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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Andere landwirtschaftliche Produkte

Die städtischen Märkte von Antananarivo sind zu jeder Jahreszeit voll von Gemüse und Früchten aller Art. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Produkte oft nur in geringem Umfang und sehr lokal angebaut werden - und in vielen Fällen ausschliesslich für den Markt. Im 'normalen' madagassischen Haushalt finden Gemüse und Früchte nur beschränkte Verwendung, ausser sie wachsen unmittelbar in der Umgebung und haben Eingang in die Nahrungsgewohnheiten der Bevölkerung gefunden. Gemüse und Früchte machen nur etwa 10% der Grundnahrung eines Madagassen aus.

Die Produktion von Feldfrüchten stösst auf etliche ungelöste Probleme: beschränkter Zugang zu Märkten infolge eines Inseldaseins in Enklaven und Mangel an Transportmöglichkeiten; Degradierung der Produktion mangels qualitativ hochstehendem Saatgut; geringe oder zumindest stark fluktuierende Preise. Dann auch die Risiken einer unergiebigen Ernte infolge von Buschfeuern, Erosion, Diebstahl. Dazu kommt in vielen Fällen ein Mangel an Ackerboden und Wasser.

Nebst Reis nimmt Maniok (mangahazo) als Substitutionsnahrung eine lebenswichtige Rolle ein und hat eine erhebliche Reservefunktion in Notzeiten, obwohl Maniok in der Wertschätzung und auf dem Speisezettel weit hinter dem Reis steht. (Keinem Fremden oder Gast würde man je Maniok anbieten, dies käme einer Beleidigung gleich. Auf der Speisekarte der Restaurants findet sich nie ein Gericht mit der Maniokknolle - ausser im 'madagassischen Buffet' des Hotels Hilton. Doch an jeder Strassenecke bieten kleine Essbuden (hotely) diese in grossen Wasserkesseln gekochten weisslich-gelben Knollen an, als Imbiss für die sozial Niederen.) Die Strafgefangenen in den Gefängnissen erhalten als einzige Nahrung - wenn überhaupt - drei Knollen trockenen Maniok pro Tag. Und doch ist diese Knollenfrucht für wesentliche Teile der Bevölkerung - insbesonders im Süden - das Grundnahrungsmittel schlechthin, auch wenn die Leute lieber Reis auf dem Teller hätten.

Der ursprünglich aus Amerika stammende und in verholzten Stengeln 2 bis 5 Meter hoch wachsende Maniok ist eine mehrjährige Pflanze, die nur eine geringe Pflege braucht. Ihre mehrere Kilo schweren länglichen Wurzelknollen weisen einen hohen Stärkegehalt auf und liefern zehnmal mehr Stärke als etwa Mais, sind aber eiweissarm. Die getrocknete Knolle kann über längere Zeit aufbewahrt werden oder gar über mehrere Jahre im Boden bleiben, ohne zu verderben. Maniok kennt keinen fixen Pflanzkalender und ist daher ideal als Reservenahrung rund ums Jahr.

Die jährliche Produktion von 2,2 Mio. Tonnen Maniok (1987) ist etwa gleich hoch wie jene des Reises, doch liegt der Ertrag dieser anspruchslosen Pflanze mit etwas über 6 t/ha massiv unter dem Weltdurchschnitt von 9 t/ha. Die Anbaufläche variiert erheblich von Jahr zu Jahr, 1990 waren 370’000 ha mit Maniok bestanden, die Pflanzungen finden sich fast generell auf minderwertigem, für den Reisanbau nicht geeignetem Ackerland. Früher wurde ein Teil der Ernte exportiert, heute wird er wieder vollständig im Land selber konsumiert, zudem hat Maniok seit 1975 wieder eine grössere Verbreitung gefunden. Der Rückzug in die Subsistenz und der damit einhergehende erhöhte Anbau des Maniok ist als Zeichen des bäuerlichen Notstandes zu werten und auch als Protest gegen die Reispolitik mit ihren niederen Preisen.

Nebst den Knollen können auch die länglichen lappenartigen Blätter gegessen werden, die in gekochtem Zustand eine Ähnlichkeit mit Spinat haben. Eines der madagassischen Nationalgerichte ist Rafitoto: gekochte und mit etwas Fleisch und Fett gemischte Maniokblätter, die als Beilage zu Reis gegessen werden. (Dieses Gericht hingegen findet sich häufig in Restaurants.) Ein Teil der Maniokernte wird getrocknet und dienst als Reserve oder wird als Tierfutter (tapioka) verwendet.

