am Ufer und verrottete. Dieses Boot hat er uns zum Kauf angeboten. Wir freuten uns riesig, gab uns doch das Schiff eine Freiheit die uns im Mobilheim fehlte. Neuenburgerseetörns wollten wir damit unternehmen. Wir brauchten aber noch einen Motor. Uralt war der Mc. Culloch Aussenborder den ich für wenig Geld bei einem Bekannten erwerben konnte. Die Bootsüberführung vom Murtensee durch den Kanal in den Neuenburgersee werde ich wohl nie vergessen.

Es war eisig kalt als Vreni, mich und meinen Schwiegervater mit unserem alten VW am frühen Morgen nach Motier an den Murtensee brachte. Unser „Neues“ Schiff ist bis an den Rand gefüllt mit Regenwasser. Es war unser Glück, denn dadurch wurde es wenigstens einigermassen dicht gehalten, sonst wären wir wahrscheinlich auf unserem Überführungstörn abgesoffen. Das Lenzen ohne geeignete Hilfsmittel erforderte einige Zeit. Leergepumpt stellen wir fest, dass das Boot an einer langen, dicken Kette mit einem Vorlegeschloss festgemacht ist. Einen Schlüssel? Haben wir selbstverständlich nicht. In meinem Auto finde ich ein altes Sägeblatt. Mühsam kann ich damit den Schlossbügel aufsägen. Der Mc. Culloch wird am Spiegel festgeklemmt. Gut sieht er aus. Von mir revidiert und schön blau gespritzt. Mein Schwiegervater und ich beladen nun unsere „Motoryacht“ mit allem, was wir glauben für unseren Törn zu benötigen. Auch Eier kommen mit und natürlich eine 10 Liter Kanne mit Treibstoff. Los geht es. Ich werde das Gefühl nicht los. Das erste mal in meinem Leben sind Vreni und ich Bootsbesitzer. Schade, dass ich diesen ersten Törn nicht schon mit Vreni machen kann. Keines von uns beiden ahnt zu diesem Zeitpunkt wohin uns diese Leidenschaft einmal führen sollte.

Trotz hohem Seegang machen wir gute Fahrt. Unser Zeitplan wird von Stunde zu Stunde etwas unterboten. Wir benötigen sehr viel Benzin und tanken jeweils fliegend nach. Das Bier, das war eine Schnapsidee. Es ist bitter kalt und wir beide werden ständig von überkommendem Wasser durchnässt. Wir sehnen uns nach einem heissen Kaffee. Etwa auf halber Distanz gönnen wir uns einen Znünihalt. Wir erwärmen uns in einem Restaurant bei einem Kaffee fertig im Tassli und einem Schinkenbrot. Die Kanalausfahrt in den Grossen Neuenburgersee kommt uns unheimlich lang vor. Als wir endlich das offene Wasser erreichen, befinden wir uns nach unserer Meinung mitten auf dem See. Jetzt erst wird es wirklich hart für uns. Ein starker Westwind und ein recht hoher Seegang, die Wellen sind drei Mal so hoch wie unser Boot, sind voll gegen uns. Wir versuchen so wenig wie möglich Wasser ins Boot zu bekommen. Während ich versuche die Wellen auszusteuern, lenzt mein Schwiegervater mit dem Oelfass das Schiff. Undichtheiten und überkommendes Wasser lässt unseren "Moby Dick" immer tiefer im Wasser schwimmen.

Zwei Stunden früher als geplant erreichen wir stolz den kleinen Hafen von Gletterens, wo uns Vreni, Roger und die Mutter schon bereits erwarten, das erste Mal in unserem Leben machen wir mit eigenem Boot am eigenen Liegeplatz fest.

Fast den ganzen Sommer lang haben Vreni, Roger und ich am Boot gearbeitet und es wurde das schönste Ruderboot auf dem See. In den folgenden Jahren haben wir mit ihm lange Törns unternommen und sogar darauf übernachtet.

Wie wir eigentlich Segler wurden

Es war eine schöne Zeit mit unsrem „Moby Dick“. Der Lärm des Aussenbordmotors war uns aber von Anfang an unangenehm.

Es war sicher ein Zufall, dass Andrè ein ehemaliger Schulkamerad von mir ebenfalls in Gletterens einen Platz kaufte und sich selber ein Mobilheim baute. Die Arbeit nahm ihn und seine Hanni derart in Anspruch, dass sie keine Zeit mehr fanden mit ihrem Nomade 640 zu segeln. Das Schiff lag im Hafen und die Standschäden häuften sich. Andrè meinte eines Tages zu mir, er wäre uns sehr dankbar, wenn wir ein wenig zu seinem Schiff schauen könnten. Als Gegenleistung könnten wir es benützen so oft wir wollten.

War das ein Angebot. Ein richtiges Segelschiff mit Kajüte, wo man sogar drinnen schlafen und kochen konnte. Aber, Vreni und ich haben doch keine Ahnung vom Segeln und auch keinen Ausweis der es uns erlauben würde.

Das ändern wir gleich in den nächsten Sommerferien. Andreas mein jüngster Bruder spielt eine Woche lang Babysitter bei uns in Gletterens. Jeden Morgen fahren nun Vreni und ich nach Estavayer-le-Lac in die Segelschule. Am Abend wird zusammen Theorie gebüffelt. Eine Woche lang haben wir nichts anderes im Kopf als Segeln, Segeln und noch einmal Segeln.

Am nächsten Samstag bereits, bei starkem Wind schaffen wir es beide. Wir bestehen die Segelprüfung und bekommen nun den D-Schein.

Nun können wir das Angebot von Andrè voll ausnützen. Als wir jedoch das erste mal stolz mit dem Nomade neben unserem Moby Dick vorbei fahren, macht dieser einen sehr traurigen Eindruck.

Die Angelegenheit Leihboot dauert nur eine kurze Zeit. Dass Andrè uns das Vertrauen schenkte und uns sein Boot zur Verfügung stellte, danken wir ihm heute noch. Für uns aber wurde es eine recht teure Angelegenheit. Als erstes mussten wir den Aussenborder revidieren, da er mangels Gebrauch ein angefressenes Lager hatte, was zum Totalausfall führte. Nach und nach rissen auch die Fallen und so mancher Block musste ebenfalls ersetzt werden. Wir pflegten das Schiff wie unser eigenes und verbauten somit zu viel Geld in ein fremdes Schiff.

Wir entschliessen uns, dieses Geld lieber in ein eigenes Segelboot zu investieren. Für nur 5000.-- Franken, war zu dieser Zeit in Neuenburg, ein Sperrholz Jollenkreuzer 5 zum Kauf ausgeschrieben. Für uns zwar sehr viel Geld. Vreni und ich spinnen wieder einmal! Wir kaufen doch tatsächlich dieses verrottete Schiff. Bei der Überquerung des Neuenburgersees nach Gletterens sind wir beinahe untergegangen. Zum Glück waren mein Bruder Dani und sein Heidi dabei, die zu allem zu gebrauchen sind. Trotz Seekrankheit Ienzen die beiden zusammen mit Vreni, zum Teil kniehoch im Wasser stehend, wie verrückt, bis wir den Zielhafen erreicht hatten.

Hoffentlich werden wir dieses Schiff je einmal dicht kriegen?

Viele hundert Stunden haben wir in unseren Jollenkreuzer „Blue Happiness“ investiert. Mit eigenem Bootsanhänger und vom alten Mercedes 200 gezogen, transportierten wir das Schiff jeden Herbst nach Bern, wo wir in einer alten Reparaturwerkstätte im Ostring arbeiten konnten. Wir schleifen, spachteln, lackieren Tage und Nächte lang oft bis fast zum Umfallen. Es waren eine wunderschöne Zeiten und alle drei haben wir diese Arbeiten nie als Last empfunden, die tollen Segeltörns im Sommer machten alle Arbeit vergessen.

Immer nach sieben Jahren geschieht in unserem Leben ein markanter Wandel. So war es nun auch wieder nach sieben Jahren Gletterens.

Das Segeln auf dem Meer hat uns in der Zwischenzeit auch noch erfasst und wir charterten jeden Sommer ein kleines Segelschiff in der Adria.

Es war Zeit eine Standortbestimmung vornehmen. Das Mobilheim brauchte Unterhalt, obschon wir dauernd auf dem Wasser waren, die Platzmiete ist teuer und der Rasen muss auch gemäht werden. Dazu kommt der Unterhalt des Jollenkreuzers und jetzt wollen wir noch jedes Jahr für drei Wochen aufs Meer.

Langsam aber sicher ist das etwas zuviel und beansprucht unsere Finanzen zu stark. Mein Wunsch, alles zu verkaufen und ein Schiff zu suchen auf dem wir an Stelle des Mobilheims leben könnten wird vorerst sowohl von Roger wie auch von Vreni verworfen. Im Laufe des Sommers aber finden sie die Idee doch gar nicht so abwegig und es wird auch langsam bei ihnen zu einem Wunschtraum.

Nach sieben Jahren dann war es auch soweit. Das Mobilheim wird verkauft und auch der Blue Happiness, mit einer Träne in Skippers Auge, wechselt den Besitzer.

Wir fangen wieder bei Null und von vorne an.

Unsere neue „SY - VERENA“

Das Mobilheim und der Jollenkreuzer sind verkauft und das Geld auf der Bank. Nun geht es darum das geeignete Segelschiff zu finden.

Nun kommt die Ernüchterung. Infolge zu wenig Geld. Unser Traumschiff wird von Tag zu Tag kürzer und kürzer.

Wir gehen an das Limit und entscheiden uns sogar für die Aufnahme einen Bankkredit. Es werden harte Jahre folgen aber alle drei stehen voll hinter unserem Entschluss. Drei Schiffe die nun noch in Frage kommen können sind in diesem Jahr 1984 neu auf den Markt gekommen. Die Gib-Sea 84, die Kelt 28 und der Prospekt der Arcadia von Jeanneau liegt vor.

Die Kelt Vertretung in Yverdon spricht uns nicht an. Die Arcadia unser Traumschiff von der Werft Périsset, zu der wir sehr gute Beziehungen haben, ist leider nach der vorliegenden Preisliste weit von Gut und Böse für unser Budget. Somit bleibt uns nur noch die Gib Sea 84 übrig.

Erstens kommt es anders und Zweitens als man denkt. Die Finanzierung ist geregelt und der Kaufvertrag für die Gib-Sea liegt beim Verkäufer zur Unterschrift bereit. Um 14:00 Uhr am heutigen Samstag sind wir mit ihm verabredet, dann ist der Kauf perfekt. Wir sind sehr nervös und wie üblich bereits wieder zwei Stunden zu früh, also sogar vor dem Mittag in Chevroux am Neuenburgersee. Was machen wir nun in dieser Zeit? Wir fahren nach Estavayer in den Verkaufsladen der Werft Périsset, wie immer.

Sofort kommen wir mit Monsieur Périsset ins Gespräch. Er möchte gerne die erste Arcadia die er verkauft an uns verkaufen. Wir aber haben uns wegen dem Preis und dem Umstand, dass man die Arcadia noch gar nicht besichtigen kann, nun bereits anders entschieden.

Monique Cantin die Tochter von Monsieur Périsset spricht sehr gut deutsch und mit ihr beginnen wir nun mit den druckfrischen Prospekten in der Hand Vorteile und Nachteile der Arcadia zu diskutieren. Wir werden wieder einmal aussergewöhnlich gut beraten und einmal mehr sind wir von Périssets als ehrliche und sehr freundliche Geschäftsleute überzeugt. Zu guter Letzt, Vreni und ich sind total verwirrt, macht uns Monsieur Périsset ein Preisangebot das uns absitzen lässt. Dazu nimmt er erst noch unseren Jollenkreuzer, den wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht verkauft haben zu sich in die Werft und auch an Zahlung, falls wir keinen Käufer finden sollten.

Vertrag Gib-Sea hin oder her wir sind voll und ganz überzeugt unsere Segelyacht ist die Arcadia und wir sind bereit sofort zu unterschreiben. Ein Schiff gekauft ab Prospekt! Einmal mehr, spinnen wir wieder? !

Aber nein! So geht das bei den ehrlichen Périsset natürlich nicht. Wir seien im Moment zu stark emotionell geladen, meinen sie und schicken uns mit sämtlichen Unterlagen in das nächste Restaurant in die Klausur. Wenn wir in aller Ruhe noch einmal alles überlegt und besprochen hätten, könnten wir wieder vorbeikommen.

Kurz vor 14:00 Uhr telefonieren wir mit dem Gib-Sea Händler und annullieren den von uns noch nicht unterzeichneten Kaufvertrag. Eine halbe Stunde später kaufen Vreni und ich eine neue, noch nie gesehene Segelyacht und stürzen uns damit in grosse aber klar berechnete Kosten.

Vreni und ich haben diesen Tag nie bereut, noch heute sind wir mit der Familie Périsset sehr verbunden.

Trotzdem wir uns später, endgültig vom Neuenburgersee verabschiedet haben, sind wir bis heute Kunden dieser Werft geblieben und werden es immer bleiben

Weitere sieben Jahre später, wie bereits bekannt die Grosse Wende in unserem Leben. Die wunderschöne und gute Arcadia wird verkauft um uns den Wunsch, ein eigenes Hochseeschiff zu besitzen, erfüllen zu können.

Zurück zu unserer „SY - VERENA“ Basilea

Bereits über drei Jahre arbeiten wir nun schon an unserem "neuen" Schiff. Ein gutes Schiff muss auch schön und gepflegt sein. Zehn Jahre Vernachlässigung durch den Voreigner sind aber nur mit viel Arbeitseinsatz und Aufwand wett zu machen. In den ersten zwei Jahren bin ich manchmal nahe an der Verzweiflung und frage mich: Haben wir nicht einen grossen Fehler gemacht, dieses Schiff zu kaufen?

Vreni war immer überzeugt, dass wir es schaffen werden und, dass es kein Fehler war. Das hat mir viel geholfen und heute sind auch meine Zweifel verflogen. Ich habe nur noch ein Ziel. Das Aussteigen muss uns gelingen. Aber es ist verdammt hart, wenn man kein Vermögen hat.

Obschon aussen an unserem Schiff recht wenig Holz zur Verwendung kam, bereiten uns diese wenigen Teile grosse Mühe. Mehrere Lagen Farbe und Lack wurden früher aufgetragen. Einige haften besser, andere wieder gar nicht. Loslösende Risse und Verfärbungen sind die Folgen. Aus Zeitgründen versuchten wir in den ersten zwei Jahren mit möglichst geringem Zeitaufwand ein Einigermassen ansehnliches Holz zu erreichen. Wichtigeres gab es zu reparieren und zu restaurieren. Leider zeigte sich bald, dass es so nicht geht. Eine Radikalkur ist angesagt. Unser hölzerner Handlauf des grossen Heckrelings ist als erster dran. Zuerst rücken wir mit der Schleifmaschine dem Holz zu Leibe. Vreni bearbeitet den Handlauf mit dem Bosch „Rutscher“ während ich den alten Lack mit dem Schwingschleifer entferne. Mit Schleifpapier Körnung 100 und zum Schluss noch mit 180-er rücken wir dem alten Lack zu Leibe. Wir erreichen eine wunderschöne Holzoberfläche, was wieder einmal mehr beweist, dass beim Bau der Amphora nur beste Materialien verwendet wurden.

