Lebenslauf Trudy
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Lebenslauf von Trudy Zahner-Jörg (Version Markus Gilli) |
Einleitung Trudy hat, wie sie alles organisiert hat, auch für sich einen Lebenslauf (in ihrem charakteristischen Stil und mit ihrer Ausdruckskraft) verfasst, in dem sie die ihr wichtigen Daten und Ereignisse festhielt. Leider konnte die Trauerfamilie diesen nicht finden, er fehlte bei den vorbereiteten Unterlagen. Vielleicht hat sie ihn entsorgt, nachdem sie im November 2003 mit ihrer neuen Brust aus dem Spital kam und nun für Sie alles in Ordnung schien. Die Angehörigen haben jedoch alle Daten und Ereignisse zusammen getragen – so wie es im Sinne von Trudy gewesen wäre ; so wie sie die Stationen ihres Lebens empfunden hat. Trudy Zahner hat mich gebeten diesen Lebenslauf vorzutragen – dies hat mich tief gerührt. Kindheit, Schule, Ausbildung Trudy hat am 16. April 1946 in Chur die Welt in Besitz genommen, als älteste Tochter von Dölf und Lilly Jörg-Wildhaber. Sie wuchs in Herzen von Domat/Ems auf und pflegte mit ihrer Neugierde regen Kontakt zu allen Altersschichten im Dorf. Dabei lernte sie überlieferte Hausrezepte, Geschichten und Regeln, die in der heutigen Realistik und technisierten Welt verloren gegangen sind, welche sie aber rege an die Kinder und Enkelkinder weitergegeben hat. Die Sommerferien verbrachte sie als willkommene Arbeitskraft auf dem Brodcham, welches von Verwandten ihrer Familie als Bergrestaurant geführt wurde. In der Schule konnte sie locker mit den Lehrern mithalten. Die schlechtesten Noten erzielte sie in der Sparte "Betragen", d.h. still sitzen und nicht schwatzen. Als sie 10 Jahre alt war, wurde ihre Schwester Marlise geboren, welche sie anfänglich als Nervensäge unerträglich empfand. Erst später entwickelten sie ein inniges Verhältnis und so konnte sie Marlises frühen Tod im Januar 2003 nicht begreifen – ein äusserst schwerer Schlag für sie – den Familienmenschen mit einer engen und herzlichen Beziehung zu ihren Lieben. Als Trudy die Primarschule hinter sich hatte, wollte sie unbedingt Lehrerin werden. Die finanziellen Mittel und die Abneigung ihres Vaters gegenüber gebildeten Töchtern verhinderte dies aber. Mit der Unterstützung ihrer Mutter und dank ihrer Mithilfe in der Schulküche konnte sie trotzdem am Constantineum das Handelsdiplom erwerben, wo sie Bewunderung und sehr grosse Achtung für die Benediktinerinnen entwickelte, die sie unterrichtet hatten. Zu diesem Zeitpunkt wollte sie sogar Nonne werden, hiervon rieten ihr aber die Nonnen ab. Man musste im Kloster so viel schweigen und so lange still sitzen ... Zur selben Zeit kehrte ihr Bruder Hans, der bei den Grosseltern seine Schulzeit absolvierte, zur Familie zurück. Danach entstand zwischen Trudy und ihm ein sehr enges Vertrauensverhältnis, welches über all die Jahre stark von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt wurde. Familie, Kinder, Enkel Trudy litt sehr unter der Trennung ihrer Eltern, als der Vater, den sie oft beim Fischen begleiten durfte, die Familie verliess. Sie erzählte mir oft und schmerzvoll von dieser Trennung. An die Stelle des Vaters trat ihr Bruder Hans. Auf seinen Rat, hat sie sich bis zur letzten Stunde verlassen. Hans hatte einen Freund, der im Nachbarhaus wohnte und mit dem er alle Arten von Lebensstil, Sport und Geselligkeit ausprobierte. Für diesen Jungen interessierte sich Trudy näher; am 25. November 1967 heiratete sie diesen; ihren Klaus. Markus : I han de erscht und de bescht gnah – meinte Sie herzlich lachend, wenn Sie über Ihren Klaus erzählte. Am Ostersamstag 1968 wurde ihre Tochter Astrid geboren. Nach einem kurzen Aufenthalt am Zürcher Albisriederplatz hat sich die Familie via Adliswil in Langnau am Albis eingenistet. 