„Was bringt’s?“
Letzte Woche, bei einem Anlass über
den Schweizer Beitritt zur UNO: Die Referentin, eine Ständerätin,
zeigte auf, wie wichtig unser Beitritt zu dieser Organisation sei.
Einerseits bringe es uns dies und andererseits würde es uns auch
jenes bringen usw. Ich begann mich zu wehren und fragte, ob dann
immer alles „etwas bringen müsste“. Die Politikerin entschuldigte
sich und antwortete, dass sie sich so daran gewöhnt sei, sofort
den Nutzen einer Vorlage für die Schweiz darzustellen. Am
Nachmittag hätte sie in einer Kantonsschule zu den Bilateralen
Verträgen gesprochen und die erste Frage der Schüler sei gewesen:
“Was bringen diese für uns?“
„Was bringt’s“ scheint eines
der Schlüsselwörter in unserm Land zu sein. Wenn wir Nachrichten
hören, wenn politische Beschlüsse diskutiert werden, wenn etwas
Neues auf uns zukommt, immer wieder hört man direkt oder durch die
Blume: “Was bringt’s?“. Eigentlich wäre dies gar kein schlechter
Satz, wenn er wörtlich gemeint wäre. „Was bringt’s“ ist nämlich
neutral und sagt nicht aus, wem es etwas bringen sollte. Doch nach
unserm Verständnis bedeuten diese zwei Wörter eben: “ Was für ein
Vorteil schaut für mich oder für uns heraus?“ und: „Was geben uns
die andern?“
Muss das so sein? Im täglichen Leben
kann ich doch nicht immer auf meinen Vorteil bedacht sein. Wenn
ich meiner Nachbarin aushelfe, denke ich doch nicht daran, was es
für mich bringen könnte. Wäre es nicht schrecklich, wenn ich
befürchten müsste, dass mich ein Arbeitskollege nur einlädt, weil
es ihm „etwas bringen“ könnte? Auch in der Politik muss es mir
nicht immer etwas bringen. Vielleicht setze ich mich für eine
Gruppe von Mitmenschen ein, die nichts mit mir zu tun haben.
Vielleicht bin ich sogar für eine Steuererhöhung meiner
Einkommensklasse, damit andere entlastet werden können. Wir können
nur solidarisch zusammenleben, wenn wir den Ausdruck „Was
bringt’s (für mich)“ nicht mehr so oft gebrauchen.
Zurück zur UNO. Nachdem sich vier
Inseln im Pazifik entschlossen haben, dieser Völkergemeinschaft
beizutreten, bleiben nur noch der Vatikan und die Schweiz, die
draussen stehen. Was bringt uns ein Beitritt? Ich weiss es auch
nicht. Ich weiss nur, dass ich dazu gehören möchte. Ich will
mitreden und mitbestimmen. Ich will nicht auf einer Insel leben,
die sich vor jeder Verantwortung drückt. Das Ziel der UNO ist der
Frieden auf Erden. Wir alle wissen, dass wir meilenweit davon
entfernt sind. Heisst das aber, dass wir uns vor einer
Mitgliedschaft einer Organisation drücken, die sich dieses
schwierige Ziel auf die Fahne geschrieben hat?
Zurzeit läuft eine
Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative für den Beitritt
der Schweiz zur UNO. Am 8. März läuft die Sammelfrist ab. Noch
fehlen Unterschriften. Das Thema mobilisiert keine Massen. Es
bringt ja nichts.
„Gemeinsam Frieden fördern,
Menschenrechte stärken, Armut bekämpfen, Umwelt schützen“ steht
als Motto auf den Unterschriftskarten. Wäre das nicht eine
vornehme Aufgabe für unser Land? Was bringt’s? Es bringt uns die
Gewissheit, solidarisch an einer besseren Welt mitzubauen. Was
wollen wir mehr?
8. Februar 2000