Nun kam aber noch der Entscheid der Behandlungsart. Was tun? Gar nichts? Ölen? Lackieren? Oder was sonst?

Wieder einmal hören wir uns rechts und links um, fragen Fachleute nach ihrer Meinung. Von „Auf keinen Fall behandeln“ bis zum „das beste sei eine totale Versiegelung“ rät man uns alles.

Wir entscheiden so, wie wir es eigentlich schon immer vor hatten. Ein hoch glänzender, schöner Reling, so wie ihn die alten Segelyachten von Saint-Tropez und die teuren Motoryachten von Nizza aufweisen, möchten wir haben. Hochglanz sieht bei einem älteren Schiff, vorausgesetzt, dass es gepflegt wird, immer noch am schönsten aus. Bei Monsieur Navarro, dem Direktor des Ship-Shop in La Grande Motte, kaufen wir ein Holländisches Produkt „D1“ für die Vorbehandlung. 15 Lagen tragen wir mit einem weichen Pinsel auf das fein geschliffene Holz auf, halbstündig kann eine neue Lage aufgetragen werden. Danach kommt die Hochglanz Versiegelung mit „D2“. 10 Lagen mit einer Zwischentrocknungszeit von 10 Stunden. Es reicht am ersten Wochenende nur für die Hälfte der Lagen und die Holzbehandlung erstreckt sich somit über den Zeitraum von zwei Monaten. Eine Zeitraubende Arbeit aber wenigstens spielte das Wetter immer mit.

Ein halbes Jahr später, der Winter ist vorbei, strahlt unser Reling immer noch im gleichen Hochglanz. Unsere Entscheidung war wieder einmal die für uns richtige. Auf unserem nächsten Sommerferien Törn fasse ich den Vorsatz. Jeden Tag ein Stück der Fussreling zu schleifen. Zwischen Gruissan und Saint Cyprien, bei wenig Wind und Motorfahrt mache ich mich das erste Mal an die Arbeit. Ich gebe, mit Blasen an beiden Händen auf, ohne das Tagesziel erreicht zu haben. Das Teakholz ist viel zu hart und der alte Lack zu stark eingebrannt. Am folgenden Tag bläst ein steifer Wind. Das Segeln ist toll, an Arbeit denken mag ich nicht. Am dritten, Tag sollte ich dann wohl wieder schleifen, am vierten Tag aber blase ich mein Vorhaben ab. Auch solche Phasen erlebten wir oft.

Die Ferien gehen vorbei ohne dass unsere Fussreling schöner aussieht.

Nach unserer Rückkehr, steht nur einige Liegeplatze neben uns, aber am gleichen Steg, ebenfalls eine Amphora. Das gleiche Schiff wie wir es haben. Sein Holz, unbehandelt, schneeweiss aber zum Teil stark gerissen. Jetzt kommt wieder mein Ehrgeiz die schönste Amphora zu haben.

Beim Zuschauen, wie unser Nachbar seine Bodenbretter neu streicht, kommt mir die Erleuchtung. Ablaugen... Unser Deck wird mit Abdeckband und Zeitungen sauber abgedeckt. Mit einem Pinsel trage ich das scharfe Abbeizmittel auf das Holz auf. Nach nur zehn Minuten Einwirkzeit hat sich der grösste Teil des alten Lackes gelöst. Mit einem Spachtel entferne ich so viel von der losgelösten Masse wir nur möglich und dann wird mit viel, sehr viel Wasser gespült. Das schleifen mit dem Rutscher und feinem Schleifpapier geht jetzt viel einfacher und braucht auch etwas weniger Zeit. Von Hand werden zum Schluss noch die Kanten sauber abgerundet und dann kann auch hier die Behandlung mit „D1“ und „D2“ beginnen.

Als wir am Montag in die Schweiz zurück fahren, sind 15 Lagen aufgetragen und bereits eine Woche später beenden wir unsere Holzsanierung.

Unter Motor „Cap d‘Agde“ und „Gruissan“

Silber funkelnd, blenden uns Tausende von Sternen, im Gegenlicht der Sonne entgegen. Unser geliebter Wind ist wieder einmal, stillschweigend und ohne sich zu verabschieden, schlafen gegangen. Friedlich, voller Motorenwonne, knurrt mit leichtem Oelverlust am Kurbelwellenausgang, sonst aber kerngesund unser Diesel vor sich hin. 2000 Umdrehungen in der Minute, seine liebste Drehzahl, hält er über Stunden ein und vergisst sich, bei sparsamem Zweiliter Verbrauch infolge fehlender Vibrationen. Das neue Log von Autohelm hält seine digitale Anzeige konstant auf 5,8 Knoten Geschwindigkeit, so als sei das Gerät gar nicht eingeschaltet.

So hat jeder Zustand an Bord sein Schönes. Einmal Motorfahrt, einmal Segeln. Mal Sturm mal Flaute. Wie abwechslungsreich ist doch diese Art zu reisen. Die Stunden gehen so dahin und der Strich auf der Seekarte, den Vreni jede volle Stunde nach zeichnet, wird immer länger und länger und schon ist der fehlende Abstand zum nächsten Zielort nur noch ein Bruchteil des Etmal.

Klarschiff gemacht, schon einige Seemeilen vor der nächsten Hafeneinfahrt, ist doch klar. Jede Leine, jede Trosse ob dick ob dünn wird feinsäuberlich aufgeschossen und an seinen vorbestimmten Ort gelegt. Nur die widerspenstige Fockschott, aus ihrem drallfreudigen Material widersetzt sich den Anordnungen von Vreni und möchte mehr sein als ihre Kollegen an Bord. Wie eine unförmige Acht windet sie sich um die hochglanzpolierte Selbstholewinsch.

Aus geniessendem, dösendem Nichtstun erwacht, beginne ich unsere schneeweissen Fender, oder sind sie doch schon wieder schwarz, an ihren richtigen Platz über Bord zu hängen. Gleichmässig mit je einem halben Schlag, das ist ein Seemannsknoten, befestige ich sie auf der richtigen Höhe an der Reling. Vreni holt die vier Anbindetrossen aus dem Leinenschrank im Salon und beginnt mit dem Belegen auf die Klampen vorne am Bug, Steuerbord, Backbord und am Heck.

Diese Vorbereitungen nehmen uns einige Zeit in Anspruch, es ist gut zu wissen, dass sich unsere Selbststeueranlage der „Helmi“ während dieser Zeit den Kurs genau eingeprägt hat und ihn zuverlässig steuert.

Die Hafeneinfahrt von Gruissan in Südfrankreich ist erreicht. Schnell stülpen wir uns noch ein frisch gewaschenes T-Shirt über. In den Badehosen allein wird bei uns nie ein Hafen angesteuert, schliesslich gehen wir bei uns Zuhause auch nicht in diesem Aufzug in den Bahnhof.

Unsere Blicke schweifen durch den grossen schönen Hafen. Ein Mitarbeiter der Marina winkt uns zu und zeigt uns einen freien Gästeplatz, den wir mit unserer SY-VERENA ansteuern. Ohne Probleme fahren wir in die enge Box, wo uns der hilfreiche Boy die, von Muscheln bewachsene Mooringleine übergibt. Im Austausch überreiche ich ihm die vorderen Belegtrossen während Vreni die hinteren, nicht benötigten wieder versorgt.

So ruhig geht das Anlegen aber nur bei Windstille vor sich. Wenn der Mistral, etwa noch von der Seite her durch den Hafen pfeift, wird es dann jeweils schwieriger.

Wieder einmal ist ein Tag auf See viel zu schnell vorüber. Leider war es kein Segeltag, aber man nimmt das Wetter wie es ist und das ist gut so.

Mit viel Süsswasser wird das Salz von Rumpf und Deck gespült. Der Motorencheck wird durch mich ausgeführt, während Vreni das Logbuch abschliesst. Wieder war heute unser Perkins nicht ganz stubenrein und eine kleine Oellache in der Motorenbilge muss beseitigt werden. In Gedanken versuche ich mich zu beruhigen. „Lieber gut geschmiert als trocken gelaufen“.

Das 220 Volt Netz an Bord wird mit Landstrom versorgt und nun sind wir bereit uns bei der Capitainerie anzumelden.

Mit der Skippermappe unter dem Arm verlassen wir das vorher abgeschlossene Schiff und gehen ins Hafenbüro um uns für eine Nacht einschreiben zu lassen.

Neben dem kleinen netten Bistro gerade um die Ecke kommen wir nicht vorbei. Zu gemütlich blicken uns die kleinen niedrigen Sessel an und an den auf den Tischen stehenden Biergläser, perlt das Wasser einladend herunter.

Gekocht wird heute, wie bei uns meistens, an Bord und es geht jetzt vorerst darum einen Laden zu finden um einkaufen zu können. Filet Mignon auf einem Gemüsebett. Es war zwar nicht so geplant, aber manchmal kauft man ein je nach Angebot. Heute war das Schweinefilet besonders schön und dazu verglichen mit den Preisen bei uns in der Schweiz auch noch billig. Heute kocht der Skipper.

Rezept für zwei hungrige Segler:

    Gramm schönes Schweinefilet

    Peperoni gelb

     Peperoni rot

    kleine Dose Maiskörner

    Gramm frische Champignon

    Weisswein

     Bratensauce

   Gewürze

Das Filet wird mit Pfeffer aus der Mühle rundherum gut gewürzt und mit Herbes de Provence bestreut. Auf allen vier Seiten wird es in sehr heissem OeI kurz braun gebraten.

Die Peperoni nicht zu fein geschnitten und die halbierten Pilze werden kurz im Oel mitgedünstet. Das ganze nun mit Weisswein ablöschen. -Vreni wird die Pantri nachher wieder gründlich reinigen müssen.- Nun werden alle Zutaten in ein eingebuttertes Jenaglas verteilt und das Filet darin eingebettet. Gelbe und rote Peperoni, die Champignon und die Maiskörner ergeben ein schönes Bild. Ein bis zwei Zentimeter hoch kommt nun noch Weisswein ins feuerbeständige Glas und der im Wasser aufgelöste Bratensaucenwürfel. Bei mittlerer Hitze wird das ganze nun im vorgeheizten Backofen während ca. 30 Minuten gebraten.

Dazu serviere ich wilden Reis und einen Tomatensalat mit sehr viel Zwiebeln und Knoblauch.

Als Getränk schlage ich einen mittelschweren Rotwein oder auch einen guten Rosé, selbstverständlich aus Frankreich, vor.

Den Motorenunterhalt mache ich selber

Als eidg. Dipl. Automechaniker bin ich nebenamtlich auch als Lehrer an der Berufsschule Bern tätig gewesen. Motorentechnik und Werkstoffkunde sind meine Spezialfächer. Es ist somit nicht verwunderlich, dass mir unser Schiffsdiesel sehr viel bedeutet. Oft schon musste ich feststellen dass der Motor in den Segelschiffen, besonders bei Charterschiffen, vernachlässigt wird oder unfachmännisch gewartet wird. Servicearbeiten werden zu wenig ernst genommen und auch an der äusserlichen Pflege mangelt es. Dazu kommt, dass sich viele Dieselmotoren zu Tode stehen.

An Pflege und fachtechnisch richtigem Unterhalt fehlte es auch an unserem Perkins, als wir das Schiff kauften. Seither habe ich aber viele Stunden am Motor gearbeitet und er ist trotz seinen bald 4000 Betriebsstunden in einem guten Zustand und sieht wie neu aus. Den recht starken Oelverlust, den ich von Anfang an feststellen musste, werde ich demnächst auch noch beheben. Alles auf einmal das ist einfach sowohl aus zeitlichen wie finanziellen Gründen nicht möglich.

Von den Serviceintervallen nach Stunden, wie von vielen Herstellern vorgeschrieben, bin ich ab gekommen. Ich finde für uns einen Zeit bezogenen Unterhalt, bei dem man selbstverständlich die Motorenstunden mitberücksichtigt wesentlich besser.

Ich habe den Unterhalt unseres Dieselmotors, zu diesem auch immer die ganze Antriebseinheit wie Motor, Getriebe Welle, Kraftstoffsystem gehören wie folgt geregelt.

Kontrolle vor jeder Fahrt:

Diese Kontrolle führe ich, mit wenig Änderungen, auch an jedem Schiffswochenende durch bei diesem wir nicht auslaufen.

     Allgemeine Sichtkontrolle, sind alle Zusatzaggregate fest

     Allfällige Farb- oder Korrosionsschäden gleich ausbessern

      Wasserverlustkontrolle

      Oelverlustkontrolle

      Dieselverlustkontrolle

      Dichtheit der Wellenanlage

     Sichtkontrolle und Funktionskontrolle der Seeventile

      Kontrolle der Schlauchbriden

      Schmierrundgang mit Fett, Oelpintli und WD 40

      Niveaukontrollen

      Bilgenreinigung

      Motorreinigung so weit nötig

Dass für mich zur Motorenkontrolle heute immer auch das Getriebe, die Wellenanlage und die Kraftstoffversorgung gehört, habe ich nach meinen ersten negativen Erfahrungen gelernt.

Was nützt ein periodischer Filterwechsel und ein kontinuierliches, meist überflüssiges Entlüften ohne Grund, wenn das Sieb im Dieseltank nie gereinigt wird oder sogar was besonders schlimm ist, ja sogar eine Fehlkonstruktion wäre, nicht gereinigt werden kann. Unser 220 Liter fassender Dieseltreibstoff Tank ist oben im Kiel eingebaut und besitzt zwei unabhängige Ausgänge und einen separaten Rücklauf Eingang. Dazu ist oben auf dem Chromstahltank eine grosse‚ mit einem Deckel versehene Öffnung. Ein sogenanntes Mannsloch oder Serviceöffnung. Diese Konstruktion find ich persönlich eine der besten.

Der Dieselstand und auch Zustand kann so auf eine einfache Art jederzeit überprüft werden. Der Ausbau des Siebes ist sehr einfach. Alle zwei Jahre kann ich den Tank ohne grosse Probleme ganz leer pumpen und gründlich reinigen.

Nach jedem Tagestörn

Wird die gleiche Kontrolle durchgeführt wie unter Punkt 1 wobei ich vor allem auf Flüssigkeitsverluste achte und mit der Hand die Keilriemenspannung prüfe und auf Festen Sitz von Alternator, Wasserpumpe und weiteren Zusatzgeräten achte.