Der im 16. Jahrhundert von den Portugiesen aus Amerika eingeführte Mais (katsaka) hat mit einer Anbaufläche von 140’000 bis 160’000  ha eine grosse Verbreitung gefunden - vor allem im Westen. Pro Jahr werden rund 160’000 Tonnen geerntet, wobei der Ertrag bei 1 - 1,3 t/ha liegt. Mais ist abhängiger von Regen als Maniok und wird daher besonders im trockenen Süden zur Risikopflanze. 21’945 Tonnen Mais gingen 1990 in den Export.

Die 1 bis 3 kg schwere und sehr stärkehaltige Knolle der Süsskartoffel (Batate) bildet eine weitere wichtige Grundnahrung, vor allem für die Bevölkerung im Süden. Der Hektarertrag dieser fast überall in Madagaskar gepflanzten Knollenfrucht schwankt zwischen 8,5 - 14,5 Tonnen gegenüber dem Weltdurchschnitt von 16,8 t/ha. Die Ernte liegt bei 450’000 Tonnen (1985) bei einer Anbaufläche von 92’000 ha (1987). Die Blätter der Süsskartoffel werden ebenfalls gegessen.

Vor allem im Süden wird auch die bräunliche, aus Südostasien stammende Taroknolle angepflanzt. Taro, Maniok und Süsskartoffeln finden sich neben Bergreis auch auf den Brandrodungsfeldern (tavy) der Ostküste.

Zunehmend werden auch Kartoffeln angebaut, die von den europäischen Siedlern eingeführt wurden. Das Hauptanbaugebiet von 41’000 Hektaren (1987) liegt im Vakinankaratra mit seinen fruchtbaren Vulkanböden in der Region um Antsirabe. Dort widmet sich die von norwegischen Entwicklungsgeldern unterstützte Organisation FIFAMANOR der Verbreitung von Kartoffeln. Auch in Fianarantsoa und um Antananarivo hat der Anbau von Kartoffeln in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Bei einem Ertrag von 10,5 - 11,5 t/ha wurden 1985 264’000 Tonnen geerntet. Kartoffeln gelten in Madagaskar als Gemüse und werden in Restaurants - wenn überhaupt - parallel zu Reis serviert.

Sorghum-Hirse wächst während 110 bis 170 Tagen heran und wirft 1,35 bis 2,82 Tonnen pro Hektare ab. Rund 20 verschiedene Sorghum-Arten werden angepflanzt und um 6000 Tonnen werden pro Jahr geerntet, vor allem in den trockenen Sandgebieten des Südens.

Bohnen haben sich ebenfalls einen Platz auf dem Esstisch der Madagassen erobert. Der Anbau von 47’900 Hektaren (1987) brachte 39’500 Tonnen  bei einem Ertrag von 0,75 - 1 t/ha. Bohnen werden zumeist von kleinen Familienbetrieben auf geringer Fläche für den Eigenkonsum angebaut.

Die KOBAMA (Koba Malagasy) in Antsirabe lancierte ab 1983 mit der 'opération KOBAMA' den Anbau von Getreide in Gegensaison zum Reisanbau. Auch die von Norwegen unterstützte FIFAMANOR ist in der Propagierung von Getreide aktiv, denn der Fruchtwechsel ermöglicht den Bauern nicht nur ein Zusatzeinkommen, sondern wirkt auch einer Auslaugung des Bodens entgegen. 1985 wurde 500 Tonnen geerntet, 1990 warfen 4000 ha 10’000 Tonnen ab und benötigten den Einsatz von 15’000 Personen. Der Anbau hat zwar in Vakinankaratra (Antsirabe) und etwas reduziert in der Region um den Lac Itasy ein dynamisches Wachstum erfahren, doch sind die geernteten Mengen noch immer kaum von Bedeutung und deckten 1992 nur 17% des nationalen Bedarfs.

