Frauengeschichten 

„Es ist einfach schade, dass wir von einem reinen Frauenteam betreut werden“ antwortete ein Mitglied der Geschäftsleitung einer grossen Warenhauskette, als er über die Qualität ihrer Revisoren befragt wurde. Keine sachliche Kritik, einfach diese Feststellung, geschehen vor einigen Wochen, irgendwo in der Schweiz. Übrigens würde sich dieselbe Firma auch strikt dagegen wehren, Frauen in ihr Management aufzunehmen, ergänzte mein Bekannter, der die Befragung durchgeführt hatte.

Seit einer Woche bin ich wieder hellhörig für dieses Thema geworden, seit mich die europäischen Christlichsozialen (EUCDA) gefragt haben, ob ich im Rahmen einer Tagung zum Thema Diskriminierung der Frauen die Situation in der Schweiz schildern würde.

Frauenstimmrecht, Gleichstellungsartikel, Eherecht, Revision des Arbeitsrechtes, der Ansatz einer Mutterschaftsversicherung usw. haben dazu beigetragen, dass das Thema der Gleichstellung auf keiner politischen Hitliste mehr steht. Es ist während meines Erwachsenenlebens auch wirklich einiges getan worden.

Doch Gesetze sind das eine, der Alltag der kleinen Diskriminierungen etwas ganz anderes:

  • Dieselbe Revisionsfirma, die die Umfrage bei den Kunden machen liess, lud ihre Kunden zu einer Aufführung der „Dreigroschenoper“ ein. Das Stück ist recht derb und spielt zum Teil auch in einem Bordell. Die Nutten spielten ihre Rollen recht „überzeugend“. Einer der Gäste fragte, ob die Revisoren nicht in Zukunft eine von diesen leichten Mädchen ins Team integrieren könnten. Ein Witz, ja. Aber würden solche Bemerkungen auch über Männer gemacht?
  • Eine schwangere Frau wollte nach der Geburt ihres Kindes Teilzeit weiterarbeiten. Mit der Begründung, dass man Vollzeitangestellte brauche, wurde sie „überzeugt“, ihre Kündigung einzureichen. Die Firma beschäftigt aber sonst auch Teilzeitangestellte.
  • Eine etwas ältere Bekannte von mir machte jahrzehntelang die Verwaltung für die Überbauung, in der sie wohnt. Nachdem sie die Arbeit weitergegeben hat, wirft ihr die neue Verwaltung vor, sie hätte etwas doppelt berechnet. Sie aber ist sicher, dass nur die Buchungsmethoden verschieden sind. „Weisst du, die wollen meine Argumente gar nicht verstehen, ich bin eine Frau und ich bin nicht mehr jung“, klagte sie.
  • Wir sind mitten im Zuger Wahlkampf. Das Thema Frau ist keines mehr. Sogar die CVP wagt es, für den Stadtrat eine reine Frauenliste einzureichen. Das sei die grosse Schwäche dieser Liste und würde vom Wähler kaum goutiert, kommentiert die Presse.

Alle in diesen Zeilen genannten Beispiele habe ich in den letzten 48 Stunden gehört. Kleine Begebenheiten, nichts Weltbewegendes. Doch diese kleinen Diskriminierungen sind nicht im Gesetz sondern in den Köpfen oder vielmehr im Bauch weiterhin verwurzelt. Frauen werden immer noch anders betrachtet. Ein junger Vater, der die Betreuungspflichten für seine Tochter vorbildlich mit seiner Frau teilt, klagte mir heute morgen, was für Forderungen die heutigen Frauen an eine Ehe stellten und wie schwierig es für einen Mann sei, eine „ganz normale Frau“ zu finden, die die Rolle der Mutter noch richtig spiele.

Ich fürchte, dass diese Argumentation mit serbelnder Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit wieder Hochkonjunktur erleben wird. Zurück in die Familie, zurück an den Herd könnte es heissen. Ausbildung und Fähigkeiten sind erst beim nächsten Arbeitskräftemangel wieder gefragt. Die Frau als Konjunkturpuffer? Ich hoffe trotz allem, dass diese Zeiten vorbei sind!

14. September 2002

 

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