Jahreswartung

Eine Liste die auf den Angaben des Motorenhersteller basiert und mit mehreren Zusatzpunkten ergänzt ist, dient mir zur Ausführung der Jahreswartung welche auf einem 100-Stunden Service basiert.

Zweijahreswartung

Entspricht der Jahreswartung wird aber vor allem von folgenden Zusatzpunkten ergänzt.

    Ersetzen des lmpellers

    Dieseltank reinigen

Ein gut gewarteter Motor kann lebenswichtig sein und gibt dem Skipper und seiner Crew vor allem dann ein sicheres Gefühl, wenn er bei schlechtem Wetter draussen ist oder in einen engen Hafen einfahren muss.

Auch ein Laie kann an einem lnnenborddiesel sehr viel Unterhalt selber ausführen. Minimale Fachkenntnisse wie Filterwechsel, Entlüften und einfache Pannenbehebung muss jeder Skipper beherrschen. Kurse werden genügend angeboten und ansonsten gegenseitiges Ausbilden unter Seglern hat auch mir schon sehr viel gebracht. Nach dem Motto: Ich lerne dir den Oelwechsel selbständig ausführen und du mich dafür Zahnziehen. Das ist Kameradschaft unter Segler.

Oder ist es bei mir manchmal anders? Ich mache dir den Oelwechsel und du ziehst mir bei Bedarf, hoffentlich nie nötig, den Zahn.

Wenn es am Motor ums „schrauben“ geht sollte der „möchte gern Fachmann“ aber vorsichtiger sein. Bereits ein unsachgemässes Filterwechseln oder eine nicht montierte Schraube kann zu ernsthaften und teuren Schäden führen.

Sauberkeit- und Befestigungskontrollen, Oel Wasser und Dieselverluste feststellen, Keilriemenspannung kontrollieren kann jeder, wenn er nicht gerade zwei linke Hände hat. Wichtig ist, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden lerne. Vor jedem Törn alle Motorschrauben nachzuziehen und das, natürlich und selbstverständlich ohne Drehmomentschlüssel, kann mehr schaden als nützen.

Das wichtigste beim Dieselmotor ist Sauberkeit innen und aussen!

Der Dieselmotor, nach seinem Erfinder Rudolf Diesel so benannt, ist ein sehr genügsamer, zuverlässiger und sparsamer Motor. Was er aber nicht verträgt, vor allem seine Einspritzpumpe und seine Einspritzventile nicht, ist Schmutz der aus dem Dieseltank kommt. Als zweitens verträgt er im Kraftstoffsystem absolut keine Luft. Der Motor wird, wenn man diesen Punkten nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt irgendeinmal und ohne grosse Vorzeichen schlicht weg ein paar mal kurz husten und dann abstellen. Jedem Skipper ist klar. Im falschen und wirklich absolut falschen Moment. Darum 1. Gebot beim Dieselmotor: Sauberkeit innen und aussen ist wichtig

Motoren die zwischen Tank und Feinfilter noch nicht mit einem Wasserabscheider ausgerüstet sind würde ich persönlich sofort mit einem CAV Filter oder ähnlichem, Produkt nachrüsten.

Dem Motorenoelwechsel muss auch grösste Bedeutung beigemessen werden. Mindestens einmal im Jahr ist das Oel und der Filter zu wechseln. Durch Russablagerung, Verbrennungsrückstände und auch durch Wasser wird das Oel verschmutzt und werden die Additive, das sind Zusätze im Oel, abgebaut oder gesättigt. Welche Oelmarke scheint mir von zweitrangiger Bedeutung, wichtig ist aber die Spezifikation. Das Oel muss für den Dieselmotor geeignet sein. Schöne Dosen und Aufschriften wie „Super“ oder „Super HD“ sind nicht überzubewerten. Das Motorenöl muss der API Gruppe C und je nach Motorentyp, ob mit Turboaufladung oder nicht mit dem Zusatzbuchstaben C, D oder höher versehen sein. 

Beispiel also API : CD Diese Bezeichnung sagt uns über die Qualität und somit Eignung etwas aus. Die Bezeichnung SAE 30 oder SAE 10W40 bezeichnet die Zähflüssigkeit des Öls. Also, die „Dicke“, hier sind ebenfalls die Herstellervorschriften zu beachten. Basteln bringt sowieso meistens nichts, denn die Hersteller kennen ihren Motor am besten und wissen was ihm gut tut und was nicht. Zur Viskosität der Zähflüssigkeit ist höchstens noch folgendes Grundwissen erforderlich:

Ein SAE 10 ist ein „dünnes“ ein SAE 40 ein „dickes“ Motorenöl. Ein SAE 10W40 ist ein Ganzjahresoel, dass die Eigenschaften des 10 und 40 vereint und sich wenig verändert. Ich bin noch in der glücklichen Lage das Oel der Schweizer Armee verwenden zu können, was für einen Diesel der oft auch längere Zeit steht, bestens geeignet ist.

Markenwechsel bei gleicher Qualität ist eigentlich kein Problem, obschon man es möglichst vermeiden sollte. Zu Problemen vor allem zu erhöhtem Oelverbrauch kannte es führen, wenn man während Jahren zum Beispiel ein API: CA verwendet hätte und nun auf ein API: CD wechseln würde. Die höheren und andere Zusätze könnten Russ und Oelkohle im Motor auflösen.

Besser ist es aber alleweil in einem Notfall einen Liter falsches Motorenöl einzufüllen als den Motor unter der Minimum Marke laufen zu lassen. Ein Motor ohne Oel, wird sich bald einmal für immer verabschieden, wenn sich die Kolben in den trockenen Zylinder festfressen oder die Lager auf der Kurbelwelle zu klemmen beginnen. Dann „bhüeti Gott“ es kostet viel Zeit und Geld!

Traum, Hoffnung und Wartezeit

Ein Romantiker, Abenteurer, ja vielleicht sogar ein wenig ein Spinner muss man schon sein. Da haben wir beide einen guten, wir glaubten bis vor kurzem sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz. Das alles wollen wir aufgeben und wir wollen es immer mehr. Reorganisation in allen Bereichen der Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Wirren um vereinigtes Europa, Armeereform und Stellenabbau, rundherum Bürgerkriege. Neue EMD Struktur, Umweltverschmutzung, Sektendrama und Fährschiffuntergang mit hunderten von Toten. Bahn 2000, Verkehr von der Strasse weg. Rote, Grüne, Linke, Rechte.

Wer weis eigentlich noch, wo das hinführt? Wer hat den Schlüssel zu guten und schlechten Lösungen? Alle wollen sparen doch die Defizite werden immer grösser.

Jeden Morgen schrillt der Wecker. Aufstehen, schnell ein Kaffe und ab ins Büro. Abendessen, vielleicht ein wenig Fernsehen, ins Bett.. Das von Montag bis Freitag. Niemand fragt mehr nach dem Sonnenuntergang der besonders schön war. Du fragst dich immer wieder, hast du das Leben heute geniessen können? Stress, Hektik, der Mensch zählt doch gar nichts mehr. Die Zwischenmenschlichen Beziehungen leiden, ja es gibt sie bald nicht mehr. Liebe und Treue, Zeit für einander, für viele nur noch ein Traum?

Was also haben wir wirklich aufzugeben? Was aber können wir gewinnen?

Nein; Ich kann es je länger desto weniger erwarten, von meinen lieben Arbeitskollegen Abschied zu nehmen und mein Heim zusammen mit Vreni auf das Schiff zu verlegen.

Aber noch liegen vier Jahre vor uns. Das Finanzielle muss geregelt werden und Roger seine lngenierschule beendet. Was alles kommt noch auf uns zu? Dürfen wir gesund bleiben? Schaffen wir es finanziell? Eines macht uns aber zuversichtlich, erst waren es 7 Jahre die wir zu Vorbereitung planten, drei davon sind bereits vorbei.

Die erste Flaggenscheinverlängerung

Es ist kaum zu glauben nun wir schon seit drei Jahren, arbeitsamen aber schönen Jahren, Besitzer unseres Hochseeschiffes.

Bereits zwei Monate vor dem Termin schickt uns das schweizerische Seeschiffahrtsamt den Hinweis, dass unser Flaggenschein für weitere drei Jahre zu verlängern sei. Es macht sich nun bezahlt, dass ich eine genaue und übersichtliche Unterhaltskontrolle geführt habe. Das erstellen einer sauberen, schönen Dokumentation für die Behörde in Basel macht mir darum echten Spass. Der Zusammenzug meiner Unterhaltskontrolle und eine Übersicht über die ausgeführten Erneuerungen und Reparaturen wird kopiert und in ein kleines Ringheft angelegt. Dazu kommt der Flaggenschein und als Titelblatt kreiere ich im PC eine Übersicht über Schiff und Inhalt, die Mappe wird selbstverständlich ergänzt mit einem aktuellen Foto unserer SY-Verena.

Ein Problem habe ich noch zu lösen und Vreni und ich tun uns schwer dabei. Die Rettungsinsel! Vor zwei Jahren ist unsere acht plätzige Zodiac Rettungsinsel 12 jährig geworden. Zustand hin oder her, ab diesem Alter will uns keine Firma mehr die obligatorische Wartung ausführen. Viel Geld kostet aber ein neues solches Ding. Das Geld dazu gibt sicher kein Skipper gerne aus, glaubt und hofft man doch, dass man die Rettungsinsel nie brauchen werde. Wir hören uns wieder einmal zuerst um.

Dass, wir ja nicht wieder eine Insel der Kategorie 1, sondern lediglich der Kategorie 5, kaufen sollten ist mal das erste das man uns empfiehlt. Diese Kategorien werden anscheinend in der Schweiz nicht bewertet und somit ist wohl eine Rettungsinsel obligatorisch, aber es ist egal was für eine. Die Preisdifferenzen sind natürlich enorm. Beim Kauf einer Kategorie 5 Insel gegenüber einer der Kategorie 1 könnten wir etwa 3000 Schweizerfranken sparen. Dass wir keine Achtplatzinsel mehr kaufen werden liegt auf der Hand, doch ist die Frage nach einer vier oder sechs plätzigen Insel noch nicht beantwortet.

Schlussendlich macht man uns auch den Vorschlag eine Insel zu mieten und dieses Wartungsheft dem Flaggenscheinantrag beizulegen oder die billigste Variante ein Seglerkollege leiht mir sein Wartungsheft für die notwendige Verlängerung des Flaggenscheines.

Vreni und ich müssen uns nun entscheiden, suchen wir nur nach einer Lösung die Flaggenscheinverlängerung zu bekommen, oder ist uns die Rettungsinsel an Bord für unsere Sicherheit wichtig, auch wenn es etwas viel kostet. Gern habe ich das viele Geld nun wirklich nicht investiert. Aber ich glaube die Vernunft hat gesiegt. Monsieur Navarro vom Ship-Shop hat uns ein gutes Angebot unterbreitet, für eine Kategorie 1 Rettungsinsel inklusive kompletter Notausrüstung mussten wir noch 3000 Franken bezahlen. Die Insel ist zwar nicht ganz neu, da er sie während zwei Saisons teilweise ausgemietet hatte, aber die erste amtliche Kontrolle ist erst 1996 wieder fällig.

Mit dem neuen Wartungsheft unserer „Bombard“ Rettungsinsel hatte ich nun alle Unterlagen beisammen und konnte die Flaggenscheinverlängerung beantragen. Keine zwei Wochen später, nachdem wir die 300 Franken plus Spesen überwiesen hatten, bekamen wir den bis 1998 verlängerten Flaggenschein zurück und das erst noch mit einem speziellen Dank vom Bundesamt, von Frau Silvia Muster für unsere ausführliche und saubere Unterhaltskontrolle. Das freute uns riesig.

Hansruedi versucht sich als Schreiner

Ein gelesener Bericht über Sturmerlebnisse verschiedener Segler, ruft bei mir plötzlich Vorsichtsgedanken mit dem Thema „unsere Bordwerkstatt“ auf.

Im Durchgang zwischen der Pantry auf Steuerbord und der Achterkabine liegt unsere kleine Bordwerkstatt. Nebst vielen Werkzeugen lagern hier auch die Ersatzteile, sowie eine Unmenge anderer Gebrauchsgegenstände. Bedenkt man, dass bereits meine Holzschachtel mit den Abzieher, oder das Gewindeschneidset über fünf Kilogramm wiegen, kann man sich leicht vorstellen mit welcher Wucht diese Gegenstände bei einer Sturmfahrt durch das Schiff fliegen könnten. An eine Kenterung dürfen wir erst gar nicht denken. Die meisten dieser Gegenstände sind in Kunststoffkisten der Migros verpackt, die sich sehr gut dafür eignen gelagert. Nach oben offen habe ich diese Behälter zum Teil lose, zum Teil mit einer Blechschraube über der Werkbank befestigt. Ich hatte bis heute keine bessere Idee und vor allem auch zu wenig Zeit, an solche „Details“ zu denken. Nach dem lesen, der Eingangs erwähnten Berichte, aber entschliesse ich mich vor dem nächsten grösseren Törn etwas zu unternehmen.

Am Zeichenbrett entwerfe ich eine Werkstatteinrichtung aus Schränken und Schubladen. Klein aber möglichst doch mit viel und geeignetem Stauraum.

In der kleinen Hobbiwerkstatt bei meinen Eltern im Keller bespreche ich mit meinem Vater meine Schreinerpläne. Zusammen entwerfen wir Bauvarianten und entschliessen uns Schlussendlich für eine, wie uns scheint, optimale Lösung.

Da Holz sehr teuer ist, überlege ich mir zwei Verschiedene Bauvarianten. Erstens die Herstellung aus gekauftem Material oder zweitens die Abänderung gekaufter Liquidationsmöbel vom Zeughaus. Schlussendlich entschliesse ich mich für einen Kompromiss. Den Schrank unterhalb des Werkbank welcher ausserhalb des unmittelbaren Blickfeldes steht, plane ich aus Liquidationsmöbel und den oberen Schrank will ich aus Teak und Mahagoni neu herstellen.

An mehreren Abenden und auch an vier Samstagen wird nun gesägt, gehobelt und geschliffen, verschraubt und geleimt. Mit dem entsprechenden Farbton wird das aus Altmöbel abgeänderte Möbel von Vreni mit Lasur behandelt.

Lüthi Max, meine gute Seele und Arbeitskollege im Eidgenössischen Zeughaus Bern, lackiert mir die hergestellten Werkstattmöbel an zwei Mittwochabenden. Das geht mit einem entsprechenden Privatarbeitsauftrag gemäss Betriebsorganisationsweisung Nr 1.17. (Bei unserem neuen Betriebsleiter muss alles genau nach Weisung stimmen.)

