Jom Ijun 2001
 

Inhalt:
 
 

1. Rückblick auf Jom Ijun vom Sonntag, 24. Juni 2001 in Basel - Richard Ernst
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2. Von Mensch zu Mensch. Elf Jahre jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe Basel
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3. Das Benschen
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4. Der Begriff «Lernen» im Talmud
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5. 0,3 Prozent im Spiegel der Schweizer Medien
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6. Von der Traube zum Wein
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7. Das Programm Jom Ijun 2001

 
 
 
 

 
 
 
 
Rückblick auf Jom Ijun vom Sonntag, 24. Juni 2001 in Basel

Eine Menschenschlange bildete sich vor der Anmeldung, als in den Räumlichkeiten der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) zum ersten mal in dieser Art ein Lerntag stattfand, der sich an der Lernwoche in Nottingham in England orientierte, bekannt unter dem Namen «Limmud», wo jeweils etwa Ende Dezember gegen 2000 Männer, Frauen und Kinder teilnehmen. Die Organisatorinnen, Valérie Rhein und Emily Silverman, erarbeiteten ein Programm, das sich sehen lassen konnte. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, insgesamt drei Schiurim/Sessions à 1,5 Stunden zu besuchen. Dabei konnten sie jeweils zwischen drei verschiedenen Themen wählen, so dass das Angebot also insgesamt neun Schiurim umfasste.
 

Die Themen: 
 
 
613 Gebote – Lust oder Frust. Einblicke in die Bedeutung der Mitzwot,
mit Eva Pruschy-Gregor, Zürich.
Von Mensch zu Mensch. Elf Jahre jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe Basel, 
mit Dr. Edward Badeen und Dr. Peter Dreyfus, Basel.
Das Benschen. Musikalische und textliche Vielfalt im Tischgebet, 
mit Marcel Lang, Basel.
Der Begriff «Lernen» im Talmud. Chawruta (Lernen in Zweiergruppen), 
mit Esther Kontarsky, Berlin.
Aaron – Annäherung an eine biblische Figur, 
mit Dr. Alfred Bodenheimer, Luzern.
0,3 Prozent im Spiegel der Schweizer Medien. Ein Blick auf jüdische Themen in der Schweizer Medienlandschaft, mit Pierre Weill, Basel.
Von der Traube zum Wein. Blicke in die Geschichte des Koscherweins,
mit Steffi Bollag, Basel.
Die Tora hat 70 Gesichter. Einführung in den Midrasch, 
mit Michael Bollag, Zürich.
  Mirjam – auf den Spuren einer Prophetin, 
mit Adina Ben-Chorin,  Zürich.

Ich selbst hatte also die «Qual der Wahl». Obwohl mein Sternzeichen Zwilling ist, musste ich mich doch entscheiden und besuchte die Schiurim mit den ReferentInnen Eva Pruschy, Pierre Weill und Michael Bollag. Alle Schiurim waren trotz des sehr schönen und warmen Wetters gut besucht. In den Pausen und beim reichhaltigen Mittagessen, das vom koscheren Restaurant «Topas» bereitgestellt wurde, entstanden interessante Gespräche mit allen Altersgruppen und religiösen Richtungen, was einer der wichtigsten «Begleiterscheinungen» war und ist.
Natürlich war es nicht immer leicht, allem und allen zu folgen, da die Konzentration nach einer bestimmten Zeit nachlässt, dennoch konnte ich Neues lernen und Bekanntes vertiefen. So bei dem Schiur von Michael Bollag und Pierre Weill, wo entweder der Referent einen recht lebhaften Vortrag gab oder die Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessiert und lebhaft mit dem Thema umgingen. Sicherlich gab es auch «Kinderkrankheiten», zum Beispiel das Fehlen deutscher Übersetzungen für englische Arbeitstexte, die jedoch, und das hoffe ich, beim nächsten «Schweizer Mini-Limmud» sicherlich der Vergangenheit angehören. So bleibt zu hoffen, dass in naher Zukunft eine solche Veranstaltung wiederholt werden kann und die Teilnehmerzahl, von dieses mal geschätzten 100, dann übertroffen wird.
Zum Ende meines Berichts kann ich sagen, ohne Lobhudelei, dass sich der Einsatz und die Teilnahme für die Organisatoren, Helfer und Besucher gelohnt hat. Danke.

Richard Ernst

Erschienen in den Gescher-Mitteilungen (Freiburg i. Br.), Herbst 2001
 
 

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Von Mensch zu Mensch

Elf Jahre jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe Basel

Dr. Edward Badeen und Dr. Peter Dreyfus

Seit 1990 treffen sich in der Region Basel lebende palästinensische und jüdische Frauen und Männer. Aus den Begegnungen von Fremden, aus Gesprächen und Diskussionen über Politik, Vorurteile und persönliche Ängste ist gegenseitiges Verständnis entstanden. Freundschaften haben sich gebildet. Edward Badeen und Peter Dreyfus berichten über ihre Erfahrungen, ihre Ziele und Aktivitäten und laden ein zur Diskussion.

