Zu Risiken und Nebenwirkungen des Krankenversicherungsgesetzes

 von Dr. med. Reto Pinösch (erschienen im BaZ-Forum vom  28. Oktober 1999)

 

Das Publikum wurde in Sachen Kranken­versicherung durch die bisherige Berichterstattung in den Medien mehr verwirrlich als verständlich informiert. Es könnte der Eindruck entstehen, dass angesichts der vorherrschenden Marktschreierei bei Themen wie Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen, Möglichkeiten zur Prämienreduktion für Patienten, Qualität der Leistungen etc. einzig die Ärzte nichts anzubieten hätten. Andauernder Beschuss der Bevölkerung mit immer neuen «Offerten» führt zu stetig grösserer Verunsicherung bei denen, die schliesslich die Zeche zu berappen haben (Prämien und/oder Steuern), also eigentlich allen, die irgendwann die Dienste unseres heute noch einigermassen guten und funktionierenden Gesundheitswesens in Anspruch nehmen müssen. Verwirrspiele mit je nach Bedarf verlockenden oder erschreckenden, zumeist aber undurchsichtigen Zahlenbeigereien helfen letztlich niemandem weiter. Man ist versucht, wie im Krimi die Frage zu stellen: wer hat den Nutzen daraus?

Damit nicht umgehend Langeweile aufkommt, gibts die Antwort erst am Schluss!

Die Akteure

Und da liegt ein Grund, weshalb die Medien nur berichten, was Spannung unterhält, nämlich: wer am lautesten «brüllt», konkreter: welcher Versicherer am meisten Rabatte offeriert, wo noch dereguliert werden müsste, warum immer noch billigere Varianten und entsprechend häufigere Versicherungswechsel zu empfehlen seien etc.

Prediger von Wasser bevorzugen selbst gern Wein, wenn es um das eigene Wohl geht. Sie verzichten selten bis nie auf den direkten Gang zum Spezialisten (zu den üblichen Arbeitszeiten) und würden sich wohl kaum mit Einschränkungen von Auswahl an Leistungen zufrieden geben, wie sie im angepriesenen Managed Care System üblich sind. Und falls nachts ein Gichtschub schmerzt, lässt sich auf irgendeinen Hausarzt zurückgreifen, der gerade Notfalldienst leistet; die Nierenkolik landet meist ohnehin im Spital! Geschrieben darüber wird dann allerdings weniger. Weiss man es nicht besser, oder will man es gar nicht wissen?

Passend zur Herbstmessezeit besetzt so der «billige Jakob» das Feld mit mancherlei Versprechungen, bei denen im Ernstfall ganz rasch das Kleingedruckte übergross lesbar wird!

Und dabei gibt es die Möglichkeit, bei Erfordernis nicht nur auf die Tat, sondern - sozusagen präventiv - von vornherein auf den Rat des bewährten Fachmannes abzustellen, der einen respektablen Leistungsausweis beibringen kann: den guten, alten Hausarzt!

Der Hausarzt

Und da das Problem: diesen guten, alten Hausarzt gibt es so nicht mehr! Er ist -wie die Ärzte insgesamt - noch komp­tenter und effizienter geworden, wird stetig besser aus-, weiter- und fortgebildet, gibt sich allmählich auch ein wenig selbstbewusst, lässt sich nicht länger benutzen wie das Tante-Emma-Lädelchen im Quartier (zwischen Supermarkt und Delicatessa am Samstag gegen Ladenschluss). Und ganz übel: er hat realisiert, dass es allen etwas bringen könnte, wenn sich Hausärzte über den reinen Praxisbedarf hinaus informieren, organisieren, vereinen, weniger als Manipuliermasse diverser Interessengruppen dienen! Kurz: er stört Leute mit dirigistischen Allüren, Leute, die ihn als bedrohlich empfinden, wohl ebenso Patienten, deren Begehrlichkeiten auf Widerstand stossen.

Erstaunlich: er hat Zukunft, dieser «neue» Hausarzt, denn in unserem Land merken früher oder später die meisten, dass es Sinn macht, einen Hausarzt zu haben, der verfügbar ist für die kleineren und grösseren Anliegen rund um die Gesundheit, raten und helfen kann, seine Grenzen kennt, mit Kollegen in Spezialdisziplinen und Spitälern bei Erfordernis eng zusammenarbeitet; der Gewähr bietet für Kontinuität, über die Familie Bescheid weiss, zur Hand geht in sozialen Belangen, Vermittler ist mit Lehrern, Behörden, Arbeitgebern usw.