Es ist Donnerstag mittag, draussen regnet es wieder einmal in Strömen und die Natur zeigt sich grau in grau, in echter Schweizer Wintermanier. Die zwei neuen Eigenbauschränke, welche unter der Werkbank montiert werden sollen, sind bereits fertig gestellt und in unserem Kadett Kombi verladen. Auch die Reisetaschen sind verstaut und dieses Mal sogar Vrenis elektrische Nähmaschine, welche ebenfalls mit aufs Meer kommt. Wieder einmal mehr, steht ein Arbeitswochenende bevor und wir beide freuen uns riesig darauf. In gut fünf Stunden fahren wir wieder zu unserem Schiff im Hafen von La Grande-Motte oder zu deutsch, der grossen Mutte. Wir sind recht müde als wir ankommen, da eine strenge Woche hinter uns liegt. Nach einem einfachen Abendessen gehen wir früh in unsere Kojen.

Am Freitag morgen, ich konnte es kaum erwarten, schleiche ich mich bereits um halb sechs, leise aus der Koje der Achterkabine. Vreni darf nichts merken, sonst hält sie mich wieder fest und findet diese Zeit sei viel zu früh.

Ein altes Bettlacken wird auf die Koje im Vorschiff gelegt und leise beginne ich mit dem Umräumen der kleinen Werkstatt.

Das Vorschiff dient nun als Zwischenlager und die ausgeräumte Werkstatt ermöglicht mir nun den Einbau der ersten Schrankpartie. Ein Zwischenboden der als Aufnahme des neuen Schrankes dient wird zuerst angepasst, eingesetzt und Schlussendlich an der Aussenwand aus Polyester angeschraubt. Das erste mit vier Schubladen versehene Eigenbaumöbel wird danach eingepasst und mit Boden und Wand verschraubt. Das zweite Möbel kommt anschliessend und passt genau. Ich bin richtig stolz auf meine Arbeit. Der zweite Schrank besitzt nebst zwei Schubladen auch einen Teil mit Türe, hier sollen Farbdosen ihren neuen Lagerort bekommen. Sauber sieht es aus und vor allem auch viel stabiler und sicherer als die frühere Schachtel Lösung.

Es ist schneller Abend geworden als erwartet und ich bin enorm froh, dass Vreni heute den ganzen Tag das Haushalten, das Kochen und den Abwasch übernommen hat.

Der zweite Tag dient nun dem Ausmessen, planen und zeichnen der nächsten Schreinerarbeit. Der Tag ist vorüber und es ist schon dunkel geworden. Der Mistral weht wieder einmal mit Sturmstärke durch unser Rigg, als wir am Abendessen sitzen und das Leben geniessen.

Die Werkstatt wird endlich fertig

Ich habe mich total verschätzt. Der Aufwand sowohl in Stunden wie auch in Franken hat ein Vielfaches meiner Planung erreicht. Auch Vreni ist froh, als ich endlich nach all den vielen Wochen mit dem einzigen Heimthema „Werkstatt“ aufhören kann. Fein sieht es aus und die Ordnung die jetzt im Schiff vorherrscht ist natürlich beneidenswert.

Schrauben, Muttern, Splinten, Raccord, Elektromaterial, Briden, Schäckel, Schachtel an Schachtel aus Kunststoff und sauber beschriftet reiht sich im Schrank massgerecht und passend aneinander.

Sogar der geänderte, nun um 50 cm ausziehbare Schraubstock erfüllt seinen Zweck viel besser als früher. Fast möchte ich sagen: Eine perfekte kleine Werkstatt wie sicher mancher Segler nur davon träumen kann. Das Werkzeug habe ich in den zwei grossen stabilen Werkzeugkisten belassen. Es ist nicht praktisch, wenn das Werkzeug das man auch ausserhalb der Werkstatt braucht, in einer Schublade versorgt ist. Die eine Kiste mit all den Schraubenschlüssel ist sehr schwer und auch die zweite mit den Schraubenziehern und den allgemeinen Werkzeugen wiegt einige Kilos. Die Befestigung musste ich somit auch hier sturmsicher ausdenken. Normalerweise stehen die beiden Kisten einsatzbereit im Durchgang am Boden. Geht es auf Törn, werden sie mit einem Spannsetgurt festgezurrt und können sich nicht mehr von ihrem Platz wegbegeben. Spannset Gurten, die echten mit einem Spannverschluss eignen sich für sehr viele Dinge an Bord.

Das Titre-de-sejour ist überfällig

Alle Jahre das gleiche Problem. Das Verfalldatum der Aufenthaltsbewilligung kommt näher und wir müssen einen Termin finden an dem wir beim Zoll rechtzeitig die Verlängerung eintragen lassen können.

Eigentlich liegt das Problem nicht bei uns, da wir ja jedes dritte Wochenende sowieso auf unserem Schiff und somit vor Ort sind. Die Konsultation beim Zoll können wir somit von Freitag bis Montag steuern. Aber hier liegt gerade unser Problem. Der Zoll von La Grande Motte ist in den Wintermonaten jeweils nur am Mittwoch nachmittag geöffnet.

Als nächstes und zugleich verlängertes Wochenende auf unserem Schiff stehen die Ostern bevor. Leider aber beginnt diese drei Wochen nach Ablauf unserer AufenthaltsbewiIligung. Vreni telefoniert mit dem Zollbeamten vor Ort und erkundigt sich nach den Möglichkeiten. Oui, 2 bis 3 Wochen könnte er uns schon bewilligen, wir sollten aber dann gleich am Mittwoch vormittag bei ihm vorbei schauen.

Um nicht Probleme zu bekommen will Vreni den Beamte nach seinen Namen fragen, das aber war nun total falsch. Beleidigt antwortet er: Er sei der Zoll, und seinen Namen am Telefon gebe er doch nicht bekannt. Vreni entschuldigt sich, dankt und hängt auf. Wenn das nur gut geht! Es geht gut. Als wenn nichts gewesen wäre verlängern wir, mit drei Wochen Verspätung unser „Titre“. Die Flasche guten Schweizerwein und die zwei Pin‘s vom schweizerischen Zoll, welche wir ihm mitbringen, nimmt er freudig entgegen und wünscht uns einen schönen Aufenthalt. Den haben wir!

Unser La Grande Motte

Man liebt sie „die grosse Mutte“, man findet diese Bauart schön, oder man hasst sie, findet es abscheulich. La Grande-Motte, die Retortenstadt in der Camargue, in der weiten Bucht des Golf du Lyon.

Beim ersten Anblick, als wir vor nun schon über drei Jahren, von Saint-Raphael kommend nach La Grande-Motte einfuhren, verstummten wir für eine kurze Zeit und sahen uns sprachlos an. Wir standen vor der Lichtampel beim Hotel "Mercure" und hatten rot. Rot, sahen wir beide beim ersten Anblick diese Touristenrummels auch in unserem Innern.

Es war aber nur der erste Schock der uns zu schaffen machte. Man braucht einige Zeit seine Gedanken zu Ordnen und das Gesehene zu verarbeiten.

Bummelt man dann an einem milden, schönen Märzabend durch den Ort, wird man erstens einmal alleine sein und zweitens seine erste negative Meinung über dieses La Grande-Motte schnell korrigieren. Wie interessant ist doch die Vielfalt der Architektur. Hier rund, daneben eckig, mal hoch man niedrig. Oft versetzt man sich in Gedanken, oder versucht es wenigstens, in die Erbauer dieser Häuser.

Gebäude riesig gross, mit hunderten von Wohneinheiten erbaut und doch beim näheren betrachten schön und in der Form wie ein riesiger Krake.

Daneben kleinere, zierliche Einfamilienhäuser oder aneinander gereihte Studios wie ein Aal dem Wasser entlang schlängelnd.

Beim näheren Hinschauen fällt bald einmal auf wie viel Phantasie und Einfallsreichtum hier an den Tag gelegt wurden. Beton ist immer wieder von farbenprächtigen Gärten und Bepflanzungen eingerahmt. Liebevoll verschönern bunte Blumen kahle Wände oder beleben tote Ecken. Gut geplant und nahtlos eingeführt ist auch die ganze Logistik der Touristenstadt La Grande-Motte. Einkaufsläden aller Art, Cafés und Restaurants fügen sich harmonisch zwischen die Wohneinheiten. Industrielle Betriebe wie der Sanitär, die Druckerei oder der Schreiner ja sogar die vielen Werftbetriebe sind alle in unmittelbarer Nähe und doch diskret vom Zentrum vom Nervenstrang der Stadt entfernt.

Das Empfinden in dieser Retortenstadt zu leben oder auch nur Ferien zu machen, kann sicher sehr unterschiedlich sein. Vreni und ich lieben eher das Bordleben, ein wenig Einsamkeit und das weite Meer. Daher nicht unbedingt eine Art wie La Grande-Motte es bietet. Und doch weil wir Gegensätze mögen, gefällt uns auch La Grande-Motte sehr gut.

Zwei Gruppen von Menschen kommen hier her. Die einen, die lieben die Vor- und Nachsaison, dann ist es ruhig und die meilenweiten Sandstrände sind wie leer gefegt und laden zum spazieren ein, die anderen kommen im Juli oder August bei Jubel, Trubel, Heiterkeit. Kein Parkplatz ist mehr frei und die Autos stehen überall, wo nur irgendwie möglich abgestellt.

Die Versorgung ob im Januar oder im Juli, ob August oder November ist immer sehr gut. Zwar haben in der Zwischensaison zahlreiche Souvenierläden und kleine Beizli geschlossen und auch ausgefallene Offshore Bootsfahrten und Parasailing werden dann nicht angeboten.

Die Camargue, die Gegend welche durch ihre frei weidenden Pferde und Stiere fast allen ein Begriff ist, umrahmt unser La Grande-Motte wie es keine andere Landschaftsform besser könnte. Im Frühling sind all die Etangs, die kleinen und grösseren Wassertümpel, randvoll mit Wasser und hunderte, wenn nicht tausende von, Wasservögel bevölkern sie. Diese Anzahl von Reiherarten und Flamingos gibt es nur noch hier in unserer Gegend.

Mit der zunehmenden Sonneneinstrahlung, gegen den Sommer hin trocknen die Etang in unserer Gegend teilweise aus. Das Land verfärbt sich von verschiedenen grün Tönen, in unzählige braun Töne. Die Tiere ziehen weg, wir wissen nicht wohin.

Jetzt kommen an ihre Stellen die Touristen. Diese lieben das warme Klima, das saubere Meer, Sand und Wind. Somit bleibt die BevöIkerungszahl in der Camargue und in La Grande-Motte immer konstant. Im Frühling mehr Tiere und  im Sommer mehr Menschen.

La Grande-Motte und seine Umgebung wie Aiges-Mortes, Palavas, und andere Orte bieten für jeden etwas. Die Möglichkeiten sind sehr vielseitig. Neben Meer und feinem Sandstrand gibt es einen Freizeit- und Badepark, man kann fischen, Golfen, Tennis spielen, Reiten, Velo fahren und vieles mehr.

Und eines muss noch gesagt sein. Die Menschen hier, fasst möchte ich sagen, die wenigen Eingeborenen sind sehr nett, freundlich und hilfsbereit.

Vieles an Bord wird durch unsere Arbeit und auch durch die Unterstützung von Hansruedis Vater und einigen Kollegen vom Zeughaus immer schöner und vollkommener. Vreni erstellt im ganzen Schiff neue Polster. Unter vielem anderen wurde hier eine neue Bibliothek geschreinert und eingebaut.

Wir renovieren das Interieur

Mein Vreni ist schon eine Goldfrau. Immer wieder besticht sie mit ihren Fähigkeiten und seiner Ausdauer. Im Bundesamt für Statistik wo es arbeitet, geht es zur Zeit wirklich alles andere als lustig zu und her. Die neue Lohnstatistik wird erarbeitet und Vreni erledigt nebst den üblichen Sekretariatsarbeiten auch noch zahlreiche Arbeiten für das Statistik Team. Team nach dem Motto, „Toll ein Anderer macht’s“.. . Das Sekretariat!

Die Überstunden summieren sich, nicht dass wir sie nicht gebrauchen könnten, nein das nicht, aber Zuhause erledigt sich die Wäsche und Haushaltung auch nicht von selbst. Und da liegt noch eine grosse Rolle, teuren Posterstoff mit fast 20 Meter Länge, im Zimmer am Boden. Im Arbeitszimmer und im Schlafzimmer stapeln sich 13 neue Schaumstoff Sitzkissen und Sitzlehnen. Stoff und Kissen sollten in eine harmonische Verbindung, nämlich in neue Polster für die Eignerkabine und den Salon unserer SY -VERENA verwandelt werden.

Unser Fernseher ruht. Am Mittag kommen wir zur Zeit beide nicht mehr nach Hause. Ein Sandwiches, am Morgen vor dem aus dem Hause gehen zubereitet, stellt für uns das Mittagessen dar. Gekocht wird dann am Abend, wenn wir Zuhause sind.

Anschliessend verschieben wir uns in den ersten Stock, unserer kleinen Maisonnette Wohnung in das ehemalige Kinderzimmer, um zu arbeiten. Stoff wird massgerecht zugeschnitten, nähte werden auf der Husquarna Nähmaschine schnurgerade und fast Kilometer lang über den schönen Stoff gelegt. Ohne Ärger geht es aber auch hier wieder einmal nicht immer. Das verwinkelte Sitzkissen aus unserer Achterkabine verlangt höchste Zuschnitt Präzision. Eine zeichnerische Abwicklung ist zu konstruieren, um Ober-, Seiten- und Unterteil in allen Winkeln richtig zuschneiden zu können. Der Stoff liegt leider verkehrt und so zeigt plötzlich das Muster nach Innen und die weisse Rückenseite ist sichtbar Aussen. Wir sind anscheinend zu müde, normal denken zu können. Der Bettel wird hingeworfen, wie gut, dass man einfach die Zimmertür schliessen kann. Wir verschieben uns Richtung Bett. Morgen wird es besser gehen.

Trotz aller Arbeit freuen wir uns riesig auf unsere neuen Polster. An Weihnachten soll es soweit sein.

Am Donnerstag mittag 11:30 Uhr hole ich Vreni beim BFS ab und wir fahren, bei miesem November Wetter, bei Schnee und Regen, Richtung Frankreich, zu unserem Schiff. Ein verlängertes Arbeitswochenende ist angesagt. Lühti Max hat mir in seiner Freizeit die zusammen mit meinem Vater hergestellten Bücherschrankteile lackiert. Diese gilt es nun am Wochenende einzubauen. Vreni montiert als erstes die neuen Vorhänge in der Achterkabine, nachdem wir in Lunel neue Vorhangschienen gekauft haben. Wenn wir schon am Geld ausgeben sind, der Heizstrahler kommt uns schon lange auf den Wecker, also kaufen wir uns, da gerade Aktion mit 30% Prozent läuft, einen neuen, schönen und vor allem geräuschlosen Elektroofen für unsere Eignerkabine.

Samstag morgen, gestern haben wir wie die Besessenen gearbeitet und uns kaum eine Ruhepause gegönnt. Heute soll es ein wenig anders werden.

