Schulhaus Rotacker Liestal, CH

 

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MEDIUM COMIC ODER 9. KUNST ?

(von Thomas Wilde)

Erst seit zwei Jahrzehnten wird der Comic in den Medien wahrgenommen.

In den Jahrzehnten vorher wurde er entweder in die Kinder-, Schund- oder, seit Ende der sechziger Jahre, in die Alternativschublade gesteckt. Entscheidend war der Entwicklungsschub, den die <Bandes Dessinées> im francophonen Sprachraum seit Beginn der siebziger Jahre auslösten, indem sie sich an ein erwachsenes Publikum gerichtet hatten.

Mitte der fünziger Jahre begann in den USA das Zeitalter der <Underground Comics>: Billig produziert, rotzfrech und geschmacklos für die damalige Zeit.

In der schweizerdeutschen Kulturlandschaft wurde der Comic im Laufe der achtziger Jahre von einer grösseren Öffentlichkeit entdeckt. Namen wie <Poussin, Derib, Cosey und Ceppi> - alle aus der Westschweiz - ebneten den deutschschweizer Comiczeichnerinnen und -zeich- nern den Weg zum Erfolg,

Wie steht das Comicschaffen heute in der Kultur- landschaft Schweiz da? Buhlte vor zwanzig Jahren der Comic um Anerkennung bei den Kulturredaktionen, Verlegern und Journalisten/-innen, fühlte sich die Leser- schaft wohl in dieser Grauzone zwischen anrüchigem Schund und medialer Kunst. Heute steht den Comic- schaffenden die Kulturseite der nationalen und interna- tionalen Presse zwar offen, doch das Massenpublikum und die Konsumenten bleiben weitgehend aus. Die Ver- teidiger des Comics wollten erreichen, dass die Comics als künstlerischer Ausdruck und eigenständige Kunstform, typisch für das 20. Jahrhundert, anerkannt werden. Diese Bestrebungen haben sich als Falle erwiesen.

War das Medium in früheren Zeiten immer auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet, so sind heute junge und nicht mehr so junge Erwachsene die bevorzugte Ziel- gruppe. Gegenläufige Bewegungen finden wir in den Mangas (japanische Comics).

Beide Bereiche werden von der arrivierten, erwach- senen Comicszene eher abgelehnt. Den Jugendlichen wird dadurch signalisiert, dass diese Bereiche von der Erwachsenenwelt noch nicht vereinnahmt worden sind.

Die vielversprechendsten Neuerungen kommen meist vom eigenen Nachwuchs. Eine Vielzahl von jungen, spontanen und unbelasteten Zeichnerinnen und Zeichnern, Szenaristinnen und Szenaristen haben in den Krisenzeiten der neunziger Jahre begonnen, abseits der grossen Verlage, Arbeiten zu publizieren. Mit einfachsten Mitteln, stilistisch und inhaltlich häufig wirr und chaotisch, hat sich in den meisten europäischen Zentren eine Szene gebildet, die neue, junge Publikumsschichten anzu- sprechen weiss. Mittlerweile sind aus dieser Szene die ersten auch schon bei arrivierten Verlagen gelandet und läuten dort eine neue Aera des Comics ein.

Der Comic hat sich in der Kulturlandschaft definitiv etabliert. Er hat es nicht mehr nötig, sich gegenüber der „richtigen" Malerei zu rechtfertigen oder sich bei einem bestimmten Zielpublikum anzubiedern. Der qualitativ hochstehende Comic wird immer ein Minderheiten- programm bleiben, obwohl die Möglichkeit besteht, ein grosses Publikum anzusprechen. Die Juwelen gilt es auch in Zukunft zu entdecken.

Die Schule und die Presse haben hier den Kulturauftrag, qualitätsfördernd zu wirken. Die Comicschaffenden selbst sind angehalten mit dem nötigen Selbst- bewusstsein aufzutreten, die Medien für ihre Sache einzunehmen und den direkten Kontakt zu ihrer jetzigen und zukünftigen Klientel, den Kindern und Jugendlichen, zu suchen - was mit dem vorliegenden Kalender auf eindrückliche Weise gezeigt wird. Der Comic ist und bleibt das Medium, das näher bei der Jugend ist als andere, weil die Bildsprache international ist.

Dieser Kalender soll den Jugendlichen (und natürlich auch den Erwachsenen) signalisieren: WERDE SELBER AKTIV. Die Geschichten sind da, du brauchst sie nur noch zu zeichnen.

 

Thomas Wilde, Ulmenstrasse 6, 4142 Münchenstein

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