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+8/1

Seront confus plusieurs de leurs attente,
Einige werden wegen ihres Wartens verwirrt sein.
Aux habitans1) ne sera pardonné:
Den Einwohnern1) wird nicht vergeben werden,
Qui bien pensoient perseuerer l’attente,
die sehr [daran] dachten, das Warten beizubehalten.
Mais grand loisir ne leur sera donné.
Aber viel Zeit wird ihnen nicht gegeben werden.

1) Im Mittelfranzösischen auch für "Landbewohner, Bauer" verwendet.

Kommentar


"Einwohner", die scheinbar lieber warteten als zu handeln, werden dies büßen. Und das scheint dann schnell zu gehen. Ein sehr allgemeiner Vierzeiler, zu dem ohne Begleitverse nicht mehr zu sagen ist.
 

+8/2

Plusieurs viendront, & parleront de paix,
Mehrere werden kommen und von Frieden sprechen
Entre Monarques & seigneurs bien puissans:
zwischen [den] Monarchen und [den] sehr mächtigen Herren.
Mais ne sera accordé de si prés,
Aber [man] wird nicht so nahe zusammenkommen,
Que ne se rendent plus qu’autres obeissans,
da [sie] sich nicht mehr als andere unterwürfig zeigen.


Kommentar


1. und 2. Zeile
: Es scheint hier einen Krieg zwischen Monarchen und sehr mächtigen Teilfürsten ("Herren") zu geben. Doch man dürfte sich wieder an den Verhandlungstisch gesetzt haben, um einen Frieden auszuhandeln. Es wird sogar schon von einem Durchbruch bei den Verhandlungen gesprochen.

3. und 4. Zeile: Doch eine Einigung scheint nicht zustande zu kommen. Dies deshalb, weil sich die aufständischen Teilfürsten nicht ihren Monarchen unterwerfen wollen. Möglicherweise verlangen die Herrscher, daß sich die Aufständischen unterwürfiger zeigen sollen als die Teilfürsten, die nicht rebelliert haben.

 
Die ersten beiden Zeilen könnten eine Verbindung zu +8/4 sein.

+8/3

Las quelle fureur helas quelle pitié,
Ach, welches Rasen! Ach, welches Unglück
Il y aura entre beaucop de gens:
wird es unter vielen Menschen geben!
On ne vit onc une telle amitié1),
Man sah nie ein derartiges Bündnis1),
Qu’auront les loups à courir diligens.
wie [es] die Wölfe bilden, [die] emsig am Rennen [sind].

1) "Amitié" (Freundschaft) bedeutet im Mittelfranzösischen u.a. auch "Bündnis".


Kommentar


Ich vermute, dieser Vers gehört zur biblischen Apokalypse.

1. und 2. Zeile: Das könnten die Leiden sein, die dem Tausendjährigen Reich Christi, während der Herrschaft der apokalyptischen Tiere, vorausgehen. Das "Rasen" würde dann wohl das ungebremste Wüten der satanischen Kräfte meinen.

3. und 4. Zeile: Die "Wölfe" tauchen bereits in 10/98 auf, wo sie zusammen mit Unzüchtigen und Händlern das erste Tier bestaunen und das zweite (d.h. Satan) anbeten. Diese "Wölfe" scheinen hier ein Bündnis zu bilden, wie es die Welt noch nie zuvor gesehen hat. Und sie dürften in ihren unheiligen Bestrebungen sehr aktiv sein ("emsiges Rennen"). Mit den "Wölfen" könnte Nostradamus unzüchtige Menschen (Männer) meinen, denn das lat. "lupus" ist die männliche Form von "lupa", was einerseits "Wölfin", andererseits aber auch "öffentliche Dirne" bedeutet.