Der Anbau von Soja in der Region von Antsirabe hat trotz entsprechender Aktivitäten keine signifikante Bedeutung angenommen. Das Unternehmen TOSAKA hat die Sojaaktivitäten des sozialistischen Unternehmens MAMISOA übernommen. MAMISOA wurde zur Propagierung des Soja-Anbaus gegründet, mit Kapital und Terrain ausgerüstet und erhielt eine eigene Fabrikanlage in Antsirabe, obwohl sich diese auf eine Kapazität von 70’000 t/Jahr ausgelegte Ölfabrik nicht auf eine lokale Produktion von Soja stützen konnte - und auch nie funktionierte. (Die jährliche Bedarf an Öl betrug Mitte der 1980er Jahre 40’000 Tonnen, auf dem Markt gab es damals so gut wie kein Öl zu kaufen.) Einen etwa gleich misslichen Erfolg kannte das Unternehmen LALASOA in Ambatolampy, das Sojamilch herstellen wollte. Die mit belgischem Kapital 1984 gebaute Fabrik mit dem Planziel von 25 Mio Tonnen Sojamilch pro Jahr schraubte ihre Ziele und Aktivitäten inzwischen auf Null hinunter.

Die aus Südostasien stammenden Bananen wachsen fast überall auf der Insel, in jedem Hof stehen ein paar, mehrere Meter hohe Bananenstauden: Kochbananen (Mehlbananen) und Essbananen als Frischobst. Sie nehmen eine Gesamtfläche von fast 20’000 ha ein. Der Ertrag liegt bei 18,5 - 22 t/ha. 255’000  Tonnen wurden 1985 geerntet, die Hälfte davon in der Provinz Tamatave. Ein eigentliches Bananenland findet sich in der Region um Brickaville, wo auf 1300 ha 70% der Bananen der Provinz Tamatave wachsen. Es existiert mit um die 40 Tonnen so gut wie kein Export dieser Frucht, der grösste Teil der Ernte dient dem Eigenkonsum. Ein kleiner Teil wird zu Trockenbananen verarbeitet. In Madagaskar wird nicht - wie etwa in Ostafrika - aus Bananen Bier gebraut. Hingegen finden geräucherte oder in der Sonne getrocknete und in Bananenblätter verpackte Bananen (afintsa) grossen Absatz und werden überall im Land angeboten.

Der für Madagaskar charakteristische Baum des Reisenden (Ravenala) wird ebenfalls den Bananengewächsen zugeordnet, er liefert jedoch keine Bananen.

Gemüse (Tomaten, Karotten, Kohl, Zwiebeln) wird nur wenig angebaut und ist im Süden des Landes weitgehend unbekannt. An Gemüse wurden landesweit 1985 rund 100’000 Tonnen geerntet, was einer Tagesration von rund 20 Gramm pro Person entspricht. Mehrere madagassische Gemüse (Anamamy, Anamalaho, Anandrano), dem Spinat ähnlich, finden sich als Brède (kleine Gemüsebeilage) in madagassischen Gerichten. Doch nicht Gemüse sondern Fleisch mit Reis ist die ersehnte Mahlzeit eines jeden Madagassen, wie das Sprichwort sagt: Welche Menge Gemüse (Brède) auch mit dem Reis gekocht wird, es ersetzt das Fleisch nicht.

Einzelne Betriebe pflanzen auf halbindustrieller Basis in jüngster Zeit Spargeln und Cornichons an. Diese Erzeugnisse finden bei den ausländischen Konsumenten von Antananarivo Absatz, ein Teil wird auch zu Konserven verarbeitet.

1985 schätzte man die Produktion von Früchten aller Art auf 400’000 Tonnen, fast die Hälfte davon machen Mango aus. Eine ganze Palette der verschiedensten Tropenfrüchte (Mango, Orange, Mandarine, Ananas, Avocado, Papaya, Kaky, Tamarinde, Jackfruit und viele mehr) wachsen an der Ostküste und werden, verpackt in netzartig geflochtenen Körben (garaba), auf den Märkten des Hochplateaus angeboten. Doch der grösste Teil dieser Produkte wird nicht kommerzialisiert, die Früchte bereichern das tägliche Essen dort, wo sie wachsen. Die Männer der Ostküste sind meist mit ihrem Buschmesser (kopikopy) im Wald unterwegs und tragen heim, was sie an Essbarem finden.

