Magen-Darm-Grippe - eine Lebensmittelvergiftung?
Durchfall, kaum kontrollierbares Erbrechen und Übelkeit - «Es goht ä Mage-Darm-Grippe umä» lautet da sehr oft die Diagnose. Dass es sich dabei um eine Lebensmittelvergiftung handeln könnte, scheinen aber die wenigsten Erkrankten zu wissen.
Denn durch Lebensmittel verursachte Erkrankungen werden in der Schweiz immer noch vor allem mit bakteriellen Erregern in Verbindung gebracht. Im Bewusstsein der Bevölkerung sind primär Salmonellen und - in den letzten Jahren - zunehmend auch Campylobacter. Im Gegensatz dazu werden Viren nicht mit lebensmittelbedingten Infektionserkrankungen assoziiert. Denn die Erkrankung klingt in der Regel nach kurzer Zeit ab, so dass nur ein sehr kleiner Teil der erkrankten Personen den/die Hausarzt/-ärztin aufsuchen. Geht man trotzdem zum Arzt, wird heute nach dem Ausschlussprinzip verfahren. Bei Fällen, die nicht bakteriellen Erregern zugeordnet werden können, wird eine virale Ursache vermutet. Die Viren selbst werden jedoch nicht routinemässig erfasst. Dies ist zwar medizinisch gerechtfertigt, denn ein positiver Labornachweis hätte in der Regel keine spezifische Behandlung zur Folge. Zudem sind in Anbetracht explodierender Gesundheitskosten auch in der Diagnostik Prioritäten zu setzen. Aus epidemiologischen Überlegungen wären jedoch solche Untersuchungen wünschenswert, könnte man sich doch so einen Überblick über die Situation in der Schweiz verschaffen.
Epidemiologie
Viren sind in Ländern mit epidemiologischer Überwachung seit langem bekannt und von zunehmendem Interesse, da sowohl ihre tiefe infektiöse Dosis (10 -100 Viruspartikel können bereits eine Erkrankung auslösen), als auch ihre vielfältigen Übertragungswege Epidemien begünstigen. Insbesondere in Institutionen mit engen Verhältnissen und vielen Personen wie z. B. Spitälern, Alters- und Pflegeheimen, scheinen virale Ausbrüche eine wichtige Rolle zu spielen. Aber auch verunreinigtes Trinkwasser kann bei der Übertragung von Viren eine wichtige Rolle spielen, wie das Beispiel von La Neuveville (BE) zeigte. Trotz Aufruf der Behörden das Trinkwasser, welches mit Fäkalbakterien und mit Viren kontaminiert war, abzukochen, erkrankten rund 2'800 Personen an Durchfall, Erbrechen und Fieber. Dies war die bisher grösste Epidemie der letzten Jahrzehnte, die in der Schweiz durch ein Lebensmittel (Trinkwasser) verursacht wurde! Im Kanton Basel-Landschaft wurden 1998 mindestens 2 Epidemien mit rund 50 Erkrankten durch das Kantonale Laboratorium bearbeitet. Es muss jedoch von einer erheblich grösseren Dunkelziffer ausgegangen werden. Und obwohl die Dauer der Erkrankung kurz ist und das Krankheitsbild als eher mild eingestuft wird, dürfte die vermutete Anzahl der betroffenen Personen beträchtliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
Klinische Symptome
Durch Viren verursachte Erkrankungen sind charakterisiert durch eine mittlere Inkubationszeit von 24 - 48 Stunden, wobei man unter der Inkubationszeit die Zeit zwischen der Aufnahme des Erregers und der Ausbildung von ersten Krankheitssymptomen versteht. Die Dauer der Erkrankung ist kurz und liegt im Mittel zwischen wenigen Stunden und 2 - 3 Tagen. Charakteristischerweise führt die Infektion bei mehr als 50 % der Erkrankten zum Erbrechen, das oftmals als explosionsartig und kaum kontrollierbar beschrieben wird. Weitere typische Symptome sind Übelkeit, Durchfall, Bauchkrämpfe und leichtes Fieber bis ca. 38,5 °C. Patientinnen und Patienten berichten oft auch von starken Kopfschmerzen.
Übertragung
Ausgangspunkt der Infektkette ist immer der Mensch, der die Erreger in der akuten Krankheitsphase und bis zu 5 Tagen nach Abklingen der Krankheitssymptome mit dem Stuhl ausscheidet. Die Viren werden somit via fäkal-oraler Route übertragen, wobei die Ansteckung direkt durch akut erkrankte Personen oder aber durch fäkal verunreinigte Lebensmittel, respektive Wasser (Trinkwasser, Schwimmbadwasser) erfolgt. Nachfolgende Erkrankungen innerhalb von Familien und Lebensgemeinschaften sind ein weiteres charakteristisches Kennzeichen dieser Erreger. Als «Risikoprodukte» gelten in erster Linie primär kontaminierte Produkte wie Austern und Muscheln oder aber sekundär - via infizierte Personen - kontaminierte Lebensmittel wie kalte Speisen, Salate und Dessertprodukte, die keiner Erhitzung mehr unterworfen wurden.
Therapie
Infektionen mit Viren bedürfen keiner speziellen Therapie und sind wie andere akute, infektiöse Erkrankungen zu behandeln. In der Regel klingt die Erkrankung spätestens nach drei Tagen ab.