Protokoll

Peter Dreyfus kennt Jehad Mazarwe seit 1989 und ist seither mit ihm befreundet. In Israel hat er Friedensprojekte wie zum Beispiel Neve Shalom kennengelernt und sich jahrelang aktiv dafür engagiert. Von Peter Liatowitsch wurde er schliesslich auf das Thema «Friedensarbeit» aufmerksam gemacht, worauf ein erstes Treffen mit Jehad Mazarwe stattfand. Die Gruppe hat sich rasch gebildet. Seit 1990 treffen sich die zwölf Mitglieder drei bis viermal im Jahr. Am Anfang stand das Kennenlernen im Vordergrund. Es folgten zum Teil sehr schwierige Diskussionen, und es gab auch schwierige Zeiten, zum Beispiel während des Golfkrieges. Trotzdem wurden die Diskussionen fortgesetzt. Und schliesslich hat sich die Gruppe entschlossen, an die Öffentlichkeit zu treten. 
Peter Dreyfus‘ Motivation, sich in der jüdisch-palästinensischen Gesprächsgruppe zu beteiligen, war seine Liebe zu Israel und das Bedürfnis, die Leute in diesem Land zu unterstützen, zum Beispiel in Bezug auf den Umgang mit Minoritäten. Das Überleben des Staates Israel ist ihm sehr wichtig. Die jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe gibt ihm die Möglichkeit, aktiv zu sein. Voraussetzungen für das Gelingen der Treffen sind Offenheit, Respekt, das Ernst nehmen der Anderen sowie eine Identifikation mit dem Gegenüber.
Als Edward Badeen gefragt wurde, ob er an der jüdisch-palästinensischen Gesprächsgruppe teilnehmen würde, hat er sofort zugesagt. Seine Frau ebenfalls. Seiner Meinung nach ist die Gruppe erst dann so richtig entstanden, als die Lage im Nahen Osten ziemlich aussichtslos zu sein schien, also vor Madrid und Oslo. Welchen Sinn – so fragten sie sich damals – hat es denn, da mit zu machen. Die Politiker und das Militär würden entscheiden. Doch gerade in dieser Situation erwies sich diese Gruppe als Lichtpunkt im langen, dunklen Tunnel. Und dieses kleine Licht darf nicht erlöschen, im Gegenteil, es muss grösser werden. 
Edward Badeen hat an der Hebräischen Universität einen Zweijahreskurs in israelischer Geschichte belegt. Dabei hat er Verständnis gewonnen dafür, was auf der «anderen» Seite stattfindet. Anhand eines Beispiels illustrierte er, wie der Hass gezielt geschürt werden kann. 1961 haben israelische Zeitungen unter dem Titel «Paraschat Navon» einen Skandal aufgedeckt. In den fünziger Jahren hat der damalige Ministerpräsident David Ben Gurion israelische Soldaten angewiesen, sich als Araber zu verkleiden, um einen Bus bei Beerscheva anzugreifen. Dabei sind 17 Kinder ums Leben gekommen. Ebenfalls in den fünfziger Jahren hat Ben Gurion ohne das Wissen des zuständigen Itzhak Navon Leute vom Geheimdienst nach Bagdad geschickt, um dort einen Anschlag auf die Synagoge zu verüben. Ziel war es, den dortigen Juden Angst einzuflössen, damit sie nach Israel auswanderten. Auch das müsse man, so Edward Badeen, wissen. Es macht Mut, wenn man Gleichgesinnte findet, mit welchen man aktiv für den Frieden arbeiten kann. Die Diskussionen während der Erarbeitung der elf Punkte umfassenden Deklaration aus dem Jahre 1997 haben auch zu Spannungen geführt, doch die kulinarische Seite der Treffen hat sicher zum Abbau dieser Spannungen beigetragen.
Peter Dreyfus forderte das Publikum auf, die Deklaration der jüdisch-palästinensischen Gesprächsgruppe zu lesen und anschliessend Fragen zu stellen. Die Erstellung der Deklaration dauerte ca. ein Jahr. Sie kann auf dem Internet unter der Adresse http://www.isra-pal-peace.ch gelesen und unterschrieben werden. Die Gesprächsgruppe hat vorwiegen positive Reaktionen darauf erhalten. Es gibt bis heute Interessenten dafür. Zudem wurden durch sie Kontakte zu anderen ähnlichen Formationen in der Welt möglich. Insgesamt existieren über 100 ähnliche Gruppierungen. In Israel sind die Friedensaktivisten sehr froh um jegliche Solidarität und Unterstützung aus der Diaspora.
Publikum:  Wie haben in Israel lebende Verwandte der Referenten ihre Aktivitäten aufgenommen?
Edward Badeen:  Bei einigen erlebte er Angriffe und Ablehnung, bei den vernüftigeren eine abwartende Haltung.
Peter Dreyfus: Die Tatsache an sich, dass er an solchen Diskussionen teilnimmt, hat niemand in Frage gestellt. Doch der Inhalt wurde kritisiert. Heute sieht die Situation etwas anders aus, da man Dank Internet zu ähnlichen Informationen gelangen kann. Er sieht jedoch einen Unterschied zwischen sich selbst und den Israelis, die den Krieg miterlebt haben.
Publikum: Es fehlt in der Deklaration ein Aspekt, nämlich die Aufforderung, die Hetze auf beiden Seiten abzusetzen. Dies bildet unter anderem einen Nährboden für Attentate.
Peter Dreyfus: Der vierte Punkt der Deklaration (vollständige Gleichberechtigung) versucht, diesem Umstand gerecht zu werden. Übrigens setzt sich zum Beispiel die Palästinenserin Sumaya Farhat-Naser sehr für eine friedliche Lösung ein, ist nun aber selber in Gefahr. Diese Frau erbringt eine grosse Leistung.
Edward Badeen: Als Islamist erkläre er, dass der wahre Islam sich für einen friedlichen Dialog ausspricht. Man darf weder verallgemeinern noch darf man fragen, wer den ersten Stein geworfen hat.
Publikum: Der elfte Punkt der Deklaration (kultureller und wirtschaftlicher Austausch) sollte nicht nur eine Anregung sein, sondern tatsächlich umgesetzt werden. Gibt es diesbezüglich konkrete und materielle Unterstützung?
Edward Badeen weiss, wie wichtig dies ist und wie sehr Attentate den Frieden zerstören. Und obwohl momentan Kontakte zwischen den beiden Völkern verboten sind, werden sie, unter sehr schwierigen Umständen, zum Teil fortgeführt. Mutige Leute machen einfach weiter.
Peter Dreyfus: Institutionen wie Neve Shalom/Wahat al-Salam und Givat Haviva initiieren hunderte von Begegnungsprojekten. Auch diese sind auf jegliche Art von Unterstützung angewiesen.
Publikum: Im Buch «Thymian und Steine» verurteilt Sumaya Farhat-Naser einseitig nur die israelische Seite.
Edward Badeen: Das ist ja eigentlich logisch, da sie nur ihre Seite vertreten kann.
Publikum: Politiker haben viel Macht. Was würde passieren, wenn Yassir Arafat nicht mehr da wäre? Welchen Ersatz gäbe es?
Edward Badeen hat sich vor über zehn Jahren schon eine andere Figur gewünscht als Arafat. Doch war eben nur er fähig, die wichtige Unterschrift zu leisten. Vor 1967 war Arafat nicht populär. Danach aber hat er als Kämpfer der kleinen Leute an Achtung gewonnen. Es war damals psychologisch sehr wichtig, dass gekämpft und nicht hilflos alles erduldet wurde. Hanan Ashrawi fände er allerdings die geeignetere Person, da sie nicht korrupt und zudem eine phantastische Persönlichkeit ist.
Publikum: In diesem Konflikt muss auch die Frage der Religion ausgeleuchtet werden, das fehlt in der Deklaration. Auch der Einfluss der Religion auf die Politik, auf das Volk etc. Nur so lässt sich wirklich eine friedliche Lösung finden. Zudem besteht ein Unterschied zwischen religiösen und territorialen Ansprüchen.
Edward Badeen hat versucht, die Religion zu ignorieren, weil diese zu keiner Lösung führt. Zwei Jahre hat man in der Knesset darüber debattiert, wer Jude ist und wer nicht. Er betrachtet die Religion als eine Privatangelegenheit.
Publikum: Die Extremisten jedoch werden sich immer auf die Religion beziehen. Leider spielt sie doch eine grosse Rolle. Der Friedensprozess wird kein Ziel erreichen, bevor nicht eine Lösung für die Religion gefunden ist. Bei den Islamisten gewinnt man den Eindruck, dass diese alles mit Gewalt lösen wollen.
Edward Badeen: Was sich in der Religion abspielt, findet sich parallel natürlich auch in der Politik. Religionen sind, wie die Geschichte zeigt, schon immer für bestimmte Zwecke missbraucht worden.
Peter Dreyfus wird sich überlegen, diesen Punkt in der jüdisch-palästinensischen Grsprächsgruppe zu thematisieren.
Publikum: Die israelischen Fundamentalisten sind ebenso gewalttätig wie die Islamisten. Mit der Deklaration ist sie einverstanden, mit Ausnahme des neunten Punktes (Jerusalem als ungeteilte Stadt und Hauptstadt zweiter souveräner Staaten). Dieser ist ihrer Meinung nach nicht realistisch. Sie kann sich nicht eine gemeinsame Hauptstadt für die beiden Völker vorstellen. Für Muslime ist Jerusalem der drittheiligste Ort, für Juden aber der Heiligste, das Zentrum des Judentums. Ist es denn für Muslime wirklich so wichtig, Jerusalem als Hautstadt zu haben?
Edward Badeen: Wichtig ist, was die Resolution verlangt. Besetzt ist besetzt. Die religiösen Ansprüche interessieren ihn nicht. Es wäre dasselbe, was die Kreuzfahrer früher schon gemacht haben. Das hat nichts mit Souveränität zu tun. Wenn sich der vierte Punkt der Deklaration (vollständige Gleichberechtigung) verwirklichen liesse, wäre damit auch das Problem von Jerusalem gelöst.
Peter Dreyfus: Es handelt sich hier nicht einfach um schöne Ziele, sondern es braucht sehr viel Einsatz. Alle können dazu beitragen, indem sie selbst einem kleinen Ort etwas unternehmen.

