FARITANY
MAHAJANGA:
Vieh
und Baobab
Die
Provinz Mahajanga liegt am Fusse des Hochplateaus und öffnet
sich gegen Nordwesten zum Kanal von Mozambique. Die Region wird
von zahlreichen Flüssen durchzogen, etliche davon entspringen
im Hochland und schieben Ablagerungsgestein in die oft beträchtlichen
Deltas, die sehr fruchtbar sind und in den Randzonen zum Meer
hin von Mangrovenwäldern bedeckt sind. Die Regenzeit von
Dezember bis April bringt 1 bis 1,5 Meter Regen, was durch
Zyklone wesentlich erhöht werden kann. Die Temperatur liegt
im Durchschnitt bei 25° Celsius mit 10° Schwankungen. Die
Provinz Mahajanga wird je südlicher, umso trockener.
Die
zweitgrösste Provinz Madagaskars umfasst ganz
unterschiedliche Landschaftsarten: Savannen und Gebirgsregionen,
Mangroven und Trockenwälder. Und natürlich die Reisebenen,
die vor allem von den Einwanderern aus dem Hochland unterhalten
werden. Die Provinz Mahajanga ist mit 9,8 Pers/ km2
unterbevölkert. Sie macht mit 150’000 km2
etwa einen Viertel der Fläche Madagaskars aus, hat aber nur
1,5 Mio. Einwohner (13% Madagaskars).
Die
noch unerschlossenen Böden, die geringe Bevölkerungsdichte
und der Bevölkerungsdruck auf dem Hochland liessen diese
Region zu einem Einwanderungsbassin werden, das schon im 18.
Jahrhundert mit der Immigration von Merina begann. Es gibt heute
noch richtige Koloniendörfer, die sich nur aus einer Ethnie
zusammensetzen, beispielsweise aus Leuten des Volkes der
Antandroy oder der Antaisaka. Die drei Völker Merina,
Betsileo und Antaisaka stellen heute rund 65% der gesamten
Einwohner der Provinz. Die ursprünglichen Bewohner (Sakalava)
sind selber erst vor wenigen Jahrhunderten von Süden her in die
Gegend eingewandert.
In
der Provinz Mahajanga werden bislang nur 5% der potentiellen
Landwirtschaftsfläche effektiv genutzt, trotzdem erntet die
Provinz mehr Reis als sie konsumiert. In grösseren Mengen
werden auch Zwiebeln, Tomaten, Zuckerrohr, Tabak und Baumwolle
angebaut.
Die
Verarbeitung dieser Produkte hat eine Industrie entstehen
lassen, die zwar nationale Bedeutung hat, doch stark auf die
Hauptstadt Mahajanga konzentriert ist und nur wenig Arbeitsplätze
bietet. Die Provinzhauptstadt mit ihren 138’000 Einwohnern ist
das weitaus grösste Bevölkerungszentrum, die nächstgrösseren
Orte weisen nur um die 10’000 Einwohner auf. Sie finden sich
eher im Norden der Provinz, der bevölkerungsarme Süden hat
kaum grössere Orte.
Die
Provinz kann in drei Zonen eingeteilt werden: die Bergregion im
Nordosten, die landwirtschaftlich und industriell aktive
Tiefebene um Mahajanga und die dünn besiedelten Rindergebiete
des Südens.
Das
Kernstück der Provinz liegt in der Region um die Meeresmündung
des Betsiboka. Diese mit einem Mangrovenwald von 46’000 ha
bewachsene Bucht von Bombetoka schliesst die alte Hauptstadt
Marovoay und die Stadt Mahajanga ein.
Zwar
waren Merina als Soldaten schon seit dem Feldzug von Radama I
(1824) nach Boina gekommen, doch erst als die Kolonialregierung
1904 - 1920 die Ebene entwässerte und die Krokodile
vertrieb, setzte ein massiver Zustrom von Merina, Betsimisaraka
und Betsileo ein. Die Gegend wurde nicht nur zur Reiskammer der
Region, sondern der zweitwichtigste Reisproduzent Madagaskars.
Nebst
Reis werden auch Maniok, Mais und Süsskartoffeln angebaut.
