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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 24: Vortrag ohne Werner
29. Juni

Es war Vortragssamstag. Eigentlich wäre das wieder Werners Vortrag gewesen. Diesmal jedoch musste eine andere Person einspringen.

Das Duschen war mir zu gefährlich und ich animierte ihn dazu, sich auf dem Bett sitzend zu waschen. Ich half ihm dabei, den Oberkörper zu waschen und zu rasieren. Auch sein Gebiss musste ich reinigen und ihm helfen, es zu befestigen. Das Problem war die Intimpflege. Meine Hilfe wollte er nicht annehmen. Spitex wollte er auch keine.  Später betonte er mehrfach, er hätte sich unten gewaschen.

Werner wollte nicht beim Anlass dabei sein. Er wollte niemandem begegnen. „Was soll ich dann sagen, wenn sie mich fragen.“ Er meinte wohl, wenn sie ihn fragen, warum er keinen Vortrag halte.

Zwei Personen fragten mich, ob sie ihn besuchen könnten. Ich entgegnete, dass er zwar niemanden sehen wolle, doch ich könne ja mal fragen. Als ich Werner, der im Bett lag, darauf ansprach, meinte er ganz erstaunt ob meiner Frage:

„Natürlich können sie mich besuchen.“

Der erste Besucher sprach nur englisch und sehr viel und schnell. Ich war skeptisch, ob Werner das alles verstand. Die zweite Besucherin sprach mit ihm über eine Radiosendung, die einen Bericht über unsere Gemeinschaft brachte.  Alles, was ich Werner nicht erzählt hatte, um ihn nicht zu verwirren. Er wurde nämlich noch im März, bevor er erkrankte, vom Radio interviewt. Ich hatte ihm schon kurz erzählt, dass dieser Bericht nun im Radio gesendet worden sei. Doch Werner hatte kein Interesse gezeigt. Ich dachte, dass er die Sendung nicht mehr anhören konnte, weil es zu viele Informationen wären, die ihn überfordert hätten. Die Besucherin hatte ihn schon länger nicht mehr gesehen und konnte seinen Zustand nicht erkennen. Werner gab sich auch alle Mühe, den Schein zu wahren, dass es ihm gut gehe.

Das Resultat war später am Abend sichtbar. Er war total verwirrt:

„ Ich höre zwei verschiedene Programme in den Ohren. Auf welches soll ich hören?“

Beim Essen hatte er Probleme mit dem Besteck. Er sagte:

„Komisch, vorher habe ich rechts mit links verwechselt und jetzt links mit rechts.“