Protokoll: Berta Rasumowsky

Homepage der jüdisch-palästinensischen Gesprächsgruppe: http://www.isra-pal-peace.ch
 
 

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Das Benschen.

Musikalische und textliche Vielfalt im Tischgebet 

Marcel Lang

Wir kennen drei verschiedene Arten von Brachot/Segenssprüchen (Matbea Kazar, Matbea Aroch und Bracha Hasmucha Lachawerta). Im Benschen, dem Tischgebet, sind alle drei Bracha-Formen enthalten. Vielfältig ist das Benschen auch in bezug auf seine Melodien. Wir lernen verschiedene inhaltliche und musikalische Varianten des Tischgebetes kennen und vergleichen sie miteinander.

Protokoll

Birkat Hamason, das Tischgebet, ist zusammengesetzt aus verschiedenen Brachot (Segnungen), die gesungen und gebetet werden, nachdem die Mahlzeit beendet wurde. Das unterscheidet das Gebet von anderen, deren Brachot gesagt werden, bevor etwas getan wird. Zum Beispiel Schewa Brachot, die Segenssprüche zur Hochzeit, der Segensspruch des Händewaschens, der unter anderem vor dem Abtrocknen der Hände und vor dem Segen über das Brot gesagt wird.
Der Zusammenhang von Segen auch vor dem Essen wird hergeleitet aus einem einzigen Vers in der Bibel: Schemuel 1, 9-13 «(...) denn das Volk isst nicht, bis er gekommen, denn er segnet das Opfermahl ein, nachher essen die Geladenen.»
Brachot werden formal eingeteilt in drei Versionen:
- Matbea Kazar, die kurze Bracha, bei der das «Baruch ata Haschem» am Anfang der Bracha steht, wie die Brachot für die Genussmittel.
- Matbea Aroch, die lange Bracha, an deren Anfang und Ende das «Baruch ata Haschem» steht. Zum Beispiel die Bracha nach «Barchu» oder die erste Bracha der Amida.
- Hasmucha Lachawerta, die Anschluss-Bracha, zum Beispiel in der «Amida», dem 18- bzw. 19-Bitten-Gebet wird die erste Bracha  mit dem «Baruch ata Haschem» begonnen und die folgenden Bitten schliessen ohne das «Baruch ata» an.

