Zurück zu "7. Der missverstandene Nostradamus" / Zurück zur Startseite



Heinrich II. (französischer König von 1547-1559, starb an den Folgen eines Turnierunfalls)

Richtig ist, dass es in Nostradamus’ Werk Bezüge zum damaligen französischen König Heinrich II. gibt (so ist etwa das Vorwort zu den Zenturien Nr. 8 bis 10 dem König gewidmet).

Falsch ist jedoch die weitverbreitete Annahme, unser Seher habe den tragischen Tod des Monarchen in den Zenturien vorhergesagt .

Vers 1/35 ist wohl eine der berühmtesten und am häufigsten missinterpretierten Prophezeiungen des Nostradamus. Sie lautet übersetzt etwa: "Der junge Löwe wird den alten besiegen, auf dem Schlachtfeld in einem außergewöhnlichen Kampf. Im goldenen Käfig wird er (oder es) ihm die Augen ausstechen. Von zwei Heeren (oder Flotten) wird eine(s) dann sterben. Und zwar einen grausamen Tod." Heinrich II. starb am 10. Juli 1559 an den Folgen einer Verletzung, die er sich neun Tage zuvor während eines Turniers in einem Zweikampf mit dem Grafen de Montgomery zugezogen hatte. Analysieren wir nun die Prophezeiung etwas genauer, stellen wir recht bald fest, dass es kaum triftige Gründe dafür gibt, diese auf den tragischen Tod Heinrichs zu beziehen. Erstens lässt sich kein überzeugender Grund dafür finden, weshalb die "Löwen" ausgerechnet diese beiden Edelmänner bezeichnen sollten (es führte z.B. keiner der beiden einen Löwen im Wappen). Zudem betrug der Altersunterschied zwischen den beiden Kämpfern (dem "jungen" und dem "alten") nur etwa sechs Jahre. Zweitens ist ein Turnier eben kein Schlachtfeld, obwohl man hier Nostradamus zur Not eine gewisse dichterische Freiheit zugestehen könnte. Drittens steht der "goldene Käfig" kaum für den Helm des Königs, wie so oft behauptet wird, denn Heinrichs Helm war weder aus Gold noch vergoldet. Auch bestand die Verletzung des Königs nicht darin, dass Montgomerys Lanze ihm ein oder beide Augen ausgestochen hätte (vielmehr erlitt Heinrich eine schwere Kopfverletzung in der Nähe der Augen). Und zu guter letzt passen die erwähnten Heere oder Flotten ohnehin nicht in den historischen Kontext des Geschehens.

Interessanterweise hat aber gerade dieser Vers, bzw. dessen falsche Auslegung, Nostradamus’ Ruhm mitbegründet. Richtig ist, dass dieser Turnierunfall recht genau prophezeit worden ist, – allerdings nicht von Nostradamus. Diese Ehre steht vielmehr dem italienischen Astrologen Luc Gauric zu, der den französischen König schon Jahre zuvor vor einem Zweikampf nahe des 41sten Lebensjahres (also 1559/60) warnte, da ihm in dieser Zeit eine Kopfverletzung drohen würde, die Erblindung oder gar den Tod nach sich ziehen könnte. Eine der Ersten, die Gaurics Warnung mit Vers 1/35 des Nostradamus in Verbindung brachten, dürfte die Königin und Förderin unseres Sehers, Katharina von Medici, gewesen sein. Und zwar, als sie während einer Audienz, die sie Nostradamus 1556 in Paris gewährte, Parallelen zwischen Gaurics Warnung und Vers 1/35 zu erblicken glaubte. Auf ihre Veranlassung hin schrieb der italienische Astrologe übrigens noch im gleichen Jahr einen Brief an Heinrich II., in dem er seine Warnung noch einmal wiederholte.

Vielen am Hof war diese Warnung bis 1559 inzwischen zu Ohren gekommen. So auch Graf de Montgomery, der nach dem Ableben seines Herrschers auf dramatische Weise den Seher verfluchte, der diesen Schicksalsschlag so treffend vorhergesagt hatte. Obwohl er damit wahrscheinlich Gauric meinte, gab es schon damals nicht wenige, die eher an Nostradamus und seinen Vers 1/35 dachten. Und von diesem Moment an begann die lange Geschichte der Missdeutung dieses Verses erst so richtig.



Zurück zu "7. Der missverstandene Nostradamus" / Zurück zur Startseite


(Letzte Änderung dieser Seite: 14.11.2015)