3.2 Michel de Nostredame (Nostradamus)

 

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Seher, nicht Prophet

Ob Nostradamus (1503 - 1566) ein echter Seher war, d. h. auf übernatürlichem Weg tatsächlich in die Zukunft blicken konnte oder nicht, lässt sich im Augenblick weder beweisen noch widerlegen. Dies bleibt nach wie vor eine Sache des persönlichen Glaubens. Was Nostradamus jedoch mit Sicherheit nicht war, ist ein Prophet im biblischen Sinne. Ein biblischer Prophet (hebr. "nabi") ist jemand, der von Gott berufen wurde und somit zu diesem in einem persönlichen Verhältnis steht. Nostradamus verwendet in seinen Vorhersagen zwar auch den Begriff "Prophet" (2/28, 2/36), aber hier im Sinne des griechischen "prophetes" bzw. des lateinischen "propheta" (Weissager, Seher). Dass Nostradamus sich nicht als "Nabi" sondern als "Prophetes/Propheta" verstanden hat, ist dem Vorwort zu entnehmen, das er seinem Sohn Cäsar gewidmet hat. Nostradamus schreibt: "Encores mon filz que i’aye inseré le nom de prophete, ie ne me veux atribuer tiltre de si haulte sublimite pour le têps present: car 'qui propheta dicitur hodie, olim vocabatur videns'" (Obwohl ich, mein Sohn, die Bezeichnung "Prophet" eingebracht habe, will ich mir heute nicht [einen] Titel mit so hoher Erhabenheit beimessen. Denn "wer heute Prophet genannt wird, wurde einst Seher genannt" [vgl. erstes Buch Samuel 9, 9]).

Kein "König der Astrologen"

Ob der zum Leibarzt des Königs ernannte Nostradamus den Titel "Dr. med." besessen hat oder ohne abgeschlossenes Medizinstudium als "Arzt" im Sinne eines Heilers tätig war, ist für die Beurteilung seiner Weissagungen etwa so bedeutend wie die Frage, ob er ein guter Sänger gewesen ist oder nicht. Wichtiger ist dagegen der Befund, dass die astrologischen Fähigkeiten unseres Sehers alles Andere als überragend waren, wie Elmar GRUBER anhand des Horoskopes für den späteren Habsburger Kaiser Rudolf II. gezeigt hat. Doch sind die Zenturien ein primär astrologisches Werk, eine Art "Welthoroskop"? Nein! Nicht umsonst hat Nostradamus in 6/100 (5.42) die Astrologen in einem Atemzug mit Tölpeln und Barbaren genannt, die sich von seinen Vierzeilern fernhalten sollen.

Wie aus den Vorworten an seinen Sohn Cäsar (C) und den französischen König Heinrich II. (H) zu entnehmen ist, speisen sich die Weissagungen in den Zenturien aus mehreren Quellen. An erster Stelle steht dabei Gott, den unser Seher mehrfach als Urquelle für seine Informationen nennt (C): "soli numine divino afflati præsagiunt, & spiritu prophetico particularia" (Nur die vom göttlichen Wesen Inspirierten können mit prophetischem Geist besondere Dinge vorhersagen), "tout procedoit de la puissance diuine du grand Dieu eternel, de qui toute bonté procede" (Alles ging von der göttlichen Macht des großen ewigen Gottes aus, von dem alle Güte kommt), "veu que toute inspiration prophetique reçoit prenant son principal principe mouant de Dieu le createur, [...]" ([Ich habe] gesehen, dass jede prophetische Eingebung, [die man] empfängt, ihren hauptsächlichen, bewegenden Ausgang von Gott dem Schöpfer nimmt, [...]) und (H): "ie confesse bien que le tout vient de Dieu, & luy en rends graces, honneur, & loüange immortelle" (ich bekenne wohl, dass das Ganze von Gott kommt, und ihm spreche ich Dank, Ehre und unsterbliches Lob aus).

