Heimat
„Geh wieder nach Österreich zurück!“
forderte mich ein anonymer Briefschreiber auf, der mit meiner
Politik nicht einverstanden war. Die Familie meines Vaters war vor
120 Jahren von dort eingewandert. Dass unsere Heimat hier ist,
haben viele von uns bewiesen, indem sie Verantwortung in allen
politischen Gremien, bis zum Nationalrat, übernahmen.
Meine Grossmutter, Tochter einer
alteingesessenen Innerschweizer Familie, „stieg mit ihrer Heirat
ab“, weil die Vorfahren ihres Mannes „erst“ seit dem 17.
Jahrhundert im Dorf lebten.
Wie lange müssen wir in einem Land
wohnen, bis es zur Heimat wird?
Falsch! Heimat hat nichts mit Zeit
aber sehr viel mit Engagement und Verantwortung zu tun. Wenn wir
uns auf ein Land einlassen, neben Sprache auch Gedankengänge nicht
nur verstehen sondern auch übernehmen, wenn es uns am Wohnort wohl
ums Herz wird, dann sind wir daheim. Zur Heimat gehört auch
kritisches Hinsehen, Mitdenken und Verantwortung übernehmen.
Heimat wird mit dem Bürgerrecht „veredelt“. Als Besitzer des roten
Büchleins haben wir mehr Rechte (und Pflichten) als
Nicht-Schweizer.
Doch sind es immer die richtigen, die
einen Schweizer Pass besitzen? Ich kenne genug Mitbürger, denen
unsere Gesellschaft schnuppe ist, die sich einen Deut darum
kümmern, was aus unserm Land wird. „Die in Bern machen ja sowieso
was sie wollen!“ reden sie sich aus der Verantwortung heraus.
Andererseits gibt es Zugezogene, denen unser Land ein Anliegen
ist, die sich für das gute Zusammenleben im Quartier einsetzen und
helfen, wo sie nur können. Obwohl sie sich bei uns daheim fühlen,
bleiben sie „fremde Fötzel“, denen man die „höhere Weihe“ des
Schweizer Bürgers verweigert.
Manchmal frage ich mich, ob man sich
den Schweizer Pass nicht regelmässig neu verdienen müsste, um die
Arroganz der Alteingesessenen gegenüber der „Neuen“ abzubauen. Für
das Gejammer über den Einbürgerungsentscheid des Bundesgerichts
habe ich darum wirklich kein Verständnis.
28. Juli 2003