+8/4

Beaucoup de gens voudront perlementer,
Viele Leute werden verhandeln wollen
Aux grands seigneurs qui leur feront la guerre:
mit den großen Herren, die sie bekriegen werden.
On ne voudra en rien les escouter,
Man wird sie diesbezüglich in nichts anhören wollen.
Helas! si Dieu n’enuoye paix en terre.
Ach, wenn Gott nicht Frieden auf die Erde schickt!


Kommentar


1. und 2. Zeile
: Diese "großen Herren" können, müssen aber nicht etwas mit den "Herren" aus +8/2 zu tun haben. Hier scheinen diese jedenfalls einen Krieg vorzubereiten. Die Bedrohten wollen ihn durch Verhandlungen abwenden.

3. und 4. Zeile: Doch die "großen Herren" lassen nicht mit sich reden. Sie wollen den Krieg, den jetzt außer Gott niemand mehr abwenden kann.

 
Ein eher allgemeiner Vierzeiler, der zu +8/2 gehören könnte.

 +8/5

Plusieurs secours viendront de tous costez,
Vielfache Hilfen werden von allen Seiten kommen,
De gens loingtains qui voudront resister:
[auch] von weit entfernten Leuten, die widerstehen werden wollen.
Ils seront tout à coup bien hastez,
Sie werden plötzlich sehr bedrängt sein,
Mais ne pourront pour ceste heure assister.
aber [sie] werden nicht in dieser Stunde helfen können.


Kommentar


Wieder ein sehr allgemeiner Vers. Eine Gruppe von Leuten, wahrscheinlich ein Volk, erhält von überall her Hilfe, vielleicht im Kampf gegen eine fremde Macht. Unterstützung kommt sogar von weit entfernten Leuten, die scheinbar ebenfalls zu kämpfen haben. Doch das oben erwähnte Volk gerät arg in Bedrängnis. Die Helfenden oder Hilfen, die in der ersten Zeile erwähnt werden, können diese Nation aber gerade in der schwersten Stunde nicht mehr unterstützen.

Ohne Begleitverse muß man diesen Vierzeiler so stehen lassen.

 +8/6

Las quel desir ont Princes estragers,
Ach, welches Verlagen haben fremde Fürsten!
Garde toy bien qu’en ton pays ne vienne:
Hüte dich wohl, daß [man] nicht in dein Land kommt.
Il y auroit de terribles dangers
Es würde dort schreckliche Gefahren geben
Et en maintes contrées, mesme en la Vienne1).
und [zwar] in vielen Gebieten, sogar in Vienne1).

1) Hier ist wahrscheinlich das französische Vienne an der Rhone gemeint (südlich von Lyon). Da aber "la Vienne" steht, könnte damit auch die Viennensis gemeint sein, der südgallische Verwaltungsbezirk im Römischen Reich des Diocletian (ab 297 n.Chr.), der ganz Süd- und große Teile Westfrankreichs umfaßte. Ich bezweifle jedenfalls, daß hier von Wien die Rede ist.


Kommentar


1. Zeile
: Da Nostradamus hier einfach von "fremden Fürsten" spricht, vermute ich stark, daß sich der vorliegende Vers an Frankreich, bzw. an einen französischen Herrscher wendet. Frankreich war schon immer den Begierden fremder Mächte ausgesetzt, so wie hier auch.

2. Zeile: Ein französischer Herrscher wird vor einer Invasion gewarnt. Er soll geeignete Gegenmaßnahmen treffen, um dem vorbeugen zu können.

3. und 4. Zeile: Nostradamus beschreibt, was bei einer nicht verhinderten Invasion zu erwarten ist. Das ganze Land würde schrecklichen Gefahren ausgesetzt werden, sogar das südliche Frankreich. Das könnte darauf schließen lassen, daß die Bedrohung aus eher nördlichen Richtungen kommt. Und da Nostradamus genau weiß, was bei einer erfolgreichen Invasion droht, müßte das heißen, daß seine Warnung vergeblich war.

 
Ohne Begleitverse kann dieser Vierzeiler nicht weiter eingeordnet werden.

 

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