Doch wie konnte Nostradamus an diese Informationen göttlichen Ursprungs gelangen? Zum einen hat unser Seher geglaubt, dass er von seinen Vorfahren das Talent zur Zukunftsschau geerbt hat. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer "ererbten Lehre von der geheimen Weissagung" (C): (la parolle hereditaire de l’occulte prediction) und mehrfach von einer "natürlichen Eingebung" (H) (naturel instinct), die er von seinen Vorfahren erhalten habe (qui m’a esté donné par mes auites). Zum anderen hat Nostradamus sich anscheinend alter Weissagungspraktiken bedient (C) (les effectz de la future prediction), einer "geheimen Philosophie" (occulte Philosophie), die zwar nie (von der Kirche) verdammt worden sei, die er aber wegen ihrer "zügellosen Überzeugungen" (effrenées persuasiõs) dennoch nicht der Öffentlichkeit habe vorlegen wollen. Es habe sich dabei um mehrere Bücher gehandelt, die während Jahrhunderten versteckt, ihm aber zugänglich gewesen seien. Nach der Lektüre dieser Werke habe er sie vebrannt. Um welche Schriften es sich dabei gehandelt hat, ist unbekannt. Nostradamus schreibt jedoch, er habe diese Bücher vernichtet, damit sein Sohn Cäsar u. a. nicht in Versuchung geraten könne, Gold und Silber "vollkommen umzuwandeln" (la parfaicte trãsformation tant seline que solaire). Somit kann vermutet werden, dass es sich um alchemistische Werke gehandelt hat.

Bei der Ausarbeitung der Zenturien-Vierzeiler kommt der Astrologie bzw. Astronomie aber dennoch eine nicht zu vernachlässigende Rolle zu. Nostradamus schreibt etwa (C), dass Gott bei der Inspiration "astronomische Bestätigungen" (astronomiques assertions) zum Zug kommen lässt und dass das "göttliche Wesen" zusammen mit oder durch astronomische Umläufe ihn seine Erkenntnisse habe gewinnen lassen (la Diuine essence par Astronomiques reuolutions). Unser Seher schreibt in diesem Zusammenhang mehrfach von umfangreichen und langwierigen Berechnungen, die er habe anstellen müssen. Nostradamus scheint auch klar gewesen zu sein, dass er bei diesem Aspekt seines Werkes nicht hundertprozentig ausschließen kann, dass er sich - wie jeder Mensch - auch einmal verrechnet haben könnte: im Vorwort an König Heinrich II. schreibt er, dass sein Werk nach seinem Tod denjenigen, denen die Bösartigkeit des bösen Geistes (Teufel) nicht klar sein wird - d. h. den im religösen Sinne Un- oder Andersgläubigen (ceux à qui la malignité de l’esprit malin ne sera comprins) - mehr bedeuten wird als zu seinen Lebzeiten. Und zwar, so Nostradamus, "auch falls ich in meiner Berechnung der Zeitalter Fehler gemacht haben oder es nicht dem Wunsch einiger entsprechen sollte" (ce pendant si à ma supputation des ages ie faillois ou ne pourroit estre selon la volonté d’aucuns).

Sündiger Mensch, keine esoterische Lichtgestalt

Nostradamus war ein Mensch des 16. Jahrhunderts, der sich seiner Schwächen und Unzulänglichkeiten sehr wohl bewusst war. Er war sicher kein (Säulen-) Heiliger zu dem ihn gewisse Bearbeiter aus falsch verstandener Bewunderung gelegentlich gemacht haben. Im schon erwähnten Vorwort schreibt er einmal: "[...] suis pecheur plus grand que nul de ce monde, subiect à toutes humaines afflictions."  ([Und dies, obwohl ich ein] größerer Sünder bin als irgend jemand auf dieser Welt [und] allen menschlichen Leiden unterworfen [bin]). Als Einstieg in die Biographie dieses Mannes sei an dieser Stelle auf die Beiträge der Online-Enzyklopädie Wikipedia verwiesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Nostradamus
 (26.03.2008)

http://en.wikipedia.org/wiki/Nostradamus
 (26.03.2008)

http://fr.wikipedia.org/wiki/Nostradamus  (26.03.2008)

 

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