Grosse Plantagen an Zuckerrohr finden sich in Namakia (westlich
der Stadt Mahajanga). In der Region von Ambato-Boeny wachsen
Tabak, Tomaten, Zwiebeln und Baumwolle. Zudem werden dort 80%
der Erdnüsse der Provinz geerntet, die auch im Mündungsgebiet
des Flusses Mahajamba angebaut werden.
Die
Provinz ist ein ausgesprochenes Viehgebiet, insbesonders die
Sakalava fühlen sich zur Viehhaltung hingezogen. Der
Viehbestand ist mit fast zwei Rindern pro Einwohner sehr hoch.
Doch in etlichen Zonen herrscht grosse Unsicherheit wegen der
dahalo. Genaue Zählungen des Viehbestandes sind allerdings
schwierig, weil die unkontrollierbaren Weiten der Provinz auch
von 'omby maliha' (wilde Rinder) durchstreift werden.
Die
Küstenfischerei spielt für die Anwohner eine grosse Rolle -
zumeist für den Eigenbedarf. Der 13’900 ha grosse Lac Kinkony
(bei Mitsinjo; westlich der Stadt Mahajanga) wirft pro Jahr über
100 Tonnen Fisch ab. Allerdings ist dieser zweitgrösste See
Madagaskars inzwischen überfischt.
Drei
Firmen operieren im industriellen Fischfang (SOMAPECHE, SOPEBO
und REFRIGEPECHE), sie fischen vor allem Garnelen und beliefern
ausländische Kunden.
Die
Provinz verfügt über ein breites Angebot an Bergbauprodukten,
die jedoch nur zum geringen Teil ausgebeutet werden. In Soalala
sind Eisenvorkommen bekannt und in Bemolanga befinden sich
Bitumenvorkommen. Es gibt Lagerstätten von Amethysten,
Beryll, Quarz und ein ziemliches Vorkommen an Gold, die alle von
Einzelunternehmern abgebaut werden, da sich eine industrielle
Ausbeute nicht lohnt. Natürlich hofft man, wie in der ganzen Küstenzone
zwischen Mahajanga und Morondava - auf Erdöl und Erdgas. In
Brieville wird seit der Kolonialzeit Chrom abgebaut und
exportiert, was etwa hundert Leuten Arbeit verschafft, der
Exportweg verläuft direkt zur Bahnstation am Lac Alaotra.
Auch dies kann als Indikator gewertet werden, dass die Region
von Andriamena stark auf die Provinz Tamatave ausgerichtet ist.
Die
Provinz weist nur gerade in der unmittelbaren Region der
Hauptstadt eine markante industrielle Tätigkeit auf, wo
sich über 90% der industriellen Unternehmen der Provinz
befinden.
Namhafte
Industrieunternehmen ausserhalb der Stadt sind einzig die SOMACO
in Ambato-Boeny, die mit 55 Festangestellten und 120 Saisoniers
20 bis 25 Tonnen Tomatenmark (MADCO) herstellt und die
Zuckerfabrik SIRAMA.
Die
SIRAMA beschäftigt 1700 Angestellte und 1000 Saisoniers in
Mitsinjo, westlich der Stadt Mahajanga. 2 Mio. Liter Alkohol
werden pro Saison hergestellt und um die 30’000 Tonnen Zucker.
Die SIRAMA unterhält in Mitsinjo ein eigenes kleines Dorf
mit Spital, Schulen, Hotel, Verkaufsläden und 1000 ha
Reisfeldern, ebenso wie sie auch über einen eigenen Meereshafen
in Andolomikopaka verfügt, zu dem eine werkseigene
Eisenbahnlinie von Namakia führt.
Knapp
40 Kilometer südlich der Stadt Mahajanga baut die Zementfabrik
Nouvelle Cimenterie d'Amboanio Kalkstein ab und stellt Zement
her. Dieses Unternehmen wurde 1930 gegründet und ging in der
Zweiten Republik in Staatsbesitz über.