Im Tischgebet sind alle drei Varianten vertreten (S. 127ff.*):
Es beginnt mit Birkat Hazan, der ersten Bracha, die eine lange Bracha ist, denn an ihrem Anfang und Ende steht das «Baruch ata Haschem».
Die zweite Bracha, Birkat HaArez, ist eine Anschluss-Bracha,  denn sie beginnt mit «Wir danken dir.»
Ebenso die dritte Bracha, Birkat Jeruschalajim, die «Erbarme Dich» beginnt. Sie schliesst mit «Baruch ata Haschem» und einer Besonderheit: Amen.
Die vierte Bracha Birkat Hatow weHametiw  ist kurz, sie beginnt mit «Baruch ata Haschem» und hat eine Verlängerung Bakaschot Nossafot.
Das Tischgebet wird von Frauen und Männern gebetet, nach talmudischer Diskussion, nach dem Genuss von:
· einer der sieben Arten (Rabbi Gamliel; Quelle: 5. B.M., 8. 8–10)
· Brot (Chachamim)
· Weizen, Gerste, Dinkel/Buchweizen, Hafer, Roggen
· Kol ma schehu ochel (Rabbi Akiwa); nach jedem Essen.
Am Anfang des Essen steht nach der Tradition die Bracha über das Brot.
Das Tischgebet in der Form, wie wir es heute kennen, geht in den ersten drei Brachot vermutlich auf die Zeit Ezras zurück zum Inhalt, also nach der Rückkehr eines Teils des jüdischen Volkes aus dem babylonischen Exil. Sie beziehen sich auf die Torah.
Birkat Hazan, die erste Bracha stellt den Bezug her zu Mosche Rabbenu und das Man des Himmels = die Speise. Das Lob Gottes richtet sich auf seine Eigenschaften: Güte, Gnade, Liebe und Erbarmen. Der Dank gilt dem Gegenwärtigen und die Bitte der Zukunft.
Birkat HaArez, die zweite Bracha bezieht sich auf Jehoschua, der das Volk in das versprochene Land führt. Hier steht der Dank für das Land, ( Erde, aus der die Speise kommt), den Bund, die Torah und die Befreiung im Mittelpunkt. Als  biblische Quellen sind 1. B.M., 17, 8., 5. B.M., 8,1 sowie Psalmen 105, 45 und 46 in das Gebet eingeflossen. In den Formen: Nodeh lecha und anachnu modim lach (für die weibliche grammatikalische Form gibt es mehrere Gründe ) drückt sich der Dank aus, ebenso im Al Hanissim, in den Einschüben für Chanukka und Purim .
Birkat Jeruschalajim, die dritte Bracha bezieht sich auf die Könige David und Schlomo, auf die Stadt und den Tempel. Biblische Quelle: Hosea 3,5.
Birkat Hatow weHametiw, die vierte Bracha, nimmt auch inhaltlich eine Sonderstellung ein. Sie stellt den Bezug zu den Rabbinen von Jawne her und zu dem historischen Ereignis des Bar Kochba-Aufstandes ( 135 vZ).
Die zusätzlichen Gebetsteile können als persönliche Bitten und Dank angesehen werden.
Modifizierungen dieses Gebetsteiles sind in topographischen, historischen und homiletischen Zusammenhängen erfolgt.
Die Bitte am Schluss der Bracha um die Sendung des Maschiach bezieht sich auf Psalmen 132,15 und 17.
Im Laufe der Jahrhunderte, unter den verschiedenen Lebensbedingungen, in denen sich die Tradition veränderte, hat sich auch das Benschen verändert – insbesondere sind Verkürzungen bis hin zu Kürzestformen entstanden, mit dem Ziel, das Gebot des Tischgebetes im Alltag zu befolgen.
Die gesungene Form ist besonders vom deutschen Judentum gepflegt worden.
Protokoll: Sabine Pistor

* Literatur: Semirot Michal, Morascha Verlag, Basel/Zürich 1993, S. 123 ff.
 
 

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Der Begriff «Lernen» im Talmud

Chawruta (Lernen in Zweiergruppen)

Esther Kontarsky

Chawruta ist das klassische Studium jüdischer Quellentexte aus Tenach (Bibel), Talmud und weiteren Schriften in Zweiergruppen. Thema des Chawruta-Lernens von Jom Ijun ist der Begriff «Lernen» im Talmud. Gemeinsam mit einem Lernpartner oder einer Lernpartnerin werden Quellentexte (mit deutscher Übersetzung) gelesen und diskutiert. Esther Kontarsky vermittelt eine kurze Einführung in die Technik der Chawruta und beantwortet Fragen zum Thema oder zur Lernmethode.

Protokoll 

Die Bedeutung von Chawruta: Gemeinsames Lernen und Studieren von Quellen unter Freunden; alle an einer Chawruta Beteiligten sind gleichwertig.

Methode:
1. Text auf Deutsch und Hebräisch laut vorlesen. Verständnisfragen zum Text (nicht zum Thema) sofort besprechen.
2. Gruppen von zwei bis maximal drei Leuten formieren.
3. In der Kleingruppe ca. 30 Minuten über den Text diskutieren. Laut und assoziativ Gedanken mitteilen, Fragen aufwerfen. 
4. In der grossen Gruppe teilen die einzelnen «Paare» mit, was ihnen am Text aufgefallen ist und was sie speziell beschäftigt hat. 

Ansatzpunkte zur Textanalyse:
· Was will der Text dieser Chawrute zum Thema Lernen sagen?
· Welches sind die verschiedenen Vorgehensweisen von Hillel und Sammaj in Bezug auf das Lernen mit Nichtjuden?

