Gümpi

Nun sitzen sie wieder in ihren Schulbänken, der Adler, die Ratte, das Chriesi. Vorbei sind die Abenteuer des Zeltlagers im abgeschiedenen Bergtal. Doch ab und zu schauen die Schüler zum Fenster hinaus und lassen sich in ihren Tagträumen zurück zur Schmugglerjagd im Mondschein oder den spannenden Erzählungen am Lagerfeuer entführen.

Ich möchte Ihnen von Gümpi erzählen. Sie wurde vor ca. zehn Jahren so getauft, weil sie vor Begeisterung immer um ihre Führer "herumgumpte". Heute leitet die junge Frau eine Mädchenpfadi und organisierte zusammen mit ihren Kolleginnen das Sommerlager im Tessin.

Das Engagement dieser Pfadiführerinnen beeindruckt mich sehr. Ein- bis zweimal pro Woche treffen sie sich zu einem "Höck". Hinter dem romantischen Wort steckt eine ganz normale Sitzung, in der zum Teil hart gearbeitet wird. Es werden Jahres- und Quartalpläne er­stellt, Übungen für den Samstag ausgeheckt und Lager geplant. Oft müssen Konflikte verbalisiert und gelöst, schwierige Pfader besprochen und Lösungen für gruppendynamische Probleme gesucht werden.

Vor den Lagern wird die Arbeit intensiver. Damit die Gruppe von J+S (Jugend und Sport) finanziell unterstützt wird, muss jeder Lagertag schriftlich und bis ins Detail ausgearbeitet sein. Gümpi, die im Juni noch hinter ihren Maturaprüfungen geschwitzt hat, verbringt nun jede freie Minute beim Vorbereiten des SOLA's. Sie spricht mit den Eltern, klärt ab, ob die Kinder besondere Betreuung benötigen, plant Höhepunkte des Lagers, rekognosziert das Gelände, die möglichen Wanderungen und bewältigt den administrativen Kram mit dem J+S.

Die Verantwortung während des Lagers ist für die jungen Leiterinnen enorm. Kinder aus den verschiedensten Verhältnissen leben für zwei Wochen auf engstem Raum zusammen. Da genügen einige Regentage, ein missglücktes Geländespiel oder ein harmloser Streit, um die Atmosphäre zu vergiften. Doch schwieriger wird es für Gümpi und ihre Kolleginnen, wenn ein Unfall passiert. Obwohl selber noch fast Teenager, müssen sie ruhig Blut bewahren. In den Leiterkursen haben sie gelernt, wie sie die Verunfallten lagern müssen, wann sie transportfähig sind, oder ob zur Sicherheit die REGA zu benachrichtigen ist.

Nach zwei Wochen holen wir Eltern unsere Kinder am Bahnhof ab. Ihre strahlenden Augen lassen uns ahnen, dass sie etwas ganz Besonderes erlebt haben. Währenddem sie uns nun jedes Detail der Bestürmung der Ritterburg oder der Lagerolympiade erzählen, fallen Gümpi und ihre Freunde vor Erschöp­fung in eine Art Dauerschlaf. Sie sind zufrieden, das Lager ist gelungen, die glücklichen Gesichter der Pfäderli ihr Lohn.

Es gibt tausende von Gümpis in unserm Land. Mit grossem Idealismus leiten sie alle möglichen Jugendgruppen. Sie widmen fast die ganze Freizeit dieser Aufgabe. Einmal habe ich mit Gümpi ausge­rechnet, wieviel Zeit sie in die Pfadi investiert. Mit Sommer- und Pfingstlager, Samstag Nachmittagen, Leiterkursen und allen Vorbereitungen kommt sie auf fast zwei Monate Jugendarbeit pro Jahr.

Ich schäme mich, wenn ich sehe, dass nun auch bei ihnen immer mehr gespart wird. Die Reise ins Lager müssen sie selber bezahlen, das Porto für Ihre Briefe wird nicht mehr von J+S übernommen. Ihre Freiwilligenarbeit wird oft als selbstverständlich angenommen. Manchmal reichts von den Eltern nicht einmal für ein Dankeschön.

Vor einigen Jahren sammelten die Zuger Christlichsozialen Geld für alle Pfadiführer/Innen der Stadt. Der Erlös wurde als winziges Dankeschön in ein Fest für die jungen Idealisten investiert.

Eigentlich müsste man sie jedes Jahr einladen!

18. August 1997

 

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