Als Exportprodukt nach Europa haben Litschis in den letzten Jahren entscheidend an Bedeutung gewonnen. Die Litschibäume gedeihen auf 5700 ha an der Ostküste, wovon über die Hälfte in der Provinz Tamatave. Logistische Probleme stehen jedoch einer weiteren Ausbreitung dieses Exportschlagers im Weg. Die vitaminreichen und leuchtendroten, mit kleinen Stacheln versehenen Früchte müssen während einer sehr kurzen Periode (15 Tage) Ende November und im Dezember geerntet werden und schnell auf die europäischen Verbrauchermärkte gelangen, wo das Aroma des süss-säuerlichen, weissen Fruchtfleisches für Desserts sehr geschätzt wird. Madagaskar exportiert pro Jahr rund 1000 Tonnen Litschis, wobei eine stark steigende Tendenz zu verzeichnen ist. In der Saison 89/90 wurden 4300 Tonnen Litschis exportiert. In der Saison November 1990 bis Februar 1991 wurden 3696 Tonnen Litschis expediert, davon 3150 Tonnen per Frigocontainer auf See und 546 Tonnen per Flugzeug. In Europa sind die madagassichen Litschis in den letzten Jahren aber der dominierend auftretenden Konkurrenz aus Südafrika unf Israel unterlegen. Das Holz der Bäume wird für die Möbelindustrie und zum Hausbau benutzt.

Studien über den Mangobaum zeigen, dass in der Region von Mahajanga 39 Varietäten wachsen könnten, wobei die Sorte 'Zill' und 'Ruby' die besten Exportfrüchte abgeben würden. Exportiert werden jedoch bislang bloss ein paar dutzend Tonnen Mango, der grösste Teil wird im Lande konsumiert. Mangobäume finden sich auf einer Gesamtfläche von 15150 ha. Die Erntezeit erstreckt sich je nach Region von November (Mahajanga) bis Februar (Hochland).

Zitrusfrüchte werden auf rund 4000 Hektaren angebaut und in geringer Menge exportiert.

Im herberen Klima der Region um Antsirabe wachsen auf 1100 ha Äpfel und Birnen, eingeführt von europäischen Siedlern und Missionaren. Die staatlichen Stellen produzieren jährlich zwar 200’000 Setzlinge für Fruchtbäume, vermögen aber die Bedürfnisse an Jungpflanzen bei weitem nicht zu decken. Es finden sich an europäischen Früchten auch Pflaumen und Erdbeeren, Aprikosen und eine Zwetschgenart. Nur Kirschen wachsen in Madagaskar nicht.

Rebgärten haben zu einer florierenden Weinproduktion von um die 50’000 Hektoliter in der Gegend um Fianarantsoa und Ambalavao geführt. Auch in der Umgebung von Antsirabe existieren um die 200 Hektaren Rebhaine, deren Trauben allerdings von minderer Qualität sind. Die ersten Rebhaine legten katholische Missionare vor über hundert Jahren in Fianarantsoa und Ambositra an - Jean Laborde produzierte schon 50 Jahre vorher Wein. In den 1960er Jahren existierten um die 250 bis 300 ha Rebhaine, in den beginnenden 1990er Jahren waren es um die 1245 ha. Der madagassische Wein ist äusserst trinkbar, allerdings kennen die Jahrgänge oft erhebliche Qualitätsschwankungen. 'Betsileo Villages' wird nebst anderen Weinen vom Unternehmen MELVINO vertrieben, 'Beauvallon' aus Vatoavo (Ambalavao) wird unter chinesischem Management hergestellt, ebenso wie die 205 ha grosse Weingärten der 'Côte d'Isandra'. 'Château Verger' stammt aus der traditionsreichen 'Domaine de Manamisoa' bei Ambalavao, 'Lazan'i Betsileo' entstand als Schweizer Entwicklungshilfeprojekt in den frühen 1970er Jahren mit dem Ziel einer Importsubstitution und der Mobilisierung von 1000 Kleinbauern in der Genossenschaft FFMV, die inzwischen 250 ha und fünf regionale Weinkeller umfasst. Seit 1991 macht die FFMV als selbsttragendes und lukratives Unternehmen ohne Schweizer Beihilfe weiter. Ein ehemaliger Mitarbeiter dieses Projekts gründete in den 1980er Jahren mit einem chinesischen Geschäftspartner das Unternehmen Mac & Keller und mit 'Domremy' eine eigene Marke für Wein und Spirituosen. Domremy war der nachhaltig beste madagassische Wein, so erfolgreich, dass der chinesische Compagnon seinen Schweizer Weinbauern aus der Firma warf – wodurch die Marke Domreny kurz darauf vom Markt verschwand. Die madagassischen Weinproduzenten bieten rouge, blanc, rosé und gar gris an, dazu verschiedene Liköre bis hin zum süsslichen 'Moromby'- Aperitif. (Ein grosses Problem der Weinproduzenten ist das Vorhandensein von Korken und Weinflaschen. Früher gab es in Tamatave mit der SOVEMA eine Glasindustrie, die aber seit Jahren 'en panne' ist. So werden jegliche Flaschen gesammelt und abgefüllt, was dazu führt, dass man zuweilen Wein aus einer Whiskyflasche serviert erhält.)

