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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Bevölkerungsstruktur

Gemessen an seiner Fläche und der landwirtschaftlichen Potenz ist Madagaskar mit einer Bevölkerungsdichte von bloss 15 bis 20 Pers/km2 stark unterbevölkert. Doch die Bevölkerung ist sehr ungleich verteilt. 60% der Menschen lebt auf weniger als 20% des Territoriums.

Nebst den städtischen Ballungsgebieten gibt es Konzentrationsregionen auf dem zentralen, östlichen Hochland und an der Ostküste von Tamatave bis nach Vangaindrano mit oft mehr als 40 Pers/ km2. Hingegen ist der mittlere Westen (Moyen-Ouest) unterbevölkert, ebenso wie der Menabe und das Gebiet der Bara, wo die Bevölkerungsdichte oft unter 5 Pers/ km2 liegt. Im Norden und im Süden wohnen 5 - 15 Pers/ km2.

28% der Bevölkerung lebt in der Provinz Antananarivo (48,5 Pers/ km2), die mit 58’283 km2 weniger als 10% der Fläche Madagaskars ausmacht. Die rund dreimal grösseren Provinzen Mahajanga und Tulear weisen eine Bevölkerungsdichte von nur rund 8 Pers/ km2 auf.

1900 lebten rund 3 Millionen Menschen in Madagaskar. 1937 waren es 3,7 Mio. und 1958 betrug die Bevölkerung um die 5 Mio. 1970 war sie auf 6,7 Mio. angestiegen, 1980 waren es 8,7 Mio, 1990 lebten um die 12 Mio. Menschen auf Madagaskar. Mitte 1992 waren es nach statistischen Berechnungen 11,9 Mio, wobei 5,6 Mio. Menschen (47% der Bevölkerung jünger als 15 Jahre waren und nur 4% älter als 65 Jahre waren. Die Lebenserwartung beträgt 54 Jahre. (Bei der Erlangung der Unabhängigkeit hatte sie 41 Jahre betragen.) 1992 lag die Lebenserwartung der Männer bei 53 Jahren, jede der Frauen bei 56 Jahren.

Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum lag von 1980 bis 1989 zwar bei 2,8%, in anderen Jahren jedoch bei 3,2%, womit sich die Bevölkerung innerhalb von 22 Jahren verdoppelt. Im Jahr 2000 wurden rund 16 Millionen Madagassen geschätzt, wobei 45% weniger als 15 Jahre und 55% weniger als 20 Jahre alt waren. Im Jahre 2010 werden womöglich 21,3 Mio Madagassen leben, im Jahr 2022 voraussichtlich 24 Millionen Madagassen sein., im Jahr 2025 31,7 Mio.

Die Bevölkerungspyramide Madagaskars weist mit ihrem ausgesprochenen Kinderreichtum eine sehr breite Basis auf. Mehr als die Hälfte der Madagassen ist unter 20 Jahre alt und 44% der Madagassen waren 1985 weniger als 15 Jahre alt. Gegen oben wird die Pyramide schnell dünn, nur 3% der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt.

Die madagassische Bevölkerung lebt zum Grossteil (zu rund 80% bis 85%) in ruralen Gebieten, in Einzelhöfen oder in Dörfern mit weniger als 2500 Einwohnern. Mit einer Bevölkerungsdichte von keinen 20 Pers/ km2 ist Madagaskar statistisch schwach besiedelt, doch die Bewohner leben vornehmlich in Gunstzonen, während weite Landesteile so gut wie ohne Einwohner sind. Nimmt man allerdings die Bevölkerungsdichte pro konstant genutzter Landwirtschaftsfläche zum Mass, so zeigt sich mit rund 400 Pers/ km2 ein hoher Druck auf die Agrargebiete.

Von der ruralen Bevölkerung leben 95% von der Landwirtschaft. Die restlichen 5% machen vor allem die Beamten und Händler aus, nur ein sehr kleiner Teil übt ein Handwerk aus.

Der ländliche Haushalt umfasst im Durchschnitt 5,5 Personen. Fast 40% der ruralen Bevölkerung ist unter 12 Jahren alt.

Eine Landflucht zeigt sich im Alter von 15 Jahren (Besuch von höheren Schulen) und ab dem Alter von 25 Jahren (Arbeitssuche ausserhalb der Landwirtschaft). Da vor allem die Männer abwandern, zählt die rurale Bevölkerung zwischen 25 und 45 Jahren mehr Frauen als Männer. Doch die Landflucht hat auch in Madagaskar drastische Formen angenommen. 1960 lebten 11% in den Städten, 1965 waren es 15% und 1990 über 20%. Die Städte wachsen um 5% pro Jahr. 14% der madagassischen Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten.