Der Hausärzteverein Angenstein

Vielleicht ist der beschriebene Hausarzt auch - oder bald einmal? - der Ihre, möglicherweise Mitglied in einem Hausarztverein, wie es ihn seit drei Jahren in der Region Basel gibt mit Namen Hausärzteverein Angenstein (HVA, benannt nach dem Schloss nahe dem Gründungsort Aesch im Birseck), oder einem vergleichbaren Verein in Basel-Stadt oder im Fricktal. Das Kürzel HVA gibt leider immer wieder zu Verwechslungen (mit «HMO») Anlass. Doch der Schein trügt:

der HVA ist ein Verein mit 129 Mitgliedern in 25 Gemeinden des Baselbiets und im Dorneck, alle unabhängig in eigener Praxis tätig als selbstständige Unternehmer, nur ihren Patienten verpflichtet. Diese Kollegen dürfen frei Anschlussverträge zu Rahmenvereinbarungen mit Krankenversicherungen eingehen, damit kostenbewusste Patienten, die versichert sein möchten, ohne Hausarzt und/oder Kasse wechseln zu müssen, in sogenannte Hausarztmodelle eintreten können. Der Preis dafür: das (gemäss KVG) Kassenpflichtige wird vom Hausarzt koordiniert (wie häufig schon zuvor), der Lohn: ein Prämienrabatt von 10-15%. Wesentlich: Das Recht auf Mitsprache des Patienten bleibt dabei erhalten; hier wird nicht einfach verfügt!

Ab 1.1.2000 wird es für die Hälfte aller Patienten im Kanton Baselland und angrenzenden Gebieten zu solchen Modellen Zugang geben (angeboten von drei grossen Kassenorganisationen).

Das Anliegen des HVA

Auch ohne alle Modelle: für das Gesundheitswesen als Ganzes sind von Hausärzten unbürokratisch «gemanagte» Patienten seit jeher die kostengünstigeren Kranken, belegtermassen! Um dies als Alternative zum sich zunehmend abzeichnenden Dirigismus aufzuzeigen, hat der Vorstand des HVA die bisher geübte Zurückhaltung abgelegt. Wir wenden uns deshalb auch hier im «Forum» an die Öffentlichkeit, die ein Anrecht darauf hat, nicht nur einseitig, sondern umfassend informiert zu werden, über reines Sparen hinaus.

Erkennen wir nun das Motiv für so manche nur scheinbar undurchsichtigen Aktivitäten im «Markt Gesundheitswesen»? Wie sich schon lange in den USA erwiesen hat, fliessen dort unterdessen die Aufwendungen schlicht von den wahren Leistungserbringern weg, zu immer grösseren und aufgeblähteren Verwaltungs- und Kontrollapparaten mit jeder Menge Ökonomen und Juristen hin (auch eine Art Mengenausweitung). Die Medizin wird teurer, der Patient trotzdem nicht gesünder. Die Befürchtung: mit etwa zehn Jahren Verspätung werden das alle feststellen, aber dann haben wir uns bereits - und wohl auf unabsehbare Zeit - an Zweiklassen- bzw. an die Kassen delegierte Staatsmedizin gewöhnt. Lässt sich diese Entwicklung noch aufhalten, wenn die Leute endlich aufwachen und z. B. in Sachen Gesundheit der Einfachheit halber in der Regel zuerst ihren Hausarzt fragen? Dann hätten anonym ablaufende, schwer durchschaubare Mechanismen hierzulande weniger Chancen.

Unsere Botschaft in aller Kürze: der HVA ist (ganz im Gegensatz zur HMO) keine Kassenorganisation, sondern ein Verein echter Hausärzte, der mit dem Angebot von mehreren Hausarztmodellen grösstmögliche Freiheit für kostenbewusste Patienten und die ihnen vertrauten Hausärzte bietet, verbunden mit Prämienreduktion dank Kosteneinsparungen, und der damit eine wirkliche Alternative zulässt.


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