12.
Mai
Die
Zeit ist gekommen, die jungen Amseln schmückt schon ein dichtes Federkleid
und sie sind recht gross und kräftig geworden. Heute morgen sitzt
Nummer eins im Efeu und guckt ganz interessiert in die Umgebung. Bald darauf
hüpft Nummer zwei über den Nestrand hinaus. Zuerst «klebt»
sie am Efeu, lässt sich dann auf den Balkonboden fallen und watschelt
hin und her. Eines verläuft sich sogar in die Stube. Ich muss es wieder
zurücktragen. Mit Flügelflattern und weitaufgerissenem Schnabel
lässt es sich das gefallen. Doch einige Zeit später kommen die
Eltern und füttern die flüggen Kleinen. Nach einigen Stunden
gelingt es ihnen, auf den hohen Eternittopf zu springen und von dort aus
auf die unterste Balkonbrüstung. Bis in den Nachmittag hinein sitzen
sie dort und staunen in die Ferne. Und dann wurden sie nicht mehr
gesehen.... Hoffentlich geht es ihnen gut in der freien Natur!
13.
Mai
Morgens
um 6.30 Uhr ist das dritte Junge bereits nicht mehr im Nest. Um 7 Uhr ertönt
das laute Warngeschrei der Amselmutter. Sie sitzt mit vollem Schnabel auf
dem Mauervorsprung der Attikawohnung.
Und
plötzlich kommt sie im Steilflug zum Nest, füttert die zwei Nesthocker
mit Würmern und setzt sich anschliessend auf die oberste Balkonbrüstung.
Dort gibt sie ganz eigenartige Töne - weder Angst- noch Schimpflaute
- von sich. Und immer wieder dreht sie sich in Richtung Nest, als führte
sie ein Zwiegespräch mit den zwei Jungen. Es war wie eine Aufforderung:
Kommt jetzt, es ist Zeit. - Tatsächlich, das eine fliegt plötzlich
vom Nest direkt über das Balkongeländer in die Tiefe und das
zweite macht auf dem Blumenkistli eine Zwischenlandung. Einige Minuten
später startet auch dieses zum Flug in Gottes freie Natur. -
Später, als wir das Gezeter der Amseleltern wieder hörten, konnten
wir beobachten, wie diese eine Elster, die am Boden umherstolzierte und
vermutlich ein Auge auf die Jungen geworfen hatte, verscheuchten.
- So ist eben das Leben in der Natur.
|