Das sechste Jahr beginnt

Nachdem nun auch noch unser Kühlaggregat seinen Geist aufgegeben hat, scheint die Arbeit einfach nicht abreissen zu wollen. Wir haben die Festtage an Bord verbracht, was dank unserer Betriebsschliessung zwei Wochen Ferien gleich kam. Nachdem wir die ersten Tage noch zum Arbeiten benötigten, stellten wir am 25. Dezember, als Roger mit seiner Freundin Karin an Bord kam, sofort auf "Leben und Geniessen" um.

Vreni und ich haben uns gut vorbereitet, wir wollten Karin, die das erste Mal und sicher mit gemischten Gefühlen, an Bord einer Segelyacht kommt, den Einstieg so schmackhaft wie möglich machen. Schliesslich möchten wir Roger nicht verlieren und da ist es wichtig, dass seine Freundin seefest wird. Man weiss ja nie wie ernst es wird.

Wir sind froh, dass Roger und Karin wenigstens drei annähernd schöne Wettertage erleben durften. Was wir in den nächsten zwei Wochen erleben ist ein Südfrankreich das wir bis heute nicht kannten und es auch nicht für möglich hielten. Kaum sind unsere zwei Jungen wieder Richtung Schweiz abgereist schlägt das Wetter um. Die Tiefs wechseln sich nun ab. Regengüsse, so heftig wie wir sie in der Schweiz praktisch nicht kennen, gehen plötzlich sogar in Schneefall über.

Es ist jetzt sehr kalt geworden. Wenn ich am Morgen in meiner Koje erwache zeigt das Thermometer im Schiff nur noch gerade 5 Grad an. Meine erste Bewegung ist es, kurz die warme Koje zu verlassen, um den Startschalter der Dieselheizung zu ziehen. Das leise surren des Brenners und das monotone Ticken der kleinen Förderpumpe befriedigen meine Gefühle und lassen mich noch einmal eine kurze Zeit zurück zu Vreni in die warme Koje schlüpfen.

Bedenkt man alle die Probleme, welche mir diese ältere Eberspächerheizung schon gebracht hat, begreift man einwenig, wie stolz ich bin das Ding endlich zu einem zuverlässigen funktionieren Gerät gebracht zu haben.

Jeweils so gegen neun Uhr stehe ich dann auf. An einen Segeltörn, wie es eigentlich geplant war, ist all die Tage gar nicht zu denken. Die Temperaturen liegen seit Tagen um den Gefrierpunkt herum und die Sonne zeigt sich praktisch nie.

Ich versuche den Gasdurchlauferhitzer zu starten. Ohne Erfolg, was ist nun hier wieder los? Ach ja, ich habe doch einmal, irgendwo gelesen, dass Campinggas in den blauen Flaschen bei unter Null Temperaturen nicht mehr gasförmig wird... Not macht erfinderisch, denn schliesslich habe ich Verlangen nach einem heissen Kaffee und möchte zu dem, Vreni mit einem feinen Frühstück verwöhnen. Nach der Suche nach einem kurzen Verlängerungskabel wird der Haarfön installiert und draussen im Gasflaschen Raum zur Funktion gebracht. Mit dem Fön wärme ich unsere Gasflaschen. Bald gelingt es mir das Gas am Durchlauferhitzer und am Kochherd wieder zu entfachen. Die Gasflaschen werden später, für die restlichen Feiertage warm in eine dicke Wolldecke eingewickelt.

Fünf Zentimeter Schnee bleiben während Tagen auf dem Bootssteg liegen, es kommt sogar soweit, dass die Etang in der Umgebung zufrieren, was wir noch nie erlebten. Die vielen Wasservögel haben ihre erdenkliche Mühe auf der für sie ungewohnten Oberfläche zu landen und zu starten. Da es Jagdzeit ist, wird sogar diese durch die Behörden vorübergehend aufgehoben um die Tiere zu schonen.

Im Radio können wir nun dauern von den extremen Schneefällen im Süden hören. Vor allem die französischen Autobahnen sind in den ersten Tagen des neuen Jahres tief verschneit und müssen teilweise gesperrt werden. Das wird ja noch gut werden, in vier Tagen heisst es auch für uns leider wieder zusammenpacken.

Unsere Steg Nachbarn Staub‘s haben es bereits am Freitag satt. Sie entschliessen sich heimzureisen, obschon die Autobahn zum Teil noch wegen Schneeräumung gesperrt ist und auf den Strassen ein Chaos herrscht. Auch Romy und Beat, zwei Seglerfreunde aus Stans müssen die Heimreise antreten. Wie wir später erfahren, dauerte ihre Heimfahrt welche normalerweise in 5,5 bis 6 Stunden problemlos zu bewältigen ist, über 20 Stunden. Staub‘s entschlossen sich sogar, nach dem sie im Stau stecken geblieben waren, via Cote d‘Azur, Mailand, Gotthard und Luzern nach Bern zu fahren.

Kein Tag früher als absolut nötig verlassen normalerweise Vreni und ich unsere SY-­VERENA um wieder zurückzufahren. Jetzt aber haben auch wir es ein bisschen satt. Kein Sonnenschein und Tage lang nach dem Schneefall nun Regen. Da sich auf den Samstag hin die Verkehrslage ein wenig bessern sollte, entschliessen wir uns zusammen zu räumen.

Am Samstagmorgen um Halbacht schliessen wir das Schiff ab steigen in unser Auto und fahren los. Bis einige Kilometer vor Orange, also etwa 80 Kilometer kommen wir auf der Autobahn recht gut voran, dann aber ist die Autoroute für jeglichen Verkehr gesperrt. Durch das Cote-du-Rhone Gebiet fahren wir anschliessend, auf der normalen Strasse mit hunderten von anderen Autos Richtung Montelimar. Für knapp 70 Kilometer Umfahrung benötigen wir 3 Stunden. Kurz vor Montelimar stehen wieder für lange Minuten im Stau. Plötzlich kommt uns die Gendarmerie in ihrem Peugeot 605 entgegen und teilt jedem Automobilist einzeln mit, dass wir in 3 Kilometer wieder auf die Autoroute du Soleil zurück könnten.

Nach gut neun Stunden Reisezeit kommen wir in Bern an. Mit dem Wissen, dass es an den Tagen vorher noch schlimmer war, sind wir glücklich es wenigsten so geschafft zu haben.

Adieu, unser Domizil ist an Bord!

Dieser Titel trägt ein Seminar, das von der Interessengruppe Moto­r­yachten des CCS durchgeführt wird. Sofort melden wir uns an. Für uns und unsere Zukunft wichtige Themen sollen am Seminar behandelt werden:

    Behörden im In- und Ausland

    Planung der Steuern

    Bankfragen

     Krankenvorsorge

    Todesfall

     Versicherungen

    Menschliche Aspekte

Am Samstagmorgen fahren Vreni und ich mit dem Bus ins Restaurant Dählhölzli, wo das ganztägige Seminar stattfindet.

Etwa 80 Leute sind anwesend, als kurz nach 10 Uhr der Präsident der Motoryachtgruppe des CCS die Tagung eröffnet. Wollen wirklich so viele, „Adieu, unser Domizil ist an Bord“ verwirklichen? Vreni und ich sitzen zusammen mit Jean-Louis in der hintersten Reihe des sehr eng gestuhlten Vortragssaals. Aufmerksam lauschen wir den ersten Referenten. Bis am Mittag wird uns bewusst, wie wichtig die Steuerplanung ist. Ein kleiner Trost für uns sind die unserem Besitz fehlenden Liegenschaften, es macht vieles leichter. Doch müssen wir bei all den behandelten Themen feststellen, dass wir zwei arme, finanzschwache Mäuse sind. Aber was soll’s, nur ausreichen müssen unsere Finanzen und der Wunschtraum von der langen Fahrt muss in Erfüllung gehen.

Wir werden zu „Tramper“. Es gibt im Gesetz kein anderer Ausdruck für solche Leute die die Schweiz verlassen, ohne einen neuen Wohnsitz im Ausland anzugeben. Wir bekommen wertvolle Hinweise. So zum Beispiel, dass unser letzter Wohnort, somit Bern-Bümpliz zivilrechtlich unser Wohnort bleibt, sollten wir später einmal mittellos zurückkehren müssen. Der letzte Wohnort und nicht der Heimatort ist dann für unser Wohl verantwortlich. Die Meinung, es sei der Heimatort ist somit gemäss dem referierenden Juristen nicht mehr relevant. Einen Wohnort „Schwimmend“, gibt es im schweizerischen Gesetz nicht. Die allgemein zu vernehmende Meinung, dass wir bei den Behörden als Zigeuner gelten, nehmen wir schlichtweg nicht zur Kenntnis. Es zeigt sich auch wie wichtig es ist, in der Schweiz eine Kontaktadresse zu haben über die alles Administrative abläuft. Für uns war von Anfang an klar, dass Roger unser Sohn das sein wird und uns sicher auch Heinz mein Bruder als Buchhalter unterstützen wird.

Beim Mittagessen werden wir richtig verwöhnt. Nach einem Glas Weisswein als Apéro, verschieben wir uns in den grossen, schön gedeckten Esssaal. Während dem Geniessen des gemischten Salates und anschliessendem Schweinesteaks mit Morchelsauce, wird emsig mit den fremden Tischnachbarn diskutiert. Beim Anstossen mit dem Rotweinglas ist man auch gleich miteinander per Du. Sei es die gegenüber sitzende Sonja mit ihrem Walter die in Südfrankreich eine 20 Meter Motoryacht ihr eigen nennen darf, oder meine Nachbarin Hermine die erst in Betracht zieht ihr kleines Segelboot auf dem Zürichsee zu verkaufen, um mit ihrem Mann ein Occasionsboot auf dem Mittelmeer zu kaufen gedenkt. Wir vereinen uns gleich zu einer Gruppe gleichgesinnter Idealisten.

Es kommt immer wieder zum Ausdruck, dass wenn man so viel Geld ausgeben will, um so unbequem, langsam und oft gefahrvoll reisen zu wollen, nicht ganz normal sein kann. Nach dem Mittagessen geht dann die Vortragsreihe weiter. Viel wird über die Versicherung für Schiff und Mensch gesprochen. Es kommt auch hier klar zum Ausdruck, wie wichtig eine frühzeitige Planung ist. Dass man sich mindestens ein halbes Jahr zum Voraus um die AHV, Alters- und Hinterlassenenversicherung kümmern muss, kommt auch deutlich zum Ausdruck. Nur wer während den 40 Jahren lückenlos seine AHV Prämien bezahlt hat, kommt in den Genuss der vollen Rente. Für uns sehr wichtig das zu wissen. Die AHV ist unsere einzige Altersversicherung auf die wir neben einer minimalen Leibrente zählen können.

Wichtig ist auch die Finanzplanung. Auch für uns die wir kein Vermögen besitzen wichtig. Die ausbezahlten Pensionskassengelder müssen wir so sicher und doch so Gewinnbringend wie nur möglich anlegen.

„Legen sie nicht alle Eier in den gleichen Korb“, lautet die Devise des Bänkelers. Durch geschickte Diversifikation lässt sich das Risiko eines Portfolios bei gleichbleibendem Ertrag spürbar reduzieren.

Wir werden einen auf den zeitlichen Horizont gestaffelte Finanzplanung machen müssen. Kurzfristige Geldanlage mit wenig Gewinn, aber viel Sicherheit und langfristige Anlage durch Kauf von Aktien. Aktienkauf... Wir, die wir nie eine Beziehung zu Wertschriften hatten. Was für Aktien, dass wir nicht unser wenig Kapital verlieren? Wie viele, für wie lange, von wem... Fragen mit denen wir nie gerechnet haben, stellen sich uns.

Vorgesehen war, dass die Tagung um 16.00 Uhr zu Ende sei. Es ist nach halb Sechs und immer noch werden Fragen gestellt und wird diskutiert. Draussen ist es bereits dunkel, als Vreni und ich im Bus sitzen und Richtung Stadt fahren. Bei einem Glas Bier im Restaurant Sternenberg lassen wir den interessanten Tag noch einmal Revue passieren und besprechen unser weiteres Planungsvorgehen. Immer wieder suchen Vreni und ich nach regulären Lösungen, um unser Budget ein wenig aufzubessern. Sei es, um die noch dringenden Anschaffungen zu machen, oder als Test für später, wenn wir um jeden Franken froh sein werden der zusätzlich in die Bordkasse kommt.

Immer, wenn ich meine Filme zeige oder wenn wir von unserem Hobby erzählen, sind unsere Freunde und Bekannte hell begeistert und möchten gerne mitkommen. Immer und immer wieder haben wir sie auf später vertröstet, da wir zur Zeit unsere spärlichen Ferientage noch für die Arbeit am Schiff und unsere eigenen Törns benötigen. Jetzt aber sind wir eigentlich soweit, dass wir in diesem Sommer etwas organisieren könnten um endlich unsere Freunde befriedigen zu können.

Wir entschliessen uns für einen Flottillentörn, bei dem Vreni und ich die Organisation und die Führung übernehmen. Der ausschlaggebende Punkt ist unser Freund Kurt Fuchs, der nun auch seinen B-Schein gemacht hat und als Skipper ein eigenes Schiff befehlen darf. Als eigener Kapitän auf einem Schiff unter meiner Flottillen Leitung, könnte er seine ersten Erfahrungen sammeln. Gerne würden wir auch noch ein weiteres Schiff in unsere Flottille aufnehmen. Die Vorbereitungen werden, nachdem Kurt und Andrea seine Frau ihr Interesse angezeigt haben, von Vreni und mir mit Elan in Angriff genommen. Wir prüfen drei ganz unterschiedliche Varianten.

Erste Variante:

Ein Törn mit einer gewissen Herausforderung. Vielen zu erwartenden Erlebnissen und doch relativ preisgünstig. Start in La Grande-Motte, dann Törn nach Estartit in Spanien und von dort die Überfahrt zur Insel Menorca. Einen Törn rund um die Insel Menorca mit Baden, Schnorcheln und kulinarischen Genüssen. Dann den gleichen Weg zurück in den Ausgangshafen. Drei Wochen sollte der Törn dauern.

Zweite Variante:

Ein einfacher, aber dafür sehr Preis günstiger Törn, den sich fast jeder leisten könnte, führt uns von La Grande-Motte aus, der Südfranzösischen Küste entlang an die Costa Brava. Weiter der spanischen Küste, mit ihren schönen Buchten und Fischerhäfen entlang, bis nach Barcelona. Mit dem Besuch von anderen Ankerplätzen und Häfen geht es wieder zurück zum Ausgangshafen. Der Vorteil dieses Törns liegt darin, dass man auch Wochenweise mitkommen könnte und die Anreise mit eigenem Auto oder Bahn unproblematisch wäre.

