Verzierdamen

Nun ist sie abgesegnet, die Fusion der beiden Grossbanken zur Megabank. Bereits haben wir uns an den Gedanken gewöhnt, und neue Fusionen von noch grösserem Ausmass machen Schlagzeilen.

Doch eine Meldung hat mir zu denken gegeben. Weder im Verwaltungsrat noch in der operativen Führung des Riesen ist eine Frau anzutreffen. Vorher, als die beiden Gesellschaften noch einfache Banken und nicht halbe Monopolbetriebe waren, sassen in beiden Instituten zusammen noch drei Frauen im Verwaltungsrat, eine bescheidene Zahl, doch immerhin.

Heute, wo der Gigant die Finanzwelt beherrschen möchte, braucht es das schwache Geschlecht nicht mehr. Ein PR Profi nannte sie "reine Verzierdamen, die im frauenfreundlichen Trend der achtziger Jahre gewählt wurden." Er meinte auch, dass diese Verzierungsperiode jetzt zu Ende sei.

Verzierdamen?!

Eigentlich könnte ich mir etwas Schönes darunter vorstellen, etwas Farbiges, das den grauen Alltag aufhellt, etwas das lebt. Doch Verzierung ist, so denken viele, ein überflüssiger Luxus, auf den man ohne weiteres verzichten kann. Nachdem durch die Fusion Milliardengewinne abgeschöpft worden sind, ist nur noch Platz da fürs knochenharte Geldverdienen; Verzierung oder Kreativität behindern das Geschäft. Das macht mir Angst.

Es ist schon längst erwiesen, dass Frauen komplexe Fragen und Probleme anders angehen als Männer. Währenddem ein Mann sich auf ein klar definiertes Teilgebiet konzentriert und rechts und links nichts anderes wahrnimmt, bis seine Frage zufriedenstellend gelöst ist, betrachtet die Frau eher das Ganze. Sie schält vielleicht die Details nicht so klar heraus, weil für sie das ganze Bild, die Zusammenhänge im Vordergrund stehen. Um ein Unternehmen wirklich erfolgreich führen zu können, brauchen wir beides, das Detail und das Ganze. In einer Zeit, in der die Wörter "Umstrukturierung" und "Globalisierung" die Chefetagen beherrschen und Unsicherheit verbreiten, in einer Zeit, in der Arbeitsplätze keine Selbstverständlichkeit mehr sind, ist das ganzheitliche Denken keine Verzierung, sondern Notwendigkeit. Wir brauchen Frauen (wenn möglich auch Männer) die im Verwaltungsrat eine andere Sicht als die des Profits um jeden Preis einbringen. Wir brauchen Leute, die neben den Zahlen auch Menschen, Familien und deren Schicksal sehen. Eine Welt ohne diese Verzierung ist eine öde Welt.

Haben Sie sich schon überlegt, wie die UBS (oder jeder andere Betrieb  mit ähnlichen Anschauungen ) aussähe, wenn sie konsequenterweise auf alle Verzierungen, sprich Frauen, verzichten würde? Sie wäre ein Phantom und würde überhaupt nicht existieren!

Beginnen wir ganz unten. Stellen Sie sich eine Grossbank ohne Putzpersonal, dafür mit schmutzigen Böden und Toiletten vor! Wer sorgt in der Kantine fürs leibliche Wohl vom Lehrling bis zum Generaldirektor? Am Schalter, hinter den Computern in den Chefetagen, überall finden wir heute Frauen, die alles geben und von niemandem einfach nur als Verzierung betrachtet werden. Doch könnte die Grossbank diese Stellen alle mit Männern besetzen, das wäre konsequent.

In meiner Phantasie stelle ich mir aber auch vor, dass diese Bank dann nur Konten für Männer eröffnen würde, Konten, die nur von Männerlöhnen und -kapital gespiesen würden. Das wäre schon etwas schwieriger, die Bank würde ordentlich schrumpfen. Doch, und jetzt kommt mein Hauptproblem, alle diese Männer wären ja gar nie geboren ohne ihre Mutter, und die ist und bleibt eine Frau ... eine Verzierdame? Sicher nicht!

Ich bin eine Frau und mit mir ca.51% der Bevölkerung. Die Haltung der UBS tut weh. Unsere Menschheit braucht beides, Männer und Frauen. Sonst würden wir biologisch nicht überleben. Doch bin ich auch überzeugt, dass das politische und das wirtschaftliche Leben ohne diese Ergänzung der Geschlechter die Seele verlieren und verkümmern würde.

Verzierdamen? Ja, sie werden gebraucht, sie gestalten und ergänzen die männlichen Werte in unserer Gesellschaft . Zusammen mit den Verzierherren bilden sie eine Kraft, auf die niemand, auch ein Grosskonzern wie die UBS, verzichten sollte.

5. Februar 1998

 

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