4 Jahre später wurde ihr Stolz, Sohn Roman, geboren. Trudy war ihren beiden Kindern und weiteren Pflegekindern immer ein Vorbild – sie vermittelte ihnen Ehrlichkeit, Offenheit und Optimismus. Sie hatte sich mit ihren Kindern voll ins soziale Leben der Gemeinde Langnau integriert. Ende September 1996 brach das Zeitalter der Grossmutter an, sie wurde Tatta von Noémi. 4 Jahre später folgten Felix und Basile. Sie hatte sich voller Elan der Aufgabe als Tatta gewidmet und hatte sich noch viele Ziele und Abenteuer mit ihren Enkeln gesteckt. Die Kinderliebe von Trudy war grenzenlos. Auf der Schreibmappe im Büro – auf ihrer Agenda unzählige Fotos von Noémi – täglich zeigte sie mir mit grossem Stolz die Bilder: Säg Markus – isch sie nid e Zwägi ? Wenn ein Mitarbeiter ihr sagte, dass er bald Vater werde, strahlte Trudy grenzenlos – schloss ihn tief in ihre Arme und adoptierte ihn sofort als potentiellen Schwiegersohn. Berufsleben Nach dem KV-Abschluss Anfangs 1964 konnte Trudy eine Stelle als Sekretariatshilfe beim Bündner Nationalrat und Anwalt Dr. Donat Cadruvi antreten. Dieser umtriebige Herr (Trudy würde sagen : Gott habe ihn selig) trimmte sie zu einer Spitzenkraft des Administrations- und Rechtswesens. Er förderte aber auch ihre menschliche Seite, indem sie voll in die Familie integriert wurde und bei den ersten Schritten des Nachwuchses des Chefs tatkräftig Unterstützung leistete. Ein grosser, nicht unbedingt begeisterter Wechsel war ihr Umzug nach Zürich, da Klaus beabsichtigte in Zürich zu studieren und zu arbeiten. Sie landete nach einem kurzen Intermezzo in einer Anwaltspraxis bei den Medien in der Anzeigenverwaltung. Dort wurde sie vom Medienvirus infiziert, von dem sie sich nicht mehr befreien konnte. Sie arbeitete in der Jean Frey AG für mehrere Zeitungen im Anzeigenbereich und als Sekretärin für Redaktionsleitungen wie Sport, Züri-Leu, Weltwoche und Blick. Trudy war ein Medienmensch durch und durch – sie liebte dieses Metier, weil sie die Menschen liebte. Mit funkelnden Augen erzählte sie mir von der Legende Werner Wollenberger – von den grossen Zeiten in mehreren Redaktionen. Bis zuletzt schickte mir Trudy Zeitungsausschnitte mit Vorschlägen für Sendungen . Während der Zeit, als die Kinder zur Schule gingen, engagierte sie sich für Kinder allein erziehender Eltern indem sie sie mittags verpflegte, schulisch betreute und sich für sie auch vor Schulbehörden einsetzte; dies wurde ihr Ersatz für die erträumte Grossfamilie. Zur gleichen Zeit stellte sie ihr Fachwissen und ihre Organisationsgabe teilzeitlich Kleinbetrieben zur Verfügung. Mit einem Scheidegger Schreibmaschinen Kurs unterrichtete sie an vielen Schulen in der Region Zürich/Zug und Sihlsee an Sekundar- und Mittelstufen. Dabei entdeckte sie ihre Fähigkeit mit Behinderten umzugehen; sie lehrte Blinde schreiben und Gehörlose lesen. Nebenbei formte sie ihre Kinder zu verantwortungsbewussten Teenagern. Sie war mit ihrem grossen sozialen Engagement – ihrem grossen, goldenen Herzen – immer Vorbild ! Sie pflegte die kranken und gebrechlichen Nachbarn völlig unentgeltlich mit Aufopferung und Nächstenliebe. Nachdem die Kinder eine gewisse Selbständigkeit erreicht hatten, interessierte sie sich für das soeben freigegebene Medium Privatradio. Als Einstieg konnte sie bei einem Zürcher Lokalradio als Telephonistin arbeiten. Schon bald war hier aber zu wenig Action und sie wechselte zur Konkurrenz, wo sie ihre Kenntnisse in Finanzbuchhaltung und ihre Organisationsgabe voll einsetzen konnte. Ihr Ordnungssinn war phänomenal. Sie bewahrte uns alles fein säuberlich