Üblicherweise werden 18 ethnische Volksgruppen unterschieden. Doch alle sind letztlich Madagassen und fühlen sich als solche, verbunden durch eine gemeinsame Sprache und eine weitgehende Ähnlichkeit in Kultur. Die dominante Gruppe bilden die Merina, gefolgt von den Betsimisaraka an der Ostküste und den Betsileo im südlichen Hochland. Diese drei Ethnien stellen über die Hälfte der madagassischen Bevölkerung. Als weiteres wichtiges Volk sind die viehhaltenden Sakalava zu zählen, die sich entlang der ganzen Westküste ausgebreitet haben. An der Peripherie dieser einflussreichen und bevölkerungsstarken Völker leben kleinere ethnische Gruppen, die teilweise Sitten und Gebräuche ihrer dominanten Nachbarn aufgenommen haben: Sihanaka, Bezanozano, Tsimihety, Antankarana, Tanala, Bara.

Die Völker des Südens (Mahafaly, Antandroy, Antanosy) haben eine grosse Eigenständigkeit und Eigenheit bewahrt. Ein ganzes Konglomerat an Volksgruppen lebt entlang der Südostküste: Antambahoaka, Antaimoro, Antaifasy, Antaisaka.

Eine Sonderstellung als Meeresfischer nehmen die Vezo der Westküste ein, sie werden von einigen Ethnologen als eigenständiges Volk betrachtet, von anderen Forschern als vom Fischfang lebende Sakalava. Tatsächlich sind die Vezo in einem dichten Netz mit den sie umgebenden Sakalava verwoben.

Die Makoa sind eingewanderte - oder zumeist als Sklaven (makoa) eingeschleppte - Afrikaner und leben in grösserer Zahl an der Westküste. Zum Teil vermischten sich die auch Mosombika genannten Leute mit den Nachbarvölkern, insbesonders mit den Sakalava, zu einem geringeren Teil leben sie noch relativ homogen in wenigen Regionen, so in der Umgebung von Maintirano und Tambohorano (nördlich von Maintirano). Dort sprechen noch ein paar Alte die Bantusprache makhuwa, wie sie in Mozambique heute noch von einer grossen Bevölkerung geredet wird. Viele Makoa haben den Islam angenommen, den Glauben der Seefahrer und Sklavenhändler der vergangenen Jahrhunderte.

Ein sagenumwobenes Volk lebt in den spärlich werdenden Wäldern nördlich von Tulear: die kontaktscheuen Mikea ernähren sich von jagen und sammeln. Inwiefern sie ein eigenständiges Volk oder Vertriebene Vezo oder Sakalava sind, ist noch weitgehend ungeklärt. Die Lebensweise der animistischen Mikea, ebenso wie jene des Fischervolkes der Vezo, weist stark auf einen ostafrikanischen Ursprung hin. Sie betrachten sich als von Ostafrika herkommend und kennen die sonst auf Madagaskar übliche Beschneidung der Jungen nicht.

In einen Gedenkstein in Antsirabe sind diese 18 Ethnien in ihrer 'typischen' Umgebung in ein Steinmetzrelief eingemeisselt: Bara und Sakalava werden als Viehzüchter mit Rindern gezeigt, Merina und Betsileo sind als Reisbauern zu sehen. Doch die Unterteilung in 18 Völker ist sehr künstlich und geht auf koloniale Administrativbedürfnisse zurück. (Daher wurden wohl die Bewohner von Ste. Marie als eigene Ethnie deklariert, weil diese Insel seit 1750 französisch war.) Zwar sind einige der Volksgruppen - wie etwa die Antaimoro - sehr homogen, andere hingegen sind eher als geografische und weniger als ethnologische Bezeichnungen aufzufassen. Dies trifft insbesonders für die Betsimisaraka der Ostküste zu.