Auf Madagaskar findet sich auch ein Teegebiet mit 335 ha Teeplantagen. Die in der Region um Sahambavy (östlich von Fianarantsoa) gelegenen Teepflanzungen gehören zu einem Drittel Kleinbauern; das britische Teeunternehmen SIDEXAM bewirtschaftet 223,5 ha und betreibt vor Ort auch eine Teefabrik.

Eine Sonderstellung nehmen Zuckerrohr, Baumwolle und Tabak als technische Nutzpflanzen ein. Sie werden zu einem grossen Teil von kleinbäuerlichen Betrieben angepflanzt, jedoch an grosse Unternehmen zur Weiterverarbeitung verkauft. Die grosse inländische Produktion macht Madagaskar unabhängig von Importen in diesen Bereichen, erlaubt sogar den Export eines Teils des verarbeiteten Rohstoffs. Ein richtiggehendes Zuckerdreieck findet sich in der Region von Ambilobe (4630 ha) und auf Nosy Be (2168 ha). In diesen zur Provinz Diégo-Suarez gehörenden Gegenden werden 51% des madagassischen Zuckers hergestellt. In der Gegend um Namakia am Unterlauf des Mahavavy an der Westküste finden sich ebenfalls Zuckerrohrfelder. 28% des Zuckerrohrs wächst in der Provinz Diégo-Suarez und 26 % in Mahajanga. 11% bis 16% je auch in Fianarantsoa, Tulear und Tamatave.

Vom 1989 geernteten Zuckerrohr von rund 3,2 Mio. Tonnen stammen 1,2 Mio Tonnen aus dem industriellen Anbau in Grossplantagen, während der bäuerliche Anbau 1,99 Mio. t einbrachte. Der bäuerliche Anbau nimmt total zwar eine grössere Fläche ein, wirft aber mit 40 t/ha gegenüber 64 t/ha des industriellen Anbaus deutlich weniger ab. Die Bauern verkaufen ihre Ernte zu einem grossen Teil der Staatsfirma SIRAMA. Doch auch die Hektarerträge der Industriebetriebe sinken drastisch, obwohl unter anderem künstliche Bewässerung eingesetzt wird. Um die generell mittelmässigen Erträge und die Qualität anzuheben, wurden 1990 mit britischer Finanzierung 48 verschiedene Zuckerrohrsorten eingeführt, geliefert vom MSIRI (Mauritius Sugar Industry Research Institute) und der WISCES (West India Sugar Cane Breeding Station). Allerdings befindet sich die staatliche Forschungsstation CALA (Complexe agronomique du Lac Alaotra), die sich unter anderem auch mit Zuckerrohr befasst, in Ambatondrazaka: weit weg von den Zuckerrohrfeldern und in einem anderen Klima.

Die Zuckerindustrie leidet an schlechtem Management, an technischen Pannen in der Bewässerung und an veralteten Fabrikanlagen. So musste die SIRANALA 1990 rund 40’000 Tonnen Zuckerrohr stehen lassen, weil eine technische Panne die Verarbeitung verunmöglichte. Zudem sind die - oft veralteten Anlagen wie etwa jene von Brickaville - nur zu 70 bis 80% ausgelastet.

