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Rot (die "Roten", "rote Flotte")
Richtig ist, dass Nostradamus in einer ganzen Reihe von Versen die Farbe Rot als Symbol für Personen oder Kräfte verwendet.
Falsch ist aber die viel zu moderne Deutung, dass damit Akteure aus dem sozialistisch-kommunistischen Lager gemeint seien.
Betrachten wir einmal einige der Verse, in denen die Farbe Rot eine
bedeutende Rolle spielt. So berichtet etwa 5/46 von Streitigkeiten der
"roten Hüte", durch die Kirchenspaltungen ausgelöst werden. 4/11, 5/22,
8/19, 9/51 und eine ganze Reihe anderer Verse sprechen ebenfalls von
den "Roten" und innerkirchlichen Querelen und Machtkämpfen. In diesen
Fällen dürften, wie die Nostradamusforschung schon lange weiß,
Kardinäle gemeint sein, die rote Kopfbedeckungen und Ornate tragen. Es
wäre aber falsch, bei der Farbe Rot in den Prophezeiungen stets nur an
die Kirche zu denken. So taucht etwa in 3/1 und 4/37 eine rote Seemacht
auf. Und der Kontext dieser Verse zeigt recht eindeutig, dass hier kaum
von der Kirche die Rede sein dürfte. Wenn wir uns nun überlegen, was
Nostradamus alles mit einer roten Seemacht verbinden konnte, landen wir
bald wieder in der klassischen Antike. Die Phönizier (Punier,
Karthager) waren eine der bedeutendsten Seemächte des Altertums. Sie
dominierten lange den gesamten Seehandel im Mittelmeer. Zu ihren
wichtigsten Ausfuhrgütern gehörten dabei purpurgefärbte Gewebe. Dies
hat sich auch in verschiedenen Sprachen niedergeschlagen. So bedeutet
das lateinische "tyrius" sowohl "karthagisch" als auch "purpurn"; im
Griechischen ähnelt "phoinikoys" (purpurrot) sehr der Bezeichnung eines
Phöniziers ("phoiniks"). Und tatsächlich tauchen in Nostradamus’
Prophezeiungen die "Phönizier" als Akteure auf. In 1/9 wird ein
"punischer Schrecken" erwähnt, der zusammen mit einer nordafrikanischen
Flotte Italien heimsuchen wird, und in 2/81 misshandelt der "punischen
Knüppel" Sardinien.
Wie gezeigt, kann ein Symbol bei Nostradamus durchaus auch mehrere
Bedeutungen aufweisen (in Abhängigkeit vom Gesamtzusammenhang). Ein
Interpret sollte aber stets darauf bedacht sein, dass er nicht
versucht, solche Symbole aus seiner Warte heraus zu deuten. Es gilt
vielmehr, sich in Nostradamus "hineinzuversetzen" und sich zu
überlegen, was für ein Symbolschatz im 16. Jahrhundert überhaupt
vorhanden gewesen sein kann. Moderne Auslegungen wie etwa "rot =
sozialistisch/kommunistisch" sind jedenfalls immer mehr als
problematisch, da sie von einem Wissen ausgehen, das zu Nostradamus’
Zeiten nicht zur Verfügung stand.
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(Letzte Änderung dieser Seite: 14.11.2015)