In Madagaskar gibt es keine 'Stammeskriege' wie in Afrika: Madagaskar ist eines der ethnisch homogensten Länder der Erde. Die Menschen der unterschiedlichen Ethnien leben relativ harmonisch zusammen, unterstützt durch eine gemeinsame Sprache. Trotzdem war das Verhältnis zwischen den Hochlandbewohnern und den Küstenleuten schon immer latent gespannt. Dies wurde auf Initiative des umstrittenen Präsidenten Ratsiraka noch kräftig geschürt, als er 1991 die Idee der föderalistischen Republiken lancierte, was von den 'Fédés' - aber nicht von allen Bewohnern - in den Provinzen begeistert aufgenommen wurde - und vor allem gegen die Merina gerichtet war, die als 'Kolonialmacht des 19. Jahrhunderts' auch heute noch immer auf viel Argwohn treffen. So suchen die côtiers insbesonders eine politische Anerkennung und Machtfülle und schaffen es auch, diesen Anspruch gegenüber den Hochländern durchzusetzen, die dafür im ökonomischen Bereich weiterhin dominant sind. Doch auch die Küstenvölker leben nicht konfliktfrei, insbesonders die kleinen Volksgruppen an der Ostküste liefern sich zuweilen blutige Kämpfe um Land und Einfluss.

Zudem leidet das Hochland unter Landmangel und Überbevölkerung, während die bevölkerungsarme Westküste noch immer ein attraktives Einwanderungsgebiet bleibt. Die Besitzverhältnisse des Siedlerlandes bleiben oft ungeklärt und führen zuweilen zu Streit und in jedem Fall zu einer einseitigen Auslaugung des Bodens ohne Investitionen.

Die ursprüngliche Kleidung der Madagassen bestand aus einem kurzen Lendenschurz und einem Lamba (Baumwolltuch) über die Schulter. Das Tragen von Fellen oder Leder war fady: es durften keine tierischen Produkte mit dem Körper in Kontakt kommen. Dieses Verbot ist wohl ein Erbe der Einwanderer aus dem indonesischen Raum. Heutzutage sind die traditionellen Hochlandmänner mit einem grossen Hemd bekleidet und haben ein Baumwolltuch (Lamba) über die Schultern geschlagen, dazu tragen sie einen geflochtenen Strohhut. Die Frauen sind in Röcke gekleidet und hüllen ihre Schultern ebenfalls in ein Lamba. Insbesonders bei Feierlichkeiten geht keine Hochlandfrau ohne ihr weisses Schultertuch an die Öffentlichkeit. Dieses symbolische Kleidungstück wird auch von den europäisierten und reichen Frauen getragen. Und natürlich durchgehend von den traditionellen Frauen.

Die Küstenbewohner tragen Lambaoany: buntbedruckte Tücher um die Lenden, Frauen wie Männer. Dazu vielleicht als Kompromiss an die neue Zeit oder auch als Prestigesymbol eine kurze Hose oder eine Bluse.

Das Weben von Baumwolle und Seide ist seit langer Zeit bekannt, ebenso wie das Flechten von Bast. An der Ostküste werden auch heute noch Raphiahemden getragen. (Die europäischen Händler vergangener Zeiten kauften diese Hemden auf, liessen die Arm- und Kopflöcher zunähen und nutzten sie als Säcke für Exportprodukte. Heute machen es viele Madagassen umgekehrt: sie schlitzen Plastiksäcke auf und nutzen sie als Hemd und Regenschutz.)

Doch man sieht auch in den Städten und insbesonders bei den Fonctionnaires (Beamten), europäische Anzüge und schwarze Schuhe. Die städtische Bevölkerung des Hochlandes kleidet sich zumeist in vollkommen westlicher Manier, wobei die jeunesse dorée, die jungen reichen Kinder der Oberschicht, ausserordentlichen Wert legt, den neuesten Trends der Weltmode mitzuhalten. Dies führte dazu, dass die Modephase der zerschlissenen Hemden und Hosen auch in Madagaskar Einzug hielt: so begegneten sich Bettler und Reiche in gleicher Kleidung, aber aus unterschiedlichen Gründen.

Eine Frau verheiratet sich im Schnitt mit 20 Jahren, ein Mann mit 23 Jahren. Eine Frau bringt im Durchschnitt 6 Kinder zur Welt, wovon längst nicht alle das Alter von 5 Jahren erreichen.

Die Ernährungssituation hat sich seit der Unabhängigkeit nicht verbessert: nach wie vor stehen einem Madagassen pro Tag nur um die 2400 Kilokalorien zur Verfügung.

Die Stadt Antananarivo hat weit über eine Million Einwohner und ist mit Abstand die grösste Stadt Madagaskars. Mehr als 40% der städtischen Bevölkerung Madagaskars lebt allein in Antananarivo.

Die nächstgrösseren Städte sind wesentlich kleiner: Fianarantsoa (120000 Einwohner), Tamatave (100000 Einwohner), Diégo-Suarez (100000 Einwohner), Antsirabe (91000 Einwohner) und Mahajanga (85000 Einwohner).