Für beide Törns haben wir bald Freunde gefunden die uns an Bord der „SY-VERENA“ begleiten. Es gibt sogar das Problem, dass mehrere Paare bei uns an Bord mitsegeln möchten. Nur für das Schiff von Kurt und Andrea lässt sich niemand finden. Liegt es darin, dass die Koje dort teurer ist als bei uns, was wegen den Chartergebühren für das Schiff ganz klar ist, wir wissen es nicht? All die, seit Jahren interessierten „Freunde“ haben sich in Luft aufgelöst. Über 50 Briefe habe ich verschickt, ohne Erfolg und von einem weiteren Schiff in der Flottille, kann erst recht keine Rede mehr sein.

Andrea, die bei der Variante zwei ihren Kurt sowieso nur teilweise begleitet hätte, weil sie Inseln liebt und weniger Festland, macht dann den Vorschlag doch einen reinen lnseltörn anzubieten. Von neuem schlage ich die Werbetrommeln. Wieder aber ohne Erfolg. Unsere SY-VERENA wäre nun etwa vier Mal mit einer Crew besetzt und es fällt uns sogar sehr schwer guten Freunden absagen zu müssen. Nur für ein zweites Schiff gibt es außer dem Skipperpaar keine Crew.

Hansruedi und Eveline haben uns als erste verbindlich und mit viel Freude zugesagt. Darum entscheiden wir uns, die beiden dieses Jahr mit an Bord zu nehmen.

Leider muss ich nach viel Aufwand zu Kenntnis nehmen. „Ausser Spesen nichts gewesen“. Kurt und Andrea planen nun für den nächsten Winter einen Segeltörn in der Karibik. Dagegen kann unser Flottillentörn natürlich nicht konkurenzieren. Wir wünschen Kurt, dass er eine gute Crew finden wird und hoffen auf ein anderes Mal. Schade!

Wir dürfen unter Schweizerflagge nicht gewerbemässig Leute mitnehmen. Darum kommen nur Familie und Freunde mit an Bord. Sie beteiligen sich dann angemessen an der Bordkasse. Vreni hat über viele Jahre die Kosten unserer Törns aufgeschrieben und ist heute gut datiert. Unsere Crewmitglieder bezahlen Ihren Kostenanteil für ein freies und gutes Leben an Bord und den Anteil an alle anfallenden Spesen. Was somit wegfällt ist natürlich der Kostenanteil an eine teure Charteryacht. Wenn man weiss, dass man in der Hochsaison für drei Wochen für ein Mietschiff um die 10‘000 Franken bezahlt, gibt das für ein einzelnes Crewmitglied eine erhebliche Preisdifferenz. Dazu kommt bei uns an Bord der grosse Vorteil, dass alles vorhanden ist und es uns an nichts mangelt. Charterer können da ein Lied singen, wir waren auch solche... Wenn auf einem Mietschiff sogar Bändsel fehlen und man von einem Weinglas oder Steakmesser nur träumen kann. Dass bei uns ein Dingi mit Aussenborder vorhanden ist, der Bordgrill bei uns Standart ist und alle Instrumente funktionieren (meistens) ist selbstverständlich. Mithelfen muss man auf jedem Törn, das ist auch bei uns so. Jeder kann an Bord mithelfen, ganz besonders auch Der oder vor allen Die, die nichts vom Segeln versteht. Nur nötige Begeisterung und Freude ist dafür aufzubringen. Oft ist es mit Anfängern zu segeln schöner als mit solchen die es besser können als wir zwei.

Zukunftspläne

Wann haben wir eigentlich endlich einmal Zeit unsere Zukunftspläne zu schmieden? Noch knapp zwei Jahre liegen vor uns, dann möchten Vreni und ich in See stechen. Aber wohin eigentlich? Soll es eine Weltumsegelung werden? Welche Länder werden wir besuchen? Welche Seekarten müssen wir kaufen? Wir müssen versuchen uns in der nächsten Zukunft auch etwas Zeit zu nehmen, solchen Gedanken nachzuhängen. Die letzten fünf Jahre waren geprägt von Arbeit, Arbeit und noch einmal Arbeit. Immer, wenn eine Verbesserung am Schiff ausgeführt war, hatten wir zu den noch geplanten, eine neue Idee oder einen neuen Wunsch.

Im Sommer 1999 soll unser Ausstieg oder sagen wir besser Umstieg in ein neues Leben beginnen. Einen Entschluss haben wir bereits gefasst. Es soll nicht bereits im selben Jahr über den Atlantik in die Karibik gehen. Warum nicht? Vreni und ich planen nicht in drei Jahren die Welt zu umsegeln. Wir wollen die Weltmeere befahren und möglichst viele fremden Länder und Menschen kennen lernen. Zeit haben, ist unser sehnlichster Wunsch. Fast einen Monat auf See sein, nur Wasser und Wellen. Himmel und Wolken. Sonne und Mond. Dazu wir beide ganz alleine mit unserem kleinen Schiff.

Wir freuen uns zwar sehr auf dieses Erlebnis. Doch aus dem stressigen Alltag heraus, bereits nach einigen Wochen in der neuen Freiheit, trauen wir uns eine Atlantiküberquerung ganz einfach nicht zu. Wir wollen zuerst einige etwas kürzere Seereisen zu zweit vollbringen und dabei unseren Rhythmus an Bord finden. Schliesslich soll für uns das Abenteuer Atlantik nicht zum Alptraum werden.

Zuerst wollten wir den Winter 1999 / 2000 in Monastir also in Tunesien verbringen. Monastir soll eine schöne Marina, also Yachthafen haben.

Auch das Klima wäre nicht schlecht. Ein besonderer Vorteil soll dabei auch der sehr günstige Liegeplatzpreis sein.

Da das Einkaufen, vor allem auch von Schiffsersatzteilen nicht unbedingt gut ist, dazu das Land nicht unbedingt ein Segler Geheimtyp ist, verwerfen wir diese erste Planungsidee bald wieder. Es gibt recht viele Punkte für unser erstes Startjahr zu berücksichtigen. Einige davon möchte ich hier auflisten:

   Unsere Zielhäfen sollten gut erreichbar sein, um möglichst vielen unserer Familienangehörigen und Freunden einen Törn mit uns zu ermöglichen.

   Die Überwinterung sollte in gemässigtem südlichen Klima erfolgen 

    Der Liegeplatz sollte sicher, das heisst auch bei Sturm sollte das Schiff verlassen werden können, und preisgünstig sein.

    Das Auswassern des Schiffes und das ausführen einer gründlichen Unterwasserüberholung sollte gewährleistet sein.

    Die Einkaufsmöglichkeiten sollten gut sein.

Viele weitere Anforderungen stellen wir an unser erstes Winterlager im Mittelmeer.

Sehr viele Möglichkeiten stehen uns offen. Die Wahl der Qual kann also beginnen. Immer wieder werden wir auch im Kleinen, von guten Freunden unterstützt. So bringt uns Heinz Leuenberger, Hafenpreise von der Insel Mallorca mit. Er will uns auch gleich seine schöne Wohnung in Cala d‘or zur Verfügung stellen. Die Bucht von Palma wäre kein schlechtes Revier zum Überwintern. Gemässigtes Klima und dazu die guten Einkaufsmöglichkeiten einer Stadt. Segeltörns mit Freunden wären auch im Winterhalbjahr möglich. Langsam aber sicher müssen Vreni und ich beginnen einen Törnplan zusammenzustellen. Oder sagen wir besser. Törnvarianten zu erarbeiten.

Die Probleme verdichten sich

Uns stehen nun noch 1 ¼ Jahre zum Planen zur Verfügung. Was noch alles zu tun ist! Geld als Startkapital zur Seite zu legen, ist sehr schwer, haben wir doch die letzten grossen Anschaffungen immer noch vor uns. Der Windgenerator ist zwar montiert und liefert uns bei genügend Wind den elektrischen Strom für unsere Batterien. Bei schönem Wetter hilft uns das Solarpanel dabei. Sollten wir dennoch Stromprobleme haben, können wir sogar mit einem kleinen Bosch Aggregat mit Zweitaktmotor die Batterie Ladung sicher stellen. Auch das teure Kurzwellengerät ist zum Einbau bereit. Offen ist noch der Radar, welcher, zusammen mit dem Zubehör mit etwa 5000 Franken veranschlagt ist. Auch die Gasanlage muss noch erneuert werden, hat es sich doch gezeigt, dass wir mit den drei 2,8 Liter Campingas Reserven nicht weit kommen können. Ausserdem ist Propangas in den grossen 11 kg Flaschen weltweit leichter zu bekommen und viel, viel billiger. Ich mache mir zunehmend mehr Sorgen über die Finanzierung unserer Zukunft. Die Summe aus der Pensionskasse ist bei weitem nicht so rosig wie ich mir das einmal vorgestellt habe. Hoffentlich dürfen wir gesund bleiben, eine Rückkehr in die Schweiz bereits nach einigen Jahren würde uns sicher ruinieren. Aber unser Wunschtraum auf grosse Fahrt zu gehen ist so unheimlich gross, dass es einfach eine Lösung geben muss.

Vrenis Nähmaschine

Eine zerrissene Seglerhose oder wieder einmal eine geborstene Naht im Segel ist zu reparieren. Der Reissverschluss der Persennings muss ersetzt werden, dazu möchte sich Vreni schon seit längerem eine neue Bluse nähen. Mit den Fähigkeiten meiner lieben Bordfrau und Skipperin in das alles grundsätzlich kein Problem. Sie kann es! Doch, welche Haushaltnähmaschine ist schon für das nähen von feiner Seide, vierlagigem Segelstoff und dazu noch klebrigem Kunststoff geeignet? Welche Maschine näht durch Millimeter dicke Materialien?

Unsere sonst wirklich gute moderne Husquarna jedenfalls kapituliert, wenn es zu dick oder klebrig wird. Es hilft kein Trick mehr weiter. Ausserdem wird eine elektronische Nähmaschine an Bord eines salzigen, schlagenden Segelschiffes keine lange Lebensdauer erwarten können.

Die Suche nach einer geeigneten Bordnähmaschine kann beginnen. Sie muss alles nähen können, muss robust sein und darf keine Elektronik aufweisen!

Wieder einmal ernten wir als erstes Kopfschütteln. In den meisten Berner Nähmaschinengeschäften erachtet man unsere Wünsche respektive klaren Vorgaben, als für eine Haushaltmaschine zu schwierig. Unmöglich was Nydis wieder einmal brauchen! Für solch spezielle und dazu noch so dicke und klebrige Materialien mit dicksten Faden noch zu nähen, ja fast Schnur, kommt nur eine lndustriemaschine in Frage.

Da eine lndustriemaschine für uns aber zu gross und zu schwer ist, dazu für feine Sachen wohl wieder ungeeignet, ist das für uns kein Thema mehr. Vor wenigen Wochen hätte ich von der Zeughausschneiderei für wenig Geld eine solche Maschine, welche liquidiert wurde, kaufen können. Nach genauer Prüfung mussten wir schon zu dieser Zeit einsehen das dies keine Lösung sein kann.

Bei unserem Autosattler Martin Casanova hole ich mir nun vertiefte theoretische Fachkenntnisse über Nähmaschinen und deren Anwendung. Ein wichtiger Hinweis von Martin war die Information über die Wichtigkeit des Stofftransportes. Unsere Husquarna transportiert das zu nähende Material nur von unten über die Stichplatte, während eine lndustriemaschine auch oben transportieren kann. Ein, zwei ja zum Teil sogar dreifacher Transport gewährleistet, dass auch dicke und vor allem klebrige Materialien wie Kunststoffe sicher transportiert werden. Ausserordentlich wichtig sind auch Faden, Nadeln und die Einstellung der Maschine. Wusste ich doch bisher nicht, dass eine Nähmaschinennadel vorne eine Kerbe aufweist in welcher sich der Faden verstecken muss damit sauber genäht wird. Wussten sie das?

Nach dieser Theoriestunde verlasse ich Martins Atelier mit einer Tragtasche gefüllt mit Resten der verschiedensten Materialarten und Nähfäden. Zuhause zerschneiden wir noch unser altes Grosssegel, suchen Reissverschlüsse und weitere Stoffarten zusammen und ergänzen damit unsere Testsammlung.

Welche Haushaltnähmaschine besitzt keine Elektronik und lässt alle diese Materialien, zum Teil in mehreren Lagen auf sich nähen? Die Suche nach dem scheinbar Unmöglichen kann von vorne beginnen. Im elektronischen Telefonbuch findet Vreni eine vielversprechende Adresse in Basel. Es ruft gleichentags bei Herrn Weidel, der ein Fachgeschäft sowohl für Industriemaschinen wie Haushaltmaschinen hat, an. Als Vreni am Abend Zuhause ist schwärmt sie richtig gehend von diesem Telefongespräch. Sie habe nun mit einem Fachmann, einem Profi gesprochen der sein Metier beherrsche. Gleich hatte er unser Problem erkannt und Lösungsvorschläge unterbreitet. Sogar noch eine weitere Idee hat er, nämlich die Maschine so zu ändern, dass wir sie, wenn der Strom fehlt, von Hand betreiben können. Es gibt eine Haushaltmaschine die er für uns präparieren könne. Es ist die robuste „Pfaff 1212“. Er werde in den nächsten Tagen einen solchen Typ eintauschen, total revidieren und uns dann, wenn sie einsatzbereit sei, anrufen.

Zwei Wochen später, an einem schönen Dienstag nachmittag fahren Vreni und ich los. Unser Ziel Basel Steinevorstadt. Diesen Namen kannten wir bis heute nur vom Spielen. Beim Monopoly konnte man in diesem Vorort von Basel Häuschen oder Hotels bauen. Da wir an diesem Nachmittag zudem das Vergnügen haben einen, mir von der Mercedes Bern zur Verfügung gestellten Vorführwagen, „Mercedes A Klasse“ zu testen, wird der Ausflug zum doppelten Vergnügen.

Um 13 Uhr 30 treffen wir uns mit Herrn Weidel in seinem Nähmaschinengeschäft. Vreni hat ihn am Telefon richtig eingeschätzt, er ist nicht nur sehr nett und hilfsbereit, nein auch ein absoluter Nähmaschinenprofi. Nach einer ersten Instruktion und Vorführung, der von Herr Weidel selbst „Kampfwertgesteigerten“ Pfaff 1212, setzt sich Vreni vor das technische Ding. Die unterschiedlichsten Materialien, in Dicken bis zum geht nicht mehr, werden mit verschiedenen Nadeln und Fadensorten zu nähen versucht. Es gibt noch einiges einzustellen oder anzupassen. Einige Nadeln werden stumpf oder gehen sogar zu Bruch. Sogar Herr Weidel schüttelt zwischendurch den Kopf und meint, das gehe nun doch fast zu weit, doch unmöglich scheint bei ihm fast nichts zu sein. Vreni muss feststellen wie unheimlich entscheidend kleine Details sein können, ob es sauber näht oder nicht. Fadenspannung, Nähgeschwindigkeit richtiger Nadeltyp und vor allem dem Faden angepasste Grösse der Nadel sind nur einige Details. Über zwei Stunden lang unterstützt uns Herr Weidel und ergänzt zwischendurch immer wieder Vrenis Sortiment an speziellen, zusätzlichen Nadeln, Füsschen, Spulen und wechselt sogar das Fusssteuerungspedal noch aus. An diesem Pedal befindet sich die einzige Elektronik der ganzen Maschine, damit ist eine viel feinere Geschwindigkeitsregelung möglich. Das beste dieser Profi Nähmaschine, der Ausfall des Pedals oder der Elektronik bedeutet kein Totalausfall. Sie wird immer wieder bis zur Blockiergrenze belastet. Immer, wenn wieder ein Problem entsteht, öffnet der Spezialist die Maschine und erklärt mir welcher Grund nun schuld sei und welche technischen Möglichkeiten ich hätte. Dabei gibt er mir gleich technische Anweisungen über den Unterhalt, die Funktion und kleinere Reparaturmöglichkeiten. Was ich noch alles lerne! Herr Weidel findet sogar noch Zeit uns von der Entstehungsgeschichte der Nähmaschine und den früheren Erfahrungen seines Vaters, von welchem er dieses Geschäft übernommen hat, zu erzählen.