Die Zuckerfabrik von Ambilobe wurde 1953 erbaut, jene von Nosy Be 1923, jene von Brickaville entstand 1930. Heute verarbeiten vier Zuckerfabriken, mit französischer Hilfe in den 1980er Jahren rehabilitiert, Zuckerrohr auf Nosy Be, in Namakia, in Ambilobe (wichtigste Zuckerfabrik) und in Brickaville. Zusammen haben sie einen theoretischen Output von 115000 Tonnen pro Jahr. Ihnen stehen 13770 ha Land zur Verfügung, wovon sie 11’000 ha mit Zuckerrohr angebaut haben. Eine fünfte Zuckerfabrik mit einer Kapazität von 22’000 Tonnen (18’000 t) befindet sich in Morondava, erbaut mit chinesischer Hilfe.

Gegen Ende der achtziger Jahre verzeichnete die Zuckerindustrie wieder einen Aufschwung, 126’176 Tonnen Zucker wurden hergestellt, wovon mit rund 100’000 Tonnen der grösste Teil von der SIRAMA produziert wurde, während die in Morondava operierende SIRANALA fast 15’000 Tonnen herstellte. Die beiden Monopolunternehmen destillierten zudem 41’000 Hektoliter Alkohol. Insbesonders die Fabrik auf Nosy Be stellt in Dzamandzar 11’000 hl Alkohol her.

In Madagaskar wurden 1990 82’351 Tonnen Zucker verbraucht, 14% mehr als 1989, weil der Markt liberalisiert wurde und die Verteilung besser klappte. Der Verbrauch stieg von 7 Kilo auf 9,7 Kilo (1991) pro Kopf und Jahr. (In Europa wird rund viermal soviel Zucker konsumiert.) Die Exporte sind schwankend: 1988 wurden 18’990 Tonnen exportiert, 1989 waren es 72’127 Tonnen und 1990 wurden 46’910 Tonnen ins Ausland verkauft. 1990 kaufte Frankreich 10’700 Tonnen, USA 10’460 Tonnen und Mozambique 17’435 Tonnen. 1987 brachte Zucker 7,9% der Exporterlöse. Madagaskar erhielt im Rahmen der EG-Abkommen von Lomé eine fixe Quote von 10’000 Tonnen zugestanden, die zu festen und höheren Preisen als auf dem Weltmarkt in die EG exportiert werden können.

Erst ab 1960 wurde in Madagaskar mit dem Anbau von Baumwolle begonnen. Heute sind um die 30’000 ha mit Baumwolle bestanden. 70% wird von 20’000 kleinen Planteurs bewirtschaftet, die 50% der Ernte liefern. Das Hauptanbaugebiet liegt im Nordwesten um Mahajanga. Versuche in der trockenen Region um Tulear brachten nicht die erhofften Ergebnisse. Der Ertrag liegt bei 1,8 t/ha.

Die Weltbank hat geraten, die Fläche der Baumwollfelder zu reduzieren.

1989 betrug die Ernte 41’432 t Kapseln (Fasern und Samen), wovon 58% (24’550 t) in der Provinz Mahajanga geerntet wurden. (1000 Tonnen Kapseln ergeben 380 Tonnen Baumwollfasern.)

Die Verarbeitung der Baumwollkapseln geschieht in grossen Fabriken in Mahajanga (SOTEMA: Société Textile de Mahajanga) und in Antsirabe (COTONA). Diese Unternehmen gehören zu den grössten Industrieunternehmen Madagaskars. Daneben existieren eine Reihe weiterer kleinerer Fabriken wie beispielsweise die SOMACOU in Antananarivo. Die gesamte Produktion an Baumwolle wird im Lande verarbeitet. Ein Teil der fabrizierten Stoffe geht in den Export und bildet inzwischen eine nicht unwesentliche Rolle als Devisenbringer. Die Mehrzahl der mit dem Status der Zollfreiheit versehenen Betriebe, die im Rahmen der Liberalisierung ins Land kamen, sind im Textilbereich tätig.

Der Tabaksektor wird von der OFMATA monopolisiert (Office malgache de tabac), die 1970 aus dem französischen Monopolunternehmen SEITA hervorging. OFMATA sammelte 1989 eine Ernte von 3800 Tonnen ein. OFMATA unterhält auch sechs Forschungsstationen in den Produktionsgebieten: Port-Bergé, Mampikony, Anjozorobe, Antsirabe, Itasy und Miandrivazo. Die SACIMEN, ein Unternehmen der französischen Bolloré-Gruppe, stellte 1992 in Antsirabe 2200 Tonnen Zigaretten (MELIA, Boston etc) her und beschäftigte 1300 Angestellte.

