Entwicklungshilfe
Der
erste Madagasse, der ein 'Stipendium' im Ausland erhielt, war
Andriandramaka, ein junger Mann aus Fort-Dauphin, der 1614 von
den Portugiesen nach Goa mitgenommen wurde, um dort eine religiöse
Unterrichtung zu erhalten. Nach seiner Rückkehr wurde er
Clanchef und begrüsste Jahre später die erstaunte
Mannschaft eines ankommenden französischen Schiffes mit
einem herzlichen 'per signum santae crucis'.
Gelegentlich
wurden noch weitere Madagassen von kirchlichen Kreisen ins
Ausland gebracht und in der christlichen Religion unterwiesen.
Eine Ausstrahlung hatten diese Aktivitäten allerdings kaum.
Ein paar Stipendiaten aus Imerina gelangten im frühen 19.
Jahrhundert auf britische Initiative hin nach Mauritius und nach
England, wo sie vor allem Handwerkskünste erlernten.
Die
ersten 'Entwicklungshelfer' in Madagaskar waren Militärausbildner
zu Beginn des 19. Jahrhunderts am Hof von Radama I und 1703 im
Dienste der Sakalava-Könige in Boina.
Die
Missionare leisteten seit Beginn ihrer Aktivitäten
'Entwicklungshilfe': vor allem im Schulbereich, dann aber auch
in der Landwirtschaft und im Bauwesen. Diese Tätigkeiten
wurden auch während der Kolonialzeit weitergeführt.
Allerdings drehten sich viele Aktivitäten um den ortsansässigen
Missionar, der Motor und Garant der Errungenschaften war. Bei
seinem Weggang und einem weniger motivierten Nachfolger übernahm
die Bevölkerung in vielen Fällen keine Verantwortung für
die erstellten Bauten (z.B. Brunnen).
Erst
mit der Unabhängigkeit - und mit der Schaffung von
Agenturen für Entwicklungshilfe in Europa - wurde das Land vom
humanitären Markt entdeckt. Die in den 1960er Jahren - noch
unter französischer Kontrolle - gestarteten grossen
Operationen regneten als technischer Segen von oben auf die
betroffene Bevölkerung herab, die kaum in die Aktivitäten
integriert war. Keines der technischen Projekte der 1960er Jahre
brachte der ruralen Bevölkerung einen Fortschritt. In der
Zeit von 1960 bis 1972 verarmte die Landbevölkerung um 30%.
Die
Entwicklungshilfe im grösseren Stil begann erst in den
1970er Jahren, wobei die beteiligten Agenturen ganz
unterschiedliche Auffassungen von 'Entwicklung' und der
anzuwendenden Methode hatten. Der Gedanke, dass die Bevölkerung
an den Projekten in Planung und Entscheiden beteiligt sein
sollte, setzte sich nur langsam durch.
In
den 1980er Jahren wurde Madagaskar zum klassischen
Entwicklungsland, auch weil es in die Liste der ärmsten Länder
abglitt. In diesen Jahren kamen eine Unzahl an
UNO-Organisationen, nationale staatliche Agenturen und private
Hilfsorganisationen ins Land und hatten unterschiedliche Ziele
und verschiedene Erfolge. Tatsache bleibt, dass zwar punktuelle
Verbesserungen erreicht wurden, aber das Land und seine Bevölkerung
auch nach 40 Jahren und mehr Entwicklungshilfe kaum besser
dasteht. Zudem haben fast alle der in den 1970er Jahren
geschaffenen Kooperativen Schiffbruch erlitten. Hingegen konnten
sich einzelne Politiker und geschickte Akteure am
Entwicklungskuchen mehr als satt essen. Trotzdem haben einzelne
Bemühungen Erfolge gebracht, so etwa Ausbildungen mit
nachfolgender beruflicher Begleitung und Mithilfe im Aufbau von
dörflichen Gruppierungen. Vor allem aber haben die ausländischen
Agenturen ein Mass an Konstanz gebracht, das sich positiv auf
viele Bereiche auswirkte. Und nicht zuletzt haben sie Arbeitsplätze
geschaffen, durch ihren immensen Wagenpark, ihre Bürofluren und
ihre zahllosen landesinternen Dienstreisen Wirtschaft und Handel
angekurbelt und zuweilen angeheizt, so bei den Löhnen und
Spesengeldern. Die mittlerweile in Entwicklungszusammenarbeit
umgetaufte paternalistische Entwicklungshilfe ist in keinem Fall
über jeden Verdacht erhaben.