Wir dürfen, nachdem wir den festgelegten Preis bezahlt haben, unsere „neue“ Nähmaschine „PFAFF 1212“ gleich mitnehmen. Herr Weidel sichert uns seine weltweite Unterstützung über alle Weltmeer an, ist doch auch er am Wasser aufgewachsen. Zuhause angekommen feiern wir die, für unsere Zukunft sicher sehr wichtige neue Errungenschaft mit einem guten Stück Fleisch, Pommes-Frites und einer Flasche Rotwein. (natürlich französischem.)

Von der Nähmaschinenausbildung zur Zahnarztinstruktion

Das Wissen und technische Können eines Weltunmsegler‘s muss sehr vielseitig sein. Ein grosses Glück darum dass unser Zahnarzt ebenfalls ein Segler ist. Beisst man sich unterwegs eine Plombe raus oder bricht unglücklich einen Zahn ab kann das sehr schmerzhaft sein. Erste Hilfe ist angesagt. Bei meiner Konsultation beim Zahnarzt erklärt mir dieser, dass man in Schweden sogenannte Notreparaturset kaufen könne. Da ich das als sehr gut finde erklärt er sich gleich bereit mir etwas für meine Bordapotheke zusammen zu stellen. Das nächste Mal, ich muss nur noch zum polieren zu Ihm, verweist er mich zuerst ins Wartezimmer und setzt sich zu mir. Nun darf ich eine Kurzlektion in Zahnmedizin geniessen. Dr. Fluri erklärt mir wie ich einen Zahn trockenlegen muss und eine Notfüllung anbringen kann. Das Vorgehen bei einem abgebrochenen Zahn bis hin zur Diagnose bei unsichtbaren Zahnschmerzen versucht er mir Automechaniker zu erklären. Jedes einzelne Teil des von Ihm zusammengestellten Notset erklärt er mir fachkundig. Von der Anwendung der Wattenrolle bis hin zur Handhabung des bereitgestellten Spiegels und Spachtels sowie die Anwendung der verschiedenen Tabletten. Richtig stolz und vor allem dankbar verlasse ich, nach dem ich selber noch kurz auf dem Behandlungsstuhl gesessen habe die Praxis. Wieder habe ich etwas gelernt, das ich hoffe nie gebrauchen zu müssen.

Krankenkasse, AHV, Steuern

Wieder einmal ein verregneter Sonntag. Vreni und ich sitzen Zuhause in Bümpliz in unserer Mietwohnung. Wie könnte es anders sein, wir sprechen von unserer grossen Reise. Leider haben wir die ersten kleinen Probleme in der Familie. Langsam beginnt man wahrzunehmen, dass es uns mit dem gehen ernst ist. Dass man es nicht verstehen kann, dass wir unsere guten Stellen aufgeben wollen, und das in der heutigen Zeit können wir ja ein bisschen verstehen. Zum Glück steht unser Sohn Roger voll hinter uns, obschon sicher die längeren Trennungen von ihm für beide Teile die schmerzlichste sein wird.

Das Finanzielle ist eigentlich unser grösstes Problem. Vreni und ich versuchen wieder einmal die Finanzplanung der Zukunft zu Papier zu bringen. Drei Kostengrössen müssen wir nun endlich klären:

1.   Mit welcher Steuerbelastung müssen wir noch rechnen?

2.  Mit welchem Beitrag können wir unserer AHV möglichst auf dem Maximum halten?

3.  Wie und zu welchem Preis können wir unsere Krankenkasse anpassen?

Wir versuchen diese drei offenen Punkte durch Schreiben an die zuständigen Steilen zu klären. Nun warten wir wieder einmal ab was da kommt.

Anpassen der Schiffsversicherung

Wir sind bei der UAP neu AXA versichert. Die obligatorische Haftpflichtversicherung und eine Vollkaskoversicherung haben wir beim Kauf des Schiffes vor 5 Jahren für unseren Fahrtenbereich Europa abgeschlossen. Man nennt diese Versicherungszone auch Zone 8. Nun geht es darum diese Versicherung auf Zone 0 für weltweite Fahrt anzupassen, uns interessieren natürlich die neu entstehenden Kosten sehr, wir melden diese Versicherungsanpassung unserer AXA und verlangen gleichzeitig eine Offerte von der deutschen BANTAENIUS Versicherungsgesellschaft. Ein weiterer Typ bei der Berner oder Mobiliar zu versichern stellt sich als Flop heraus da diese Versicherung höchstens die Zone 8 Europa versichern oder Kunden die besser situiert sind als wir und bereits für einige tausend franken Prämien zahlen. Auf eine Offerte der Murette verrichten wir, da wir vor kurzem aus dem CCS ausgetreten sind und ausserdem auch hier die Weltweite Fahrt ZONE C nur auf Anfrage hin offeriert wird.

BANTEANIUS sendet uns unverzüglich und sehr detailliert klare Unterlagen und stellt die noch für sie notwendigen Fragen. Wir senden Ihnen die beim Schiffskauf erstellte Expertise und alle unsere Unterhaltsunterlagen und beantworten die gestellten Fragen. Schon nach kurzer Zeit bekommen wir einen Kostenvoranschlag sogar unter Berücksichtigung von 40% Schadensfreiheitsrabatt. Wir brauchen mit unsrem Antrag noch die 50hadenfreiheitsbestätigung der AXA beizulegen. Die Prämien überdies stimmen und sind, soweit vergleichbar, tiefer als bei der AXA.

Von der AXA kommt keine Antwort auf mein Schreiben darum telefoniere ich mit Ihr. Es stellt sich heraus dass eine Zone 0 Versicherung bei dieser Gesellschaft nicht mehr möglich ist.

Wir kündigen mit dem eingeschriebenen Schreiben vom 20.498 bei der UAP! AXA unsere beiden Versicherungen per Ende Februar 1999 und verlangen zugleich die benötigte 5chadenfreiheitsbestätigung.

Geldsorgen! Ist es Machbar?

Ich bin nun mittlerweilen 51 Jahre alt geworden und seit genau 25 Jahren beim Bund angestellt. Eigentlich bin ich ein recht gut bezahlter Beamter. Dennoch ist das Guthaben aus meiner Personalkasse nicht gerade ein Vermögen mit dem man für den Rest des Lebens ausgesorgt hätte. Der zusätzliche Betrag von Vreni deckt gerade die Steuern welche uns der liebe Staat Schweiz auch noch abziehen will.

Auch die Ausgleichskasse Bern scheint leicht sauer auf mich zu sein. Jetzt schon nach AHV Abklärungen zu fragen scheint für sie absurd zu sein. Ich zitiere aus dem Antwortschreiben vom 15.6.1998:

„Rentenberechnungen auf einen derart langfristigen Zeitraum können nie verbindlich gemacht werden. Auffällige Gesetzesänderungen, Entwicklung in der Rechtsprechung, Rentenalter, die Auswertfaktoren, teuerungsbedingte Anpassungen usw. können sich ändern.“ Eine Rentenauskunft wäre somit völlig spekulativ!

Ist mir alles klar, wie es sich auch entwickeln wird es wird immer gegen uns und für den Staat sein. Wir beabsichtigen das ausbezahlte Pensionskassengeld als Einmaleinlage in eine Altersrente, eine sogenannte dritte Säule zu investieren. Unserer Meinung nach die einfachste und sicherste Altersvorsorge für unsere Bedürfnisse. Die zwei Besprechungen mit dem Versicherungsvertreter der Rentenanstalt verlaufen negativ.

Einen ganzen Ordner voller Dokumentationen und Berechnungsunterlagen erhalten Vreni und ich von den Versicherungen. Alles umsonst! Mit diesem Kapital liegen unsere Wünsche in weiter Ferne. Auch hier wird klar: Die Versicherung muss rentieren.... Der Versicherungsgesellschaft.

Zur Zeit befinde ich mich in einem unheimlichen Tief. Fast scheint unser Vorhaben auf das wir uns nun schon über 6 Jahre vorbereiten und auf vieles verzichtet haben am Finanziellen zu scheitern, dass nun wo es in die Endphase geht auch noch Vrenis Eltern blockieren und sauer sind macht die Sache nicht gerade einfacher. Auch sie haben, wie es sich jetzt zeigt, unsere Pläne nicht ernst genommen und wollen nun von nichts wissen. Wir müssen eine Lösung finden. Wo können wir noch sparen? Wie ist das Geld besser, aber doch mit wenig Risiko anzulegen?

Vreni unterbreitet einen ersten Vorschlag:

Anstatt auf Ende August zu kündigen, schlägt es vor bis Ende Jahr zu arbeiten um noch soviel wie möglich sparen zu können. Es sieht aber auch noch weitere Massnahmen vor.

    Leasing Auto, wie festgelegt Mitte Jahr zurückgeben und auf ein Auto verzichten.

    Den Bootsplatz in Frankreich auf Ende August kündigen

    Der Ferientörn von vier Wochen soll zum Überführungstörn. Frankreich - Tunesien werden.

    Von September bis Dezember bleibt unser Schiff in einem sicheren Hafen in Afrika. Wir fliegen zurück in die Schweiz.

    Gut drei Monate haben wir nun Zeit die Wohnung aufzulösen und noch möglichst ein gutes Startkapital zusammen zu kratzen.

Das einzige was mich an Vrenis Vorschlag reizt ist der Törn nach Afrika. Alles andere passt mir überhaupt nicht. Ich bin einfach ein alter und harter Trotzkopf. Was ich mir vornehme, will ich auch erreichen. Aber was soll ich tun, wenn die finanziellen Mittel dazu ganz einfach fehlen? Vreni hat recht, es gilt nun Kompromisse einzugehen, wenn wir unser Ziel wirklich erreichen wollen. Ich will es und Vreni, wie es mir immer wieder beteuert auch.

Für 500 Franken eine Windfahne

Unser Schiff ist nun mit allem was es für eine Weltumsegelung braucht ausgerüstet. Nun kommt Rico daher und erklärt und will uns noch seine alte Windsteuerungsanlage verkaufen. Vreni und ich überlegen uns was wir machen sollen. Mit dem Gedanken eine solche Selbststeuerungsanlage, die ohne Strom funktioniert, war eigentlich schon lange ein Thema. Dagegen sprachen bis heute aber immer zwei Punkte. Erstens gibt es bei unserem Schiff Montageprobleme wegen dem hohen Heck und den Daffts mit dem angehängten Gummiboot und zweitens ist so eine Anlage sehr teuer.

Da Rico die Anlage nicht mehr benötigt uns sie uns zum Tiefstpreis von 500 Franken verkaufen will, fahren wir nach Basel und holen das Ungetüm ab. Wir verladen die Anlage, die aus einem langen Rohr, einem Ruderblatt und einer riesigen Windfahne besteht, auf unser Autodach.

Der Zoll in Genf bereitet uns keine Probleme, Da man der Windsteuerung ansieht, dass sie gebraucht ist lässt man uns unkontrolliert passieren, In La Grande - Motte folgt dann die grosse Arbeit. Die Anlage wird zerlegt, alle Chromstahlteile müssen gereinigt werden und einige Bestandteile kommen, da sie geändert werden müssen wieder zurück ins Auto. Am Sonntag, bevor es wieder zurück in die Schweiz geht, erstelle ich noch Skizzen über die neu zu erstellenden Montageteile und die Anpassung der Anlage an unsere SY - VERENA. Gleich am Montag bekomme ich dann einen argen Dämpfer. Nachdem ich die Adresse der Herstellerfirma endlich heraus bekommen habe telefoniere ich mit dem Konstrukteur in Hamburg.

Diese Anlage könne ich mir „abschminken“, die sei für unsere Amphora total unbrauchbar, Sie sehe an unserem Heck zwar sehr gut aus aber steuern könne sie unser Schiff, das viel zu schwer und zu voluminös sei nicht. Besonders bei einer Atlantiküberquerung mit räumlichen Winden werde sie total überfordert sein. Bäng! Alles für die Katz. Der komplizierte Transport zum Schiff und ein ganzes Wochenende Arbeit.

Eine Woche später habe ich von der Herstellerfirma ein Buch über Windsteuerungsanlagen im Briefkasten und eine Offerte für eine für unser Schiff taugliche Windsteuerungsanlage. Sie kostet über 8000 Mark

Windsteuerung oder Autopilot?

Noch dem ersten ernüchternden Fehler eine falsche Windsteuerung zu kaufen nur um Geld zu sparen versuchen wir uns erst mal richtig Klug zu machen. Unser Schiff ist bereits mit einer Selbststeuerung AUTOHELM 4000 Plus ausgerüstet. Obschon unsere Amphora als Ketsch recht schwierig zu trimmen ist, kommt dieser "Helmi“ wie wir ihn liebevoll nennen, bei Wind bis 6 Beaufort und wenig Seegang recht gut zurecht.

Wird es aber stürmischer und die See rauh, müssen wir oft das Ruder selber übernehmen. Raumschottkurse liebt unser Helmi überhaupt nicht

Gerade richtig erscheint in einer Seglerfachzeitschrift ein Test verschiedener elektrischer und hydraulischer Autopiloten.

Als erstes müssen wir jetzt die nicht geeignete Windsteuerung wieder los werden, was uns zu Glück auch recht einfach gelingt. Zweitens gilt es die schwierige Frage, was wir kaufen sollen. Geht es doch um viel Geld, Sicherheit und die Entlastung der Crew. Windsteuerung oder einen grösseren, schnelleren Autopiloten kaufen? Da die Meinungen stark auseinander gehen ist der Entscheid nur nach Fakten und nach unserem ganz persönlichen Bedürfnis möglich.