Die aktive Bevölkerung von 15 bis 64 Jahren macht etwa 45% (dh. rund 5 Mio. Leute) der Gesamtbevölkerung aus und ist zu 80% im primären Bereich tätig. Nur 7% arbeitet im sekundären Bereich, während 13% in der Administration und in Dienstleistungen arbeiten.

Frauen nehmen im öffentlichen Dienst eine den Männern gleichwertige Rolle ein, im privaten Sektor sind sie nach wie vor benachteiligt. Im ländlichen traditionellen Umfeld ist ihnen weiterhin eine den Sitten und Gebräuchen der Ahnen entsprechende Rolle zugeteilt. Daher liegt einer der Gründe der weiblichen Landflucht auch im Entfliehen vor strengen Einengungen innerhalb von Familie und Dorf. Während allerdings die Hochlandfrauen relativ selbstbewusst sind, unterliegen die Küstenfrauen - besonders jene im islamischen Umfeld – erheblichen Einschränkungen.

Die Wirtschaft kann die jährlich neu auf dem Arbeitsmarkt erscheinenden Jungen nicht absorbieren und wird es wohl auch in naher und mittlerer Zukunft nicht können. Das Resultat sind eine drastische Unterbeschäftigung und eine anhaltende Arbeitslosigkeit. Damit einhergehend zeigen sich eine erhöhte Kriminalität und Prostitution, ebenso wie Strassenkinder und Bettler, deren klägliches mangataka (gib mir etwas) längst nicht mehr nur in der Hauptstadt zu hören ist. Zudem sind an immer mehr Eingangspforten der Bessergestellten Schilder mit alika masiaka (bissiger Hund) zu sehen.

In der Provinz von Antananarivo sind 17,5% der Bevölkerung Analphabeten, Tulear weist über 62% auf. Die Alphabetisierungsrate ist bei den Männern höher als bei den Frauen.

In den Schulen hat sich in den letzten Jahren ein Drogenproblem entwickelt. Die Schüler konsumieren insbesonders rongony (Indischer Hanf). Die Anbaufelder und auch das Hauptkonsumationsgebiet liegen im Faritany von Antananarivo. Der Polizei sind drei Anbaugebiete bekannt, und die Regierung stellte in den 1990er Jahren eine 'opération anti-drogue' auf die Beine. Die Droge wird auch illegal exportiert. So soll der Hafen von Mahajanga, beziehungsweise diskretere Buchten an der Nordwestküste, als Umschlagplatz dienen. Mit boutres (Frachtsegler) soll das rongony auf die Komoren gebracht werden. 1992 wurden 850 Kilo beschlagnahmt und 350 Personen wegen Drogendelikten verhaftet. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Madagaskar sei ein internationaler Umschlagplatz für Drogen.

1972 gab es 50’000 Franzosen im Land. 1986 noch 15’000, wovon rund 5000 Inder mit französischen Pässen und rund 5000 Kreolen aus den Nachbarinseln.

Komorer waren mit 60’000 Leuten vor 1972 die zweitstärkste ausländische Bevölkerung, die vor allem in der Region um Mahajanga lebte. Doch infolge von Auseinandersetzungen im Dezember 1976 wurden rund 16000 Komorer repatriiert. (Sie werden heute noch auf den Komoren als ’Sabena’ bezeichnet, weil es die belgische Airline war, die sie damals in einer Sofortmassnahme ausflog.) Die Komorer geraten immer wieder ins Schussfeld der Kritik, weil sie einen blühenden Schmuggel zwischen Mahajanga und den Komoreninseln aufrechthalten sollen.

Der Anteil der Ausländer ist heute mit etwa 1% gering. Das grösste Kontingent stellen die moslemischen Komorer (25’000), die als Nachtwächter, Landarbeiter oder als städtische Proletarier ärmlich leben. Gefolgt von 17’000 (1972) Indo-Pakistanern, die vor allem an der Westküste und auf dem Hochland als Händler mit Allerweltsläden und als Geschäftsleute (Textilien, Schmuck) leben. Wiederholt, so 1987, kam es zu Aktionen gegen Inder, worauf etliche das Land verliessen. Die Indo-Pakistaner werden Karana genannt und sind zum Teil schon seit etlichen Generationen im Land. Die Karana stellen keine homogene Gruppe dar, sondern sind in etliche Richtungen und Bekenntnisse (Bianiana, Khoja, Bohra etc) aufgesplittet, deren reichste Gruppe die Anhänger von Aga Khan (Ismaeliten) sind. Ismaelitische Familien kontrollieren die Unternehmen COTONA, PNB, KARAMALY und viele mehr. Die Anhänger von Aga Khan haben den Ruf, ihr verdientes Geld wieder in Madagaskar zu investieren, vielleicht auch in Verwirklichung des Aufrufes von Aga Khan von 1958, ein neues Heimatland für die Religionsgemeinschaft der Ismaeliten zu finden. Die sunnitischen Karana hingegen haben offenbar die Tendenz, ihr Geld ausserhalb Madagaskars in Sicherheit zu bringen und anderswo anzulegen. Sie stehen im Ruf, insbesonders während der Zweiten Republik, sich schamlos und mit allen Mitteln bereichert zu haben. Die meisten der sunnitischen Karana haben keine madagassischen Pässe.