Nur
in Mahajanga findet sich - nebst dem SIRAMA-Hafen bei Namakia -
ein Hochseehafen, der mit 838 Metern Quailänge der zweitgrösste
Hafen Madagaskars ist. Der Hafen versandet jedoch zusehends
durch die zehntausende von Tonnen Geschiebe des Betsiboka: im
Schnitt 10 cm pro Jahr. Als Alternative wurde eine neue
Hafenanlage in der Bucht von Narinda (auf halbem Weg zwischen
Mahajanga und Nosy Be) vorgeschlagen. Die Abgelegenheit dieser
neuen Hafenanlage wäre durch die Exportmöglichkeiten
des Hinterlandes, so etwa von Chrom aus Befandriana und den
Aufbau einer Zementindustrie in Antonibe (an der Bucht von
Narinda gelegen), einer Fischereiindustrie und einer
Touristenindustrie gerechtfertigt gewesen. Doch das mit südafrikanischem
Kapital liierte Projekt der frühen 1970er Jahre kam in die
Schublade. (1993 interessierten sich italienische Kreise an der
Wideraufnahme dieses Vorhabens mit dem Ziel, einen Freihafen zu
schaffen.)
Unzählige
Orte entlang der Küste zwischen Maintirano und Analalava werden
auch heute noch mit den motorlosen Boutres versorgt, die im
Herzen der Stadt Mahajanga noch immer einen eigenen Hafen
vorfinden. Auch in Marovoay im Inneren der Betsiboka-Bucht
findet sich ein Boutre-Hafen. Die Segelfrachter transportieren
heute noch Waren den Betsiboka hinauf und hinunter.
Die
Stadt Mahajanga existiert seit wenigen Jahrhunderten und war
schon immer eine kosmopolitische Handelsstadt, auf das Meer und
auf das Hochland ausgerichtet. Das Provinzwappen zeigt drei
Segelfrachter und den breit ausladenden Baobab, der mitten in
der Stadt steht.
Mahajanga
ist keine Sakalava-Stadt, sie machen nur gerade 10% aus. 83% der
Bewohner der Stadt Mahajanga sind Immigranten, die durch die Möglichkeit
einer Arbeitsstelle angelockt wurden. Dabei sind etwa
dreiviertel wirkliche Einwanderer, die auch beabsichtigen, dort
zu bleiben, oft sind es Merina, Betsileo und Tsimihety. Die
temporären Immigranten hingegen bleiben nur drei bis fünf
Jahre, um mit ihren Ersparnissen wieder in ihre Heimatgebiete
zurückgehen, so beispielsweise die Antaisaka und Antandroy.
Diese Leute aus dem Süden - meist Männer - üben nebst den
Komorern die geringeren Jobs aus. Sie ziehen zum Beispiel die
total 789 Pousse-pousse der Stadt oder fahren eines der 157
Taxis.
Die
Arbeitslosigkeit ist gross, der informelle Sektor ebenfalls. Von
den bezahlten Arbeitsstellen bietet die Textilindustrie mit rund
7000 Arbeitsstellen 29,6% und die Administration einen Viertel
(24,4%) der Jobs.
Die
Stadt Mahajanga dominiert die Provinz, obwohl sich nordöstlich
davon eine reiche Baumwollregion und Tabakgegend befindet. Diese
wichtige Zone entlang der RN 6 von Antananarivo nach Diégo-Suarez
hat in den letzten Jahrzehnten eine wilde Einwanderungswelle
erlebt.
Die
Tiefebenen zwischen Mampikony über Port-Bergé nach Antsohihy
waren in früheren Jahrhunderten eher Transitzonen, wohl nur
sehr dünn von den viehzüchtenden Sakalava bewohnt. Erst zu
Beginn des 20. Jahrhunderts liessen sich die Tsimihety aus den
östlich gelegenen Bergorten Mandritsara und Befandriana
nieder. Die Tsimihety machen heute etwa 80% der Bewohner dieses
Korridors aus. Damit verdrängten sie die Sakalava in die
Randgebiete der Küste, zum Beispiel in den etwas vergessen und
abseits gelegenen Küstenort Analalava, der heute noch zu 60%
von Sakalava bewohnt wird.
Die
über 200 Tage lange Trockenzeit pro Jahr hat einen Savannengürtel entstehen
lassen, der unterbrochen wird von Trockenwäldern und
fruchtbaren Ablagerungsbassins im Einflussbereich von Flüssen.
Die noch immer reichlich bewaldete Zone unterliegt jedoch einer
unkontrollierten Abholzung, oft durchgeführt von Leuten, die
nicht in der Region wohnen.