Generell
erhält Madagaskar Hilfe von drei Quellen: von bilaterale
Agenturen, internationalen Organismen und nichtstaatlichen
Organisationen.
Die
bilaterale Hilfe macht etwa die Hälfte der ausländischen
Hilfe aus und 80% der technischen Zusammenarbeit. Etwa 95% der
Hilfe kommt vom Westen und von Japan.
Frankreich
steuert etwa einen Drittel bis einen Viertel der gesamten Hilfe
bei. (Zwischen 1973 und 1978 war die französische Hilfe auf
18% gesunken.) In der bilateralen Hilfe stellt Frankreich 60%
der Hilfe. Frankreich hat zwei Arme der Entwicklungshilfe: F.A.C.
(Fonds d'aide et de Coopération français) und CCCE (Caisse
centrale de coopération économique, die sich seit 1992 CFD (Caisse
française de développement) nennt). Die Franzosen versuchen,
Wirtschaft und Finanzen Madagaskars auf Vordermann zu bringen,
sind im Bildungsbereich und Gesundheitswesen tätig und
unterstützen Infrastrukturvorhaben. 1989 waren 356 französische
Coopérants tätig: 244 als Lehrer und 112 Techniker.
Die
Japaner haben sich unter Ratsiraka, dem sie bis zuletzt die
Stange hielten, stark in Madagaskar engagiert und wurden im
Laufe der Jahre zum zweitwichtigsten bilateralen Geldgeber. Sie
halfen insbesonders, das Strukturanpassungsprogramm zu
finanzieren, finanzieren Agroprojekte, Fischereiprojekte,
liefern Transportmittel (insbesonders Stadtbusse). Im Süden
sind sie im Trinkwasserbereich tätig. Zudem liefern sie
etwa 3000 Tonnen Reis (aus Thailand) pro Jahr. Neuerdings sind
sie auch im Gesundheitswesen tätig und wollen Spitäler
rehabilitieren. Japan hat so gut wie keine Coopérants vor Ort.
Die
Schweiz lag mit 13,6% der bilateralen Hilfe jahrelang an dritter
Stelle und war in den Bereichen Agroforesterie, Kommunikation
und Gesundheit tätig. So wurde die RN 2 von Antananarivo
bis nach Moramanga gebaut, ebenso wie die Piste von Moramanga
nach Ambatondrazaka rehabilitiert wurde. Im Gesundheitswesen war
die Schweiz in den 1980er und 90er Jahren der grösste
bilaterale Geldgeber. Eine wichtige Hilfe brachte das Schweizer
Katastrophenhilfecorps (SKH), das ab 1991 den vom Zyklon Cynthia
zerstörte Kanal Dabara in der Region von Morondava
rehabilitierte. Engagiert wurden die Bauern der Umgebung, die
mangels Wasser keine Saat ausbringen konnten. Mit 2000 bis 2500
Bauernarbeitern, die zu 60% in Geld und zu 40% in Reis entlöhnt
wurden, wurde das um die 100 km umfassende Kanalsystem wieder
repariert.
Anlässlich
des noch immer unaufgeklärten Mordes am verantwortlichen
Ingenieur des umfangreichen Strassenbauprojekts zog sich die
offizielle Schweizer Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) aus
Madagaskar zurück. Trotzdem sind noch Schweizer Aktivitäten
in Madagaskar vertreten, dies durch die Organisation Intercoopération,
sowie durch kleinere Hilfswerke.
Seit
1981 arbeitet USAID wieder im Lande, nachdem die USA in den
ersten Jahren der Zweiten Republik als Imperialisten verschrien
waren und ihnen eine dubiose diplomatische Affäre
nachgesagt wurde. USAID arbeitet in der Familienplanung,
Reisforschung, im Umweltbereich und Ausbildung. Zudem leistete
die USA mit über 20’000 Tonnen Mais und Reis massive
Nahrungshilfen, so 1991 - 93 während der Dürrekatastrophe
im Süden.
Die
BRD, seit 1961 mit Projekten im Land vertreten, strich 1990 alle
öffentlichen Schulden (225 Mio. DM) Madagaskars und
arbeitet via GTZ in der artisanalen Fischerei (Nosy Be), in
integrierten Programmen (Port-Bergé), im Gesundheitswesen (Mahajanga),
in der Viehzucht (Sakay), in Infrastrukturprogrammen und in der
Sporterziehung. Zudem leistete die BRD einen wesentlichen
Beitrag zum Notprogramm der Welternährungsorganisation
(PAM/WFP) im Süden während der Hungersnot 1991/93. Auch
die grösste nichtstaatliche Hilfsorganisation der
Bundesrepublik, die Deutsche Welthungerhilfe, ist mit einem
substantiellen Projekt in der Region um Farafangana vertreten.
