Das alte Wirtshaus zur Galeere in
Meienried
Geburtshaus des Dr. Johann Rudolf Schneider
Meienried liegt auf der ehemals stark überschwemmungsgefährdeten Landzunge, die durch die beiden alten Flussläufe der Aare und der Zihl gebildet wird, welche sich etwas unterhalb des Dorfes vereinigten. Das Dorf bestand ursprünglich aus zwei Dorfteilen, dem Unterfar und dem Oberfar, die sich an den beiden Fährstellen der alten Strasse Biel-Büren über die Zihl und die Aare gebildet haben. Nebst der Bedeu-tung als Fähreort, spielte Meienried auch eine gewisse Bedeutung als Umschlagplatz für Seeländerweine und andere Güter.
Wasserstrassen waren bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts wichtige Verkehrsadern. Bedenkt man, dass mit der Zihl die bernische Waadt und mit der Aare der bernische Aargau transporttechnisch erschlossen wurden, so kann man erahnen, welche strategische Wichtigkeit der Ort am Zusammenfluss dieser beiden Flüsse durch das ganze Mittelalter hindurch gehabt haben musste. Dass sich trotz dieser ausserordentlichen Lage aus Meienried keine grössere Ortschaft entwickelt hat, ist wohl mit der latenten Ueberschwemmungsgefahr und den fehlenden Fluchtmöglichkeiten vor diesen Naturereignissen zu begründen.
Die heute noch vorhandenen Altbauten im Unterfar stammen grösstenteils aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Im Unterfar steht auch das Schneiderhaus, welches um das Jahr 1770 errichtet wurde. 1804 wurde in diesem Hause, dem damaligen Wirtshaus zur Galeere, Johann Rudolf Schneider als Sohn des seinerzeitigen Wirts und Seilers Johann Schneider geboren. Der Arzt und Politiker Dr. Johann Rudolf Schneider war der Initiant und Hauptförderer der 1. Juragewässerkorrektion und war massgebend am Aufbau des "modernen" Staates Bern beteiligt. Er wurde 1837 in den Grossen Rat und 1846 in den Regierungsrat gewählt.
Mit dem Bau des Nidau-Büren-Kanals, der Inbetriebnahme der SBB-Linie Lyss-Solothurn und dem Ausbau des Strassennetzes verlor Meienried nach 1880 allmählich seine Verkehrsgunst und wurde zum ver-schlafenen Bauerndorf. Die Kleinbauernhäuser wurden umgebaut, um den Ansprüchen der nun auf den entsumpften Böden möglich gewordenen intensiveren Landwirtschaft genügen zu können. Auch der Wirtshausbetrieb im Geburtshaus von Dr. Johann Rudolf Schneider verlor mit dem Niedergang der Schifferei auf den Juragewässern die Kundschaft. 1906 gab der damalige Wirt Johann Liechti den Betrieb auf und erstellte unmittelbar am Nidau-Büren-Kanal das heute weitherum bekannte "Meienriedpintli". Das alte Wirtshaus veräusserte er an Johann Käser, der aus dem emmentalischen Mühleweg stammte und hier mit seiner Familie einen Landwirtschaftsbetrieb aufbaute. 1928 wurde der Oekonomietrakt des ehemaligen Wirtshauses umgebaut. Die Liegenschaft ist heute noch im Besitz der Familie Käser.
Das frühere Wirtshaus zur Galeere ist ein Ständerbau mit Hochstüde und Vollwalmdach. Der untere Teil der Westmauer und der steinerne Stockvorbau mit dem rundbogigen Keller und der darüber liegenden Ständerkonstruktion mit durchlaufendem Würfelfries-Fensterbank gehören einer älteren Bauphase an.
Der Wohntrakt wurde in den vergangenen zwei Jahren umfassend saniert. Mit dieser Sanierung konnte die wertvolle Baute vor dem langsamen Zerfall gerettet werden, war sie doch der fehlenden sanitären Einrichtungen wegen seit längerem nicht mehr bewohnt. Noch waren die massgebenden Teile der Tragkonstruktion und die gesamte Dachkonstruktion mitsamt der noch vorhandenen Hochstüden in einem guten Zustand. Hingegen musste das Mauerwerk, die Wandverkleidungen, Böden und die eichigen Grundschwellen ersetzt werden. Dank der grosszügigen Raumaufteilung und den relativ komfortablen Raumhöhen konnten die Strukturen des ehemaligen Wirtshauses übernommen und wesentliche Teile der ursprünglichen Konstruktion und die Balkenlagen erhalten werden.
Im Rahmen dieses Umbaues konnten auch frühere Wohnräume, die beim Umbau von 1928 zum Oekonomietrakt geschlagen wurden, wieder für die Wohnnutzung umgebaut werden. Dies wirkt sich auch vorteilhaft auf die Fassadengestaltung aus. Die Südfassade präsentiert sich nun wieder als wohlproportionierte Holzfassade mit der alten Holztüre in der Mitte des Wohntraktes und der ebenerdigen, früheren Trinklaube unter dem mächtigen Vordach.
Mit dieser gelungenen Sanierung wurde ein gutes Beispiel realisiert, das aufzeigt, wie in alter Bausubstanz unter Anwendung moderner Baubiologie und zeitgemässen Materialien Wohnraum erstellt werden kann, der höchsten Ansprüchen zu genügen vermag, ohne die Identität des Gebäudes wesentlich zu beeinträchtigen.