Ab zur Galerie Hier gibts mehr Fotos
Stand der Technik
Mich interessieren zuerst die technischen Daten.
Nicht kleckern, sondern klotzen. Nach dieser Devise hat Yamaha die 150 PS starke YZF-R1 mit Einlitermotor auf die breiten Räder gestellt. Wenn die Serie hält, was die Vorserienbikes versprechen, muß sich die Konkurrenz warm anziehen.
Yamaha hat gut daran getan, die R1-Entwicklung unter strengster Geheimhaltung zu betreiben. Denn in den letzten zwei Jahren konnten die Techniker unter Leitung des Productleaders Kunihiko Miwa aus dem Vollen schöpfen, um extremen Leichtbau zu betreiben.Nicht nur der Motor wurde komplett neu entwickelt, sondern auch das Fahrwerk und seine Komponenten.
An
der Fünfventiltechnik hält Yamaha weiterhin fest. Der Ventilquerschnitt
fällt im Vergleich zur Thunderace geringfügig kleiner aus. Außerdem
stehen die Ventile nun steiler, die Brennräume sind kompakter ausgebildet.
Das sorgt für effizientere Verbrennung. Die Zylinder sind in die obere
Motorgehäusehälfte eingegossen. Außerdem sind die Alu-Zylinder
zur besseren Wärmeableitung keramisch beschichtet. Die Wandungen sollen
so hart sein, daß Beschädigungen, wenn überhaupt, nur an den
geschmiedeten Slipper-Kolben enstehen können.
Neu ist auch der Getriebeaufbau. Die beiden Wellen der Sechsgang-Schaltbox liegen nicht wie sonst üblich hintereinander, sondern übereinander. Deshalb ist das Kupplungsgehäuse recht hoch plaziert und der Motor baut bemerkenswert kurz. Das ist wiederum wichtig, um möglichst viel Gewicht nach vorn zu verlagern und bietet Einbauplatz für eine möglichst lange Schwinge. Auch das EXUP-System, das mittels einer Walze den Krümmer-Querschnitt last- und drehzahlabhängig verändert, kommt erneut zum Einsatz. Die Steuerung durch einen Servomotor unter dem Tank ist mit der Kennfeldzündanlage vernetzt, die über Drosselklappen-, Kurbelwellen- und Getriebesensoren Informationen bezieht.
Alle
technischen Neuerungen verleihen dem Reihenvierzylinder eine unerhörte
Power, eine gleichmäßige Leistungsentfaltung und reichlich Drehmoment
sowie Drehfreude. Daß die Kurbelwelle 20 Prozent leichter ist als die
Thunderace-Welle spürt man schon beim ersten Beschleunigen. Rasch dreht
der 20-Ventiler hoch, will noch im dritten Gang das Vorderrad lupfen und läßt
das Fahrerherz spontan in das steilstehende Heckbürzel rutschen.
Einziger Wermutstropfen: Das Getriebe macht laute Geräusche beim Gangwechsel, schaltet jedoch präzise, und der starr mit dem Rahmen verschraubte Motor übermittelt feine Vibrationen in die aufgeschrumpften Alu-Lenkerhälften. Aber auch dieser Umstand hat einen technischen Hintergrund. Man wollte Gewicht sparen und spannt deshalb das Triebwerk stärker als bisher als tragendes Fahrwerkselement ein. Weil die Zylinder eine Einheit mit dem Motorgehäuse bilden, können höhere Kräfte übertragen werden.
Daß
die Theorie in der Praxis funktioniert, konnte die auf 150 PS entdrosselte
R1 in Spanien beweisen. Selbst bei Tacho 270 liegt sie wie das sprichwörtliche
Brett auf der Straße und folgt mit stoischer Ruhe dem vorgegeben Kurs.
Und das, obwohl sie mit nur 177 kg Trockengewicht, 1395 mm Radstand, 92 mm
Nachlauf und dem steilen 66-Grad-Lenkkopfwinkel auch in der handlichen 600er
Klasse mitmischen könnte.
Was die Fahrwerkseckdaten auf der Rennstrecke bedeuten, zeigt sich anschaulich auf dem südspanischen Kurs Cartagena bei Alicante. Enge Hundekurven wechseln sich dort ab mit schnellen Kurvenpassagen und Schikanen. Eigentlich eine Strecke, die auf 600er Bikes zugeschnitten ist - doch kein Problem für die R1. Locker und leicht läßt sie sich abwinkeln, folgt jedem kleinen Lenkimpuls und vermittelt auch in großer Schräglage ein solides Sicherheitsgefühl. Das Handling ist schlicht berauschend. Die Lenkkräfte werden übrigens über großzügig dimensonierte Kugellager und ein Alu-Lenkrohr auf die stabile Upside-down-Gabel übertragen.