In
der Gegend von Mampikony bis Port-Bergé herrscht der Anbau von
Baumwolle und Tabak vor. In den 1930er Jahren sicherten sich
europäische Siedler grosse Landkonzessionen für den Anbau
von Tabak. In ihrem Schlepptau kamen Merina und Betsileo, aber
auch Antandroy aus dem Süden und Leute aus dem Südosten der
Insel. Um 1960 wurden von europäischen Unternehmen
Baumwollplantagen eingerichtet.
Baumwolle
und Tabak benötigen den gleichen Biotop und stehen somit in
Konkurrenz zueinander. Die Anbaufläche dieser beiden
Kulturen schwankt daher von Jahr zu Jahr, nicht zuletzt auch als
Resultat der jeweiligen Performanz der Staatsunternehmen HASYMA
(Baumwolle) und OFMATA (Tabak). In den letzten Jahren steigt die
Produktion von Baumwolle tendenziell, während für Tabak
ein genereller Rückgang der Anbaufläche zu verzeichnen
ist, obwohl noch immer etwa 40% des madagassischen Tabaks in
dieser Zone geerntet wird.
Das
Management der Baumwolle wird von der HASYMA (hasy malagasy),
die 1979 aus der verstaatlichten CFDT (1958 entstanden)
hervorgegangen ist. Die etwa 20’000 Tonnen Baumwolle der Region
um Port-Bergé werden nach Mahajanga (SOTEMA), Antananarivo (SOMACOU)
und nach Antsirabe (COTONA) geliefert.
HASYMA
unterhält in Madagaskar insgesamt fünf Baumwollfabriken,
so unter anderem in der Stadt Mahajanga und in Antsohihy.
Auf
550 ha wachsen Kokosbäume in der Küstenzone um Analalava
und lieferten 1989 1850 Tonnen Kokosnüsse.
Die
Küste mit ihren Mangrovenwäldern - aber auch die vielen Süsswasserläufe
- sind Tätigkeitsgebiet von 1500 Fischern.
In
den Savannenregionen und auf den abgeholzten Plateaus weiden
zahlreiche Rinderherden. Aus dieser Region wird eine beträchtliche
Anzahl Rinder in die Provinz Tamatave verkauft, die in grossen
Trecks ab Mampikony via Lac Alaotra an die Ostküste getrieben
werden.
Östlich
dieser Plantagenzone steigt die Landschaft hoch zu den Hügeltälern
der Tsimihety, die laut einer Sage die Nachkommen von europäischen
Piraten sein sollen, was aber wohl eher dem Bereich der Legende
zuzuordnen ist. Auf der Ostseite der Strasse von Antananarivo
nach Diégo-Suarez liegen die Täler von Befandriana, als ob
diese Region an das Tsaratanana-Gebirge und die Wälder des
Ostabhangs gedrückt wäre. Die Städte Bealanana,
Befandriana und Mandritsara gehören administrativ zwar zur
Provinz Mahajanga, haben aber infolge ihrer peripheren Lage mit
dieser Provinz nicht viel zu tun. Sie sind eher zur Ostküste
hin ausgerichtet, doch auch dort fehlen die Strassenverbindungen
zu Mananara oder Andapa. Die hügelige Gegend ist eigentlich
eine relativ autonome Insel inmitten der Insel Madagaskar.
Die
Enklave liegt im Windschatten der Ostwinde und hat zwei klar
getrennte Jahreszeiten: kalte Trockenzeit von Mai bis November
und von Dezember bis April tägliche Starkregen, die durch
ihren Aufprall die Erosion der steilen Hügel beschleunigen. Nur
zwischen Mai und Oktober - der Saison der Ernte - sind die Wege
einigermassen offen, dann finden auch die Feste und Feiern
statt.
Die
von häufigen Morgennebeln bedeckte Landschaft der Tsimihety
ist eine Landwirtschaftsgegend und Viehzuchtregion. Die
Tsimihety wanderten vor Jahrhunderten von Osten her ein und
stellen heute noch über 80% der Bevölkerung. Sie bauen
Reis an und halten Vieh vor allem aus sozialem Prestige und für
ihre Festlichkeiten. Kommerzialisiert oder eigenkonsumiert
werden die Rinder nur in geringem Mass.
Die vielen Vorfälle von Viehdiebstahl bilden ein ungelöstes
Problem dieser Bergregion.