Vorteile einer Windsteuerung:

-   Braucht keinen Strom

-   Steuert unverzögert und genau

-   Braucht praktisch keinen Unterhalt

-    Robust und wenig Störungsanfällig

-   Keine Elektronik

Vorteile eines Autopiloten:

-   Je nach Typ, billiger

-   Kein „Gestell“ am Heck

-   Badeplattform frei zugänglich

-   Unser Zodiag kann an den Davids hängen

-   Nur ein Steuerungssystem auf dem Schiff

Erst wenn wir uns für Wind-, oder nicht Windfahnenanlage entschieden haben, können wir mit einer Typenevaluation beginnen.

Nach Tagen, ja Wochen haben Vreni und ich uns immer noch nicht entscheiden können. Wir entschliessen uns gegen unser Vorhaben, nun doch noch nach Düsseldorf an die „BOOT 99“ zu reisen. So können wir vor Ort mit den verschiedenen Anbietern sprechen, Ihre Argumente hören und die Anlagen 1 zu 1 anschauen.

Zwei Tagen verbringen wir, gut vorbereiten mit Fragen und Unterlagen an dieser Weltgrössten Bootsausstellung. Stunden vergehen in Diskussion und Argumentation, bis wir uns für den für uns besten kompromiss durchringen können. Wir bestellen eine „ARIES“ Windsteuerungsanlage beim sehr kompetenten und sympathischen Dänen Peter Matthiesen.

Behördenprobleme

Dem Steueramt stellte ich per Schreiben vom November konkrete Fragen betreffend Verrechnungszins. Diese fragen wurden von einem Profibuchhalter formuliert, damit sie ja rechtens sind. Nach drei Wochen Warten ein Normbrief: es fehlen uns noch Angaben.... bitte anrufen. Also rufe ich an. Angaben fehlen zwar keine, man ist schlichtweg bei der Steuerbehörde nicht bereit mir eine schriftliche Antwort auf meine Fragen zu geben. Als ich mich mit einer mündlichen Antwort nicht zufrieden gebe und auf eine schriftliche beharre, es geht schliesslich um 30‘000 Franken die für uns sehr viel Geld sind, erklärt sich der Steuerbeamte als nicht zuständig und verweist mich an eine andere Dienststelle. Obschon sich diese, wie sich herausstellt im gleichen Haus befindet, ist man nicht in der Lage meine Anfrage intern weiterzugeben. Ich schreibe die gleiche Anfrage ein zweites Mal und sende sie an das nun zuständige Amt. Als ich nach vier Wochen immer noch auf eine Antwort warte, nehme ich an, obschon ich es nicht glaube kann, der Brief sei bei der Post verloren gegangen. Ich stelle meine Anfrage mit entsprechendem Hinweis ein drittes Mal und warte ab.

Es wird immer schwieriger

Endlich haben wir einen brauchbaren Finanzplan zu dem Vreni und ich stehen können. Zwei Versicherungen und eine Grossbank wollten uns Ihre Angebote verkaufen bei denen schlussendlich nur sie die Gewinner geworden wären, Dank unserem Jürg Stähli von der Raiffeisenkasse sind wir nun überzeugt. Es kann finanziell gehen!

Frau Zosso ist die Finanzberaterin der Bank und sie hat für uns in allen Details und mit viel Aufwand eine Finanzierung bis ins Jahr 2016 minuziös ausgearbeitet. Bravo! Merci Frau Zosso.

Selbst die AHV und die Steuerfragen, denen wir nur mühsam näherkommen konnten, versuchte Sie mit Eigeninitiative und von sich aus für uns zu beantworten. Mit grossem Erfolg und zahlreichen Erkenntnissen welche wir benötigen.

Steuern! Langsam ein Alptraum für mich. Obschon ich auch ein Beamter bin, glaube ich langsam an die Wahrheit der Beamten Witze. Bei den Steuerbeamten bekam ich den Eindruck, dass Sie wie folgt geschult werden:

„Lies den Brief deines Kunden einmal ruhig aber oberflächlich durch, denke dabei der Klient sie ein Niemand. Lege den Brief dann ein bis zwei Wochen ruhig zur Seite. Danach druckst du aus dem Word den Normbrief aus. „Uns fehlen noch einige Angaben. Bitte telefonieren sie uns“.

In den meisten Fällen gibt dann der Briefschreiber wahrscheinlich nach und vergisst seine Anfrage. Nicht aber der hartnäckige Nydegger der wirklich auf seine Weltumsegelung will, ohne reich zu sein.

Ich rufe dann zurück und bin erstaunt, dass dem Steuerbeamten eigentlich gar keine Informationen fehlen. Er wollte, oder durfte schlicht weg keine verbindliche Antwort bezüglich der Rückerstattung der Verrechnungssteuer geben. Oder war er etwa selber nicht im Bilde? Das soll es ja manchmal auch geben. Sein einziger Ausweg, als ich hartnäckig auf eine schriftliche Auskunft bestehe ist, mich an eine andere Stelle der kantonalen Steuerverwaltung zu verweisen. Wieder schreibe ich einen Brief und formuliere meine Fragen. Es ist der wortwörtlich selbe Brief den ich vor zwei Wochen der Steuerverwaltung schrieb. Ich habe gar keinen Grund diesen zu ändern, hat ihn doch mein Bruder, ein Profi Treuhänder und Buchhalter ist, für mich entworfen. Es ist eine Anfrage die er für seine Klienten schon x Mal gemacht hat, aber eben in einer anderen „normalen“ Angelegenheit und auf dem Briefpapier einer namhaften Firma.

Mittlerweilen überstürzten sich auch die Begebenheiten bei uns im „Heer“. Heer ist der Oberbegriff der „Firma“ bei der ich im Bundesamt für Sport und Militär angestellt bin.

Weitere 10 Stellen sollen in meiner Abteilung abgebaut werden. Es weiss es noch niemand, das Schreiben das ich besitze ist vertraulich und noch nicht genehmigt. Ab 56 Jahren kann man vorzeitig pensioniert werden. Von den 10 geplanten Abbaustellen gibt es aber bei mir gerade deren 3 Mitarbeiter die dieses Alterslimit in den nächsten 2 Jahren erreichen. Es muss also die Sonderregelung der administrativen Pensionierung zum tragen kommen, mindestens 50-jährig und 19 Dienstjahre, heisst es in den Verordnungen. Beide Forderungen erfülle ich. Nun ist die Zeit gekommen mich mit meinem Personalverband in Verbindung zu setzen. Keine Chance, meint Herr Scholl, will mich aber, weil ich wohl meiner Hartnäckigkeit Ausdruck gebe, unterstützen als er von den neuen ihm noch unbekannten Abbaumassnahmen hört, Ich beantrage meine adm. Pensionierung mit dem ausdrücklichen Verzicht auf eine Übergangsrente!

Nächste Woche finden bei meinem Chef die ersten Gespräche über den möglichen, brutalen Personalabbau der nächsten 3 Jahren statt. Es ist wie üblich wieder einmal nichts entschieden und der Personalchef meiner Dienststelle hat wie erwartet meinen Antrag abgelehnt. Auf mein Schreiben an den Personalverband und meinen Chef, dass ich den Entscheid nicht annehmen könne, versagt man mir im Moment die Unterstützung.

Ich glaube manchmal, der Bund will eigentlich gar nicht sparen.

Von weiteren Aufgaben will man nun meine Abteilung entbinden. Jahrelang war ich für die Beschaffung der Bundesratswagen, der Repräsentationsfahrzeugen und für die gepanzerten Sonderschutz Personenwagen in technischen Belangen zuständig. Da nun die Gruppe für Rüstung für die Personenwagenbeschaffung, welche immer umstrittener wird und massiv zurück geht, einen neuen jungen Ingenieur eingestellt hat, versucht man nun diese Spezialaufgaben wieder zurück zu bekommen.

Ein Schreiben welches mich von diesen Aufgeben entbinden soll, steht anscheinend in Vorbereitung. Da ich mir in diesem Spezialgebiet, in den letzten 15 Jahren, ein sehr grosses Wissen aneignen konnte und das Beziehungsfeld zu den, vor altem deutschen Mercedes Werkspezialisten aufbauen konnte, erahnen einzelne Herren ein kleines Problem.

Ich stehe persönlich zwischen zwei Fronten. Einerseits kann mir diese Wende nur recht sein. Es wäre ein Grund mehr mich frühzeitig in die Pension zu schicken. Andererseits habe ich zusammen mit Oberst Andreas Aeberhard diese Fachgebiet aufgebaut und es zur Zufriedenheit fast aller, bis heute ausgeführt. Ich möchte, dass dieses Fachgebiet mein junger Nachfolger weiterführen könnte und dem Betrieb als interessante Sonderaufgabe bleibt.

Auch Privat nimmt der Druck nun plötzlich zu. Vrenis Eltern rasten aus. Nach einem Besuchsabend bei Ihnen beginnt der Schwiegervater plötzlich zu explodieren. Sie kämen nicht an die Hochzeit von unserem Sohn Roger. Er zeige sich sowieso nie bei ihnen und seinen Götti aus Freiburg habe er auch nicht zum Hochzeit eingeladen. Dazu werde er uns ...

Leider war mein Versuch mit ihm ins Gespräch zu kommen unmöglich. Er verweist uns praktisch aus seiner Wohnung und will nichts mehr von seiner Tochter wissen und wohl schon gar nicht mehr von mir. Er erachtet unser Vorhaben auf dem Schiff zu leben als eine 100 Prozentige Trennung. Ich kann und will es einfach nicht verstehen. Beide sind noch relativ jung, reisen viel in fremde Länder und Vreni und ich haben uns schon gefreut sie jährlich einmal bei uns an Bord zu haben.

Die nächsten Tagen sind vor allem für Vreni schlimm, es ist nahe an einem Nervenzusammenbruch. Es kann einfach nicht verstehen, dass ein Mensch so lieblos und egoistisch sein kann. Erst Wochen später, nach Gesprächen mit seinen etwas älteren, ehemaligen Arbeitskolleginnen, die Vreni unterstützen, beginnt es sich zu beruhigen. Auch es hat das Recht sein Leben zu leben. Weiterhin macht es uns aber zu schaffen. Ein gutes Verhältnis zu seiner Familie kann doch auch über eine etwas weitere Entfernung aufrecht erhalten bleiben, ja sogar vertieft werden. Mit meinen Eltern und vor allem auch mit unserem Sohn Roger und der Schwiegertochter Karin haben wir ein gutes, familiäres Verhältnis und beziehen sie, wo immer möglich, in unsere Pläne ein und informieren sie, wo immer sie Interesse zeigen. Wir hoffen, dass sich auch Vrenis Eltern bald wieder zurückbesinnen werden und unsere Entscheidung zumindest akzeptieren werden.

Versicherungsproblem oder Schweizer „Bünzlitum“

Vor einem Jahr mussten wir unsere Schiffsversicherung kündigen, da die AXA keine weltweiten Schiffsversicherungen anbietet. Es gab nach vielen Abklärungen nur zwei Möglichkeiten unser Schiff auch weltweit Kasko zu versichern. Entweder bei der deutschen weltweit für Schiffsversicherung bekannten Panteanius oder über den CCS bei der schweizerischen Murette. Da wir einfach keine Vereinsmenschen sind und den Austritt aus dem CCS gaben, stand uns die Murette also bereits nicht mehr zur Auswahl. Wir versicherten uns somit neu bei der Panteanius. Die Bedienung war hervorragend und alles klappte bestens. Pünktlich erhielten wir vor dem neuen Versicherungsbeginn die Policen und die Rechnung.

Nun bekomme ich einen Brief der gekündigten AXA mit dem Hinweis ich hätte die Haftpflichtversicherung weiter zu bezahlen oder den Schiffsausweis zu annullieren. Die zweite Bemerkung, wegen annullieren macht mich gleich rasend. Haben diese Menschen doch keine Ahnung.... Da ich ja eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe und übrigens im März sowohl die neue, wie noch die bisherige gültig sind macht mir dieser Brief vorerst keine Sorgen.

Ich versuche mit dem Seeschiffahrtsamt in Basel den Versicherungswechsel zu regeln. Es bestehe keine andere Möglichkeit, als die Haftpflichtversicherung bei einer schweizerischen Versicherungsgesellschaft abzuschliessen, erklärt mir Frau Muster. Klar gesetzlich geregelt in der

„Verordnung über die schweizerischen Jachten zur See vom 15. März 1971 Art 8“.  Wo ist da bei uns der Europagedanke geblieben?

Ich versuche nun, obschon ich die Haftpflichtprämie bei der Panteanius bereits eingezahlt habe, bei einer schweizerischen Versicherung eine Haftpflichtversicherung mit internationaler Deckung abzuschliessen. Ich werde ja gesetzlich dazu gezwungen.

Erstes Telefon bei meiner bisherigen AXA. Der Grund warum ich bei dieser Versicherung kündigen musste, ist nach wie vor der gleiche: Man en keine Internationale Schiffsversicherung ab. Die gleiche Antwort erhalte ich von der Basler- und der Zürich Versicherung. Einzig Herr Hofstetter von der Berner-Versicherung glaubt mir helfen zu können und klärt es ab.

Das Telefonische Angebot kommt am gleichen Nachmittag. Die Haftpflichtversicherung kann ich abschliessen. Europaweit Zone „B“ oder Weltweit Zone „C“. Die Prämie kostet das doppelte der deutschen Versicherung, welche ich von Gesetzes wegen nicht berücksichtigen darf. Sogar eine Kasko für Zone „B“ wäre nun bei der Berner plötzlich möglich. An der letzten Bootsmesse in Zürich hat man uns am Berner Versicherungsstand diese Angebote nicht machen können.

Nun ruft mich auch noch mein Bruder Dani an, welcher bei der Basler Versicherung als Schadenexperte tätig ist. Einer ihrer Makler habe ihm erklärt, ich könne die Versicherung auch bei ihrer Gesellschaft abschliessen. Diese Antwort war noch vor ein paar Wochen ganz klar negativ gewesen. Es ist wieder einmal, wie so oft, man muss einfach an die richtige Person gelangen, um etwas erreichen zu können. Ich finde das einfach nicht in Ordnung!

Zu guter Letzt frage ich absichtlich auch noch bei der Winterthur Versicherung nach. Können sie mir eine Haftpflichtversicherung für „weltweit“ anbieten und zu welcher Prämie?

 

Ende gut alles Gut

Der Weg war mühsam und manchmal hart. Aber es hat sich gelohnt, wir haben unser Ziel erreicht! Unser Schiff ist seeklar und wir sind es auch.

 

Träume nicht dein Leben

sondern

lebe deinen Traum!

 

Krankenkasse, Versicherungen. Finanzplan, Adressänderungen, AHV, und so weiter sind geregelt. Am 14. Dezember 1999 um 09:00 Uhr geben wir unsere Mietwohnung in Bümpliz ab. Am 23. Dezember 1999 verabschieden wir uns von unseren Arbeitskolleginnen und Kollegen. Am 26. Dezember 1999 fahren zu unserem Schiff und starten zur grossen Fahrt.

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