Aufgeworfene Aspekte und Fragen in der Diskussion:
· Wie muss der Lehrer seine Pflichten gegenüber seinen Schülern wahrnehmen? Welche Verantwortung trägt der Schüler?
· Sammaj wählt die radikale Methode und weist keinen Erfolg auf. Hillel geht subtiler vor; wesentlich ist für ihn der Erfolg.
· Hillel hat Vertrauen in den Menschen; Sammaj nicht.
· Hillel ist bereit zu geben. Er weiss, dass er nur etwas verändern kann, wenn er selbst zu geben bereit ist.
· Gibt Hillel billige Antworten? Haben diese keinen Wert?
· Was ist die Funktion des Lernens?

Protokoll: Nora Refaeil
 
 

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0,3 Prozent im Spiegel der Schweizer Medien

Ein Blick auf jüdische Themen in der Schweizer Medienlandschaft

Pierre Weill

Die in der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden sind eine verschwindend kleine Minderheit: Bei einer Bevölkerung von sieben Millionen sind 18'000 Personen jüdisch. Berichten die Medien tatsächlich überproportional über jüdische Themen oder handelt es sich um das Phänomen der selektiven Wahrnehmung? Der Journalist Pierre Weill wirft einen kritischen Blick auf die Berichterstattung und auf die Reaktionen bei den Leserinnen und Lesern.
 

Protokoll

Nach einem kurzen Überblick, was an sogenannten jüdischen Themen in letzter Zeit in den Medien behandelt wurde, legte Pierre Weill den Workshop-Teilnehmern ein Thesenpapier vor, welches im Folgenden lebhaft diskutiert wurde.
Thesen:
1) Die Juden erscheinen überproportional in den Medien, weil sie überproportional viel Einfluss auf die Medien haben.
2) Die Juden erscheinen überproportional in den Medien, weil sie überproportional viel Einfluss auf die Schweiz haben.
3) Die Berichterstattung über die Juden ist von antisemitischen Vorurteilen geprägt.
4) Die Berichterstattung über den Nahost-Konflikt ist von unterschwelligen antisemitischen Vorurteilen geprägt.
5) Die Medienarbeit der jüdischen Organisationen in der Schweiz ist dilettantisch bis inexistent.
6) Welche Folgen sind zu ziehen?
Bemerkung eines Teilnehmenden
Theodor Herzl wollte das jüdische Problem in die Welt bringen, wollte, dass alle Völker seine Ideen unterstützen, und heute sieht man in der Schweiz, dass er Erfolg gehabt hat. Wenn man aus Israel in die Schweiz kommt, fühlt man sich bereits nach kurzer zeit als «Experte» für schweizerische Fragen, aber je länger man da ist, desto differenzierter geht man mit dem Problemkreis um. Man will sich integrieren, aber nicht auffallen.
Wenn man als Ausländer im Tram nach dem Weg fragt, ist jeder Schweizer gleich sehr hilfsbereit. Andererseits musste sich der Votant auch von seinem Nachbarn, einem Arzt, der ihn jahrelang kennt, anhören, «es sei doch bekannt, dass DIE Juden die Banken kontrollieren». Nie kann man 100prozentig sicher sein, ob eine geäusserte Kritik antisemitisch ist oder nicht. Israel ist jetzt der Goliath, ein Image, mit dem wir schlecht leben können. Wir wollen eigentlich noch David sein, klein sein, allerdings auch nicht zu klein. Man kann hingegen nicht alles vom jüdischen Standpunkt aus diskutieren. Das christliche theologische Gedankengut ist tief in der Kultur Europas verwurzelt, aber es soll den Schmerz der Juden anerkennen.
Pierre Weill zu dem genannten Vorurteil: Es gibt in der Schweiz 400 Banken, nur vier davon sind jüdisch.

These 1 und 2 

Darüber herrscht unter den Workshop-Teilnehmern allgemeiner Konsens, nämlich: Das ist «Blödsinn».
Pierre Weill: Gemäss Volkszählung sind in den Schweizer Medien 15‘000 Personen beschäftigt, davon 121 Juden. Laut Umfrage glauben 21% der Schweizer, dass zwischen 30‘000 und 80‘000, 15% sind gar der Meinung, dass über 200‘000 Juden in der Schweiz leben. In Wirklichkeit sind es nur 18‘000.
Es gab/gibt wenige Minderheiten in der Weltgeschichte, die sich einerseits integrieren, andererseits aber doch ihre Besonderheit behalten wollten. Häufig gestellte Fragen sind: Fühlst du dich mehr als Jude oder mehr als Schweizer? Der Ehrenpräsident der Israelitischen Cultusgemeinde, Sigi Feigel, sagte einmal: Die Schweiz ist unser Vaterland, Israel unser Mutterland.
Es herrschte Konsens darüber, dass das Fremdsein und Anderssein Angst macht.
Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie seit 25 Jahren einen Kampf gegen die Presse führe und meinte, dass die Berichte nicht immer antisemitisch, sondern häufig einfach nur dumm seien. Wir müssten lernen, weniger empfindlich zu sein. Es gehe bei den Juden ja um Volks- und um Religionszugehörigkeit. 
Zur besonderen Rolle de Juden: Bei ähnlichen Situationen bezüglich Fahrenden und Juden werden die Fahrenden weitestgehend ignoriert. Ein Teilnehmer macht darauf aufmerksam, dass es in der Schweiz auch 200‘000 Moslems gebe. Pierre Weill bestätigt: Juden sind Teil des Establishments, Fahrende und Moslems sind zum Teil Nicht-Schweizer, und sie haben keine Lobby.

