Alfred H. erhielt Ende Januar die Kündigung. Mündlich wurde ihm dabei
eröffnet, dass die Firma ihn von der Arbeitspflicht bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist befreie. H. wurde also mit sofortiger Wirkung
freigestellt. Eine Freistellung bedeutet, dass der Arbeitgeber auf die
Dienste der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers verzichtet, den
vereinbarten Lohn dennoch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bezahlt.
Bei H. wurde die Freistellung nicht schriftlich geregelt. Ein grosser
Fehler, wie sich herausstellte. H. weigert sich, seine Überstunden mit
der Freistellungszeit zu kompensieren, und beharrt auf der zusätzlichen
Auszahlung seines Ferienguthabens. Der Arbeitgeber will davon nichts
wissen und bestreitet den Ferienanspruch. Er ist vielmehr der Ansicht,
dass sämtliche Ferientage mit der Freistellung abgeholten seien. Der
Fall liegt nun beim Gericht.
Aufhebungsvertrag abschliessen
Wer sich von seinem Arbeitgeber freistellen lässt, sollte sich mit
ihm vorher über ein paar wichtige Punkte einig werden. Steht in der
Kündigung nur, dass die Firma den Gekündigten bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist freistellt, bleiben damit nämlich viele Fragen
unbeantwortet. So zum Beispiel, ob die Ferien und Überstunden mit dieser
Zeit bereits abgegolten sind, ob die Firma den Lohn auch dann
weiterbezahlt, wenn man bereits während der Kündigungsfrist eine neue
Stelle antritt, oder ob der Geschäftswagen weiterhin benutzt werden
darf. Es lohnt sich, diese Punkte im Voraus zu regeln, damit sich nicht
später das Arbeitsgericht mit dem Fall beschäftigen muss. Am einfachsten
ist es deshalb, gleichzeitig mit der Kündigung einen Aufhebungsvertrag
aufzusetzen und darin die einzelnen Punkte festzuhalten:
Ferien: Aus rechtlicher Sicht ist die Freistellungszeit nicht mit
Ferienzeit gleichzusetzen. Deshalb geht auch nicht einfach a priori der
Ferienanspruch mit der Freistellung unter. Das Gericht musste sich schon
mehrmals mit der Frage beschäftigen, ob der freigestellte Arbeitnehmer
auf einer Auszahlung seiner Ferien beharren darf oder nicht. Meistens
müssen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Zeit
intensiv um die Stellensuche kümmern und können sich daher in diesem
Zeitraum kaum erholen, wie sie dies in den Ferien tun würden. Wer
während der Freistellungszeit erkrankt, dem ist sicher nicht zuzumuten,
sein Ferienguthaben abzubauen.
Grundsätzlich dürfen Ferien während des Arbeitsverhältnisses (dazu
gehört auch die Freistellungszeit) gar nicht durch Geldleistungen
abgegolten werden. Ist aber ein Ferienbezug nicht mehr möglich - zum
Beispiel im gekündigten Arbeitsverhältnis -, so steht einer Auszahlung
der Ferien nichts im Wege. Das Zürcher Obergericht hielt vor nicht
langer Zeit in einem Entscheid fest, dass das Ferienguthaben im Falle
einer Freistellung durch den Arbeitgeber nur dann untergeht, wenn er vor
der Freistellung den Bezug der Ferien während der Freistellungszeit
anordnete und die Dauer der Freistellung den noch vorhandenen
Ferienanspruch massiv übersteigt. Wer seine Mitarbeiterin oder seinen
Mitarbeiter für die Dauer der Kündigungsfrist freistellt, verzichtet
damit auch auf sein Weisungsrecht als Chef. Deshalb kann er auch nicht
später anordnen, dass nun Ferien zu beziehen seien.
Chef hat kein Weisungsrecht mehr
Überstunden: Auch über die Überstunden wird oft heftig gestritten,
obwohl das Gesetz eigentlich genau regelt, wie diese abzurechnen wären.
So kann der Chef nicht einfach die Kompensation der geleisteten
Überstunden anordnen, schon gar nicht während der Freistellungszeit,
denn dann hat er gar kein Weisungsrecht mehr. Ist der Arbeitnehmer oder
die Arbeitnehmerin mit der Kompensation nicht einverstanden, muss der
Arbeitgeber diese Stunden in Franken auszahlen, und wenn nichts
Gegenteiliges vereinbart wurde (z. B. durch einen Gesamtarbeitsvertrag
oder durch eine Überstundenregelung), so schuldet er sogar noch einen
Zuschlag von 25%. Diese Regeln gelten auch dann, wenn die Mitarbeiterin
oder der Mitarbeiter freigestellt wird.
Kompensation oft unzumutbar
An diese Regel halten sich allerdings nicht alle Kantone, einzelne
Gerichte haben schon anders entschieden: Bei sehr langer
Freistellungsdauer gelten Überstunden als in der Freistellungszeit
kompensiert. Dies setzt aber voraus, dass die Kündigung durch den
Arbeitnehmer erfolgte. Hat der Arbeitgeber gekündigt, so ist es dem oder
der Gekündigten oft unzumutbar, die Überstunden zu kompensieren, weil er
oder sie während dieser Zeit nämlich eine Stelle suchen muss. Damit es
aber gar nicht erst zu einer Streitfrage kommt, ist es ratsam, die
Ferien- und Überstundenregelung im Voraus abzuklären.
Wer während der Freistellungszeit erkrankt, erhält länger den
vertraglich vereinbarten Lohn. Auch hier sind die Freigestellten
denjenigen, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist arbeiten,
gleichgestellt. Bei Krankheit während der Kündigungsfrist verlängert
sich diese Frist grundsätzlich um die Anzahl Krankheitstage. Da
Kündigungen meistens auf das Ende eines Monats ausgesprochen werden,
verlängert sich die Frist auch bei einer kurzen Krankheitsdauer um einen
Monat, also auch wenn die Krankheit nur gerade einen Tag dauerte.
Selbstverständlich muss ein Arztzeugnis die Krankheit belegen. Wer
danach wieder gesund ist, sollte in dieser Verlängerungszeit (die Zeit,
um die sich die Kündigungsfrist wegen der Krankheit verlängert) seine
Arbeit anbieten, vorallem dann, wenn der bisherige Arbeitgeber den Lohn
bezahlen muss, auch wenn die Freistellungszeit eigentlich abgelaufen
ist.
Neuer Job während der Freistellung
Wer noch während der Freistellungszeit eine neue Stelle antreten
kann, hat Glück gehabt. Solange aber die Kündigungsfrist nicht
abgelaufen ist, darf die neue Tätigkeit den alten oder bisherigen
Arbeitgeber auf keinen Fall konkurrenzieren. Wer sogar ein
Konkurrenzverbot hat, muss dieses unbedingt auch danach beachten.
Meistens uneinig sind sich der freigestellte Mitarbeiter und der alte
Arbeitgeber über die Frage, ob der am neuen Ort erzielte Lohn
angerechnet werden muss oder nicht. Wer diesbezüglich nichts vereinbart
hat, muss sich ziemlich sicher den neuen Lohn anrechnen lassen. Klar ist
das aber nicht. Mit dieser Streitfrage beschäftigen sich die Gerichte
oft, denn das Gesetz regelt dies nicht. Vielmehr besteht eine so
genannte Gesetzeslücke, die der zuständige Richter oder die zuständige
Richterin ausfüllen muss. Und wer eben nicht beweisen kann, dass von
einer Anrechnung nie die Rede war, muss sich den anderweitig verdienten
Lohn wohl oder übel anrechnen lassen.