Aus Solidarität…
Einmannselbsthilfewerbetelefonentschärfungstruppe
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In den heutigen unsicheren Zeiten sollten wir ja vermehrt die solidarisch sein. Das gegenseitige Verständnis und Rücksichtnahme auf andere Kulturen – auch auf unsere – sind gefragt. Ich weiss zwar nicht, mit wem die USofA solidarisch sind oder auf wen sie Rücksicht nehmen, aber dieses Thema erörtern wir lieber nicht hier.

Ich frage mich nur, da ja auch hier in der Schweiz die Gesetze schärfer werden, ob ein Witz, bei dem die Amis blöd da stehen, inzwischen als rassistisch gilt. Sonst könnte man sich glatt fragen, ob Mister Strauch bei der anstehenden Wahl wieder die Stimmen selber zählt, oder ob man von der UNO ein paar Wahlspezialisten vorbeischicken muss.

Aber wir schweifen ab, wir waren ja gerade solidarisch. Eben aus diesem Grunde, um Solidarität mit anderen Terroropfern zu zeigen, nehme ich inzwischen sogar wieder das Telefon ab. Da rufen drum meistens «fremde Fötzel» an, die einem was andrehen wollen. Ich mag das gar nicht. Nene, denen würde ich am liebsten meinen persönlichen Ami vorbeischicken. Mein persönlicher Ami nimmt es ja nicht so genau. Der glaubt mir ja. Wenn ich dem sage, dass seien ganz böse Menschen und die hätten ganz böse Waffen, dann haut er schon zu. Und wer weiss, vieleicht findet er sogar einen Beweis für diese Behauptung. Kann er zwar nicht, ich habe die Lieferscheine zu gut versteckt.

Ich schweife schon wieder, denn eigentlich wollte ich ja erzählen, wie gut und gerissen ich inzwischen beim Abblocken unerwünschter Gespräche bin. Sozusagen als «Einmannselbsthilfewerbetelefonentschärfungstruppe». Üben wir also sozusagen am scharfen Schuss.

Fall 1, Klassenlotterie; Zu hundert Prozent sind Anrufe aus Deutschland.
Drinngling. «Ja?» (--> Wichtig nie den Namen nennen. Sie sollen Nachfragen. Das Gespräch zahlen die ja). Professionell wie die sind, quasseln sie los. Nie unterbrechen, lasst sie quasseln. Sowie sie was von siebzig Prozent – oder so – Gewinnchance erzählen, interessiert «ja?» Zwischenfragen. Nach dem, immer am Schluss kommende «währe das nicht toll?», folgender Vorschlag machen: «Überweisen Sie mir den Gewinn abzüglich Loskosten auf mein Bankkonto. Dann haben Sie ja die siebzigprozentige Chance nicht draufzulegen.» Die Telefone enden dann meistens ziemlich rasch.

Persönlich habe ich schon zwei Schlussvarianten erlebt.
1: Gelächter und «den Vorschlag habe ich auch noch nie gehört». Oder
2: Irgend ein Gemurmel von «frecher Mensch». Bei dieser freundlichen Einladung musste ich ja zuschlagen... meine zusagen.

Fall 2:
Drinngling. «Krematorium, Ofen drei. Guugiisbärrgär?» (--> Ich sehe, Ihr lernt schon. Das Beispiel geht natürlich bei Familie Gugisberger nicht). Ein Verkäufer ist am Draht. «Ich störe doch hoffentlich nicht beim Nachtessen». Der Kardinalsfehler eines Verkäufers! Auf dieses Angebot ist sofort einzugehen. Die Schwächen des Feindes sind unverfrohren zu nutzen! Ein erschrecktes «Hilfe, mein Nachtessen, einen Moment bitte» bietet sich gerade zu an. Telefonhörer fallen lassen, etwas anderes machen. Den Hörer einfach so, sagen wir mal fünf Minuten, liegen lassen. Dann ein «Sind Sie noch da?» Ist die Antwort positiv, passt sehr gut ein «schade». Auch hier zeichnet sich ein ziemlich rasches Ende ab. Falls der Verkäufer inzwischen aufgehängt hat – fast hätte ich «sich inzwischen aufgehängt hat» geschrieben, Deutsch ist eine sehr gefährliche Sprache, ab und zu sollte man fast einen Waffenschein haben – bietet sich eventuell das Vergnügen, den gleichen Scherz beim gleichen Verkäufer noch ein mal durchzuziehen.

Auch hier gelten wieder zwei Regeln. Erstens zahlen immer noch die anderen das Gespräch und zweitens sollte man immer schön höflich bleiben. Schliesslich ist am andren Ende auch «nur» ein Mensch. Ein Mensch, der ziemlich verzweifelt sein muss, dass er diese Art Arbeit macht. Also wieso nicht mit ihm ein wenig Spass haben?

Fall 3:
Drinngling. «……». Richtig, provoziert ein «Hallo?» auf der anderen Seite. Kommt das Hallo, seit ihr sozusagen schon auf der Zielgeraden. Verwirrt den Anrufer! Tut so als ob Ihr ihn angerufen habt. «Guten Tag, könnte ich Herrn Meier haben» ist ein wundervoller Eröffnungssatz. Meiers gibt es wie Sand am Meer. Ganz gewiefte verlangen Support oder Hilfe. «Gut, dass ich sie endlich am Telefon erwische. Die Lieferung von letzter Woche ist Kaput angekommen. Die Kiste sollte doch so was wie "bling" machen, wenn man den rechten Knopf drückt, und nicht "schepper".» «Der Reissverschluss der Tomate klemmt, wie komme ich zu einer neuen?» «Der Verschluss meines Raketensilos klemmt, wie helfe ich nun meinem persönlichen Ami?» (Entschuldigt diesen Überfall meiner Anfangspointe, ich schicke gleich meinen persönlichen…)

Ganz mutige spielen den minimalistischen Schnaufer. Aber hier ist Vorsicht angebracht. Treibt es nicht so, das der Anrufende meint, ihr währet in einer Notlage! Sonst dreht plötzlich das blaue Licht vor dem Fenster.

Fall 4:
Drinngling. «Fensterputzmittel». Werdet absurd! Wieso müssen Antwort und Frage zusammenpassen? Braucht ruhig mal wieder schöne, alte, oft unbenutzte Worte. «Knechten» statt «unterwerfen», «Ammenbier» statt «Milch». Oder unmögliche Wortkombinationen, sich selbst wiedersprechende Wortfolgen. Zum Beispiel «friedlicher Amerikaner».

Wie Ihr seht, kann man jede Menge Spass mit anrufende haben. OK. Im Büro ist es vieleicht nicht so passend. Und irgendwann rufen die Kollegen nicht mehr an, aber was haut man nicht alles für seinen persönlichen Frieden?

Ausgabe: 23.8.2004 / Pe Zurück