These 3 und 4

Pierre Weill berichtet über zwei Artikel. Im einen Fall ging es um Raubgut aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und einer dazu stattfindenden Tagung, im anderen um Afrika und einen Bericht,dass eine ganze Generation von Menschen dort durch Kriege und Aids gestorben sei. Von dem Afrika-Thema spräche so gut wie keiner (fehlende Lobby), jedoch von jüdischen Themen überproportional viele. 
Zur Wortwahl und der Erwähnung des Adjektivs "jüdisch" in den Medien:
Ein Teilnehmer wirft die Frage auf, ob die Medien etwa berichten würden, dass ein Katholike in den Bundesrat käme? "DieJuden" in Israel möchten lieber "Israelis" genannt werden. Die Bezeichnung "der jüdische Staat" für Israel sei laut Pierre Weill jedoch O.K. Die Medien in USA hätten von J.F. Kennedy auch berichtet, er sei der erste katholische Präsident. Es sei eben im Allgemeinen so, dass das Ungewöhnliche hervorgehoben werde. "Hund beisst Mann" sei keine Nachricht, "Mann beisst Hund" würde man bringen, das sei aussergewöhnlich.
Welchen Eindruck man durch Medienberichte erhält, sei aber auch eine Frage der selektiven Wahrnehmung. Wir sind sehr betroffen und geradezu fixiert auf Berichte über Israel/Palästinenser/Intifada etc., aber Berichte über den Kosovo würden wir schnell wieder vergessen.
These 5
Pierre Weill: Die Palästinenser leisteten sehr gute Medienarbeit (gutes Auftreten, gute Rhethorik), Israelis träten weniger gut auf, quasi frei nach Golda Meir: "Wir wollen einfach ÜBERLEBEN".
Punkt 6 (Konsequenzen):

Vorschläge:

Die jüdischen Journalisten in der Schweiz sollten Aufklärungssymposien unter Kollegen machen und jüdische Gemeinden sollten Pressekonferenzen abhalten.

Wie sehen wir uns eigentlich selbst im Spiegel? Leben wir überhaupt noch in der Diaspora/im Exil? Sollte es ein Gremium geben, dass sich mit jüdischen Fragen auseinendersetzt? Der SIG? Sollte der SIG im Luzerner Medienzentrum (MAZ) obligatorische Journalistenseminare abhalten? Oder sollte mit der Aufklärung bereits in den Schulen während der obligatorischen Schulzeit begonnen werden?

Man sollte in Zukunft nicht so häufig vom Holocaust sprechen, sondern auch von anderen Themen.

Protokoll: Cornelia Haberlandt Krüger
 
 

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Von der Traube zum Wein

Blicke in die Geschichte des Koscherweins

Steffi Bollag

In vielen Ländern der Welt wird Koscherwein produziert, auch im benachbarten Elsass. Was ist Koscherwein und wie wird er hergestellt? Ausgehend von einer biblischen Quelle zum Thema vermittelt Steffi Bollag Einblicke in die Geschichte und Tradition der Koscherwein-Produktion.

Protokoll

Im Talmud werden drei Arten von Wein unterschieden:

1) Jajin Kascher, der koschere Wein 
2) Stam Jenam, der gewöhnliche, tägliche Wein
3) Jajin Nessach, der Opfer- oder Messwein.

Eigentlich unterscheiden sich Jajin Kascher und Stam Jenam weder in der Herstellungsart, dem Anbaugebiet noch in den Traubensorten. So wurde in Weingebieten wie dem Elsass der Wein bei einem Bauer im Fass gekauft. Man kannte den Weinbauer und wusste, woher die Trauben stammten und wie der Wein gekeltert wurde. Mit der einfachen Formel Wein = Kiddusch = Koscher, also Wein = Koscher, war die Verwendung im jüdischen Leben geregelt. 
Dies galt natürlich nicht für der Jajin Nessach. Jajin Nessach wurde extra als Opfer- oder Messwein hergestellt. Dieser Wein stammte und stammt noch heute aus klösterlichen Weingütern. Dieser Messwein, der sich in der Herstellung von den andern Weinen nicht unterscheidet, ist unkoscher wegen des Verwendungszweckes. Da im Christentum der Messwein mit Blut assoziiert wird, ist dieser Wein doppelt unkoscher und der Gebrauch im Judentum strengstens verboten.
Eine Legende, die besagt, dass Juden keinen Alkohol trinken, stimmt nicht. So wurde in Gegenden mit Weinbau immer, auch im gewöhnlichen Alltag, Wein getrunken. In Gegenden ohne Weinbau (Osteuropa) trank man eher «geistige» Getränke wie Wodka. Dort wurde der Kidduschwein eingeführt. Dieser Wein kam von weit her. Nur wenige sehr süssen Sorten waren transportfähig und über längere Zeit haltbar. Dieser Wein kam aus der Türkei oder aus Ungarn. Meistens wurde er aus Rosinen hergestellt, da diese süss und billig waren. Durch die osteuropäischen Einwanderer wurde diese Art von Tradition im 20. Jahrhundert bei uns eingeführt und bis in die siebziger Jahre gepflegt. Mit den modernen Transportmöglichkeiten haben wir heute sehr guten Wein aus kontrollierten Anbaugebieten aus Israel.
Wer darf wem Wein einschenken? Darf ein Jude mit einem Nichtjuden Wein trinken? Diese Fragen kannte man in den Weingegenden nicht, da der Wein zu Hause getrunken und vom Hausherr eingeschenkt wurde. Grundsätzlich galt, dass ein Jude den Wein öffnen und auch einem Nichtjuden einschenken durfte.
Eine andere Art von Koscherwein ist der Wein Jajin Mevuschal. Dies ist eine Abfüllmethode, die im babylonischen Talmud beschreiben und die wieder vermehrt in Israel praktiziert wird. Dabei wird der Wein rasch und ganz kurz soweit erhitzt, bis die Hand zuckt (ca. 82.4° C). Der Grundgedanke dieser Methode ist, dass der Wein stabil bleibt und sich nicht weiter verändern kann. Durch die Erhitzung werden auch alle schlechten, nicht koscheren Einflüsse beseitigt. Ein so gekelterter Wein ist dann in seiner Entwicklung abgeschlossen, er kann nicht weiter reifen, wie das bekannte grosse Weine in der Regel tun.
Steffi Bollag verwöhnte uns nach ihrem interessanten Vortrag mit einem Gläschen guten israelischen Koscherwein.