Kautabakfabriken befinden sich besonders in der Region der Hauptstadt. Die Tradition des Kauens von Tabak (paraky) findet sich vor allem auf dem Hochland.

Madagaskar ist mit knapp 20’000 Tonnen der fünftgrösste Produzent von Sisalfasern hinter dem Produktionsgiganten Brasilien, hinter Mexiko (woher Sisal ursprünglich stammt), Kenya und Tansania. Die Hälfte der Produktion wird exportiert, pro Jahr 7300 bis 10’500 Tonnen. Das Anbaugebiet von 17300 ha (1987) bis 20’000 ha  liegt am Unterlauf des Mandrare westlich von Fort-Dauphin  und gehört sechs Unternehmen, die auch Fabriken betreiben.

Der zu den Agavengewächsen gehörende Sisal hat lanzenförmige Schwertblätter mit einer stahlharten Stachelspitze. Eine frühere Plantage nördlich von Morondava wurde sich selbst überlassen und verwilderte.

Die harten Sisalfasern werden für Bindegarn und Schnüre, zur Herstellung von Säcken und für Kunsthandwerk benutzt. Die Sisalunternehmen kämpfen ums Überleben, nicht nur weil Sisal Konkurrenz von künstlichen Fasern erhalten hat, sondern auch infolge der periodischen Trockenzeiten. So musste die Produktion 1992 eingestellt werden, was in der ohnehin an Arbeitsstellen armen Region tausende von Arbeitslosen hinterliess.

Die Produktion der Faserpflanze Paka für die Herstellung von Säcken ist am Abnehmen. 1992 wurden 873 Tonnen Paka geerntet und daraus in einer Fabrik in Mahajanga 900’000 Jutesäcke hergestellt. An der Ostküste, so auch in Vatomandry, findet sich noch weiterhin die Produktion von Raphiafasern, die unter anderem zu Hemden und Überhängen verarbeitet werden, ebenso wie Decken und Stoffe (jiafotsy) daraus gewoben werden. (Die Jahresproduktion ist schwer schätzbar, da sie meist im artisanalen Bereich in unmittelbarer Umgebung verarbeitet wird. Sie wurde 1986 auf 7000 Tonnen geschätzt.)

Frühere Exportprodukte haben drastisch an Bedeutung abgenommen, so die Kaperbsen und die Erdnüsse.

Ein Hauptanbaugebiet für Kaperbsen (phaseolus lunatus; auf madagassisch kabaro) war früher die Region des südlichen Menabe zwischen Morondava und Morombe. Der Export der Kaperbsen war früher mit 20’000 Tonnen pro Jahr von grosser Bedeutung, insbesonders nach England, wohin um die 6000 Tonnen pro Jahr für die Biskuitindustrie gelangten. 1990 wurden nur noch 3000 Tonnen exportiert.

Die Abnahme des Exports mit seinen Qualitätsansprüchen und der Mangel an geeignetem Saatgut hat zur Ausbreitung einer minderen Sorte mit roten Flecken (menamaso) geführt, die nur noch für den Eigenverbrauch benutzt werden kann. Kaperbsen wurden 1987 auf 5800 Hektaren angebaut und warfen 6600 Tonnen ab.

Zwischen Morondava und Tulear wie auch im Süden der Provinz Tulear, in Mahajanga, im Moyen-Ouest, um den Lac Itasy und in der Region des Lac Alaotra wurden früher in grossem Umfang Erdnüsse für den Export angebaut, auch diese Aktivität ging seit den 1970er Jahren zurück, nicht zuletzt wegen der mangelnden Infrastruktur. 1987 wurden auf 33’000 Hektaren total 32’000 Tonnen eingebracht. 1992 wurden lediglich 28’000 Tonnen geerntet. Der Hektarertrag liegt bei 0,7 - 1,5 Tonnen. Inzwischen hat sich die Provinz Antananarivo als grösster Produzent von Erdnüssen etabliert: 1989 wurden landesweit 32’300 Tonnen gewonnen, wobei 30 % (9810 t) in der Provinz Antananarivo. Der Mangel an Speiseöl in den frühen 1980er Jahren bewirkte eine erneute Zunahme des Anpflanzens von Erdnüssen und die Installation von vielen kleinen Ölmühlen. (Madagaskar verbraucht pro Jahr um die 17’000 Tonnen Speiseöl, was einem Verbrauch pro Kopf von rund 1,5 kg entspricht.) Der Anbau von Sonnenblumen ist praktisch inexistent in Madagaskar.