Die Chinesen (16’000) leben vor allem an der Ostküste und sind im Kleinhandel tätig und treten als Agroaufkäufer auf. Im Gegensatz zu den Indo-Pakistanern sind die Chinesen bei den Madagassen beliebt: sie setzen sich nicht vom Volk ab, heiraten madagassische Partner und stellen ihren Reichtum nicht offen zur Schau. So hat die Zahl der Chinesen und der chinesisch-madagassischen Mischlinge eher zugenommen, während jene der Indo-Pakistaner durch Auswanderung nach den Ausschreitungen abnahm. Die madagassichen Chinesen sind durchwegs katholisch aus zwei Gründen: bei ihrer Einwanderung nach Madagaskar um 1910-1920 kamen sie als verarmtes Landproletariat, das ihre Priester nicht mitnahm; als Ausweg aus der ärmlichen Situation in Madagaskar schickten sie ihre Kinder zur Schule – die damals und insbesonders an der Ostküste unter katholischem Einfluss stand. Ein neues Phänomen seit Mitte der 90er Jahre ist die zunehmende Anwesenheit von ’neuen Chinesen’, die im Gegensatz zu den ’alten Chinesen’ nur wenig ethisches Geschäftsbewusstein zu haben scheinen und die Madagaskar oft auch zu nutzen scheinen, um sich nach ein paar Jahren des Geldverdienens in ihr Wunschland Kanada abzusetzen.

Rund 4000 Leute aus Mauritius leben in Madagaskar. Dieser Bevölkerungsanteil hat sich infolge der freieren Markwirtschaft in den letzten Jahren erhöht. Innerhalb der europäischen Kolonie stellen die Franzosen mit rund 20’000 Leuten den Hauptharst. Etliche dieser alten Colons und ehemaligen Fremdenlegionäre sind inzwischen zanatany, Kinder des Landes, geworden. Sie empfinden dieses Land als Heimat und haben kaum noch einen Bezug - ausser manchmal einer idealisierten Verherrlichung - zu ihrer ursprünglichen Heimat. Ebenso fühlen sich tausende von Karana und Komorer als zanatany, die letztlich nur noch eine rein fiktive Heimat irgendwo in der Welt haben.

Angehörige aus vielen Ländern arbeiten als Entwicklungshelfer, als Angehörige von internationalen Organisationen und als Diplomaten auf Zeit im Land. Viele davon leben in einer 'künstlichen' Welt zwischen Arbeitsplatz, Club und Videogerät. Die Missionare und die kirchlichen Mitarbeiter jedoch leben meist mehrere Jahrzehnte im Land und sprechen madagassisch.

Gemischte Paare sind häufig zu sehen. Vor allem in intellektuellen Kreisen sind die männlichen Partner meist Madagassen, die ihre Ehefrau während ihres Studienaufenthalts in Europa oder in der UdSSR kennenlernten. Oder aber europäische Männer, die dem Charme der Madagassinnen - auf Zeit oder länger - erlegen sind. Diese Paare weisen oft einen erheblichen Altersunterschied auf. Eine spezielle Kategorie bilden die etlichen russischen Frauen, die sich von ihren im Lande auf Zeit arbeitenden Männern trennten und ihren Lebensunterhalt in vielen Fällen als Prostituierte verdienen.

Der Kontakt mit Madagassen erfolgt zumeist unproblematisch. Zudem geniessen die vahiny, die Fremden, traditionellerweise eine grosse Achtung mit zahlreichen Vorrechten. Doch etliche Angewohnheiten irritieren die Madagassen sehr. So etwa das dekorative Aufhängen von Totentüchern in europäischen Wohnzimmern oder das Benützen dieser Tücher als Bettüberwurf.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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Wir nehmen Ihre Kommentare und weiterführenden Texte zu obigem Thema gern auf. Tragen Sie sich bitte in unser Gästebuch ein.
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