Protokoll: Yves Schneider
 
 

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Jom Ijun – Lerntag

Sonntag, 24. Juni 2001

in den Räumlichkeiten der Israelitischen Gemeinde Basel
Leimenstrasse 24, 4003 Basel

Eine Veranstaltung von IGB und Ofek

Programmübersicht (Schiurim/Sessions à 1,5 Stunden):

A: 10.30 bis 12.00 Uhr 
B: 13.15 bis 14.45 Uhr 
C: 15 bis 16.30 Uhr
 

  • 613 Gebote – Last oder Lust? Einblicke in die Bedeutung der MizwotEva Pruschy-Gregor 
  • Der Begriff «Lernen» im Talmud. Chawruta (Lernen in Zweiergruppen)Esther Kontarsky
  • Von der Traube zum Wein. Blicke in die Geschichte des Koscherweins. Steffi Bollag 
  • Von Mensch zu Mensch. Elf Jahre jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe Basel.Dr. Edward Badeen und Dr. Peter Dreyfus 
  • Aaron – Annäherungen an eine biblische FigurDr. Alfred Bodenheimer 
  • Die Tora hat 70 Gesichter. Einführung in den Midrasch Michel Bollag
  • Das Benschen. Musikalische und textliche Vielfalt im Tischgebet Marcel Lang 
  • 0,3 Prozent im Spiegel der Schweizer Presse. Ein Blick auf jüdische Themen in der Schweizer Medienlandschaft Pierre Weill 
  • Mirjam – auf den Spuren einer ProphetinAdina Ben-Chorin (Schiur in englischer Sprache)


A: 10.30 bis 12.00 Uhr

A-1
613 Gebote – Last oder Lust? Einblicke in die Bedeutung der Mizwot
Eva Pruschy-Gregor

Rabbi Chanina sagte: «Bedeutender ist der, dem etwas geboten ist und es tut, als der, dem es nicht geboten ist und es tut» (Kidd. 31b). Beschäftigen uns heute die gleichen Fragen zur Bedeutung der Mitzwot wie unsere rabbinischen Vorfahren? Anhand verschiedener rabbinischer und moderner Textquellen (Gemarah und jüdische Philosophen der Neuzeit) untersuchen wir Parallelen und Unterschiede und vergleichen sie mit unseren eigenen Ansprüchen.

A-2
Von Mensch zu Mensch. Elf Jahre jüdisch-palästinensische Gesprächsgruppe Basel
Dr. Edward Badeen und Dr. Peter Dreyfus

Seit 1990 treffen sich in der Region Basel lebende palästinensische und jüdische Frauen und Männer. Aus den Begegnungen von Fremden, aus Gesprächen und Diskussionen über Politik, Vorurteile und persönliche Ängste ist gegenseitiges Verständnis entstanden. Freundschaften haben sich gebildet. Edward Badeen und Peter Dreyfus berichten über ihre Erfahrungen, ihre Ziele und Aktivitäten und laden ein zur Diskussion.

A-3
Das Benschen. Musikalische und textliche Vielfalt im Tischgebet 
Marcel Lang

Wir kennen drei verschiedene Arten von Brachot/Segenssprüchen (Matbea Kazar, Matbea Aroch und Bracha Hasmucha Lachawerta). Im Benschen, dem Tischgebet, sind alle drei Bracha-Formen enthalten. Vielfältig ist das Benschen auch in bezug auf seine Melodien. Wir lernen verschiedene inhaltliche und musikalische Varianten des Tischgebetes kennen und vergleichen sie miteinander.

B: 13.15 bis 14.45 Uhr

B-1
Der Begriff «Lernen» im Talmud. Chawruta 
(Lernen in Zweiergruppen)
Esther Kontarsky

Chawruta ist das klassische Studium jüdischer Quellentexte aus Tenach (Bibel), Talmud und weiteren Schriften in Zweiergruppen. Thema des Chawruta-Lernens von Jom Ijun ist der Begriff «Lernen» im Talmud. Gemeinsam mit einem Lernpartner oder einer Lernpartnerin werden Quellentexte (mit deutscher Übersetzung) gelesen und diskutiert. Esther Kontarsky vermittelt eine kurze Einführung in die Technik der Chawruta und beantwortet Fragen zum Thema oder zur Lernmethode.

B-2
Aaron – Annäherungen an eine biblische Figur
Dr. Alfred Bodenheimer

Aaron, der erste Hohepriester Israels, steht oft im Schatten seines jüngeren Bruder Moses. An der entscheidenden Stelle, wo er in eigener Verantwortung handeln muss, versagt er: Er ist nicht imstande, die Herstellung des Goldenen Kalbes zu verhindern. Dennoch wird er und nicht Moses oder etwa Josua zum Hohenpriester bestimmt. Weshalb?
Durch die Untersuchung einzelner Textstellen wollen wir uns mit der biblischen und der rabbinischen Darstellung Aarons auseinandersetzen. Schließlich sollen auch noch moderne Darstellungen Aarons (bei Arnold Schönberg und Thomas Mann) in den Blick genommen werden. 

B-3
0,3 Prozent im Spiegel der Schweizer Medien. Ein Blick auf jüdische Themen in der Schweizer Medienlandschaft
Pierre Weill

Die in der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden sind eine verschwindend kleine Minderheit: Bei einer Bevölkerung von sieben Millionen sind 18'000 Personen jüdisch. Berichten die Medien tatsächlich überproportional über jüdische Themen oder handelt es sich um das Phänomen der selektiven Wahrnehmung? Der Journalist Pierre Weill wirft einen kritischen Blick auf die Berichterstattung und auf die Reaktionen bei den Leserinnen und Lesern.

C: 15 bis 16.30 Uhr

C-1
Von der Traube zum Wein. Blicke in die Geschichte des Koscherweins
Steffi Bollag

In vielen Ländern der Welt wird Koscherwein produziert, auch im benachbarten Elsass. Was ist Koscherwein und wie wird er hergestellt? Ausgehend von einer biblischen Quelle zum Thema vermittelt Steffi Bollag Einblicke in die Geschichte und Tradition der Koscherwein-Produktion.

