Traditioneller
Glaube
Der
traditionelle Glaube der Madagassen basiert auf dem Respekt der
Ahnen, die gottähnlich noch immer auf das Hier und Jetzt
einwirken. Sie sind zwar irgendwo im Jenseits, aber trotzdem
noch sehr präsent und aktiv. Der Unterschied zwischen
Lebenden und Toten wird nicht so krass gemacht wie bei der
christlichen Religion: Totsein ist einfach eine andere Form von
Lebendsein. Alle grösseren Entscheide müssen mit den Ahnen
besprochen werden und von ihnen abgesegnet werden. Die
Verstorbenen dominieren dadurch fast alle Lebensbereiche der
Lebenden. Ihnen zu Ehren vergiesst man auch heute die ersten
Tropfen einer Rumflasche und erhofft sich dadurch ihren Gunst
und Segen.
Über
den Ahnen existiert Zanahary, dieser Schöpfergott jedoch
ist im jenseitigen Universum nicht die dominante Figur wie im
christlichen Glauben. Zanahary wohnt in der Höhe und ist
Herrscher über Leben und Tod. Doch die wichtigen Personen sind
die Ahnen (razana). Ihnen werden Opfer und Rum dargebracht. Zu
ihnen werden Gebete gesprochen. Ihre Wut ist zu befürchten,
wenn man im Laufe des Lebens nicht die Gebräuche der Ahnen
(fomban-drazana) befolgt. Die Anrufung der Ahnen besorgt der
Chef der Familie oder des Clans.
Zu
diesen fundamentalen Elementen, welche die Gruppe verbindet,
gesellen sich individuellere: Kult der Quellen, der Bäume,
der Geister. Viele Tabus (fady) geben Leitlinien für ein
ahnengerechtes Leben. Das Leben ist durchzogen von einer ständigen
Angst, diese Leitplanken zu überschreiten, ist aber auch
durchsetzt von einer Angst vor schlechten Zauberern (mpamosavy),
denen durch die Zuhilfenahme von guten Zauberern (ombiasy)
entgegengewirkt wird. Diese ombiasy sind auch Heiler und
Vorherseher, die durch die Interpretation der Lage von
geworfenen Körnern (sikidy) die Zukunft vorhersagen - und
auch beeinflussen können. Diese Technik der
Zukunftsahnungen ist arabischen Ursprungs.
Insbesonders
an der Küste manifestieren sich Geister Verstorbener - oft Könige
- in einer Art Besessenheit in den Körpern von Lebenden,
meist Frauen. Diese Geister (tromba) verlangen Nahrung und
Trank, wollen Auskünfte über die Lebenden erhalten und können
auch heilen und trösten.
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