Die DWHH, in Madagaskar als Agro Action Allemande bekannt, fördert
dort die bäuerliche Produktion mit einem breiten Angebot an
Aktivitäten.
Die
norwegische Hilfe hat einen Anteil an 4% der bilateralen Hilfe
und ist vor allem auf die Region um Antsirabe konzentriert,
wobei Milchwirtschaft und Viehzucht Schwerpunkte bilden, ebenso
wie die Propagierung von Kartoffeln und Weizen. Zudem liefern
die Norweger um die 10000 Tonnen Dünger pro Jahr. Das
norwegische Büro (NORAD) in Antananarivo wurde allerdings 1992
geschlossen.
Die
Briten stellen eine bilaterale Hilfe von jährlich um die
400’000 Pfund.
Neu
auf dem Hilfemarkt ist Italien, das vor allem vier italienische
ONG unterstützt, die rund 20 Coopérants vor Ort haben. Die
Italiener finanzierten insbesonders die Wasserversorgung der
Stadt Diégo-Suarez.
Die
Hilfe aus den Ostländern beschränkt sich vor allem auf
das Gewähren von Stipendien. Nur wenige Projekte im Land
wurden realisiert. Der Pangalana-Kanal und die Strassenprojekte
in der Region von Vatomandry (Vatomandry - Mahanoro - Marolambo)
wurden von russischen Fachleuten erbaut. Die ex-UdSSR war auch
in der Erstellung einer Mühle in Tamatave und in der
Prospektion von seltenen Metallen tätig.
Mit
dem Zusammenbruch der UdSSR wurden allerdings diese Aktivitäten
Ende 1991 eingestellt. Madagaskar ist gegenüber der UdSSR,
respektive dem rechtlichen Nachfolgestaat Russland, massiv
verschuldet (480 Mio. US-$), was durch Materiallieferungen
(Sisal, Kaffee, Nelken, Kleider) abgebaut werden soll.
Mit
chinesischer Hilfe entstanden ab 1972 die Strasse (RN 35) von
Malaimbandy nach Morondava, die Zuckerfabrik von Morondava (SIRANALA)
und die Pharmafabrik OFAFA. Ebenso leistete China mit dem 229 km
langen Bau der Strasse RN 2 von Moramanga bis nach Tamatave
einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Kommunikation.
Die
multilaterale Hilfe wird von Weltbank und FMI dominiert. Seit
1982 gewährt die Weltbank Kredite, vor allem für die
Industrie und im Energiebereich. 1988 repräsentierten die
Gelder der Weltbank 24% der externen Finanzen.
Die
BAD (Banque africaine de développement) und die EG (FED) sind
ebenfalls wichtige Geldgeber, vor allem für rurale Projekte und
im Infrastrukturbereich.
Die
UNO-Organisation PNUD stellte 1988 7,8% der Projekte der
technischen Zusammenarbeit. Hauptziele sind: Selbstversorgung im
Nahrungsbereich, Erhöhung der Exporte, Anheben der
Lebensniveaus der Bevölkerung. Die weiteren Agenturen der
UNO-Familie (FNUAP, OMS, FIDA, FAO, UNICEF) stellen weitere 5%
der externen Hilfe aller im Lande tätigen Projekte.
Nicht
zu vernachlässigen sind die oft kleinen Aktionen von europäischen
und amerikanischen ONG (Nichtregierungs-Organisationen), die oft
sehr punktuell agieren, dort aber einen wichtigen Beitrag
leisten. Die Mitarbeiter dieser Organisationen (CARE, HANDICAP
INTERNATIONAL, WWF und zahlreiche mehr) haben meist einen sehr
hohen Motivierungsgrad, leiden aber oft unter Finanzknappheit
und internen Managementfähigkeiten. Etliche stehen unter
einem kirchlichen Schirm, wie etwa die US-amerikanische CRS (Catholic
Relief Services). Im Forschungsbereich von Flora und Faune sind
auch Universitäten (z.B. Yale University; Duke University,
Washington University) und Zoologische Gärten aktiv. Sie
engagierten sich auch im Umweltschutz für Fauna und Flora und
unterhalten neben der Grundlagenforschung auch
Entwicklungsprojekte.
|