C-2
Die Tora hat 70 Gesichter. Einführung in den Midrasch
Michel Bollag

Midraschim sind Teil der rabbinischen Literatur und beinhalten Interpretation und Auslegung biblischer Texte. Es gibt eine Fülle von Midraschim im Talmud und in späteren rabbinischen Schriften. Sie haben die Funktion, Unverständliches verständlich zu machen, Lücken zu füllen, biblischen Protagonisten eine Stimme zu verleihen. Anhand verschiedener Midraschim vermittelt Michel Bollag Einblicke in das Wesen des Midrasch.

C-3
Mirjam – auf den Spuren einer Prophetin
Adina Ben-Chorin

Mirjam begegnen wir in der Tora viermal. Dreimal spielt dabei das Element Wasser eine wichtige Rolle. Ähnlich wie bei den meisten bekannten biblischen Fauenfiguren ist der Toratext über die Prophetin Mirjam knapp und unvollständig, Teile ihres Lebens bleiben Fragmente. Unbestritten aber ist Mirjam eine starke Persönlichkeit mit einem festen Platz in der jüdischen Tradition. Wir lesen die vier Textstellen (mit englischer und deutscher Übersetzung) und diskutieren sie anhand von rabbinischen und zeitgenössischen Midraschim. Adina Ben-Chorin leitet diesen Schiur in englischer Sprache.

Die Leiterinnen und Leiter der Schiurim/Sessions

Dr. Edward Badeen wurde 1944 in Nazareth,  Palästina, geboren. Er studierte Arabische und Englische Literatur in Jerusalem, Islamwissenschaft, Englische Literaturwissenschaft, Psychologie und Semitische Philologie in Basel und unterrichtet an den Universitäten Basel und Zürich. Wissenschaftliche Veröffentlichungen in Islamwissenschaft und Mitwirkung an Übersetzungen aus der modernen Arabischen Literatur. Edward Badeen ist aktiv im Dialog zwischen Palästinensern und Juden.

Adina Ben-Chorin wurde in den USA geboren und lebt seit fünf Jahren in Zürich, wo ihr Mann Tovia Ben-Chorin als Rabbiner der Jüdischen Liberalen Gemeinde Or Chadasch tätig ist. Adina Ben-Chorin ist Stadtplanerin und Übersetzerin. Seit vielen Jahren unterrichtet sie und hält Vorträge. Ihre Lehrtätigkeit umfasst Fächer der Judaistik. Zu ihren Themenschwerpunkten gehören Bibelstudium sowie die Rolle der Frau im Judentum in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Dr. Alfred Bodenheimer ist Lehr- und Forschungsbeauftragter für Judaistik an der Universität
Luzern. Er hat an der Universität Basel, der Yeshiva University New York und der Yeshivat Hamivtar (Israel) studiert. Seine Hablilitation über die Authentizität der jüdischen Moderne zwischen Heinrich Heine und Philip Roth wird demnächst an der Universität Genf eingereicht. Alfred Bodenheimers Spezialgebiete sind moderne jüdische Literaturgeschichte, Bibelexegese und Rabbinertum im 20. Jahrhundert sowie jüdische Historiografie.

Michel Bollag ist Rabbinatsassistent der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) und leitet gemeinsam mit Dr. theol. Hanspeter Ernst das Zürcher Lehrhaus. Michel Bollag hat Pädagogik, Psychologie und Philosophie studiert und arbeitet seit den siebziger Jahren in der ICZ, anfänglich als Lehrer und später auch als Rektor der Religionsschule. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören jüdische Spiritualität und Gebetspraxis sowie jüdische Religionsphilosophie.

Steffi Bollag wurde in Basel geboren und ist Krankenschwester, Hebamme und Lehrerin für Krankenpflege. Seit vielen Jahren ist sie auch journalistlisch tätig. Zu den Themenschwerpunkten von Steffi Bollag gehört die koschere Küche in Theorie und Praxis.

Dr. Peter Dreyfus ist Psychoanalytiker und engagiert sich seit etwa 20 Jahren aktiv für die friedliche Koexistenz zwischen Juden und Palästinensern.

Esther Kontarsky ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie hat Musikwissenschaft, Romanistik und Judaistik studiert. Esther Kontarsky lebt in Berlin und ist dort als Übersetzerin und Mitarbeiterin in verschiedenen Projekten tätig.

Marcel Lang studierte Gesang bei Kurt Widmer und Hans Riediker an der Musikakademie Basel und dem angeschlossenen Opernstudio. In Zürich absolvierte er anschliessend ein Psychologiestudium. Während neun Jahren war Marcel Lang Oberkantor der Israelitischen Gemeinde Basel, seit 1991 ist er ständiger Gastkantor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Im Rahmen seiner Konzerttätigkeit tritt er als Interpret von synagogaler Musik und jiddischen Liedern sowie als Konzert- und Oratoriensänger auf.

Eva Pruschy-Gregor hat an der Universität Zürich Englisch und Geschichte und in den USA Judaistik studiert. Sie ist bei der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich angestellt und dort für das Pädagogische Zentrum und die Lehrmittelentwicklung zuständig. Daneben beschäftigt sie sich mit jüdischer Philosophie und mit der Stellung der Frau im Judentum. 

Pierre Weill ist Wirtschaftsredaktor bei der Basler Zeitung. Er blickt auf eine langjährige Erfahrung als Journalist bei zahlreichen Medien – Tagesschau DRS, Jüdische Rundschau, TagesAnzeiger (Korrespondent in Washington), Cash – zurück zum Inhalt. Er ist Autor von «Der Milliarden-Deal. Holocaust-Gelder – wie sich die Schweizer Banken frei kauften.»

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