Eingedenk
der hohen Motorleistung und des starken Drehmoments ist beim Herausbeschleunigen
aus Kurven Vorsicht geboten. Wer mit hoher Drehzahl aus den Ecken kommt, steht
schnell quer. Aber auch einen Gang tiefer steht so viel Power zur Verfügung,
daß man wenig Zeit verliert. Die brandneuen, schon in der Erstausrüstung
zum Einsatz kommenden Metzeler ME Z3-Reifen mit Stahlgürtel vorn und
hinten bieten einen breiten, frühzeitig spürbaren Grenzbereich und
unterstützen das ausgewogene Handling. Noch nicht einmal der 190er Hinterradreifen
auf der Sechs-Zoll-Felge macht sich negativ bemerkbar. Weil die R1 reichlich
Schräglagenfreiheit bietet, keimt auf der Rennstrecke jedoch der Wunsch
nach mehr Haftung. Nach dem Umrüsten auf die Racing-Mischung sollten
auch Anspruchsvolle zufrieden sein.
Beim
Beschleunigen in Schräglage sollte der Fahrer auch auf ein anderes Phänomen
vorbereitet sein: Überquert man bei diesem Manöver derbe Bodenwellen,
zuckt kurz der Lenker. Bei so viel Motorleistung wird jeder Supersportler
vorn leicht und sensibel für Lenkerschlagen. Um dies aber so gering wie
möglich zu halten, hat Yamaha der R1 viel Negativ-Federweg spendiert.
Nebeneffekt: Die Gabel bietet angenehmen Fahrkomfort. Wer mehr Feedback von
den Reifen haben möchte, kann vorn wie hinten die Dämpfung und die
Federvorspannung straffer einstellen. Das geht leicht von der Hand, weil alle
Mechanismen gut erreichbar liegen.
Die lange Hinterradschwinge sorgt ihrerseits für eine gute Traktion des Hinterradreifens, weil sie günstigere Kraftübertragungsmomente sicherstellt als eine kurze Schwinge. Daß sich die hintere Bremszange direkt an der Schwinge abstützt, wirkt sich nicht sonderlich aus. Hinterradstempeln war in Cartagena ein Fremdwort. Und auch die beiden vorderen, einteilig gegossenen Vierkolben-Zangen verrichten ihren Dienst sehr gut. Sie arbeiten ebenso kräftig wie gut dosierbar.
Sogar
in puncto Ausstattung kann die neue Yamaha überzeugen. Tankfalze sind
nicht sichtbar und viele eloxierte Aluteile erfreuen das Sportler-Herz. Im
Cockpit wird das Tempo und die Kühlmitteltemperatur digital angezeigt,
was vor allem beim Tacho einige Eingewöhnungszeit erfordert. Ob die nach
vorn gebeugte Sitzhaltung behagt, kann ab Februar 1998 jeder für sich
ausprobieren. Die R1 werden bei den Händlern sicher nicht lange im Schaufenster
stehen, denn das Potential des schon jetzt sehr begehrten Supersportlers hat
sich schnell herumgesprochen. Yamaha ist es gelungen, den Stand der Technik
in diesem Segment neu zu definieren. Sowohl der starke Motor als auch das
handliche, stabile Fahrwerk können auf Anhieb voll überzeugen. Der
Preis von 19`800 Sfr. wird den Erfolg der R1 nicht zügeln.
Technische Daten Yamaha YZF-R1 | |
---|---|
Motor: | flüssigkeitsgekühlter Viertakt-Vierzylindermotor, gleitgelagerte Kurbelwelle, querliegend, fünf Ventile pro Zylinder, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, Naßsumpfschmierung, vier Fallstrom-Gleichdruckvergaser 40 mm Durchmesser; E-Starter |
Hubraum: | 998 ccm, Bohrung x Hub 74 x 58 mm |
Verdichtung: | 11,8:1 |
Leistung: | 98/150 PS (72/110 KW) bei 10000 U/min |
max. Drehmoment: | 98/150 PS (72/110 KW) bei 10000 U/min |
Höchstgeschw.: | 236/ca. 280 km/h |
Kraftübertragung: | Primärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb |
Fahrwerk: | Deltabox II-Alurahmen aus Formteilen und Gußstücken, Radstand 1395 mm, Nachlauf 92 mm, Lenkkopfwinkel 66°; Upside-down-Teleskopabel mit 41 mm Tauchrohrdurchmesser, Federvorspannung, Dämpfungszug- und -druckstufe einstellbar, Federweg 135 mm, Alu-Schwinge mit Zentral-Federbein, Federvorspannung, Dämpfungszug- und -druckstufe einstellbar, Federweg 130 mm; Radstand 1395 mm |
Bremsen: | Doppelscheibenbremse mit einteilig gegossenen Vierkolbenzangen vorn, Durchmesser 298mm; Scheibenbremse hinten, Durchmesser 245 mm |
Räder/Bereifung: | Alu-Gußräder; Reifen 120/70 ZR 17 auf 3.50 X 17 vorn, 190/50 ZR 17 auf 6.00 x 17 hinten |
Elektrik: | 12 Volt, Batterie 10Ah; Lichtmaschinenleistung 325 Watt, kennfeldgesteuerte Zündanlage |
Sitzhöhe: | 815 mm |
Gewicht: | 177 kg trocken |
Tankinhalt: | 18 l |
Preis: | Sfr. 19.800,- inkl. Mwst. (1998) |
Garantie: | zwei Jahre ohne Kilometerbegrenzung |
Zurück an den Anfang des Artikels.