Kakaoplantagen hatten in Madagaskar nie eine grosse Bedeutung. Die niedrigwachsenden Kakaobäume werden lediglich in der klimatisch besonderen Mikroregion von Sambirano (Nordwesten) angepflanzt, die mit 25° Durchschnittstemperatur, knapp 2000 mm Regen pro Jahr und einer hohen Luftfeuchtigkeit ein ideales Klima für Kakao aufweist. Fast 10’000 ha befinden sich in Sambirano, dies entspricht 95% der gesamten Anbaufläche von Kakao in Madagaskar. Eine Hektare wirft 400 bis 700 kg/ha fetthaltigen Beerenfrüchte ab. Drei private Firmen liefern dreiviertel der Ernte von um die 2600 Tonnen, daneben pflanzen viele kleine Familienbetriebe Kakao an, der ihnen mit den zwei Ernten pro Jahr auch zweimal ein Einkommen verschafft.

In Ambanja gibt es eine Station d'appui für den Anbau von Kakao. Der Anbau an der Ostküste - obwohl klimatisch möglich - hat sich nicht durchgesetzt. Der Export von Kakao (1990: 2590 Tonnen) ist unwesentlich, 1987 brachte er 1,2% des Exportwertes. Im Land hat sich eine Schokoladenindustrie entwickelt, die den grössten Teil der Kakaoernte verarbeitet.

Das Unternehmen SOMAPALM verwaltet die 1969 erstellten Palmplantage von Tamatave-Ivondro (1160 ha) und Manakara, total 1400 ha. Zudem betreibt sie eine - überdimensionierte - Raffinerie, finanziert von Arabern und erstellt von Italienern. (Dieses Unternehmen kam 1993 wegen dubioser Machenschaften im Zuge der Privatisierung ins Gerede.) Eine weitere Palmölanlage von 1350 ha befindet sich in Antalaha, ebenso wie um die 1000 ha in Ambila-Manakara. Die nationale Produktion von Palmöl belief sich 1989 auf 6600 Tonnen.

Die Produktion von Kokosnuss erreichte 1989 4400 Tonnen. Das staatliche Unternehmen SOAVOANIO in Sambava verwaltet 3500 ha (4761 ha) Kokosnussplantagen. In der Umgebung befinden sich 2400 ha Pflanzungen in Familienbetrieben. Zur Verbesserung der Qualität wurden Palmen aus Malaysia und Indien eingeführt. Das Kokosfleisch wird feuergetrocknet, woraus Kopra entsteht, in der Region von Sambava sind dies rund 5000 Tonnen Kopra pro Jahr. Aus Kopra wird Kokosöl gepresst: eine Tonne Kopra ergibt 520 kg Kokosöl. Aus Kopra werden auch Seife und kosmetische Artikel hergestellt. (Die artisanale Herstellung der schwärzlichen, mit Asche vermischten Seifenblöcke hat ab den 1980er Jahren an Bedeutung gewonnen. 1992 wurde Seife in rund 700 Kleinbetrieben hergestellt und machte etwa 10% der industriellen Herstellung von Seife von 12’000 bis 15’000 Tonnen pro Jahr aus.)

Parfümpflanzen Ylang-Ylang, Basilika, Palma Rosa werden in geringen Mengen - jedoch industriell - angepflanzt. Ylang-Ylang wächst insbesonders auf Nosy Be auf den reichen vulkanischen Erden und auch in Sambirano. Der Ylang-Ylang Baum produziert ab drei Jahren bis etwa zum zehnten Jahr und wirft 5 bis 8 kg gelbliche Blüten ab, von denen nach dem Destillieren, das am gleichen Tag geschehen muss, etwa 2% als Essenz zurückbleiben. Auf Nosy Be werden pro Jahr rund 20 Tonnen Essenz destilliert, dazu kommen etwa 5 Tonnen aus der Region von Ambanja. Die Essenz, ein ätherisches Öl mit einem blumigen Duft, wird in der Parfümindustrie als Bindemittel für flüchtige Düfte benutzt.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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