Die
Gegend ist - via den Rindermarkt von Mandritsara - auch ein
starkes Transitland für Vieh aus dem Nordwesten, das dann zu
70% in die Provinz Tamatave (Lac Alaotra) und in geringerem
Umfang nach Andapa und Sambava weitergetrieben wird. Dieser
Viehhandel ist jedoch im wesentlichen eine Angelegenheit der
ortsfremden Betsileo und Antandroy, die Tsimihety nehmen daran
kaum teil.
Die
Täler liegen um 800 bis 1000 müM und sind mit Reis,
Maniok, Mais und Bananen bepflanzt. Die Region hat einen hohen
Reisüberschuss, rund 30 - 50% der Reisernte wird verkauft, so
gut wie 100% der Knollenfrüchte wird selbst gegessen. In der
Region wird rongony (Haschisch) in grösserem Stil angebaut.
Auf den höheren Lagen über 1000 müM werden zwischen den
Waldgebieten Vanille, Kaffee und Pfeffer gepflanzt - die Ernte
wird auf dem Rücken nach Andapa getragen.
Dieses
Hügelgebiet ist insofern speziell, als es sowohl einen
Immigrationsstrom aufweist, als auch jährlich 25’000
junge Leute abwandern sieht - die meisten gehen zwar nur auf
Zeit zur Baumwollernte nach Port-Bergé oder zur Kaffeeernte an
die Ostküste. Andere jedoch emigrieren für immer: in der
Region zwischen Antsohihy, Port-Bergé und Mampikony sind über
80% der Leute Tsimihety-Kolonisten. Andere haben sich in
Besalampy und Maintirano an der Westküste niedergelassen.
Andererseits
strömen aus dem Hochland (Betsileo, Merina, Sihanaka) und
vom Südosten (Antaisaka, Antandroy) Immigranten in die Region:
sie sind auf der Suche nach Land oder wollen sich als Händler
betätigen. Touristisch hätte die Zone eine
Thermalquelle und einen eindrücklichen Wasserfall in
Mangindrano zu bieten, allerdings verirren sich so gut wie nie
Touristen in diese Gegend.
Zwischen
Mahajanga und Antananarivo schiebt sich ein fast menschenleerer
Gürtel, ein karger Riegel, der vom Meer bis ins Tsimihety-Land
reicht. Diese unzugängliche Region, durchzogen mit Hügeln,
die langgezogen von Nord nach Süd verlaufen, ist durchsetzt von
Gewässern, die während der Regenzeit sämtliche
Kommunikation während mehreren Monaten unterbrechen und
durch ihr Wasser oft genug Strassen und Reisfelder zerstören.
Die
wenig bevölkerte und vornehmlich als Viehweide benutzte
Region befindet sich ausserhalb jeglicher Kommunikationswege.
Nur die RN 4 - die Strasse von Antananarivo nach Norden - führt
wie ein Fremdkörper durch dieses no man's land mit einer
Bevölkerungsdichte von 1 bis 2 Pers/ km2.
Entlang der Strasse sind zwar ein paar Siedlungen entstanden und
auch der einzig grössere Ort, Maevatanana, liegt an der RN
4. Doch schon wenige Kilometer ausserhalb dieser Inseldörfer
wohnt so gut wie niemand.
In
der Region von Maevatanana werden Erdnüsse und Tomaten
angepflanzt. Der Abtransport dieser Produkte stellt wegen der RN
4 keine Probleme dar. Im Gegensatz dazu sind die Gebiete
westlich der RN 4 bezüglich Handel und Transport in den Händen
einer kleinen Kommerz-Oligarchie. Betsileo und Merina, aber auch
Griechen und vor allem Indo-Pakistaner kümmern sich um den
Aufkauf und Abtransport von landwirtschaftlichen Gütern oder
den Import von Grundbedürfnisartikeln, die meist aus Mahajanga
geliefert werden und an zweiter Stelle aus Antananarivo.
Während
die östliche Hälfte der Provinz eher homogen ist,
bildet die westliche Hälfte ein kosmopolitisches Gemisch
aus vielen Völkern Madagaskars, wobei die ebenfalls
eingewanderten Merina aber einen Anteil von 30 - 50 % haben.