auf. Sie hasste das Chaos – die Unordnung ! Zornig sah ich Trudy nur ein Mal. Ihre Guetzlibüchse war legendär : Chömed abe – s’ hätt wieder Waffle ! Am Puls dieses wachsenden Mediums mitgestalten zu können, hatte sie gänzlich gefangen genommen, zumal nun auch noch Privatfernsehsender dazu kamen. Durch das boomende Medium kamen jedoch auch Profiteure und Falschspieler in den Betrieb, den sie als Personalverantwortliche betreute. Da sie in ihrer direkten aber auch höchst sensiblen Art diese Entwicklung nicht mittragen konnte, fühlte sie sich zunehmend alleine und schied nach 10 Jahren aus dem Betrieb aus. Sie sagte es sehr offen – sie wolle eben immer ein ehrenhafter Pirat bleiben… Sie schätzte es aber sehr, dass die Freundschaft und Bewunderung zu Roger Schawinski , zu Gabriella und Lea ungebrochen blieben. Sie jobbte anschliessend einige Jahre temporär bei mehreren Medien-Büros, wo sie realisieren musste, dass in dieser Branche enorm viel Rauch, aber wenig Feuer vorhanden war. Trudy vermisste Herzblut, Engagement – die Passion für den Beruf. Ab Februar 2000 war Trudy bei der auflagen"stärksten Zeitung der Schweiz" als Assistentin Leitung Anzeigenmarkt tätig, bis zu ihrem krankheitsbedingten Ausscheiden. Diese Form und die Umstände des Abgangs schmerzten sie tief. Freizeit Trudy’s Energie und Bewegungsdrang liessen sie schon früh einen für diese Zeit üblichen klassischen Tanzkurs besuchen. Mit diesem Rüstzeug versehen, war sie ein gern- und viel gesehener Gast in allen Tanzlokalen der Region. Später trommelte sie alle ihre Freundinnen zusammen, überzeugte und begeisterte sie zum Auftritt als Maskengruppen an Fasnachtsveranstaltungen. Der Keim dieses Virus liegt in Ems; es ist bei vielen Emsern zu beobachten und ist vererbbar. Ihr rhythmisches Talent und ihre Motivation brachte sie in den Turnvereinen der Gemeinde Langnau am Albis ein, wo sie sich mehrere Jahre für die Beweglichkeit der ganz jungen bis der ganz alten Mitgliedern kümmerte. Krankheit Im Februar 2002 wurde bei Trudy Brustkrebs diagnostiziert, welcher in den folgenden zwei Jahren erfolgreich behandelt wurde. Anfang dieses Jahres ist der Krebs erneut ausgebrochen und hat sich innert kürzester Zeit auf alle lebenswichtigen Organe ausgebreitet. Nach anfänglichen Erfolgen hat sich die Hoffnung auf Heilung zerschlagen. Unter der einfühlsamen und vorbildlichen Pflege der Mitarbeiterinnen der Privatklinik Bethanien und ihres Arztes konnte sie sich trotz des schnellen Verlaufes der Krankheit von vielen nahe stehenden Menschen verabschieden. Ein letztes SMS erreichte uns am Dienstag – wir begriffen sofort den
Ernst der Lage. Warum sich die Krankheit auf diese Art entwickelt hat, weiss eigentlich niemand. "Who cares?"; würde Sie sagen. Von uns ist ein Mensch viel zu früh gegangen, der uns mit der grossen Persönlichkeit, dem wunderbaren Bündner Humor, mit Offenheit, Feuer, ansteckender Begeisterungsfähigkeit , enormer Nächstenliebe und Wärme sehr fehlen wird. So, wie wir Trudy kennen, wird sie sich in Kürze ihrer neuen Umgebung angenommen haben. Ihr könnt also alle beruhigt sein. Bis Ihr in den Himmel kommt, wird dort alles besser organisiert sein. Dir Trudy sagen alle – besonders auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Belcom , von Radio 24 und TeleZüri – wir alle, die mit Dir eine Wegstrecke Deines Lebens gehen durften, ganz herzlich : Danke ( romanisch lesen ) !
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