Wie unabhängig ist Kanada…
und Deutschland und Thailand und Indien und
Venezuela und Iran und und…?
Verzeihen
Sie mir, wenn ich eine so infame Frage stelle. Sie wissen doch wie
ich, dass dies alles verschiedene souveräne Staaten sind!
Natürlich! Doch argumentieren die UNO Gegner, dass unser Land bei
einem Vollbeitritt in diese Weltorganisation seine Unabhängigkeit
verlieren würde und ans Gängelband Amerikas und einiger grossen
Staaten käme.
Da aber ausser der
Schweiz (und dem Vatikan) alle Staaten der Welt Vollmitglieder der
UNO sind, hiesse das nach der Logik der Gegner, dass wir noch das
letzte freie Land auf der Erde wären. Ein Sonderfall! Jedes Land
betrachtet sich als etwas besonders: Costa Rica, das seit 1948
keine Armee mehr hat, Israel, das seine Machtansprüche aufs alte
Testament zurückführt und Lichtenstein, das keine eigene Währung
hat. Sie alle sind in der UNO. Also, wie souverän sind das
demokratische Italien, das Königreich Schweden oder die Diktatur
Irak? Mit diesem Beispiel möchte ich nur illustrieren, wie absurd
die Argumente der UNO Gegner sind.
Viel lieber würde ich
den Beitritt der Schweiz zur UNO mit dem Beitritt einer Familie
zum Quartierverein ihrer Stadt vergleichen. Sie geht dabei gewisse
Verpflichtungen ein: Sie zahlt einen Beitrag, arbeitet am
Strassenkonzept mit, versucht im Streit zwischen Nachbarn zu
vermitteln und hilft das Quartier zu gestalten. Doch die Familie
ändert sich dabei nicht. Sie geht ihren Gebräuchen nach, pflegt
ihre Kontakte und kann weiss Gott nicht gezwungen werden, etwas
ihr völlig Fremdes zu tun. Aber sie ist ein aktives Glied einer
Gemeinschaft und kann sich da einbringen, sie kann sich vielleicht
mit andern Familien zusammen tun und etwas bewirken.
Weit und breit wird
erzählt, dass wir ja zur humanitären aber nein zum Beitritt in die
„politische“ UNO sagen sollten. Wir würden ja bereits in den
meisten Unterorganisationen mitarbeiten. „Poltische UNO“! Was für
ein Unwort. Es gibt keine „unpolitische“ UNO. Welternährung und
Landwirtschaft (FAO), Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO),
Handel und Entwicklung (UnCTAD), Flüchtlingswesen (UNHCR),
Welthandel (WTO) Organisation für Verbot chemischer Waffen (OPCW)
und und und … sind wahrlich hochpolitische Themen. Mit andern
Worten: Wir sind schon längst Teil der „politischen“ UNO, weil es
gar keine andere gibt.
Wirtschaftlich sieht
sich die Schweiz als offenes Land. Überproportional viele
internationale Firmen haben ihren Sitz in unserm Land. Die
Wirtschaft hat sich schon längst organisiert und ist
weltumspannend. Landesgrenzen zählen kaum mehr. Dazu braucht es
ein Gegengewicht. Die UNO Vollversammlung betrachte ich als
Pendant zur wirtschaftlichen Globalisierung, als eine Art
Weltparlament. Sie ist der kleinste gemeinsame Nenner aller
Staaten. Wollen wir da wirklich Passivmitglieder bleiben, bezahlen
und nicht mitreden? Das entspricht unserem Demokratieverständnis
absolut nicht. Jede Stimme zählt. Wir haben etwas zu sagen, und
die andern Staaten werden auf uns hören. Wir gehören in die UNO
und wir behalten dabei unsere Souveränität.
18. Februar 2002