Die
früher von den Sakalava bewohnte Zone zwischen den Flüssen
Betsiboka und Tsiribihina wurde ein Einwanderungsgebiet von
Hochlandleuten (Merina und Betsileo), von Leuten aus dem Südosten
(sehr vielen Antaisaka, Antanosy), die mit einer
landwirtschaftlichen Nutzung der geeigneten Böden begannen,
insbesonders im Schwemmland der Täler, so an den Unterläufen
der - oft nur kurzen - Flüsse im Westen. Diese Flüsse können
aber unberechenbar anschwellen und die Reisfelder überschwemmen
und versanden, so wie 300 ha nördlich von Besalampy,
verursacht durch den sonst zahmen Fluss Sambao.
Doch
die Region bleibt unterbevölkert (4,5 Pers/ km2
in der Region um Maintirano), jedoch mit riesigen Regionen von
weniger als 2 Pers/ km2,
wie etwa zwischen Soalala und Ambatomainty.
Dazu
kommt die völlig ungenügende Infrastruktur: viele Orte
sind sechs Monate im Jahr von der Umwelt abgeschlossen.
Ein
gravierendes Sicherheitsproblem (dahalo) besteht seit Jahren,
gefolgt von einer rasanten Erosion der staatlichen Dienste.
Keine 30% der Kinder gehen in die Schule
- nicht nur
aus Angst vor dahalo-Attacken und Lehrermangel, sondern auch,
weil sie ihren Eltern auf den Feldern oder als Viehhirten helfen
müssen. Ein Drittel der Gesundheitsposten und ein gleicher
Prozentsatz der Schulen ist geschlossen. Die Dörfer werden
oft verlegt, andere aufgegeben.
Die
Einwanderer haben jedoch mit dem Pflanzen von Reis, Maniok und
Mais begonnen und dies mit Erfolg. Die Antaisaka werden in
dieser Region auch Betsirenaka genannt: jene, die nie Hunger
haben. Ein sehr hoher Grad an Eigenkonsum ist festzustellen.
Der
Anbau von Kaperbsen war in den 1960er Jahren für die Region
zwischen Maintirano, Besalampy und Ambatomainty von grosser
Bedeutung, vor allem auch für den Export nach England. Dieses
Geschäft ist allerdings inzwischen eingeschlafen, ebenso
wie die einst berühmten Haine von Veromanga (östlich des
Hafenortes Tambohorano) mit ihren süssfruchtigen Orangen, die
in ganz Madagaskar bekannt waren.
Raphia
(in Besalampy, Ambatomainty, Maintirano) brachte früher mehr
Einkommen als heute, wo der Abtransport Probleme bereitet.
Nur
noch 1040 ha Kokospalmen werden bewirtschaftet (in Tambohorano
und in Maintirano), die Produktion wird nach Mahajanga
transportiert oder in Maintirano verarbeitet. Dort stellt ein
Betrieb (SIK) mit 60 Angestellten Seife her.
Diese
dünnbesiedelte Zone hat jedoch eine grosse Bedeutung als
Rindergebiet, allerdings weniger im ökonomischen Sinn, denn
die Rinderzahl wird eher als Prestige denn als wirtschaftliches
Investment betrachtet. Es sind vor allem die Sakalava, die sich
der Rinderzucht - oft in extensiver Weidehaltung - widmen.
Die
- meist nur zeitweilig eingewanderten - Bara kümmern sich vor
allem um den Viehhandel und begleiten das Vieh auch zum grossen
Viehmarkt von Tsiroanomandidy in der Provinz Antananarivo. Es
gibt richtige Viehtrails von Morafenobe nach Tsiroanomandidy,
auch von Ambatomainty her nach Tsiroanomandidy. Von den östlicher
gelegenen Gebieten werden die Rinder in Kandreho gesammelt und
dann nach Tsiroanomandidy getrieben. Andere werden auf dem
Strassenweg per LKW direkt nach Antananarivo oder nach Tamatave
gebracht.
Die
Präsenz von Rindern macht die Zone auch sehr unsicher und
anfällig auf dahalo.
In
den 1960er Jahren war eine Autofahrt von Morondava bis Mahajanga
in einem Tag zu machen, heute kommt diese 800 km lange Tour
einer gewagten Expedition gleich, die kaum je unternommen wird,
obwohl sie an den atemberaubenden tsingy des Bemaraha-Gebirges
vorbeiführt und der mangrovenbestandenen Küste folgt.
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